Ich hatte gestern und vorgestern doch noch arbeiten müssen, was Marco so gar nicht gefiel. Er machte sich Sorgen, das ich zu viel Arbeiten würde und zum Glück war auf unsere Brüder und Freunde Verlass. Sie kümmerten sich rührend um ihn, so das er abgelenkt war.
Immer wenn ich heim kam, wartete Marco schon auf mich und freute sich ehrlich mich zu sehen. Ich kuschelte mich dann in seine Arme und schlief kurz nach der Medikamentengabe ein. Ich lag an seine linke Seite gekuschelt und so hatte ich auch keine Angst, ich könnte ihm weh tun. Morgens wurde ich stets in meinem Bett wach und sah bei Marco nach dem Rechten. Aber er schlief noch und so machte ich uns erst einmal Kaffee und Kakao.
Dieser Duft schien ihn dann doch aus den Federn gelockt zu haben, zu mal wir allein waren. Als er mich erreicht hat, steuert er direkt auf mich zu.
„Guten Morgen, meine Schöne"
Sofort schlich sich ein glückliches Lächeln auf meine Lippen.
„Guten Morgen, Engel."
Sachte drehe ich mich zu ihm um und werde direkt geküsst. Mit viel Gefühl und Leidenschaft. Wir brechen den Kuss und schnappen nach Luft.
„Setz dich, bitte."
Marco sieht mir herausfordernd in die Augen.
„Sonst was?"
„Dann gibt es bis du brav bist, keine Küsse und Schmuseeinheiten mehr", bleibe ich so ernst ich kann und er kauft es mir tatsächlich ab, da sich seine Augen erschrocken weiten.
„Na gut. Dafür bleibst du heute hier und arbeitest nicht schon wieder. Denk an deine Professur Arbeit, Süße. Hast du dich schon erkundigt bei der Uni?"
„Ja. Es ist die Partneruni meiner Berner Universität. So darf ich hier in Dortmund die Vorlesungen besuchen und muss nicht extra nach Bern, was zwar für dich leichter wäre, aber hier kann ich mich um dich kümmern und gleichzeitig auf meine Freunde aufpassen, die sehr Verletzungsanfällig sind. Ich hoffe, du bist deshalb nicht enttäuscht."
„Nein, bin ich nicht. Musst du heute wieder in die Klinik?"
„Nein. Ich habe bis zum 06. Januar Urlaub. Dann arbeite ich 25 Tage und ab dem 01. Februar besuche ich für über ein Jahr die Vorlesungen. Aber ich muss hin und wieder arbeiten, das gehört zu der Professurausbildung dazu. Sonst kann ich meine Prüfungen nicht ablegen", erkläre ich ihm und er nickt verständnisvoll.
„Gut, den Urlaub brauchst du so dringend."
Jetzt bin ich es die nickt und ihm einen Becher mit Kaffee auf den Tisch stellt. Zwei Krücken plus eine Tasse Kaffee, das ist so gut wie unmöglich. Brav setzt Marco sich und ich reiche ihm Dinge an, die er auf dem Tisch verteilt. Schließlich setze ich mich neben ihn, damit er das verletzte Bein hochlegen kann. Vorsichtig strecke ich meine Beine aus und Marco genießt es mit mir allein zu sein.
„Engel, nachher sind Roman, Marcel, und Nuri da. Sie wollen mit dir zocken. Ich setze mich dann in mein Büro und schreibe da weiter."
Marco nickte.
„Okay. Ist gut. Ist dein Büro im Obergeschoss oder hier im Erdgeschoss?"
„Im Obergeschoss. Es steht auch an der Tür."
Erneut nickte er.
„Soll ich meinen Bruder darin einweihen, das wir nun ein Paar sind?", fragte Marco mich sanft.
