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Kapitel 2
Das erste Date
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Aufgeregt trete ich in Ilarias Wohnhaus ein. Der helle, elegante Eingangsbereich ist in schlichtem Schwarz und Grautönen gehalten. Für etwas Farbe sorgen große Topfpflanzen. Ich bin mir nicht sicher, ob sie echt oder künstlich sind, doch das tut eigentlich nichts zur Sache. Nach einem tiefen Atemzug trete ich zur linken Tür im Erdgeschoß. Ich bin bereits am Fenster vorbei gegangen und konnte Ilaria entdecken. Sie konnte mich jedoch nicht sehen. Wahrscheinlich wäre es für sie ohnehin seltsam gewesen, zu sehen, dass ich von der Straße aus in ihre Wohnung blicke. Wenn sie mich für einen Stalker halten würde, wäre das Date vorbei, bevor es überhaupt begonnen hat.
Für einen kurzen Moment bin ich überfordert, da ich keine Hand frei habe, um zu klopfen. Mit der Stirn gegen Ilarias Tür zu hämmern oder dagegen zu treten kommt jedoch nicht in Frage. Ein wenig umständlich klopfe ich mit der Hand, in der ich einen kleinen Blumenstrauß halte, bedacht darauf, die einzelne rosa Rose nicht zu zerdrücken oder abzuknicken. Von Blumen habe ich keine Ahnung. Die Beratung hat eine freundliche Floristin übernommen. Zu der Rose hat sie noch ein wenig Unkraut gesteckt und sie dann zusammengebunden. Sieht ganz nett aus. Hoffentlich mag Ilaria Blumen. Wenn nicht, habe ich noch einen Plan B in meiner zweiten Hand.
Ich klopfe ein weiteres Mal. Auf der anderen Seite der Tür höre ich Schritte, Ilaria trägt wohl Schuhe mit Absätzen. Ihre Schritte werden schneller. Sie öffnet die Tür. Mir bleibt fast die Luft weg, als ich ihr Lächeln sehe.
„Killian!“, begrüßt sie mich freudig.
„Hier, für dich“, entgegne ich nervös und halte ihr die Rose in dem Unkrautstrauß entgegen. Ilarias Augen leuchten förmlich auf, als sie die Blumen erblickt.
„Du bringst mir Blumen? Beim ersten Date?“, fragt sie gerührt. Sie legt beide Hände an ihr Dekolleté. „Du bist wohl wirklich einer der letzten überlebenden Romantiker auf dieser Welt.“ Ilaria nimmt die Blumen an und lächelt breit, außerdem schnuppert sie an der Rose.
Ich hebe meine zweite Hand, in der ich einen rosa Karton halte.
„Ich kann sogar noch romantischer werden. Ich habe dir Donuts besorgt.“
Ungläubig sieht Ilaria die Schachtel und dann mich an. Sie lacht und nimmt nun auch sie entgegen. „Dann köderst du Frauen, die dir gefallen, mit Donuts, hm?“ Sie kichert. „Das ist wirklich süß von dir, vielen Dank, Killian. Möchtest du kurz mit reinkommen? Es herrscht noch das Chaos, also sei gewarnt.“
„Gerne“, antworte ich und folge Ilaria ins Innere ihrer Wohnung.
Ilaria umgeht einige Umzugskartons. Ich bleibe im Eingangsbereich stehen und sehe mich kurz um. Meine Aufmerksamkeit liegt aber sofort wieder auf Ilaria.
„Ich stelle die Blumen in eine Vase und dann können wir schon los“, erzählt sie, als sie durch ihre Wohnung stöckelt. Ihr kurzes, verspieltes Kleid macht es mir schwer, nicht auf ihre Beine und ihren Hintern zu sehen. Sie verschwindet um die Ecke und gibt mir nun die Möglichkeit, mich in Ilarias Wohnung umzusehen.
