Kenneth hatte fieberhaft auf den ersten Zahltag gewartet. Nicht weil er das Geld unbedingt gebraucht hätte, da er ohnehin keine sozialen Verpflichtungen wie Freunde oder dergleichen hatte. Doch es hatte ihn die ganzen Tage gegrämt, dass er Dionysos’ Bilderrahmen zerschlagen hatte. Auch wenn der Vampir gesagt hatte, dass es egal sei, wollte der platinblonde Mann ihm diesen Gegenstand unbedingt ersetzen. Ken mochte es nicht, in jemandes Schuld zu stehen und da er das bei seinem Boss ohnehin schon tat wegen all der Dinge, die der für ihn getan hatte, wollte er wenigstens einen kleinen Teil abtragen. Der junge Mann hatte, seit ihm das Missgeschick passiert war, das Bild nicht mehr gesehen. Dionysos hatte es offenbar weggelegt, da er keinen anderen Rahmen hatte. Und offenbar hatte dem Vampir auch der Elan gefehlt, selbst einen Ersatz zu besorgen. Kenneth wollte aber, dass der Unsterbliche die Fotografie seines Liebsten wieder aufstellen konnte, denn das furchtbare Gefühl, eine geliebte Person nicht mehr sehen zu können, kannte der junge Mann nur zu gut. Er hatte nicht ein einziges Foto seiner Mutter und fürchtete bereits jetzt den Tag, an dem er sich nicht mehr an ihr Gesicht würde erinnern können.
Mit einem kribbeligen Gefühl hielt der junge Mann die Geldscheine in seinen Fingern, während er auf dem Bett in seiner Kammer saß. Dionysos entlohnte seine Angestellten in bar, da die Gebühren für ein Konto auf der Bank für die meisten Menschen zu hoch waren. Zahltag war alle vierzehn Tage, sodass Kenneth nun dreihundert Pfund in den Händen hielt, mehr als er je auf einmal bekommen hatte. Seine früheren Arbeitgeber hatten wöchentlich gezahlt.
Es war Samstag und wie die letzten Wochenenden auch, hatte die Dienerschaft den Nachmittag frei. Ken konnte sogar bis in den Dienstbotenflur den Fernseher hören, den die beiden Mädchen im Salon eingeschaltet hatten. Der große Partyraum war der einzige abgesehen von Dionysos’ Wohnzimmer, der über ein TV-Gerät verfügte. Es stand den Angestellten offen, sich in den freien Stunden dort aufzuhalten und ihn zu benutzen, solange sie hinterher wieder für Ordnung sorgten. Valet war ausgegangen, um Verwandte zu besuchen und Kenneth versuchte noch immer, sich selbst dazu zu bewegen, ein paar Stockwerke nach unten zu fahren, um im Kaufhaus Harrods, das ebenfalls im Belgravia Tower untergebracht war, einen neuen Rahmen für den Vampir zu kaufen. Ken hatte zwar versprochen, Ersatz zu leisten, doch er konnte nicht verhindern, dass es sich komisch anfühlte, als würde er seinem Boss ein Geschenk machen. Allerdings war es ja keins.
Jenna und Betty würden sicher etwas Anstößiges darin sehen und einen weiteren Grund, mit Spitzen nach ihm werfen, wie sie es die ganze Zeit getan hatten. Doch es sollte ihn, Kenneth, nicht kümmern. Die beiden sahen in jedem Wort, das der junge Mann und der Vampir miteinander wechselten, ein Indiz dafür, dass Ken für ihn die Beine breitmachte oder sich Vorteile verschaffte. Seine für ihn ganz normale Arbeitsmoral war für die Mädchen ein Versuch, sich einzuschleimen und alle anderen schlecht dastehen zu lassen. Bislang hatte er es sich verkniffen zu sagen, dass richtige Arbeit nun einmal so aussah wie das, was er tat und nicht wie das, was die Mädchen vorgaben, zu tun. Er wollte nicht noch mehr Unfrieden stiften.
Ein Ruck ging durch Kenneths Körper und er erhob sich. Wenn er jetzt nicht ging, würde er es gar nicht mehr tun und die Ladenöffnungszeit war bald vorbei. Dann würde er bis nächsten Samstag warten müssen und so lange wollte er das ungute Gefühl, einen persönlichen Gegenstand des Vampirs kaputtgemacht zu haben, nicht mehr mit sich herumtragen. Er musste sich außerdem noch eine Versteckmöglichkeit überlegen, wo er seinen Lohn aufbewahren konnte, um irgendwann seiner Mutter eine richtige Grabstelle kaufen zu können. So wusste er nur, auf welchem Feld unter welcher Nummer sie beerdigt worden war. Eine Umbettung würde sicher einiges kosten.
