╭─━ · • ✤ • · ━━━━━━━━━━━━━━─╮
Kapitel 26
Ein Care-Paket voller Liebe
╰─━━━━━━━━━━━━━ · • ✤ • · ━─╯
Das Wochenende ist zum Greifen nahe. In einer Stunde kann ich endlich nach Hause gehen. Zusammen mit einer Kollegin fülle ich gerade die Lücken der Regale. Ich bin müde und mein Rücken schmerzt, außerdem würde ich für einen Kaffee töten.
„Und? Was machst du am Wochenende?“, fragt Jasira mich. Sie weiß, dass ich erst wieder am Dienstag arbeiten muss. Sie hat mich gefragt, ob ich morgen ihre Schicht übernehmen kann, doch ich habe abgelehnt.
„Wieso fragst du?“
„Keine Ahnung? Smalltalk?“, antwortet sie und greift zu ihrem Messer, um einen Karton aufzuschneiden. „Du redest nicht so viel, da dachte ich, du bist vielleicht schüchtern und brauchst jemanden, der dich anquatscht und ein paar Fragen stellt, damit du locker wirst.“
Ich schnaube. „Vielleicht bin ich ein bisschen schüchtern.“ Für einen Moment überlege ich, doch dann gebe ich mir einen Ruck. So schnell komme ich aus dieser Hölle nicht wieder heraus, warum also nicht mit den anderen gequälten Seelen anfreunden? „Ich hab' morgen einen Auftritt“, antworte ich ihr schließlich. „Den zu verschieben ist nicht möglich und wenn ich kurzfristig absage, ist das nicht gut für meinen Ruf.“
„Einen Auftritt? Dann bist du Musiker?“, hakt sie nach, ehe sie sich einen kurzen Überblick verschafft und dann einen leeren Karton aus dem Regal zieht und gleich in der Mitte durchschneidet.
„Ja, nur leider bin ich nicht besonders erfolgreich.“ Dose für Dose stelle ich ins Regal. „Sorry, dass ich deine Schicht nicht übernehmen kann. Donnerstag bis Samstag ist das spontan eher schwierig, weil ich jeden Auftritt nehme, den ich kriegen kann.“
„Macht nichts, Rafael hat für mich übernommen. Ist schwer in der Musikbranche, hm?“, hakt Jasira nach.
„Ja, der Traum ist noch nicht ganz begraben, aber man gewöhnt sich an Enttäuschungen. In den letzten Jahren hat sich mehrmals irgendjemand aus der Branche angekündigt, aber meistens bekommt man in letzter Sekunde eine Absage oder es taucht doch niemand auf, um sich die Bands anzusehen. Heutzutage kann man aber zum Glück selbst Musik aufnehmen, man ist also nicht mehr zwingend auf einen Produzenten angewiesen, auch wenn das die Sache leichter machen würde.“
„Was für ein Scheiß. Ich würde es dir oder besser gesagt euch echt gönnen. Kann ich mir deine Musik irgendwo anhören? Spotify vielleicht?“
Ich ziehe einen Mundwinkel hoch. „Klar, wenn du willst. Meine Solo-Musik findest du unter Killian Smith und meine Band heißt Shrimp Attack! Mit einem Ausrufezeichen am Ende.“
„Shrimp Attack?“, fragt sie sichtlich amüsiert, ehe sie lacht.
„Frag nicht, ich habe keine Ahnung, wieso. Die Jungs haben sich den Namen ausgesucht“, antworte ich abwinkend. „Wenn dir die Musik gefällt, kannst du gerne mal bei einem Konzert vorbeischauen. Die Termine auf meinen Seiten sind immer aktuell.“
„Klingt gut.“ Jasira lächelt mich breit an, doch das Lächeln vergeht ihr gleich wieder, als Klemmbrett-Kyle neben uns auftaucht. Seine quietschenden Schuhe verraten ihn schon aus der Ferne.
„Ich höre zu viel Gequatsche und sehe noch zu viele Produkte, die nicht in den Regalen stehen.“
Ich ziehe eine Braue hoch und biete ihm einen Deal an: „Du kannst uns gerne helfen, wenn du denkst, dass wir das nicht alleine schaffen.“
Klemmbrett-Kyle wirkt überrascht, doch dann schüttelt er den Kopf. „Wenn ihr fertig seid, habe ich noch eine Aufgabe für euch. Jasira, dich brauche ich dann in Gang 17 und Killian, in Gang 13 steht noch eine Palette, die zurück ins Lager muss.“ Ich nicke und Jasira widmet sich wieder der Arbeit. Klemmbrett-Kyle stolziert noch durch unseren Gang, um zu prüfen, ob wir auch nicht zu dämlich sind, die Waren an ihren Platz zu stellen, ehe er dann doch endlich wieder verschwindet.
