Die beiden Mädchen ziehen dich weiter in die Tiefe. Ihr schwimmt eine Weile durch einen Tunnel im Stein, der tief unter die Insel führt, dann ins offene Meer. Schnell wird das Wasser um dich herum immer dunkler, bis du kaum noch etwas sehen kannst.
Dann erscheinen plötzlich Lichter, leuchtende Punkte in allen Farben. Du kennst den Anblick von Dokumentationen über Tiefseefische, die Räuber mit leuchtenden Farben verwirren. Doch diese Fische sind deutlich größer als die winzigen Garnelen, Krill und Quallen, die du aus dem Fernsehen kennst.
Ein Seepferdchen schwimmt aus der Dunkelheit nach vorne. Doch es ist fast so groß wie ein richtiges Pferd. Auf seinem Rücken, in einem weißen, perlmuttenen Sattel, sitzt ein Meermensch. Dieser hat langes, schwarzes Haar und einen dunkelgrünen Fischschwanz mit orangen Flecken, die ebenfalls leuchten.
Verwirrt siehst du zu Unakit und Opal … auch sie strömen einen sanften Schimmer aus. Doch du erkennst auch schnell Gemeinsamkeiten in den Gesichtern der beiden Prinzessinnen und in dem des Meermenschen vor dir. Es ist fast, als würde dieser Mann die so unterschiedlichen Gesichtszüge der beiden Mädchen in sich vereinen.
Das muss der König der Meermenschen sein, derjenige, den die Menschen
verletzt hatten!
„Das ist der Mensch?“, fragt der König mit donnernder Stimme.
Zu beiden Seiten des Seepferdchens tauchen nun andere Tiere auf. Haie, Rochen, Delfine, alle so groß, dass die Meermenschen auf ihnen reiten können. Die Tiere leuchten, offenbar wurden sie mit glänzender Farbe bemalt. Und unzählige Atlanter sitzen auf den Rücken der Tiere. Doch auch kleinere Fische und Quallen erscheinen jetzt und umringen dich wie winzige Leuchtkugeln.
Unakit und Opal bejahen die Frage des Königs, der dich daraufhin mit unverhohlener Neugier mustert.
„Du hast meinem Volk einen großen Dienst erwiesen, Zweibeiner. Was auch immer du den Forschern gesagt hast, es hat sie dazu bewegt, mit uns zu sprechen, statt uns zu bekriegen.“
Der König schwimmt auf dich zu und legt einen kräftigen Arm um deine Schultern. Dann zieht er dich vor sich auf das Seepferdchen und schnalzt, worauf das Tier vorwärtsschießt.
Nach nur einem kurzen, schnellen Ritt erglüht das Meer vor dir förmlich. Mit offenem Mund erkennst du Atlantis, die unglaubliche Stadt der Meermenschen. Nun leuchtet sie in allen Farben des Regenbogens. Die Trümmer, die du hier letztens gesehen hast, wurden beiseitegeräumt und haben neuen Häusern Platz gemacht. Doch zwischen den bunten Korallen und dem Gewimmel aus Meermenschen und ihren Reittieren erkennst du auch Scheinwerfer, die eindeutig aus Menschenhand gemacht wurden.
Überrasch siehst du dich genauer um. Und bald siehst du kleine U-Boote, die durch die Gassen von Atlantis treiben, und auch andere Menschen wie dich, die kleine Röhrchen im Mund tragen. Genau wie du zuvor können sie nun damit unter Wasser atmen.
Du tastest nach dem seltsamen Kraut, das man dir in den Mund gesteckt hat. Warum hast du eigentlich nicht wieder so ein Rohr bekommen?
