Mitchell schaute auf die Straße nachdem sein Sohn aufgestanden war, um wieder ins Krankenhaus zu gehen. Seine Worten gingen ihm unentwegt durch den Kopf. Er war Großvater geworden. Die Wut, die er bis gerade eben verspürt hatte vermischte sich mit einem Gefühl, welches er nicht beschreiben konnte.
Nach fünf oder zehn Minuten war er dann wieder in der Lage sich zu bewegen. Mit langsamen Schritten ging er zielstrebig zu seinem Wagen, der auf dem Parkplatz hinter der kleinen Mauer, war. Fünf Meter bevor er ihn erreichte öffnete Mitchell diesen und stieg kurz darauf ein.
Er musste den Streit und die Offenbarung erstmal sacken lassen, während der ganzen Autofahrt zurück ins Hotel ging es ihm nicht aus dem Kopf.
Nachdem er das Hotel erreicht hatte, parkte er den Wagen in der Tiefgarage und fuhr direkt mit dem Aufzug in die Etage, in der sich die Suite befand, die er gemietet hatte.
Mit der Schlüsselkarte entsperrte er die Tür, schmiss anschließend die Karte auf den kleinen Tisch neben dem Eingang und ging dann in das Wohnzimmer. Seine Frau war weit und breit nicht zu sehen. In der hinteren Ecke, neben einem der großen Fenstern war eine kleine Bar eingebaut. Mitchell brauchte jetzt erstmal einen Scotch um das zu verarbeiten. Anstatt, wie es sich gehörte, das Glas nur bis maximal zur Hälfte mit der bernsteinfarbenen Flüssigkeit zu füllen, schüttete er es voll.
"Ein Enkel.", sprach er mit sich selbst und trank das halbe Glas.
Mit dem halbvollen Glas setzte er sich auf die dreisitzige rote Couch und wiederholte wieder.
"Ein Enkel."
Und schon hatte er das ganze Glas geleert. Mitchell konnte es immer noch nicht fassen. Wie lange er auf der Couch saß wusste er nicht. Er kehrte erst in die Gegenwart zurück als Linda und seine Tochter Summer die Suite betraten. Die beiden Frauen schien sich amüsiert zu haben. Mitchell schaute sie beides geistesabwesend an.
Linda, seine Frau, trug einen weißen, dicken Bademantel mit dem Namen des Hotels. The Goodwin war eins der besten Hotels in Hartford. Natürlich hätten die Hemingways auch in ihrem Penthouse in New York übernachten können, aber Mitchell wollte nicht jedes Mal eine Stunde bis nach Hartford und wieder zurück fahren. Seine Tochter trug den gleichen Bademantel und als die beiden Frauen in der Suite standen, verstummten Sie sich sofort als sie Mitchell Hemingway sahen. Linda kannten ihren Mann zu gut und wusste das etwas nicht stimmte. Die dreistündige Spa Behandlung, die ihre Tochter und sie gerade genossen hatten, waren für die Katz gewesen.
"Was ist passiert, Mitchell?"
Er schwieg und schüttelte seinen Kopf.
"Dad, jetzt sag schon."
"Hast du mit Matt gesprochen?"
Noch immer sagte Mitchell Hemingway kein Wort. Seine Frau Linda ging zu ihm und setzte sich neben auf die Couch. Ihre rechte Hand legte sie auf seinen Oberschenkel und schaute ihn dabei an. Summer hingegen setzte sich in einen der beiden Sessel und schaute ihn ebenfalls an.
"Matt hat ein weitaus größeres Problem.", sagte er leise.
"Ihr habt euch mal wieder gestritten?", fragte ihn seine Frau.
"Ja, haben wir und er wird nicht zu Geraldine zurück gehen."
"Gott, das arme Mädchen. Es wird ihr das Herz brechen. Sie liebt ihn doch so sehr."
"Mom!"
Sowohl Mitchell als auch Linda schauten ihre Tochter mit großen Augen an. Summer zuckte nur mit den Schultern, denn sie machte sie einen Hehl daraus, dass sie immer auf Matts Seite stand.
"Was guckt ihr beide so entsetzt? Matt hat sie nie so geliebt wie Leighton."
"Summer, das musst du mir und deinem Vater nicht schon wieder unter die Nase reiben."
"Aber es ist die Wahrheit."
"Summer würdest du uns bitte alleine lassen. Deine Mutter und ich müssen miteinander reden wie es nun weiter geht.
"Ich geh dann mal besser. Bis später."
Summer erhob sich aus dem Sessel und verließ die Suite ihrer Eltern. Linda schaute ihrer Tochter noch kurz nach ehe sie den Kopf zu Boden sinken ließ und schon mit dem schlimmsten rechnete.