Er tauschte seine alten Turnschuhe gegen die neuen, die Dionysos ihm hatte besorgen lassen. Ken glaubte zu wissen, dass man ihn in dem Kaufhaus ernster nehmen würde, wenn er ordentliches Schuhwerk tragen würde. Dionysos hatte deswegen mal zu ihm gemeint, dass man den Charakter eines Menschen gut daran einschätzen konnte, was er an den Füßen trug und oberflächliche Leute mochten einen lieber, wenn es italienische Designertreter waren als ausgelatschte Schlappen. Von einem Designer waren die Schuhe von Kenneth zwar nicht, aber sie machten einen seriöseren Eindruck als seine alten Nikes. Zusammen mit der dunklen Hose, die zu seiner Arbeitskleidung gehörte, dem weißen Hemd und der marineblauen Kapuzenjacke sah er fast vornehm aus. Der Anblick im Spiegel war für ihn ungewohnt, aber es gefiel ihm auch. Er nickte sich selbst zu und straffte sich noch einmal.
Es mochte befremdlich wirken, dass ein erwachsener Mann sich selbst Mut machen musste, so etwas Profanes zu tun wie ein Kaufhaus zu besuchen, doch Kenneth hatte dies noch niemals als potentieller Kunde getan. Er wusste nicht einmal, wie er sich zu geben hatte, sondern kannte diese Malls und Shoppingcenter nur von den Lieferanteneingängen, die Lager und die kleinen, viel zu engen Büros, in denen die Abteilungsleiter hockten und Krapfen aßen, wenn es nichts zu tun gab. Aber die weiten Verkaufsräume kannte er nur vom Blick auf die Überwachungsmonitore oder durch den Spalt einer sich öffnenden Tür. Was hätte es gebracht, Harrods oder eines der vielen anderen Kaufhäuser zu betreten, wenn man sich die Waren dort doch nicht hätte leisten können? Als Ken noch in die Schule ging, hatte er seine Arbeitsmaterialien aus dem nächstbesten Supermarkt gekauft, der Schreibwaren im Sortiment hatte. Und obwohl Kenneth wusste, dass Shoppingcenter ganze Abteilungen dafür hatten, hatte er doch nie eine von innen gesehen, denn er konnte sich oft selbst gerade so das leisten, was er wirklich gebraucht hatte.
Auch einen Bilderrahmen hatte er noch nie gekauft. Seine Mutter hatte sie immer selbst gebastelt, aus Draht oder Holzstücken, Pappe, Steinchen. Allem, was sie kriegen konnte. Manchmal hatte sie auch beschädigte Rahmen repariert, die andere zuvor weggeworfen hatten. Das war ihr einziges Hobby gewesen, denn sie hatte sich gewünscht, die Bilder von der Familie auch hinstellen zu können. Es gab nur wenige, denn sie hatten keine eigene Kamera gehabt und auch das Entwickeln kostete schließlich Geld. Diese Fotos waren in der Wohnung verbrannt, zusammen mit allem anderen.
Leise öffnete Kenneth die Tür seines Zimmers, einen Teil des Lohns sorgfältig in der Innentasche der Jacke verstauend. Den Rest hatte er unter seiner Unterwäsche verborgen. Vielleicht konnte er sich eine leere Keks- oder Kaffeedose nehmen, um das Geld darin zu sammeln. Die Behältnisse würden sonst ohnehin nur weggeworfen werden, wenn sie leer waren.
