~ Du betrittst eine neue Welt. ~
"Atlantis"
Die beiden Meerjungfrauen schwimmen zu deinen Seiten. Ihr taucht immer tiefer, bis du den Druck des Meeres über dir in den Ohren und auf den Augen spüren kannst. Du fragst dich besorgt, wie tief du ohne Schutzkleidung wohl tauchen kannst.
Ihr schwimmt nicht direkt nach unten. Die Mädchen führen dich in großen, flachen Kreisen in die Tiefe, vielleicht, damit sich dein Körper an die Tiefsee gewöhnt.
Du kannst mit dem Röhrchen im Mund nicht reden, doch dafür beginnt die Schwarzhaarige plötzlich, zu plaudern: „Ich heiße übrigens Opal. Und das“, sie deutet auf die Rothaarige, „ist meine Schwester Unakit. Wir sind die Prinzessinnen von Atlantis.“
Das überrascht dich jetzt doch. Ehe du reagieren kannst, schwimmt Unakit zwischen euch. „Musst du alles erzählen, Opal? Das geht doch niemanden von den Zweibeinern was an!“
Opal schiebt ihre Schwester zur Seite und sagt: „Wir wollen doch Hilfe, oder? Warum sollten wir ihm nicht vertrauen?“
„Vielleicht ist es genauso schlimm wie alle anderen!“, schimpft Unakit.
Opal wirft der Rothaarigen einen strengen Blick zu. „Lass uns das später sehen, ja? Es ist in unserer Welt. Sag mal ...“, sie sieht dich plötzlich an, „bist du eigentlich ein Junge oder ein Mädchen?“
Du gestikulierst hilflos die Antwort, doch Opal winkt ab. „Stimmt ja, du kannst ohne Luft nicht sprechen. Ist auch egal. Du willst aber wissen, warum wir dich mitnehmen, oder?“
Du nickst. Das scheinen sie zu verstehen.
„Tja, wir wollen deine Hilfe“, sagt Unakit und verschränkt die Arme vor den Muscheln auf ihrer Brust.
Opal lächelt schwach. „Wir werden angegriffen. Und wir haben gesehen, dass du neugierig und mutig bist. Deshalb hoffen wir, dass du unsere Heimat retten kannst. Wirst du uns helfen?“
Du zuckst zögerlich mit den Schultern. Kommt darauf an, was das Problem ist, denkst du. Während du versuchst, Opal und Unakit irgendwie klar zu machen, warum du nicht einfach zustimmst, taucht ihr immer tiefer. Dann wirst du abgelenkt.
Aus dem Halbdunkel vor dir schält sich eine Form: Eine Kugel, die in eine Spitze ausläuft, wie eine Zwiebel. Jedoch merkst du im Näherschwimmen, dass diese Zwiebel so groß ist wie dein Kopf und aus blassblauem Stein. Am Ende der Kugel ist Metall, das kegelförmig nach unten führt, wo es noch dunkler wird. Langsam verstehst du, dass du die Spitze eines hohen Gebäudes betrachtest.
Du streckt die Hand aus und streichst über den glatten Stein. Opal und Unakit ziehen dich weiter in die Tiefe, jetzt in kleinen Kreisen um den Turm herum. Weitere Türme kommen in Sicht, dann spitze Dächer, mit Edelsteinen und Blattgold verziert. Seetang wuchert in Dachgärten. Kleine Fische verstecken sich im dunklen Gras. Ihr kommt an hohen, schmalen Fenstern vorbei, aus denen Korallen wachsen.
Im ersten Moment erscheinen dir die Gebäude verfallen. Manchmal sind große Lücken in dem Stein, überall wachsen Pflanzen und schwimmen Fische.
Doch du bemerkst Sitzbänke, die in dem Seetang stehen und alte Statuen, die jemand mit viel Mühe von Bewuchs freigehalten hat. Der Bug eines versunkenen Schiffes ist wie ein Balkon an einem der Häuser festgemacht und die Wand davor vermutlich absichtlich zerstört. Je tiefer du kommst, desto eher glaubst du, dass es sich bei der scheinbaren Verwahrlosung wohl eher um einen dir unbekannten Baustil handelt. Nun, hier unten kann man es sich leisten, mal eben die Wände wegzuhauen. Du hast noch nie davon gehört, dass man sich so tief unter Wasser vor Stürmen fürchten müsste. Oder ein Dach gegen Regen bräuchte.
Nachdem du es einmal verstanden hast, bemerkst du auch, dass die Korallen wie Blumen verteilt sind – mal kleine Farbkleckse, woanders wuchern sie wie Wildrosen. Muscheln bewachsen die Häuser und du siehst immer mehr Fische.
Du bemerkst größere Bewegung und siehst weitere Meermenschen, die durch das Zwielicht huschen, beinahe außerhalb deines Sichtfeldes. Plötzlich bist du froh, dass Opal und Unakit bei dir sind. Alleine würde es dir hier schnell unheimlich werde.
Ihr erreicht den Boden, wo Krebse und Rochen vor euren Schatten fliehen. Knapp zwei Meter unter einer Straße aus bunten Steinen schwimmt ihr durch verwirrende Gassen.
Schwimme zu Kapitel 174: