Elmore Castle zur gleichen Zeit
Ally lief zwischen Küchen- und Wohntrakt geschäftig hin und her, wobei sie in die obere Etage hinaufbrüllte: „Ewan Cameron, wäre es wohl möglich, dass du deinen hochherrschaftlichen Hintern endlich die Treppe hinunterbewegst! Ich muss mit dir reden und das sofort!“
Von ihrem Gebrüll angelockt, erschien der Schlossherr nur Sekunden später - völlig verunsichert - auf der Bildfläche.
„Warum schreist du so herum? Ich sitze nicht auf meinen Ohren. Ist etwas passiert?“
„Jonathan und ich müssen verreisen. Brighid hat angerufen. Henry hatte auf dem Weg zur Arbeit einen Unfall. Irgendein Idiot hat ihm die Vorfahrt genommen und ist frontal in die Fahrerseite seines Audis gekracht.“
„Wie geht es ihm?“
„Den Umständen entsprechend. Er hat ein Schädel-Hirn-Trauma und mehrere Knochenbrüche, die operiert werden müssen. Er wurde mit dem Helikopter ins Royal Infirmary nach Edinburgh geflogen. Brighid will zu ihm, weiß aber nicht, wo sie Jemma und Shawn lassen soll. Zu allem Überfluss hat es im Cottage einen Rohrbruch gegeben. Jonathan ist gerade drüben, um das Rohr notdürftig abzudichten. Was jedoch zum nächsten Problem führt. Liana wird dort drüben nicht bleiben können. Sie muss umziehen. Ich habe bereits eines der Gästezimmer für sie hergerichtet. Jonathan wird gleich einen Teil ihres Gepäcks herüberbringen. Alles andere muss sie holen, wenn sie von ihrem Ausflug zurück ist. Wir wollten nicht in ihren persönlichen Sachen herumwühlen.“
„Verständlich. Aber wie soll das mit uns dreien und ihr funktionieren? Sie hat ohnehin schon viel mehr mitbekommen, als sie sollte. Will Elmore genauer unter die Lupe nehmen und dem Geheimnis auf die Spur kommen, wie sie sagte.“
„Das Mädchen ist nicht nur schön, sondern auch klug. Du solltest mit ihr reden, anstatt gegen sie anzukämpfen. Möglicherweise ist sie ja diejenige, die euch helfen kann.“
„Das sagt sich leicht“, entgegnete Ewan. „Ich glaube kaum, dass sie meine Erklärungen für bare Münze nimmt. Das würde wohl niemand. Dazu ist alles einfach zu unglaubwürdig.“
„Wenn du es nicht versuchst, wirst du es niemals erfahren. Und nun Schluss mit dem Geplauder. Ich habe noch zu tun. Zunächst werde ich das Essen für die nächsten beiden Tage vorkochen. Anschließend muss ich packen. Wir fahren morgen in aller Frühe nach Inverness. Von dort nehmen wir den Flieger nach Edinburgh. Da ich keine Ahnung habe, wann wir zurückkommen, habe ich Violet Carson Bescheid gegeben. Sie wird hier einmal am Tag vorbeischauen und dafür sorgen, dass ihr nicht vom Stängel fallt.“
„In Ordnung. Ich kann an den Gegebenheiten ohnehin nichts ändern. Weißt du, wann Liana zurückkommt?“
„Nein. Tut mir leid. Ich vermute, dass es am Abend der Fall sein wird. Sie hat offensichtlich unser schönes Land für sich entdeckt. In den vergangenen Tagen kam sie immer erst nach Einbruch der Dämmerung zurück.“
„Dann hoffe ich mal, dass sie ihrer Gewohnheit treu bleibt. Bis dahin werde ich mir überlegen, ob und inwieweit wir sie in unser Geheimnis einweihen werden.“
„Tu das, mein Lieber. Sprich mit den anderen. Ihr werdet sicher die richtige Entscheidung treffen.“
Mit diesen Worten kehrte sie Ewan den Rücken zu und ging in die Küche.
„So kann nur jemand reden, der nicht unsere Probleme hat“, murmelte Ewan leise vor sich hin, ehe er in die entgegengesetzte Richtung abdampfte.
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