Links neben mir hängt ein Gemälde. Es zeigt Sand, in dem eine Muschel liegt und eine sanfte Welle, die diese Muschel beinahe erreicht. Von Ilarias Wohnung selbst ist nicht besonders viel zu erkennen, denn die Umzugskartons stapeln sich regelrecht im Eingangsbereich. Gegenüber dem Bild steht eine Kommode, doch auch darauf stehen zwei offene Kartons, sie verdecken den Großteil des Spiegels, der an der Wand hängt. Auf einem der Kartons liegen eine Lederjacke und eine schwarze Tasche.
„Möchtest du noch etwas trinken? Ein Glas Wasser vielleicht?“, fragt Ilaria mich.
„Nein, ich bin zufrieden, danke.“
„Ich bin sofort soweit. Gib mir eine Minute.“ Ilaria kommt wieder auf mich zu, sie greift nach der Lederjacke, schlüpft hinein und zupft dann ihre Haare und ihr Kleid zurecht. Sie greift noch nach ihrer Tasche und sucht dann etwas darin. Geduldig warte ich, bis sie fündig wird. Wir haben alle Zeit der Welt. „Entschuldige, ich bin ein bisschen chaotisch.“ Sie fischt ihren Schlüssel aus ihrer Tasche. Schmunzelnd beobachte ich sie dabei. Ihre Begeisterung über den Fund ist ihr deutlich anzusehen. „Da ist er ja“, freut sie sich.
Wir verlassen ihre Wohnung und Ilaria schließt hinter uns ab. Den Schlüssel lässt sie wieder in ihre Tasche fallen und irgendetwas sagt mir, dass sie später wieder einen Suchmarathon veranstalten muss, um ihn wiederzufinden. Erwartungsvoll sieht sie zu mir auf.
„Und? Wohin gehen wir essen?“, fragt sie mich.
„Oh, äh. Woodhouse Fish. Klingt nicht besonders aufregend, aber das Essen ist köstlich. Wie weit schaffst du es in deinen Schuhen?“
Ilaria sieht an sich hinunter. „Gefallen sie dir nicht?“
„Doch, schon, aber wir sind um die 20 Minuten zu Fuß unterwegs. Wenn du dir andere Schuhe dafür anziehen willst, wäre das die letzte Chance.“
„Ach was“, antwortet Ilaria lässig. Sie winkt ab und hakt sich dann bei mir ein. „Lass uns gehen. Ich freue mich schon den ganzen Tag auf unser Date.“
Zufrieden ziehe ich einen Mundwinkel hoch. Nun ist Ilaria mir so nahe, dass ich ihr blumiges Parfum wahrnehmen kann. Der Duft ist glücklicherweise dezent und keine alles einnehmende Wolke, wie Frauen sie öfter tragen. Ilaria lächelt mich an. Nun sehe ich unserem Date mit viel mehr Zuversicht entgegen. Ihr Blick verrät mir, dass ich ganz umsonst nervös bin. Wenn ich mich bei unserem Essen nicht dumm anstelle, kann ich den heutigen Abend nicht ruinieren.
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Wir haben einen schönen, ruhigen Platz in einer Ecke und studieren die Karte. Eigentlich weiß ich schon, dass ich mich für die Fisch-Tacos entscheiden werde, dennoch bleibt mein Blick auf die überschaubare Speisekarte gerichtet. Ich möchte nicht, dass Ilaria sich gestresst fühlt. Sie soll sich in Ruhe für ein Gericht entscheiden.