"Matt ist wegen Leighton hier.", begann Mitchell langsam und ließ dabei seine Frau nicht aus den Augen.
"So wie es scheint, hatten die beiden bis vor sieben Monaten noch Kontakt."
"Er war früher schon verrückt nach ihr. Aber ich dachte es hätte vor zehn Jahren ein Ende gehabt."
Linda teilte nicht unbedingt die Meinung ihres Mannes, aber gegen Mitchell und seinen Dickkopf hatte sie nie eine Chance gehabt. Zumal Linda Hemingway in den letzten Jahren auch zu ihrem Mann hielt. Sie befürwortete die Hochzeit ihres Sohnes, auch wenn er nie das empfunden hatte was er sich gewünscht hatte.
"Das dachte ich auch. Aber unserer Sohn war schon immer gut darin, Dinge vor uns zu verheimlichen."
"Mitch, früher war er jung und hatte seinen Spaß. Ich glaube du tust ihm Unrecht."
"Die Hochzeit wird definitiv nicht stattfinden und wir müssen das wohl mit Geraldine und ihrer Familie besprechen."
"Matt sollte mit ihr reden. Er muss es ihr erklären..."
"Linda, das wird er nicht tun.", unterbrach er seine Frau und seufzte.
Mit seiner linken Hand griff er nach ihrer rechten Hand und schaute ihr dann direkt in die blauen Augen.
"Matt, will mit seinem Leben in London abschließen und ehrlich gesagt, weiß ich nicht was ich davon halten soll."
"Wovon redest du?"
Linda verstand ihren Mann plötzlich nicht mehr. Erst hatte er zugegeben, dass sie sich gestritten hatten und jetzt weiß er nicht, was er davon halten sollte, wenn sein Sohn in den USA bleibt. Leicht kniff sie ihre Augen zusammen und musterte ihren Mann. Irgendwas stimmte hier nicht und Linda war fest entschlossen das heraus zu finden.
"Matt, ist nicht nur wegen Leighton Grimes hier."
Dieser kleine Satz verwirrte seine Frau noch mehr. Sie starrte ihn an und schüttelte leicht ihren Kopf. Mitchell Begriff schnell, dass seine Frau überhaupt nichts mehr verstand.
"Matt, wäre nie hergekommen, wenn es nur um Leighton gegangen wäre. Die Beiden hatten vor sieben Monaten eine Affäre.", gestand er seiner Frau.
Plötzlich weiteten sich die Augen von Linda und sie hielt sich eine Hand vor den Mund. Wollte ihr Mann gerade weiß machen, dass Leighton schwanger war?
"Sie ist schwanger von Matt?", fragte sie leise.
Mitchell schüttelte seinen Kopf.
"Sie war schwanger. Matt hat einen Sohn, der in dem gleichen Krankenhaus liegt wie Leighton."
Linda entriss ihm ihre Hand und stand sofort auf. Sie lief durch das Wohnzimmer der Suite und nuschelte etwas vor sich hin, was Mitchell nicht verstand. Allerdings sagte er erstmal nichts.
"Mitchell... Das... Gott...", stotterte sie und musste nochmal tief durchatmen.
"Woher weißt du, dass es auch wirklich sein Sohn ist?"
Das war eine berechtigte Frage gewesen und diese Frage hätte er Matt auch stellen sollen.
"Linda, das habe ich ihn nicht gefragt."
"Gott, Mitchell."
Seine Frau hatte recht und er hätte seinen Sohn das auch fragen sollen. Aber nach dem hitzigen Gespräch mit seinem Sohn musste er die Tatsache, dass er einen Enkel hatte erstmal verarbeiten. Außerdem hatte Matt ihn auch einfach vor dem Krankenhaus stehen lassen.
"Ja, Linda, ich weiß. Wir werden das noch klären. Versprochen."
Das Ehepaar unterhielt sich darüber wie sie weiter vorgehen wollten. Schließlich gab es jetzt einiges mehr zu regeln als ursprünglich geplant.
Linda und Mitchell arbeiteten an einem Plan bevor sie sich mit ihrer Tochter zum Essen treffen wollten. Entschlossen Summer nichts von ihrem Neffen zu erzählen, machte sich das Ehepaar fertig um Essen zu gehen.
"Am besten ist, dass ich mal wieder den Bösen spiele. Summer kennst das ja von mir.", schlug Mitchell vor.
"Das ist eine gute Idee."
Während Linda mit ihrem Mann sprach bindet sie ihm die Krawatte und als sie fertig war, schlug sie den Kragen um.
"Jetzt siehst du gut aus."
"Dank dir."
Nach über dreißig Jahren Ehe waren sie ein eingespieltes Team gewesen und beide wussten was dem anderen wichtig, auch wenn sie nicht immer einer Meinung waren.