Ich antwortete ihm und erinnerte ihn an die Babyparty von Cathy und kaum hatte ich die Nachricht abgeschickt, klingelte mein Handy.
Es war Reusi.
„Hallo, Woody. Was gibt es denn? Hast du meine Nachricht gelesen?“, begrüßte ich ihn neckend.
„Klar habe ich, aber sollte die Party nicht erst Ende November sein?“, entgegnete er und ich lachte auf.
„Was bitte ist so lustig, Schmelli?“, ärgerte er mich.
Mit Erfolg versteht sich. Wenn ich einen Spitznamen überhaupt nicht leiden kann, dann ist es Schmelli.
„Manno, Reusi!“, knurrte ich.
Nun knurrte auch er.
„Ist ja schon gut, Kleine. Also was war so lustig?“
„Das du mal wieder nicht aufgepasst hast. Cathy hatte die Party für gestern angekündigt und wenn es spät geworden ist, wird sie Rabea und Roman wohl kaum Mitten in der Nacht losfahren lassen, ohne Frühstück schon gar nicht. Deshalb glaube ich, das Sie in einem Gästezimmer übernachtet haben. Also kein Grund zur Sorge“, versuchte ich ihn zu beruhigen, aber ich spürte sofort das es fehlschlug.
„Woody, bedenke bitte das es fast 5,5 Stunden Fahrt sind von München nach Dortmund. Es sind immerhin rund 630 km. Wenn man bedenkt, das sich auf den Autobahnen sehr gern Staus bilden, dann kann es auch länger dauern und Handyakkus sind irgendwann auch mal leer und so sind sie nicht erreichbar. Übrigens Romans Bruder Marco, du warst schon bei ihm im Krankenhaus, geht es schon deutlich besser. Ich habe einen Physiotherapieplatz für ihn gefunden. Nun soll er darüber nachdenken, ob ich den Platz für ihn fest reservieren und alles mit Doc Braun planen und organisieren soll. Denkst du ich habe alles richtig gemacht oder habe ich ihn unter Druck gesetzt?“, erzählte ich ihm traurig und besorgt, das ich eventuell zu viel Druck gemacht haben könnte.
„Hör zu, Julie. Es ist edel von dir das alles so früh vorzubereiten, aber wenn du willst, besuche ich ihn im Krankenhaus und bespreche alles mit ihm. Bringe in Erfahrung, ob er sich unter Druck gesetzt fühlt. Dann sage ich dir, was du beachten musst. Pass auf, ich möchte dir helfen. Du hast mir schon so oft geholfen, da ist doch nur natürlich das ich jetzt dir helfe. Nimmst du das Angebot an?“, erzählte er mir und klang fragend.
„Ja, Woody. Versprich mir das du ihn nicht aufregst, das kann seine Genesung verlangsamen oder gar im schlimmsten Fall geht es ihm, durch zu viel Stress schlechter. Roman rammt uns beide ungespitzt in den Boden. Du hättest ihn erleben sollen, wie er mit meinem Kollegen Jonathan Sommer umgegangen ist. Roman ließ keinen Zweifel aufkommen, das er seinen kleinen Bruder beschützen wird, komme was da wolle. Jonathan blieb keine andere Wahl als dies zu akzeptieren und zu respektieren. Genau das rate ich dir auch dringend. Du willst Roman nicht im Beschützermodus erleben. Er kann dann wirklich furchteinflößend sein, da er so groß und kräftig ist.“
Woody schluckte laut und er klang sehr nervös.
„Ich verspreche bei meiner Familie und all meinen Besitztümern behutsam mit meinem Namensvetter zu sein. Ich werde ihn nicht anstrengen oder aufregen.“
„Sehr gut und ich nehme dich beim Wort, Woody. Tust du das Gegenteil rede ich nie wieder mit dir und helfe dir nicht mehr, wenn du mich brauchst.“
Woody schluckte erneut lauthals und klang fest als er mir antwortete.
„Versprochen, ich bin vorsichtig.“
Wir verabschiedeten uns und legten auf.
Endlich hatte ich Zeit mein Haus wieder mal auf Hochglanz zu bringen.
Am Nachmittag beschloss ich zu Rabeas Haus zu fahren und nachzugucken, ob sie bereits daheim ist. Damit ich Woody beruhigen kann und ihn informieren könnte, dass es ihr gut geht.
Doch ich ahnte nicht, das ein Geständnis von Rabea wie eine Bombe einschlagen und ich Roman sehr dankbar sein würde. Das bekräftigt meinen Entschluss mich noch einmal bei Roman zu entschuldigen und seinen Geburtstag würdig zu feiern.