„Das klingt alles so köstlich“, schwärmt Ilaria leise. „Magst du Austern?“
„Ja, die sind hier ziemlich gut, damit machst du nichts falsch.“
„Dann bestelle ich uns ein halbes Dutzend. Oh, Clam Chowder klingt aber auch köstlich.“ Sie tippt überlegend mit Zeigefinger und Mittelfinger auf der Karte herum, ehe sie mich ansieht. „Ist die Sauce zu den Crab Cakes sehr scharf?“
Ich kratze mich am Kopf, ehe ich ihr antworte: „Meiner Meinung nach nicht, aber wenn du scharfes Essen überhaupt nicht verträgst, lass die Finger davon. Entweder du suchst dir etwas Anderes aus oder du bestellst eine andere Sauce.“
Sie senkt ihren Blick. „Nein, ich halte nichts von Extrawünschen“, lehnt sie ab, ehe sie seufzt und wieder von der Karte aufsieht. „Killian?“
„Hm?“
„Ich fürchte, dass ich alles bestellen muss. Das klingt alles ausgesprochen köstlich.“
Ilaria bringt mich zum Schmunzeln. „Fang doch mit einem Gericht an. Wir kommen öfter hier her, wenn du mich nach dem heutigen Abend noch magst.“
„Bis jetzt kann ich mich nicht beschweren“, antwortet sie lächelnd. „Ganz im Gegenteil.“ Sie sieht mir in die Augen, lässt ihren Zeigefinger über die Karte kreisen und deutet dann wahllos auf ein Gericht. Diese Methode zu wählen, um sich für etwas zu entscheiden, ist mir bei einem Date noch nie untergekommen. Überrascht sieht sie auf ihre Wahl und spricht: „Ich denke, dass ich die Fisch-Tacos nehme.“
„Die sind auch scharf.“ Ilaria zieht eine Schmolllippe. Dass ihr Plan fehlgeschlagen ist, bringt mich zum Grinsen. Sie sieht niedlich aus, wenn sie ihre Unterlippe vorschiebt. „Weißt du was, Ilaria? Ich halte etwas von Extrawünschen. Ich bestelle dir eine milde Sauce zu deinen Tacos, okay?“
Sie wirkt erst überrascht, doch dann lächelt sie. „Das ist lieb, danke.“
„Gerne. Bevor der Kellner zurückkommt, muss ich dir etwas sagen. Frauen erwarten oft, dass man ein Date mit einem Drink beginnt.“ Ich räuspere mich. „Darauf möchte ich aber lieber verzichten, ich trinke nämlich keinen Alkohol mehr.“ Ich mache eine ausladende Handgeste, weil ich nicht recht weiß, was ich genau sagen soll.
Ilaria scheint sich daran nicht zu stören. „Das ist in Ordnung für mich. Man muss nicht immer zu einem Drink greifen. Es ist mir ohnehin lieber, wenn wir uns nüchtern unterhalten.“ Mit einem Nicken stimme ich ihr zu.
Als der Kellner kommt, bestellen wir. Ilarias Bestellung macht mir ein wenig Sorgen. Abgesehen von ihrer Hauptspeise möchte sie zwei Vorspeisen und dazu noch Knoblauchbrot. In meinem Kopf rechne ich bereits die Beträge zusammen. Ich werde heute wohl um 100 Dollar erleichtert.
„Wie lange bist du denn schon trocken, Killian?“, fragt Ilaria mich, als der Kellner wieder außer Hörweite ist. „Wenn du nicht über dieses Thema reden willst, ist das auch in Ordnung.“
Ich reibe mir den Nacken. Ilaria lehnt sich interessiert nach vorne, wie sie es bereits in dem Coffeeshop getan hat. Auch dieses Kleid lädt dazu ein, einen Blick zu riskieren, doch ich versuche, mich auf ihr Gesicht zu konzentrieren. „Seit ungefähr sieben Jahren. Es ist nicht so, dass ich direkt ein Problem mit Alkohol hatte, aber er hat nicht die besten Seiten in mir hervorgebracht, wenn du verstehst, was ich meine.“
„Dann macht dich der Alkohol aggressiv?“, fragt sie nach, worauf ich nicke.
