Liana und Ewan schreckten auf, als jemand lautstark gegen die Tür hämmerte.
Noch immer im Halbschlaf, versuchten beide das penetrante Klopfen zu ignorieren. Doch so einfach war das nicht.
„Ewan? Liana? Seid ihr da drinnen?“, hörten sie eine Stimme, die nur Robert Cameron zugeordnet werden konnte.
Mit einem Ruck – und von einem Moment auf den anderen hellwach – richtete Ewan sich auf, ergriff seine Jeans und zog sich diese über.
„Einen Moment. Ich komme gleich!“, rief er.
An Liana gewandt, meinte er: „Umwickle dich mit dem Plaid. Wir bekommen Besuch.“
Um diesem so schnell wie möglich habhaft zu werden, warf Liana die Bettdecke von sich. Das führte dazu, dass sie für einige Sekunden komplett nackt war.
„Das war keine gute Idee, Mädchen. Wenn du dich weiter in deinem Evaskostüm präsentierst, kann ich für gar nichts mehr noch irgendwelche Garantien übernehmen. Dann ist es mir auch vollkommen egal, ob sich mein Bruder auf der anderen Seite der Tür die Finger wundtrommelt.“
„Ich beeile mich ja schon“, äußerte sie und langte nach dem Plaid, das über der Stuhllehne hing. Keine Sekunde später hatte sie ihre Blöße darin verborgen und harrte der Dinge, die da kommen würden.
Ewan stiefelte zur Zimmertür, öffnete diese und blickte geradewegs in das Gesicht seines Bruders.
Lianas Aufmerksamkeit war unterdessen völlig auf Ewan gerichtet, ein Umstand, der Robert Cameron natürlich in keiner Weise verborgen blieb.
„Liana?“, fragte er, während sein Blick über ihr offenes Haar und die provisorische Bekleidung wanderte.
„Ich…Ich wollte nicht stören…“
„Dafür ist es wohl ein wenig zu spät, kleiner Bruder. Hat es dir endlich einmal die Sprache verschlagen? Was für ein außergewöhnliches Ereignis.“
Mit grinsendem Gesicht kehrte Ewan seinem Bruder den Rücken zu. Er ließ sich neben Liana nieder, wo er seine Finger mit den ihren verschlang.
„Kommt ruhig herein“, sagte sie, nachdem Robert sich gefasst hatte und auch Allans rotblonder Schopf an der Tür aufgetaucht war.
„Es tut mir leid, falls ihr euch Sorgen um mich gemacht habt, aber…“ Sie drückte Ewans Hand, um sich Mut zu machen. „Wisst ihr, Ewan und ich…“
„Wir verstehen. Es sind keine weiteren Erklärungen notwendig“, erwiderte Robert. Allan lächelte wissend.
„Werdet ihr heiraten?“
„An Heirat haben wir ehrlich gesagt noch keinen Gedanken verschwendet“, erwiderte sie. „Zumal es da einige Facetten gibt, die das erschweren dürften.“
„Sobald wie möglich“, fiel ihr Ewan ins Wort und legte ihr einen Arm um die Taille. „Ich wüsste wirklich nicht, was dagegensprechen sollte. Nicht einmal meine Unsterblichkeit sehe ich noch als Problem an.“
Liana schaute in verwundert an.
„Bist du dir sicher?“
Er beantwortete ihre Frage mit einem Kuss.
„Wenn Ewans Unsterblichkeit für dich das einzige Hindernis darstellte, dann sollte wohl alles in Ordnung sein.“
„Wie meinst du das?“
Vollends verwirrt blickte sie in die Runde.
„Sagt bloß, ihr habt es noch nicht bemerkt?“
Robert musste an sich halten, um nicht in lautes Lachen auszubrechen.
„Du sprichst in Rätseln, Bruderherz.“
„Vielleicht werft ihr mal einen Blick hinaus“, meldete sich Allan zu Wort und deutete hinüber zum großen Fenster, dessen Vorhänge zugezogen waren.
Ewan umfasste Lianas Hand, zog sie mit sich und öffnete mit seiner Linken den Store, woraufhin ihn beinahe der Schlag traf.
Auch Liana glaubte ihren Augen nicht trauen zu können.
„Was…? Wieso…?“, murmelte sie vor sich hin, ehe es ihr dämmerte. „Wie spät ist es?“
„Viertel nach zehn“, erhielt sie zur Antwort. „Es ist heller Tag.“
Das war der Zeitpunkt, an dem auch Ewan realisierte, was geschehen sein musste… Nein, was offenkundig geschehen war.
„Sind wir tatsächlich erlöst? Ich kann es kaum glauben.“
Vollkommen verdattert, ob dieser Erkenntnis, sackte er auf dem Stuhl zusammen.
„Das verdanken wir nur Liana. Auch wenn sie sich in Bezug auf des Rätsels Lösung ein klein wenig geirrt hat.“
Augenzwinkernd und lächelnd wandten sich Robert und Allan ab.
„Wir werden uns jetzt verziehen und euch zwei Turteltauben sich selbst überlassen. Bis später.“
Mit diesen Worten schloss Robert die Tür hinter sich.
Liana und Ewan stolperten, ohne einander loszuzulassen, zurück zum Bett.
„Es tut mir wirklich leid, gràidheag (1), doch ich kann einfach nicht von dir lassen.“
Er warf sie auf das Bett und drängte sich gegen sie.
„Die Gelegenheit, ordentlich um deine Hand anzuhalten, wurde durch Robert zunichtegemacht, aber ich hoffe dennoch, dass du keine Einwände gegen eine Heirat vorzubringen hast.“
Liana ließ eine Minute verstreichen, ehe sie ihm eine Antwort gab und während der sie sein Gesicht eingehend betrachtete. Anschließend küsste sie ihn, fuhr mit den Fingern durch sein Haar und presste ihre Hüften gegen ihn.
„Fühlt sich das etwa an, als würde ich Veto einlegen wollen?“
Ewan lächelte.
„Wir werden auf eine Verlobung verzichten. Ich möchte keine einzige Minute mehr ohne dich sein, aber da irgendwo in mir doch noch ein Kavalier der alten Schule schlummert, werden wir gewisse Aktivitäten nunmehr bis nach der Hochzeit aufschieben – auch wenn es schwerfällt.“
„Wenn du es wünschst, mein mittelalterlicher Geliebter. Dann sei es so.“
„Liana“, raunte er an ihrem Ohr, „Sag mir, dass das alles kein Traum ist. Gehörst du wirklich und wahrhaftig mir?“
Sie schlang ihm die Arme um die Mitte.
„Ich habe schon immer dir gehört.“
Und damit war alles gesagt…
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(1) meine Liebste