„Eher sollten wir beide Brüder gleichzeitig informieren, sonst ist Marcel beleidigt. Mein großer Bruder wird dich eh mit Fragen durchlöchern und zu Käse verarbeiten. Er will nur sicher gehen, das ich es bei dir gut habe. Marcel erwartet einer Frau gegenüber absoluten Respekt. Dazu gesellen sich sein Bedürfnis nach Loyalität und Treue. So handhabt er es auch in seiner Ehe. Papa hat ihm das so beigebracht und vorgelebt. Wenn ich Mama und Papa zusammen sehe, geht mir das Herz auf. Sie sind seit 35 Jahren ein Paar und davon sind sie 32 Jahre verheiratet. Meine Eltern sind verliebt wie am ersten Tag. Marcel wünscht sich so sehr, das auch ich so glücklich werde, an der Seite eines Mannes, der mich aufrichtig liebt und so akzeptiert wie ich bin", warnte ich ihn erklärend vor meinem großen Bruder.
„Eines muss ich noch hinzufügen: Ich habe noch einen älteren Bruder. Er heißt Martin und ist 27 Jahre alt. Der ist genauso streng, wie Marcel."
Nun schluckte Marco dann doch leicht nervös. Am frühen Nachmittag sind die Männer, wie angekündigt da, inklusive meines zweiten Bruders Martin und sogar meiner Eltern. Jetzt wurde Marco dann doch richtig nervös. Dies fiel sogar Nuri auf. Meine Mama fragte Marco besorgt, was er denn mit seinem Bein gemacht habe und beförderte ihn liebevoll auf das Sofa. Roman lachte lauthals auf.
„Tja, kleiner Bruder. Sich mit Schmelzer-Damen anzulegen hat keinen Sinn, wie man soeben feststellen konnte. Nun weiß ich auch, woher Julia ihre Konsequenz her hat. Von der werten Frau Mama."
Marco nickte.
„Sieht ganz so aus, Roman. Aber sei froh, das du gesund bist und nicht so ein Pech hattest wie ich!"
Nun lacht sogar mein Papa auf.
„Man sieht sofort das ihr Brüder seid. Abstreiten könnt ihr es definitiv nicht!"
„Stimmt", gibt Roman zu und stellt sich meiner Familie vor.
Im gleichen Atemzug will er auch Marco vorstellen, doch der unterbricht ihn.
„Sorry, Bruderherz. Ich bin schon groß und kann das allein. Schließlich ist nur mein Knie kaputt und nicht mein Kiefer!"
Wir alle lachen schallend auf, als Roman seinem Bruder einen schmollenden Blick zuwirft.
„Ich bin Marco Bürki und 24 Jahre alt. Wie man sieht, bin ich zur Zeit verletzt. Mein Saisonaus. Leider. Aber ihre Tochter hat mich zwei Mal operiert und nun bin ich auf dem Weg der Besserung. Von Beruf bin ich Verteidiger beim BSC Young Boys in der Schweiz."
Man hörte ganz klar, das Schweizerdeutsch heraus, aber er gab sich sehr große Mühe hochdeutsch zu sprechen, damit man ihn versteht und er Roman nicht braucht als Übersetzer.
Mama lobte ihn dafür und stellte sich vor. Genau wie Papa und Martin. Marcel merkte, das Marco mich immer wieder ansah und meinen Blick mit seinen tiefbraunen Augen festhielt.
„Sag mal...", wollte Marcel loslegen, doch Nuri kam ihm zuvor.
„Marco, wie geht es dir gerade und was macht die Narbe?"
„Mir geht es gut, danke, Nuri. Bis jetzt macht die Narbe keine Probleme mehr."
„Stimmt genau. Marco muss jetzt noch zwei Tage das Antibiotika nehmen und dann hat er diese Phase auch überstanden. Bis jetzt ist alles gut. Noch etwa zwei Wochen Gips, dann geht es an den Spezialschuh, den er weitere sechs Wochen tragen muss", erkläre ich Nuri und informiere damit auch Roman über den Stand der Dinge.
Marcel klopfte Marco sanft auf die Schulter.
„Das wird schon, Kleiner. Meine kleine Schwester bekommt dich wieder hin. Nur nicht den Kopf hängen lassen. Aber nun noch mal zu Julie und dir. Was läuft da zwischen Euch?"
Marco schluckte.
„Ich liebe Julia", sagte er ganz schlicht.
Sämtliche Köpfe drehten sich zu ihm um.