„Ich bin nicht stolz darauf, dass ich öfter die Fassung verloren habe, aber ich habe an mir gearbeitet und mich gebessert“, antworte ich ihr ehrlich. „Mein Wille ist stark, du musst dir deswegen also keine Sorgen machen. Mir wird nach jedem Auftritt Alkohol angeboten, aber ich bleibe bei Red Bull.“
„Du kannst stolz auf dich sein“, meint Ilaria eindringlich. Ich zucke mit den Schultern. „Nein, ehrlich. Seine Fehler selbst zu erkennen und dann an sich zu arbeiten, ist eine wunderbare Eigenschaft.“
„Kann schon sein.“
Ilaria stützt ihr Kinn auf ihrer Hand ab, doch dann richtet sie sich wieder auf. Mein Blick fällt sofort auf ihr Dekolleté. Ihre Brüste sind jedoch nicht der einzige Blickfang. Sie trägt eine Kette mit einem großen Muschelanhänger, farblich passend zu ihrem blauen Kleid.
„Deine Kette ist schön.“
„Sie gefällt dir?“, fragt sie und legt ihre Hand darauf. „Sie ist selbst gemacht.“
„Ach, tatsächlich?“, frage ich überrascht nach. „Sieht aus wie ein Designerstück.“
„Du Schmeichler“, gibt sie amüsiert von sich.
Die Vorspeisen kommen recht schnell an unseren Tisch. Wie abgesprochen teilen wir uns die Austern. Als Ilaria einige Löffel ihrer Suppe gegessen hat, schiebt sie mir die Tasse zu.
„Willst du die Hälfte?“, fragt sie mich.
„Bist du schon satt?“, antworte ich mit einer Gegenfrage, doch ich nehme die Tasse natürlich trotzdem an.
„Nein, aber wenn ich das jetzt aufesse, passen keine Tacos mehr in mein Bäuchlein.“
„Dein Bäuchlein“, wiederhole ich amüsiert. Mit einer Serviette wische ich grob über den Löffel und esse Ilarias Suppe. „Wird das jetzt unser Ding? Du missbrauchst mich als deinen persönlichen Müllschlucker?“
Ilaria lacht laut auf, sie hält sich jedoch schnell die Hand vor den Mund, als die zwei Männer neben uns zu unserem Tisch sehen. Sie kichert, nimmt ihre Hand dann aber wieder hinunter. „Müllschlucker klingt so abwertend.“ Ihre andere Hand findet ihren Weg an meinen Unterarm. Ich werde sanft gestreichelt. Körperkontakt scheint sie überhaupt nicht zu stören, wenn sie jemanden sympathisch findet. „Ich werfe Essen ungerne weg. Es wäre schade, einen perfekten Apple Pie oder eine köstliche Suppe wegzuwerfen, findest du nicht?“
Ich schnaube. „Nein, du hast schon recht. Ist auch nichts Schlechtes, dein Müllschlucker zu sein. Ich liebe gutes Essen.“
„Ich verspreche dir, dich nur mit leckerem Müll zu füttern“, meint sie amüsiert. Sie nimmt ihre Hand wieder weg und widmet ihre Aufmerksamkeit den leeren Austern, die auf dem Tablett mit Eis liegen, auf dem sie uns serviert wurden. „Ist es verrückt, dass ich die Muscheln am liebsten klauen würde, um daraus Schmuck zu basteln?“
„Du willst was?“, frage ich überrascht, aber auch belustigt. Nun bringt sie mich zum Lachen. Wer rechnet denn mit so einer Frage?
Ilaria legt ihren Zeigefinger an ihre Lippen. „Nicht so laut, sonst werden die Kellner noch auf mich aufmerksam. Du bist ein schlechter Komplize.“
„Du klaust doch nicht ernsthaft die Muscheln?“
„Findest du nicht auch, dass das ein sehr schönes Bild ist?“, fragt sie mich und deutet auf das Bild eines Strandes, das sich beinahe über die gesamte Seite des Restaurants erstreckt. Wie ein Idiot folge ich mit meinem Blick ihrem Finger zur anderen Seite des Raumes und lasse mich für eine Sekunde ablenken. Ich kann gerade noch sehen, dass Ilaria zwei der Muscheln in einer Serviette gewickelt in ihrer Tasche verschwinden lässt. Hinter einem zuckersüßen Lächeln verbirgt sie ihren frechen Diebstahl.