Ich traf Marco, Mario, André, Nuri und Marci vor Rabeas Haus. Marci, Nuri und André waren die vernünftigsten von allen. Wir gaben Roman wenigstens eine Chance sich zu beweisen, das er es mit Rabea ernst meint. Dann traf endlich das Auto ein und ich sah das Roman mit Rabea sprach. Sie antwortete ihm und so stieg Roman aus und ging um den Wagen herum, ohne uns zu beachten. Dann öffnete er Rabea die Tür und hielt ihr seine Hand hin. Sie nahm sie und stieg aus. Während Roman den Kofferraum öffnete und das Gepäck herausholte. Sie öffnete die Haustür und ließ uns ins Haus. Aber sie wartete noch auf Roman, ehe sie selbst ins Haus ging.
„Hallo Leute, was macht ihr denn alle hier? Habt ihr mich etwa schon vermisst? Das wäre aber echt nicht nötig gewesen. Kann ich euch was anbieten?", begrüßte Rabea uns und Roman unterdrückte ein Lachen, weil Rabea so absolut cool blieb.
Das verwunderte selbst uns. Marco ergriff als erstes das Wort.
„Ist das dein Scheiß Ernst, Rabea? Wir wollen nichts haben. Du bleibst einfach über Nacht weg, ohne uns zu informieren? Und dann tust du einfach so, als wäre nichts gewesen. Hauptsache, du hattest deinen Spaß mit diesem Player. Da kann dir ja auch egal sein, wenn deine Freunde sich Sorgen um dich machen."
Mit jedem Vorwurf war Marco lauter geworden. Das rief wiederum Roman auf den Plan und er stellte sich schützend vor Rabea. Ich war völlig überrascht von Romans Reaktion.
„Jetzt beruhige dich mal! Es war nicht unsere Schuld...", begann er Rabea zu verteidigen.
Doch Marco unterbrach ihn. Er war total aufgebracht und als auch André, Nuri, Marci und ich ihn um etwas mehr Zurückhaltung baten, flippte er nur noch mehr aus. Selbst Mario war erschrocken darüber. Rabea war die einzige, die sich jetzt an ihn heran traute. Sie bat Roman mit uns in die Küche zu gehen. Damit sie mit Marco alleine reden konnte, der aber noch total geladen war. Roman war sich erst nicht sicher, ob das so eine gute Idee sei, folgte ihrer Bitte aber. Dennoch versuchte er die beiden von der Küche aus im Auge zu behalten. Rabea wusste das zu schätzen.
Wir konnten das Gespräch mit anhören und ich beobachtete Roman ganz genau.
„Marco, ich kann dich doch verstehen. Aber es war keine Absicht. Es war schon spät gewesen und da boten sie uns an, bei ihnen zu übernachten. Wir hatten auch was getrunken, also war das die bessere Wahl. Wir mussten unsere Handys ausstellen und so konnte ich niemanden anrufen. Ich konnte ja auch nicht wissen, dass dich das so aufregt. Früher warst du doch auch nicht so anhänglich. Ist irgendwas passiert?"
Ich sah zwar nicht, was sie taten, doch Roman wirkte angespannt. Ich ging zu ihm und berührte ihn vorsichtig am Arm.
„Roman? Hast du eine Sekunde für mich Zeit?“, fragte ich ihn.
Verblüfft sah Roman mich an und nickte.
„Klar, Doc. Für dich doch immer. Was hast du auf dem Herzen? Ist was mit meinem Bruder?“
Besorgnis lag in seinem Blick.
„Marco geht es überraschend gut. Ich habe einen Physiotherapieplatz für ihn bekommen. Aber Marco muss darüber Nachdenken, ob er mir erlauben möchte, das ich diesen fest für ihn reserviere. Das war aber nicht, das was mir auf dem Herzen lag. Ich wollte mich bei dir entschuldigen.“
Überraschung und Erleichterung lagen in seinem Blick. Ein leichtes Lächeln zuckte um seine Mundwinkel.
„Wofür willst du dich denn entschuldigen?“
„Dafür das ich es dir am Anfang so schwer gemacht habe. Ich mache mir nur Sorgen um Rabea. Habe Angst davor, das ihr das Herz gebrochen wird. Es tut mir Leid, Roman. Ich mache das wieder gut. Nimm dir bitte nichts vor zu deinem Geburtstag. Bitte. Auch für André habe ich was geplant, aber ich muss morgen arbeiten. So kann ich nicht mitfeiern bei Schü. Aber für ihn habe ich schon einen Plan. Ich muss wissen, was du magst und ob du irgendetwas nicht magst oder gar eine Lebensmittelallergie hast!“
„Okay, kein Problem. Ich esse alles und habe keine Allergien. Gut, ich nehme mir nichts vor. Ich habe am 14 November Geburtstag und ich verzeihe dir.“
„Danke schön.“
Vorsichtig umarmte Roman mich zum ersten Mal und ich fand es gut, das er mir verzeiht. Ich fühle mich wirklich sehr erleichtert und bin froh darüber, das er doch ein gutes Herz zu haben scheint.
