Verblüfft darüber, warum Leightons Mutter ihn rufen würde, wurde Matt klar, dass man ihm wahrscheinlich schon seine Verwirrung ansah. Matt entging es nicht, dass sein Vater, der auf der anderen Seite des Saals saß und sich mit Geraldines Vater unterhielt, sah wie sein Sohn verwirrend ausschaute. Matt versuchte seine Gesichtszüge unter Kontrolle zu bekommen.
"Es tut mir leid, dich so aus heiterem Himmel anzurufen", fuhr Lorelai schnell fort. "Aber ich muss wirklich mit dir reden und das dringend. Wenn es nicht dringend wäre, warum sollte ich dich sonst anrufen?” Kurz hielt die inne um tief Luft zu holen. ”Oder ist es gerade schlecht bei dir?”
Die Ironie, die da hinter steckte, brachte Matt fast zum Lachen. Wären die Dinge anders verlaufen, wäre Lorelei seine Schwiegermutter anstatt jetzt circa fünf tausend Meilen entfernt am Telefon zu sein.
Ihr Tonfall jedoch machte ihn nachdenklich. Es konnte nicht nur die Nervosität sein, mit ihm zu reden. Zum allerersten Mal nach zehn Jahren mit dem ehemaligen Freund ihrer Tochter zu reden konnte wohl kaum der Grund für ihre Nervosität sein. Zumal sich Matt beim besten Willen nicht vorstellen konnte, dass das Lorelei Grimes nervös machte. Er spürte, dass der Grund nicht erfreulich sein würde. Warum nur rief sie ihn an? Ging es um Leighton? Es musste um sie gehen.
“Nein, schon gut. Alles in Ordnung.”
Matt ignorierte den eindringenden Blick seines Vaters. Mittlerweile schaute auch Geraldine zu ihm drüber. Er deutete Colin, Finn und Robert mit dem Kopf an, dass er für das Telefonat raus gehen würde.
“Wichtiges Geschäftsgespräch.”, flüsterte er während er die Hand über das Mikrofon am Telefon hielt.
“Netter Versuch.”, flüsterte Colin zurück.
“Wir haben dich gehört. Hoffentlich ist in Connecticut alles in Ordnung.”, flüsterte Finn.
Robert sah Matt lediglich an.
Matt ignorierte seine besten Freunde und verließ den Saal um in den Hof des Hotels zu gehen.
“Sorry, aber ich bin auf einer Veranstaltung. Ich suche mir nur kurz einen ruhigen Ort.”
Matt entfernte sich weiter von dem Saal, der mit Gästen gefüllt war, um ungestört reden zu können.
Lorelei verstummte und versuchte ihr schluchzen zu unterdrücken, während ihr ein leises “Oh” entglitt.
Das verwirrte Matt noch mehr, denn er hatte Lorelei nur als redselige Frau in Erinnerung gehabt.
“Lorelei?”, sagte er schließlich als er am anderen Ende des Hofes stehen blieb.
“Es tut mir Leid, aber ich wollte dich nicht stören.”
“Mach dir keine Gedanken, es ist nur ein… Geschäftsessen. Also was ist los?”
Doch Lorelei schwieg erneut. Das sie mit Tränen und einem Weinkrampf kämpfte konnte Matt nicht ahnen, aber ihr Schweigen machte ihn nervös. Lorelei atmete schwer und das machte ihn verrückt. Da stimmte etwas ganz und gar nicht. Er spürte wie sich sein Hals zuschnürte.
“Ist Leighton was passiert?”
Bei seiner Frage konnte Lorelei ihr schluchzen nicht mehr unterdrücken. Sie atmete noch schwerer.
“Ja.”, schluchzte sie.
Matt verschlug es den Atem. Er setzte sich auf eine kleine Mauer und fuhr sich mit der freien Hand durch sein blondes Haar.
“Lorelei was ist passiert?”
Immer wieder atmete sie tief ein und aus.
“Lorelei, bitte sag mir was passiert ist!”
“Versprich mir nicht wütend zu werden. Versprich mir ruhig zu bleiben.”, begann sie mit meiner verheulten Stimme.