Amüsiert schüttle ich den Kopf. „Ich sollte wohl anfangen, Geld für deine Kaution zurückzulegen, hm?“
„Bin ich dir zu gefährlich?“, fragt sie neckisch.
„Nein, ich glaube, dass du das Risiko wert bist“, antworte ich schlagfertiger, als ich es vermutet hätte.
„Und dabei kennst du mich kaum.“
„Nun, das können wir ändern.“ Ich schiebe die leer gegessene Tasse zur Seite und wische mir mit der Serviette über den Mund und den Bart. „Ich möchte dich gerne genauer kennenlernen.“
„Dann lass uns den Smalltalk überspringen und die wichtigen Fragen stellen“, schlägt sie vor.
In dem Moment bringt der Kellner unsere Fisch-Tacos und das Knoblauchbrot, außerdem nimmt er gleich das Eistablett und die Tasse mit.
„Oh yes, ich liebe Knoblauchbrot“, freut Ilaria sich und klatscht beinahe geräuschlos in die Hände. Voller Vorfreude greift sie sich eines der kleinen Brötchen und beißt genüsslich hinein.
Ihre beinahe kindliche Freude über so etwas Simples wie Knoblauchbrot, bringt mich zum Nachdenken. Es kommt mir verrückt vor, dass ein so hübsches, lebensfrohes Mädchen jemanden wie mich interessant finden könnte. Was ist, wenn ihr nur ‚der Musiker‘ an mir gefällt? Sobald sie merkt, was für ein langweiliger Kerl ich bin, sägt sie mich bestimmt ab.
Kauend sieht Ilaria mich an. Sie beißt ein weiteres Mal in ihr Knoblauchbrot, ehe sie meinen Arm anstupst. Ihr Blick wirkt fragend, sie sagt jedoch nichts, sondern kaut weiter.
„Ich hätte die Muscheln nicht einstecken dürfen. Das war zu verrückt für ein erstes Date, oder?“, fragt sie verunsichert.
Ich schüttle den Kopf. „Nein, das war irgendwie süß?“ Ahnungslos zucke ich mit den Schultern. „Welche wichtigen Fragen meintest du vorhin?“
„Oh. Ich habe mich gefragt, was dein Ballast ist.“
„Mein Ballast?“, hake ich nach, um sicher zu gehen, dass ich verstehe, was sie genau meint.
„Ja, dein Ballast. Der Alkohol ist wohl ein kleiner Teil davon. Du bist 30 und single. Ich habe mich gefragt, was du sonst noch erlebt hast.“ Sie greift sich einen ihrer Tacos. „Bist du geschieden? Hast du Kinder?“
Ich verneine beides mit einem Kopfschütteln. „Keine Ex-Frau, keine Kinder.“
„Wieso bist du dann single? Du bist nett, du bist witzig und du hast schöne, ehrliche Augen. Irgendetwas muss die Frauen doch verschrecken.“ Sie nimmt einen großen Bissen von ihrem Taco und sieht mich kauend an.
„Die Frauen in meinem Alter wollen Haus und Kinder, ich hingegen versuche verzweifelt mit meiner Musik über die Runden zu kommen. Jemand, der mit viel Glück und wechselnden Nebenjobs die Miete zu einem Studio-Apartment aufbringen kann, eignet sich nicht dafür, Familienvater zu sein.“ Ich greife nach einem Taco. „Abgesehen davon, dass ich das nicht möchte. Kinder haben nie in meinen Lebensplan gepasst. Wenn ich eine Frau kennenlerne, die schon welche hat, nehme ich lieber Abstand, anstatt mich in das Leben eines Kindes zu drängen mit dem Wissen, dass ich ohnehin nicht bleiben will. Je älter man wird, desto schwieriger wird es, eine Frau zu finden, die keine Kinder hat.“
Ilaria nickt. „Ich verstehe.“
„Ist das ein Problem für dich? Willst du Kinder haben?“
Sie runzelt ihre Stirn und beißt dann demonstrativ in ihren Taco. Wahrscheinlich braucht sie einen Moment, um sich zu überlegen, wie sie mir am besten sagt, dass sie sich schon ihr ganzes Leben lang Kinder wünscht. War ja auch zu schön, um wahr zu sein.