Der König bemerkt deine Geste und lächelt. „Du hast ein besonderes Geschenk erhalten. Dieses Kraut wird sich mit der Zeit auflösen und in deinem Rachen und deinen Lungen absetzen.“
Du reißt entgeistert die Augen auf und der König beeilt sich, weiter zu sprechen: „Es wird dir ermöglichen, jederzeit unter Wasser zu atmen und dem Druck in großen Tiefen standzuhalten. Außerdem wird es sich auf deine Stimmbänder legen und es dir ermöglichen, unter Wasser zu kommunizieren. Mit uns, natürlich, aber auch mit den intelligenten Bewohnern der See. Leider dauert es eine ganze Zeit, bis sich diese Wirkung zeigt. Bei dem heutigen Fest wirst du also leider noch nicht sprechen können, aber vielleicht, wenn du eines Tages zurückkehrst. Du bist nun ein offizieller Bewohner von Atlantis, diesen Status habe ich dir hiermit verliehen. Du kannst in unserer Stadt – und überhaupt in unserem Land – ein- und ausgehen, wie es dir beliebt.“
Gegenstand erhalten: Kraut aus Atlantis
Bitte merke dir dein Inventar.
Du bist sprachlos – nicht nur, weil du unter Wasser bist. Ein Atlanter? Du?
„An Land wirst du das Kraut übrigens nicht wahrnehmen“, fährt Opal fort, die nun neben dich schwimmt. Das Gefolge des Königs hat euch endlich eingeholt. „Und leider wird es eine Phase geben, in der du trotz des Krautes ertrinken kannst, deswegen werden wir dich gleich morgen früh wieder nach oben bringen. Du wirst einige Tage warten müssen, bevor du dein Kraut nutzen kannst. Doch heute gibt es ein großes Fest. Du hast Atlantis gerettet und Frieden zwischen Menschen und Meermenschen geschaffen!“
Jetzt entdeckst du auf dem großen Platz in der Mitte von Atlantis riesige Korallentische voller Speisen. Es gibt Algen, Fische und Muscheln, Krabben und Quallen zu essen, sowie seltsame Eintöpfe oder Suppen und eine Art grünliches Brot, das aber sehr süß schmeckt. Während du an der rechten Seite des Königs sitzt und alle um dich herum ausgelassen einem prickelnden, sektähnlichen Getränk aus perlmuttenen Muscheltrinkhörnern zusprechen, entdeckst du auch Speisen von der Oberwelt, sowie einige Wissenschaftler, darunter den weißhaarigen Mister Hollands, dem du damals von Atlantis erzählt hattest. Die Menschen essen sehr vorsichtig, da sie ihre Luftröhrchen nicht verlieren dürfen.
Eines wird dir während dieses Festes klar: Menschen und Wasservolk können endlich Seite an Seite existieren!
Am nächsten Tag, so gegen Mittag, holen Unakit und Opal dich ab, um dich zur Oberfläche zu bringen.
„Denk dran – das Kraut wird sich nun erst einmal zersetzen, ehe es sich in deinem Körper niederlässt, du wirst also für einige Zeit ein ganz normaler Zweibeiner sein“, schärft Unakit dir ein.
Du nickst.
„Und vielen Dank, dass du Atlantis gerettet hast“, sagt Opal.
Beide Mädchen hauchen dir einen Kuss auf die Wange.
„Lebwohl!“, ruft Opal, als du aufsteigst. Du spürst bereits, wie du immer weniger Luft durch das Kraut bekommst.
„Und pass gut auf dich auf.“ Unakit lacht gutmütig.
Deine Lungen brennen, bis du schließlich die Wasseroberfläche durchstößt und nach Luft schnappst.
Doch seltsamerweise bist du nicht mehr an dem Teich, an dem du eben noch warst. Stattdessen treibst du jetzt irgendwo im offenen Meer.
Du hast erneut die Welt gewechselt!
Lies weiter in: „Deine Reise durch Mittelerde“, Kapitel 5. [https://belletristica.com/de/books/14756/chapter/50915]
Anm.: Falls du dich mit dem Herrn der Ringe nicht auskennst, wirst du in „Deine Reise durch Mittelerde“ sehr schnell die Möglichkeit bekommen, in einer anderen Welt weiterzuspielen. Du musst nur die ersten beiden Kapitel überleben.