Du siehst dich panisch in dem Gang um, da kommt dir ein Stück Treibgut zur Hilfe. Während die Meerjungfrauen näher schwimmen, greifst du dir den Stock, der so hilfreich an deine linke Seite geklopft hat, und packst ihn fest. Dein Herz schlägt schnell, und du lässt deine Waffe einmal im Handgelenk kreisen, um dich an ihr Gewicht zu gewöhnen. Er ist ein bisschen zu leicht, um dir ein wirklich sicheres Gefühl zu geben.
Schon sind die beiden Mädchen mit Fischschwänzen heran. Ihre Augen huschen zwischen deinem Gesicht und dem Stock hin und her. Du versuchst, möglichst grimmig zu gucken und dir deine Angst nicht anmerken zu lassen.
Aber du leckst dir ganz unbewusst über die Lippen. Es sind zwei gegen einen!
Die Meerjungfrauen scheinen deine Angst zu riechen. Sie lächeln breit - und nicht gerade freundlich. Du bereitest dich auf den ersten Schlag vor, eine Hand gegen die Felsen gestemmt, in der anderen deinen Stock hoch erhoben. Du hast keinen Boden unter den Füßen und somit keinen Halt.
Doch die Meerjungfrauen stürzen nicht auf dich zu. Stattdessen hörst du ein leises Geräusch. Du brauchst einen Moment, um die leisen Töne einer unbekannten Melodie zu erkennen. Ganz automatisch atmest du langsamer und im Rhythmus der Musik. Es ist ein trauriges Lied, dessen Worte du nicht verstehst.
Zu spät merkst du, dass die Klänge aus den halb geschlossenen Mündern der Meerjungfrauen kommen. Da hat sich dein Stock schon ohne dein Zutun gesenkt und du lässt dich entspannt ins Wasser gleiten, die Augen geschlossen. Die Musik füllt dein Innerstes aus und lässt dich in sanften Träumen versinken. Dein Atem wird immer ruhiger. Nur ein winziger Teil deines Bewusstseins schreit panisch auf, als dir Wasser in Mund und Nase dringt.
Doch du kannst dich nicht gegen den Zauber wehren. Während Krämpfe deinen Körper schütteln, während deine Lunge darum kämpft, sich mit Luft zu füllen und du literweise Wasser schluckst, ändert sich das Lied der Meerjungfrauen.
Jetzt singen sie Chopins „Funeral March“ und grinsen dich spöttisch durch die Wasseroberfläche an.
Dann wird dir durch den Sauerstoffmangel schwarz vor Augen.
Du bist tot.
Tot? Das passt mir aber gerade nicht!