Die Tür zum Salon war nicht geschlossen, sondern nur angelehnt und die beiden Dienstmädchen schienen einen lautstarken Actionfilm anzuschauen, denn das Geballer und Quietschen von Autoreifen war sicher noch bis auf die Galerie zu hören. Dass der Vampir noch nicht ausgerastet war, verwunderte Kenneth immer wieder. Andererseits hatte der junge Mann auch keine Ahnung, was sein Boss oben in seinen Räumen trieb. Seit dem Frühstück hatte ihn niemand mehr gesehen. Vielleicht schlief er, sah ebenfalls fern, verprügelte seinen Sandsack oder lag in der Badewanne. Das Mittagessen hatte der Vampir laut Valet ausgeschlagen, um später zu essen. Es war selbst für Ken zu merken, dass Dionysos oft einen sehr antriebslosen Eindruck machte. Der junge Mann wusste nicht sehr viel darüber, doch Menschen mit Depressionen sprach man solche Stimmungsschwankungen ebenfalls zu. Manchmal wirkte der Vampir gut gelaunt, spazierte durch das Penthouse, wechselte ein paar Worte mit den Angestellten, erschreckte oder rügte sie, lachte sogar mal. Und dann wiederum sah man ihn maximal zu den Mahlzeiten, unwirsch, schlecht gelaunt und sehr kurz angebunden.
Kenneth konnte sich sehr gut vorstellen, dass es irgendwann einfach keinen Spaß mehr machte, zu leben. Dass einem jeder Tag wie der andere vorkam und man nichts mehr mit sich anzufangen wusste.
Dionysos hatte bereits alles, was man sich wünschen konnte. Objektiv betrachtet. Er war reich und lebte sorgenfrei. Doch er hatte selbst gesagt, dass er nicht glücklich war. Vermutlich konnte man nicht unbegrenzt Leid ertragen, ohne irgendwann ausgebrannt zu sein und keine Lust mehr zu haben.
Trotz seiner oft sehr schlechten Stimmung war der Vampir jedoch noch niemals ungerecht geworden. Jedenfalls nicht zu Ken. Vielleicht hatten die Mädchen mit ihrer Lästerei zumindest in diesem einen Punkt Recht. Nämlich, dass Dionysos Kenneth mochte. Womöglich sogar dessen Nähe suchte. Der Unsterbliche wirkte nicht wie ein Plauderer, der Smalltalk mochte, sondern eher wie jemand, der so wenig wie möglich reden wollte. Und doch verwickelte er den jungen Mann jedes Mal, wenn der das Zimmer seines Bosses betrat, für einige Minuten in ein Gespräch.
Ken wusste noch nicht, ob er sich geschmeichelt fühlen sollte oder berührt. Er jedenfalls schätzte Dionysos, auch wenn er ihm manchmal unheimlich war.
Es war schon einige Male geschehen, dass der Unsterbliche unerwartet aus dem Dunkel aufgetaucht war, einfach so, und ihn angestarrt hatte mit diesen finsteren, durchdringenden Augen, die nur zu deutlich machten, dass Vampire Raubtiere waren. Kenneth hatte sich bis jetzt noch jedes Mal deswegen erschrocken, obwohl er gedacht hatte, dass er sich nach fast vier Wochen in diesem Penthouse allmählich an die Präsenz des Mannes gewöhnt hatte.
Es gab in der Wohnung aufgrund der antiken Einrichtung und der eher bescheidenen Beleuchtung, die mehr an Kerzenlicht als an Lampen erinnerte, einfach zu viele Ecken, in die das Licht nur dann vordringen konnte, wenn man die Deckenstrahler eingeschaltete. Doch Dionysos mochte das nicht so gern. Die waren nur als Notbeleuchtung da.
Stattdessen gab es überall Tisch- und Stehlampen, die mit den Lichtschaltern verbunden worden waren, und das Fenster in der Decke der Eingangshalle. Kenneth hatte angefangen, diese altenglische Einrichtung zu lieben. So hatte er es sich vorstellt, wenn er seine Sherlock Holmes-Bücher gelesen hatte. Oben auf der Galerie gab es neben der Suite von Dionysos auch noch zwei Gästezimmer und eine kleine Bibliothek, die auch den Angestellten offenstand. Doch bis auf Valet und Ken nahm die keiner in Anspruch. Die beiden Mädchen waren offensichtlich mehr Fan von Männern mit Muckis und richtig großen Knarren in actiongeladenen Filmen.
Dionysos hatte jedes Mal diebisch, düster, wie ein Raubvogel, gegrinst, wenn er Ken mal wieder erschreckt hatte. Diesem war es unangenehm, das zuzugeben, aber dieses Lächeln konnte einem schon wirklich Angst machen. Er musste sich immer wieder daran erinnern, was der Vampir ihm gesagt, versprochen hatte. Dass er niemandem seiner Angestellten etwas zuleide tun würde. Und wenn seine Geduld bei den Mädchen so engelsgleich war, wie hätte Kenneth ihn dann reizen können, der immer alles daran setzte, seine Arbeit zügig, gewissenhaft und ordentlich zu verrichten, möglichst ohne viel Aufhebens darum oder Krach.