„Willst du meinen Ballast hören?“, fragt sie mit vorgehaltener Hand, worauf ich nicke. Sie schluckt ihr Essen und lässt dann ihre Hand sinken. „Erinnerst du dich daran, was ich dir über Männer gesagt habe?“
Ich beiße in meinen Taco und mache mit meiner freien Hand eine vage Handbewegung. Mit meiner Serviette wische ich über meinen Mund. „Um ehrlich zu sein war ich ziemlich müde, es kann sein, dass ich nicht alles im Kopf behalten habe.“
„Ich schätze deine Ehrlichkeit“, meint Ilaria, ehe sie lächelt. Das Lächeln vergeht ihr allerdings schnell wieder. „Mein Ex-Freund Matt. Wir haben uns auf dem College kennengelernt. Er war der Runningback, er war lustig, charmant und er hat mich auf ein Date eingeladen. Wir haben uns kennengelernt, uns verliebt und ich bin nach dem College zu ihm gezogen.“ Während Ilaria erzählt, esse ich weiter. „Anfangs war unsere Beziehung wundervoll. Wir haben uns blendend verstanden und hatten viel Spaß zusammen, aber irgendwann hat das alles nicht mehr funktioniert. Ich habe meinen Job aufgegeben und mich um den Haushalt gekümmert. Dass ich unglücklich und beschäftigungslos zu Hause war, hat mich in eine Depression schlittern lassen. Er hat zwar versucht, mich zu unterstützen, aber ich glaube nicht, dass er verstanden hat, wie schlecht es mir damals ging. Die Kleinigkeiten, wie schmutzige Wäsche, die nie im Wäschekorb gelandet ist, haben mich zu dem Zeitpunkt sehr belastet.“ Ich lege meine Stirn in Falten und nehme noch einen großen Bissen von meinem Taco, bevor ich noch etwas Unverschämtes sage. „Er wollte, dass ich für ihn da bin und ihn mit einem Lächeln auf den Lippen unterstütze. Und das habe ich so gut ich konnte getan. Nach einem gewonnenen Spiel hat er auf dem Feld um meine Hand angehalten.“ Ich höre auf zu kauen und blinzle zweimal. „Und ich habe ja gesagt.“
„Dann bist du verheiratet?“, frage ich verwirrt nach.
Ilaria schüttelt den Kopf. „Ich war so überwältigt. Alle haben gejubelt und geschrien, unzählige Menschen haben diesen Moment mit ihren Smartphones festgehalten. Es wurde im Fernsehen gezeigt. Ich war überfordert.“ Sie lässt ihre Schultern hängen, sieht nach oben und nimmt einen tiefen Atemzug, ehe sie mich wieder ansieht. „Ich war nicht glücklich, Killian. Er hat angefangen davon zu sprechen, dass er mit seiner Footballkarriere genug Geld verdient und ich zu Hause bleiben kann, um zu mich meinen Hobbys zu widmen. Er hat gesagt, dass er Kinder möchte und das am liebsten sofort und nicht nur zwei, sondern mindestens vier.“ Sie schüttelt den Kopf. „Vier Kinder. Kannst du dir das vorstellen? Ich würde also nicht nur hinter ihm hinterherräumen, sondern auch hinter vier Kindern. Abgesehen davon, dass ich den Rest meiner Zwanziger nicht schwanger verbringen möchte. Er hat mich nicht gefragt. Er ist wie selbstverständlich davon ausgegangen, dass ich seine kleine, süße Hausfrau spiele, weil ich ohnehin meinen Job gekündigt habe und zu Hause war. Ich hatte ja die Zeit, weil ich meinen Job gekündigt hatte.“
„Das ist echt hart.“