„Was? Seit wann schon?", fragte Roman sanft und verblüfft nach.
„Seit ich sie in Bern, während ihres Medizinstudiums, kennengelernt habe. Also schon ziemlich lange", gab er schließlich zu.
Selbst ich war baff.
„So lange schon? Wieso hast du es mir nie erzählt, Engel", fragte ich ganz behutsam nach und setzte mich neben ihn.
„Weil ich Angst hatte, das du mich dann nicht mehr magst und mir die Freundschaft kündigst."
Ich seufzte.
„Herrje Engel. Du kennst mich doch schon so lange, glaubst du echt, ich würde dir deshalb unsere Freundschaft aufkündigen? Niemals. Dafür bist du mir einfach zu sehr ans Herz gewachsen und einfach zu wichtig in meinem Leben. Aber mir geht es genau wie dir, nur mit dem Unterschied, das ich nie wusste, wie ich dir das sagen sollte."
Mama sah mich aufmerksam an.
„Ja, damit hast du dich immer schon schwer getan. Du kannst immer mit mir reden, okay, Schätzchen?"
„Ja, Mama. Danke. Ich müsste nachher mal mit dir reden. Es ist wichtig."
Mama nickte.
„Keine Bange, Engel. Dir erzähle ich es später, wenn wir allein sind. Zuvor brauche ich Mamas Rat, ok?"
Marco nickte sanft und küsste mich einfach so. Alles pfiff und jubelte. Wir lösten uns und ich stand auf um Mama mitzunehmen.
„Jungs, lasst meinen Engel heil", warnte ich alle und Nuri versprach mir Marco zur Seite zu stehen und den Redefluss der anderen ein wenig ein zu bremsen.
Ich dankte ihm und ging, gefolgt von meiner Mutter, in mein Büro.
Mama setzte sich auf die andere Seite meines Schreibtisches und sah mich aufmerksam an.
„Seit wann bist du mit Marco zusammen?", wollte sie wissen.
„Seit dem 26. November 2017. Also noch nicht sehr lange. Es sind jetzt gerade einmal 2 Tage."
„Okay. Aber wie hat er es geschafft, das du dich plötzlich für junge Männer interessierst? Deine Brüder, Papa und ich sind ja oft genug gescheitert."
„Naja, Ich mochte ihn von Anfang an, Mama. Aber als er dann zu uns in die Klinik gebracht wurde, bewusstlos und an ein Beatmungsgerät angeschlossen, da knallte etwas in meinem Kopf durch. Ich bekam Herzklopfen. Weiche Knie und feuchte Hände…"
Ich erzählte ihr alles und sie riet mir dringend dazu, ihm all das auch zu erzählen. Ihm zu sagen, das er der erste Mann überhaupt ist, der mich je geküsst hatte und das ich noch Jungfrau bin. Ich versprach es und sie ließ mich allein.
Ich arbeitete noch etwa vier Stunden weiter und Marcel klopfte an meinem Büro. Ich bat ihn herein und er teilte mir mit, das alle müde seien und nach Hause gehen würden.
„Ist gut. Bin gleich da."
Brav nickte Marcel und ging zu den anderen zurück. Nur Minuten später hatte ich den Laptop sorgfältig heruntergefahren, das Licht im Büro gelöscht und war zu den anderen gegangen.
Marco war noch vollständig und strahlte mir entgegen. Sofort musste auch ich breit grinsen. Alle verabschiedeten sich friedlich von uns und gingen. Ich schloss hinter ihnen ab und löschte das Licht.
„Puh. Deine Familie ist wirklich neugierig."
„Ja, sind sie. Morgen müssen wir zwei Reden. Ich habe es Mama versprochen."
„Ist gut. Was schlimmes?"
„Nein, ganz und gar nicht. Es sind wichtige Informationen für dich, die brauchst, wenn wir beide wirklich eine Beziehung zueinander aufbauen wollen."
„Alles Klar."
Dann gingen wir nach oben, ich gab Marco noch seine Medizin und küsste ihn zum ersten Mal von mir aus. Danach verschwanden wir in unsere Betten.