Andererseits, vielleicht war etwas an seinem Blut, was den Vampir dazu trieb, ihm manchmal solche Streiche zu spielen. Ken würde sich jedoch eher die Zunge abbeißen als ihn danach zu fragen. Der junge Mann wollte nicht den Eindruck vermitteln, dass er glaubte, Dionysos könne etwas von ihm wollen. Nein, das war viel zu peinlich!
Kenneth schüttelte den Kopf, um die Gedanken loszuwerden und eilte durch die Halle. Im Vorbeigehen schloss er die Tür zum großen Salon, was den Lärm des Fernsehers sofort um mehr als die Hälfte dämpfte. Die Mädchen mussten bereits taub sein, so laut war es. Er holte den Aufzug hoch, da der schneller war als der Dienstbotenlift, sprang hinein und setzte den Weg nach unten fort. Ein Hauch von Freude erfüllte ihn. Seit er seine Stelle bei Dionysos angetreten hatte, war er nicht mehr groß nach draußen gekommen. Es hatte sich einfach nicht ergeben und da Valet für die wöchentlichen Einkäufe zuständig war, hatte Ken diesem nur geholfen, die gelieferten Waren schließlich ins Penthouse zu schaffen. Frische Luft hatte der junge Mann nur bekommen, wenn er sich jeden Tag für eine halbe Stunde zum Pausemachen auf Dionysos’ kleinen Dachgarten gesetzt hatte. Es hatte ihn überrascht, dass der so urban wirkende Vampir eine Vorliebe für Gärtnerei hatte.
»Ich habe früher mein eigenes Gemüse angebaut«, hatte der ihm auf seine Nachfrage hin erzählt. »Ich hab fast alles, was ich gegessen habe, selbst gezogen oder selbst gejagt.«
Mit einem spöttischen Grinsen ging Kenneth an dem Pförtner vorbei, der zu Anfang so arrogant dem jungen Mann gegenüber gewesen war und nun immer versuchte, freundlich zu grüßen. Der musste eine Heidenangst vor Dionysos haben und meinen, dass man dessen Diener besser zuvorkommend behandeln sollte. Ken war es egal. Er fand den Portier immer noch aufgeblasen.
»Guten Tag, Mr. Graham. Wo soll es denn hingehen?«
»Nach draußen?«
Das aufgesetzte Lächeln des Wachmannes gefror auf dessen Gesicht und Kenneth verließ die Lobby durch die fast lautlos surrenden Automatiktüren. Der Wind schlug ihm entgegen und es war trüb. Der Smog über der Stadt war zum Schneiden dick und als Ken sich über die Brüstung lehnte, um nach unten zu sehen, war es kaum möglich, mehr als fünfzig Meter weit zu schauen. Er spürte ein Kratzen im Hals, weil er genau wusste, wie schlecht die Luft weiter unten war, wenn das Wetter so war wie heute. Er ging die Treppen hinunter zum nächsten Außenaufzug. Fünfundzwanzig Stockwerke musste er absteigen, um in das Kaufhaus zu gelangen und ihm stand bei dem dicken Smog nicht der Sinn danach, zu laufen. Bereits jetzt hatte sich ein Hustenreiz in seinem Hals breitgemacht.
Da Wochenende war, tummelten sich viele Menschen auf den stählernen Brücken, manche gingen noch immer ihrer Arbeit nach und andere flanierten nur herum, plauderten oder genossen es, dass man hier oben freier atmen konnte. Würde Kenneth noch in der Unterstadt leben, würde er genau wie die anderen Lieferanten, Kuriere und Boten zwischen all den Menschen hindurchrennen. Immer darauf bedacht, eine Minute gutzumachen, schnell voranzukommen, den Auftrag zu erledigen, um einen weiteren zu erfüllen, denn je mehr man schaffte, umso mehr gab es zu verdienen.