Ilaria senkt ihren Blick. Sie wirkt sehr betrübt, als sie ihre nächsten Worte spricht: „Nach einem furchtbaren Thanksgiving-Essen stand ich inmitten des Chaos und habe mir meinen Ring angesehen. Der Ring war unglaublich, aber es war nicht das Leben, das ich mir vorgestellt hatte. Ich musste weg, bevor er mich durch Kinder bis ans Ende meines Lebens an sich bindet.“ Nun sieht sie wieder mich an. „Am nächsten Tag habe ich den Ring abgenommen, ihn auf den Couchtisch gelegt und meine Sachen gepackt. Bevor ich verschwunden bin, habe ich ihm noch einen Brief geschrieben und ihn zu dem Ring gelegt.“ Sie zuckt mit den Schultern und lächelt leicht. „Ich habe meinen Verlobten verlassen. Meine Freunde wollten von einem Tag auf den anderen nichts mehr von mir wissen. Wir waren ‚das Traumpaar‘, und plötzlich war es vorbei.“ Mit ihren Fingern formt sie Gänsefüßchen. „Meinen Daddy hat es besonders getroffen. Er hat sich immer sehr gut mit Matt verstanden und wollte ihn unbedingt als Schwiegersohn.“ Sie räuspert sich. „Er war natürlich sofort auf meiner Seite, so wie er es immer war, aber er hat sich lange Vorwürfe gemacht, dass er mir nicht früher geholfen hat. Nach der Trennung hat es nicht lange gedauert, schon wusste jeder, dass ich ihn verlassen hatte. Obwohl ich aus einer Beziehung geflüchtet bin, die mich nicht mehr glücklich gemacht hat, war ich die Böse. Ich war das Miststück, dass Indianas Goldjungen das Herz gebrochen hat. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie viel Hass mir für meine Entscheidung entgegengebracht wurde.“
Ungläubig schüttle ich den Kopf. „Das tut mir leid.“
Sie zuckt mit den Schultern. „Das alles ist nun über ein Jahr her und nachdem ich wieder auf die Beine gekommen bin, brauchte ich einen Neuanfang. Einen großen Neuanfang und deswegen bin ich nach San Francisco gekommen.“
„Dann suchst du jetzt nach etwas Lockerem? Ein paar lässige Dates?“
Sie schüttelt den Kopf. „Nein, ich suche nichts, aber ich habe dich gesehen und du hast mir gefallen. Ich habe mein Glück mit einem Lächeln versucht und du bist an meinen Tisch gekommen.“ Ilaria lächelt, genauso wie sie mich im Coffeeshop angelächelt hat. „Ich hoffe nur, dass mein Ballast dir nicht zu schwer ist. Ich bin zwar neugierig, aber auch vorsichtig, was Beziehungen angeht. Ist das in Ordnung für dich?“
Ich lege meine Hand auf ihre. „Lass uns das alles locker angehen. Wir treffen uns, wir haben Spaß und wir sehen, wohin es führt. Ich stecke dir keinen Ring an den Finger und lasse mich von dir bedienen. Versprochen.“
Ilaria verhakt unsere Finger miteinander. „Das klingt gut.“
„Schaffst du nach den drei Tacos noch ein Dessert?“, frage ich, um das Thema zu wechseln. Ich deute mit dem Kopf zu ihrem Teller.
„Wenn du mir einen Taco abnimmst?“
„Gerne. Die haben hier einen wahnsinns Strawberry Shortcake. Wir könnten uns einen teilen.“
„Das klingt verführerisch. Ich glaube aber, dass ich einen ganzen Shortcake schaffe.“ Ilaria zwinkert mir frech zu, was mich zum Grinsen bringt.
Trotz den ernsten Themen läuft das erste Date besser, als ich es erwartet hätte. Ilaria wird von Minute zu Minute interessanter für mich. Die Mischung aus Ehrlichkeit, Verletzlichkeit, Lebenslust und Neugierde fasziniert mich. Ich kann es kaum erwarten, mehr über diese Frau zu erfahren.