Wir hörten weiter bei Rabea und Marco zu.
„Vielleicht hast du Recht, dass ich früher nicht so war. Aber da gab es auch keinen Mann neben dir, der dich ganz offensichtlich nur in die Kiste kriegen will. Du glaubst doch nicht ernsthaft, das Bürki mehr als das von dir will?"
Wir konnten hören das Woodys Worte Rabea verletzten. Romans Blick verfinsterte sich zunehmend. Doch ich schaffte es, ihn zurückzuhalten. Ehe er Woody in der Luft zerfetzt.
„Das war gemein, Marco! Du erlaubst dir ein Urteil über Roman und versuchst nicht einmal ihm Zeit zu geben. Ich sage das nur einmal, also hör mir jetzt genau zu. Ihr wisst überhaupt nicht wie falsch ihr Roman beurteilt. Okay, ich habe auch gedacht, er will mich nur flachlegen. Aber ich habe mich geirrt. Genau genommen weiß ich das seit ungefähr sechs Wochen. Da hat er mich gerettet."
Wir standen alle im Übergang von Küche zum Wohnzimmer und wollten alles mitbekommen. Marco hingegen fand nun auch seine Sprache wieder.
„So so, er hat dich gerettet. Was kann er schon groß gemacht haben?"
Ihm war echt nicht zu helfen.
„Ganz einfach, er ist mir zu Hilfe gekommen, als bei mir eingebrochen wurde."
Wir sahen uns geschockt an und hörten weiter zu. Roman spannte sich wieder mehr an und schien bereit zu sein, Rabea zu verteidigen. Das zeigte mir das er diese Entschuldigung mehr als nur verdient hatte und ich beschloss ihm eine Chance zu geben, mir zu beweisen, das er auch mir ein guter Freund sein konnte.
Bevor Marco es irgendwie abtun konnte, redete sie weiter.
„Ohne ihn wäre ich an diesem Abend fast vergewaltigt worden. Außerdem war er seitdem immer für mich da. Akzeptiere es oder lass es!"
Jetzt waren wir alle baff und in Romans Augen glänzten Tränen.
„Es tut mir leid, das wusste ich nicht. Ich liebe dich genauso wie meine Mum, Melanie und Yvonne. Vielleicht war ich eifersüchtig oder neidisch. Ich gelobe Besserung, das verspreche ich dir! Gib mir etwas Zeit, aber ich werde ihn an deiner Seite akzeptieren", sagte er und schien es wirklich ernst zu meinen.
Rabea nickte und drückte ihn. Wir kamen näher und waren total entsetzt über das, was Rabea zugestoßen war.
Ich sagte zu Rabea:
„Du hättest mit uns reden sollen, Süße. Aber egal, ich… wir werden immer für dich da sein. Wir sind deine Zeugen für Marcos Versprechen und schließen uns ihm an."
Rabea war den Tränen nah. Dann drehte ich mich zu Roman um.
„Es tut mir leid, dass ich es dir so schwer gemacht habe. Dein Bruder scheint Recht zu behalten und du bist wirklich ein guter Kerl. Nimmst du meine Entschuldigung an?", entschuldigte ich mich nun offiziell bei Roman und meinte jedes Wort so wie ich gesagt hatte.
Jetzt war Rabea total von den Socken. Roman hatte es voraus geahnt und stützte sie.
Roman antwortete mir offen und vor allem ehrlich:
„Ja, ich nehme sie an. Danke!"
Jetzt entschuldigten sich alle anderen bei Roman und Rabea machte für alle eine heiße Schokolade. Zum ersten Mal waren alle friedlich bei einander. Zwei Stunden später ließen wir Roman und Rabea allein.
Ich hatte Roman noch gebeten gut auf Rabea aufzupassen. Er versprach es mir. Ich bat ihn auch seinen Bruder wieder mal zu Besuchen und ihm zu erzählen, was so alles in seinem Leben passierte.
Auch das wurde mir versprochen.
Ich fuhr nach Hause und bekam es nicht aus dem Kopf, was Rabea passiert war und ich wusste Marci würde alles dafür tun, um meine Sicherheit zu erhöhen und ich behielt Recht. Es gab ja schon eine Alarmanlage in meinem Haus. Diese wurde nun aufgerüstet und verbessert. Ich wusste das Marci dies nur aus Liebe zu mir tat und ich war ihm dafür zu tiefst dankbar.
Grübelnd legte ich mich hin und schlief rasch ein, da ich morgen wieder arbeiten muss.