Matt machte das so verrückt und nervös, dass er unter normalen Umständen laut geworden wäre, aber es verblüffte ihn selbst wie ruhig er war.
“Also schön. Ich verspreche es. Und jetzt sag mir was los ist!”
“Okay…”, begann sie langsam. “Leighton hatte vor ein paar Stunden einen schweren Unfall… sie wird gerade operiert.”, Ihre Stimme brach und sie atmete schwer.
“Was? Wie konnte…? Was?”
Matt löste seine Krawatte und starrte auf den Boden.
“Bitte bleib ruhig.”, schluchzte sie. “Das ist nicht alles.”
“Was kommt noch?”
“Sie hat innere Blutungen, was schon schlimm genug ist. Aber nicht nur für sie…”
Matts Gedanken kreisten umher und er verstand nicht was Lorelei ihm damit sagen wollte.
“Wie? Wie nicht nur für sie? Lorelei sag endlich was los ist!”
“Kannst du dich an das letzte Treffen mit Leighton erinnern? Das wo ihr aus London gekommen seid um sie aufzuheitern?”
Auch wenn Matt nervös und ungeduldig war so musste er leicht schmunzeln bei der Erinnerung.
“Ja, zu gut.”
“Versprich mir ruhig zu bleiben und nicht böse oder wütend zu werden.”
Lorelei schien das extrem wichtig zu sein und auch wenn Matt es schon mehrmals versprochen hatte, tat er dies erneut.
“Versprochen.”
“Die Ärzte holen gerade ihr Baby auf die Welt und kümmern sich dann um ihre inneren Blutungen.”
Lorelei verstummte und wartete auf eine Reaktion von Matt. Die Leitung schien tot zu sein, aber dennoch konnte die 48 Jährige die Atmung von Matt hören. Lorelei wischte sich die Tränen von den Wangen und wartete. Doch Matt schien entweder keine Worte zu haben oder aber er versuchte seine Wut zu zügeln.
“Was? Was zum Teufel…”
“Du hast mir versprochen ruhig zu bleiben, Matt. Vor gerade mal zwei Minuten. Hast du das schon vergessen?”
“Wo ist sie? Was für ein Unfall? Und warum hat sie mir nichts von dem Baby erzählt?”
Matt hatte das Gefühl, dass ein Hals zuschwillt. Er bekam kaum noch Luft, was Lorelei deutlich hören konnte. Sein Blick schweifte zu den offenen Türen des Saals während seine Gedanken verwirrt waren. Es war unbegreiflich was Lorelei ihm gerade gesagt hatte.
“Bist du noch da, Matt?”, fragte Lorelei leise.
Matt dachte nach und versuchte seine Gedanken zu sortieren. Das letzte Mal hatte er Leighton vor knapp sieben Monate gesehen. Das passte einfach nicht. Was bedeutete, dass sein Kind zu früh auf die Welt kommt. Als er sich auf das Atmen versuchte zu konzentrieren, merkte er wie seine Atmung wieder zu stocken drohte. Er wusste nicht was er fühlte, aber er wusste, dass es ihm bei weitem nicht gleichgültig war.
Sein Mund öffnete sich und schloss sich direkt wieder. Er räusperte sich und versuchte erneut etwas zu sagen.
“Wo sind sie? In welchem Krankenhaus?”
“In Hartford. Im Hartford Hospital.”
Sein Blick ruhte immer noch auf den offenen Türen. Seine besten Freunde versuchten wahrscheinlich gerade das Essen etwas heraus zu zögern, doch lange würde das nicht mehr gut gehen. Er schaute auf seine Uhr.
“Ich komme sobald ich einen Flug bekomme.”
“Okay…” Lorelei war erleichtert.” Dann sehen wir uns bald.”
“Ja. Ich melde mich, wenn ich da bin.”
Matt beendet das Gespräch und erhob sich langsam von der kleinen Mauer. Langsam machte er sich auf dem Weg zu dem Saal. Immer noch fassungslos schüttelte er den Kopf, während ein halbes Lächeln seine Lippen zierten.