Es dauerte zwei Tage, bis Briana sie davon überzeugen konnte, Junas Krankenbett zu verlassen und sich hinzulegen. Aileen tat das nicht gerne, ihr Vertrauen in die Dorfbewohner war bis ins tiefste erschüttert worden. Doch so müde wie sie sich fühlte, hätte sie sowieso niemandem eine Hilfe sein können. Also legte sie sich schliesslich auf einer Strohmatratze in einem kleinen Zimmer hin. Die erhoffte Ruhe blieb jedoch aus, Bilder jagten durch ihren Kopf. Bilder von Schwertern, Bilder von Pfeilen und über all dem lag Wolfsgeheul.
Ahnend, dass sie in dieser Nacht keine Ruhe mehr finden würde, erhob sie sich kurze Zeit später wieder und trat zu Briana, die gerade dabei war, eine Suppe zu kochen. Es roch zwar nicht ganz so berauschend wie bei Macey, dennoch gab ihr Magen lautstark zu verstehen, dass er etwas brauchte.
Das Geräusch ihres knurrenden Magens war in der morgendlichen Stille so laut, dass Briana sich mit einem müden Lächeln zu ihr umdrehte. Sie sah in etwa so aus, wie Aileen sich fühlte. Vielleicht sogar noch etwas blasser. «Ist alles in Ordnung?» Gegen Briana hatte sie schliesslich nichts und sie sah wirklich nicht besonders gut aus. Doch Morans Frau wank nur ab. «Mir ist nur etwas übel. Aber das legt sich spätestens in einem halben Jahr.» Sie brauchte ein paar Momente, um zu verstehen, auf was ihr Gegenüber hinauswollte, brachte aber ein ehrliches Lächeln zustande. «Das freut mich für dich. Weiss Moran es schon?» Briana verneinte. «Er hat im Moment ganz andere Sorgen. Die gute Nachricht soll nicht davon überschattet werden.»
«Was für Sorgen denn? Weisst du, woher er Juna kennt?» Das tat sie zweifellos, denn sie gab sich alle Mühe, Aileens Blick auszuweichen.
«Es liegt nicht an mir, darüber zu sprechen. Das ist eine Sache zwischen den beiden und wenn einer von ihnen dir davon erzählen will, werden sie es tun.»
Nach dieser Ansage herrschte Schweigen zwischen ihnen, bis Aileen ihre Mahlzeit beendete und sich wieder zurückzog. Ihr Platz am Krankenbett war jedoch bereits belegt. Da Moran keinerlei Notiz von ihr zu nahm, blieb sie stehen und beobachtete ihn. Er hatte Junas Hand genommen während sein Blick in die Ferne ging, als würde er sich an etwas zurückerinnern.
Lauter als es nötig gewesen wäre liess sie die Tür ins Schloss fallen und Moran zusammenzucken. Sie hatte nicht vor, Brianas Ratschlag zu beachten. «Woher kennst du sie?» Ebenso schnell wie er hochgefahren war, beruhigte er sich auch wieder. «Das soll sie dir selbst erklären, wenn sie möchte.» Aileen trat näher heran und betrachtete Juna, die noch ebenso dalag, wie die Tage zuvor.
«Wie denn?»
«Sie wird wieder aufwachen und dann kannst du sie es fragen. Es steht mir nicht mehr zu, mich in ihr Leben einzumischen.»
«Das hast du bereits getan, als du es gerettet hast. Und ich frage mich noch immer warum.» Er lächelte traurig. «Du klingst schon wie sie. Alles hinterfragen, nichts einfach so hinnehmen. Nicht, dass ich es einem von euch verübeln könnte. Im Gegenteil, eigentlich bewundere ich euch sogar dafür.» Er strich Juna eine Haarsträhne hinters Ohr. «Wenn ich früher damit angefangen hätte, wäre es am letzten Vollmond vielleicht gar nicht soweit gekommen.»
Eine Bewegung liess sie beide die Luft anhalten. Juna regte sich und flackernd öffnete sich das ihr verbliebene Augenlid.