Aus irgendeinem Grund erfüllte es Ken mit einem Gefühl der Müdigkeit, als er daran zurückdachte. War er nach vier Wochen als Hausdiener bereits so faul geworden, dass der Gedanke, einmal durch den Tower District zu rennen, ihn erschöpfen ließ? Doch er musste zugeben, sein Leben hatte sich tatsächlich etwas bequemer entwickelt. Er mochte es, einen Haushalt zu versorgen, besonders das Kochen, das Valet ihm übertragen hatte. Er hatte nicht weniger zu tun als früher, da Dionysos recht pingelig war. Doch es war andere Arbeit, die weniger auf seine Lungen und seine Muskeln schlug.
Zig Meter weiter unten stieg er aus dem gläsernen Lift und hob den Kopf. Der Himmel und die Spitze des Turms waren nur noch verschwommen auszumachen, er war also voll in den Smog eingetaucht. Kenneth atmete flach, um nicht husten zu müssen und betrat schließlich zum ersten Mal als Kunde das Kaufhaus Harrods.
Der hell erleuchtete Korridor, von dem aus man in unzählige Geschäfte und Abteilungen eintreten konnte, war ähnlich gestaltet wie Dionysos’ Penthouse. Es wirkte antik, obwohl es das nicht war. Die goldenen Muster auf dem glänzenden Marmorfußboden schimmerten und Kenneth fühlte sich überaus eingeschüchtert und erdrückt von alledem. Der Duft von Kaffee und etwas Süßem hing in der Luft und erinnerte den jungen Mann daran, dass diese Kaufhäuser oftmals auch Restaurants und Bistros hatten. Völlig überfordert hatte er keine Ahnung, wohin er sich wenden sollte. In welcher Art Geschäft fand man Bilderrahmen? Kenneth ging durch den recht gut besuchten Korridor und beobachtete die besser betuchten Menschen dabei, wie sie elegant aussehende Mäntel an sich hielten, Schuhe anprobierten, in Büchern schmökerten oder beladen mit Tüten darüber diskutierten, in welches Geschäft sie als Nächstes gehen sollten. Schließlich fand Ken ein Geschäft für Haushalts- und Einrichtungsgegenstände und betrat es. Er saugte alles neugierig in sich auf und obwohl er nicht den Drang hatte, irgendetwas zu kaufen, fand er Gefallen daran, mit den Händen über Handtücher zu streichen, sich Wandbilder anzusehen oder an Raumdüften zu schnuppern. Als er Bilderrahmen fand, war er überrascht. Manche derer waren so bunt und kitschig, dass es ihm fast peinlich war und er sich fragte, wer so etwas wohl kaufte. So etwas wollte er für seinen Boss nicht. Der, den Ken zerbrochen hatte, war schlicht und silbern gewesen, mit einem feinen floralen Ornament in jeweils einer Ecke oben und unten. Er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass sich Dionysos einen herzförmigen Rahmen aus rotem Glas würde hinstellen wollen, selbst wenn darin ein Bild seines Liebsten wäre. Der Vampir würde ihn, Ken, auslachen, wenn er mit so etwas ankäme.
»Kann ich Ihnen behilflich sein?« Eine junge Verkäuferin war neben ihm aufgetaucht. Offenbar hatte er zu lange zu unentschlossen vor dem Regal gestanden.
»Äh ja ... ich suche einen Rahmen. Schlicht, silbern. Sind das hier alle, die Sie haben?«
Die Verkäuferin, zur Freundlichkeit gedrillt, lächelte Ken milde an und nickte. »Wir haben hier eine Auswahl im unteren Preissegment und dort drüben etwas hochwertigere, die ein wenig mehr kosten.« Sie deutete auf eine weitere Vitrine, die Kenneth gar nicht gesehen hatte. All die Reize überforderten seine Augen und sein Hirn. Er nickte dankend und die junge Frau schwirrte zum nächsten Kunden. Ken ließ seinen Blick über die Preisschilder der günstigeren Rahmen gleiten, die von unter zehn bis dreißig Pfund angesetzt waren. Doch da war nicht einer dabei, der ihm gefallen hätte. Sie waren entweder kitschig oder aus billigem Plastik und er würde sich schämen, Dionysos so etwas als Ersatz für seinen alten Rahmen anzubieten. Es blieb Ken wohl nichts übrig, als sein Glück bei den teureren Objekten zu versuchen. Oder in einem anderen Geschäft.
Seufzend wandte er sich der anderen Vitrine zu. Der Spaß an dem Ausflug war ihm bereits vergangen. All diese bunten Farben, das Viele, was es zu sehen gab, hatte ihn müde gemacht.