„Gott, ich hasse den Kerl“, murmelt Jasira vor sich hin, als sie eine Dose in das Regal stellt.
„Ja, kaum gibt man Idioten ein Klemmbrett, wächst ihnen ein drittes Ei“, antworte ich, worauf Jasira loslacht. Stolz grinse ich vor mich hin.
„Ich glaube du bist mein neuer Liebling. Du hättest ruhig schon vor Wochen sagen können, dass du lustig bist.“
„Nein, dazu war ich viel zu schüchtern.“
„Tz, wer’s glaubt, Mister Shrimp. So schüchtern kannst du nicht sein, wenn du dich traust, dich auf die Bühne zu stellen und zu singen.“
Ich lache über meinen neuerworbenen Spitznamen. „Mister Shrimp?“
„Gewöhn dich daran, ich verteile gerne Spitznamen“, antwortet Jasira mit einem breiten Grinsen.
· • ✤ • ·
Es ist viel zu spät, als ich auf dem Weg nach Hause bin. Mittlerweile weiß ich nicht mehr, was schlimmer ist. Die Frühschicht ist zum Kotzen, weil ich morgens kaum aus dem Bett komme und die Spätschicht stielt mir wertvolle Zeit mit meiner Prinzessin. Ich tippe eine Nachricht an Ilaria, als ich die Straße entlanggehe. Mein Magen knurrt. Die kleine Benachrichtigung auf meinem Display zeigt mir an, dass ‚Queen_Jasira‘ jetzt mein neuer Follower ist.
Killian: ‚Bist du noch wach?‘
Ich komme kaum dazu, mein Smartphone wieder wegzustecken, schon bekomme ich eine Antwort von Ilaria.
Ilaria: ‚Ja, aber ich bin schon eingekuschelt. Ich habe Indisch bestellt. Sollte noch warm sein, wenn du nach Hause kommst.‘
Killian: ‚Ich beeile mich. Schlaf nicht ein, Prinzessin.‘
Ilaria: ‚Der Fernseher hält mich wach, keine Sorge.‘
Um die letzten wachen Minuten meiner Freundin nicht zu verpassen, beschleunige ich meine Schritte. Die Zeit mit Ilaria ist mir heilig. Sie ist der Höhepunkt meines Tages. Wenig später schließe ich schon die Wohnungstür auf.
„Killian! Hi!“, begrüßt Ilaria mich von der Couch aus. In dem Licht des Fernsehers kann ich erkennen, dass sie ihren Arm in die Luft streckt und mir zuwinkt.
Ich ziehe die Tür hinter mir zu. „Bist du schon zu müde, um mich anzuspringen?“
„Nein, glaube nicht, aber ich bin zu faul zum Aufstehen und es ist gerade so angenehm kuschelig“, antwortet sie mir. „Es wäre aber noch kuscheliger, wenn du bei mir liegen würdest.“
Während ich Ilaria zuhöre, ziehe ich meine Schuhe aus. Sie klingt doch recht müde. Es war gut, dass ich mich beeilt habe. Nachdem ich meine Jacke aufgehängt habe, trete ich ins Wohnzimmer und beuge mich über die Couch, um meiner Prinzessin einen Begrüßungskuss zu geben. Als unsere Lippen sich wieder voneinander lösen, lächelt sie und streichelt meine Wange. „Ich spring' nur eben unter die Dusche, dann bin ich gleich bei dir, ja?“
„Ja, mach dir keinen Stress“, meint Ilaria lächelnd. „Ich warte hier auf dich. Ich verspreche, dass ich viel zu faul bin, um mich zu bewegen.“
Schmunzelnd richte ich mich auf und streiche durch Ilarias Haar. „War eine lange Woche, was?“
„Ja, viel zu lang. Zwei oder drei Tage würden mir vollkommen ausreichen.“ Nach einem letzten Kuss auf ihre Stirn, gehe ich ins Badezimmer, um eine heiße Dusche zu nehmen. Hoffentlich lindert sie meine Rückenschmerzen.
· • ✤ • ·
Aus der Küche hole ich mir meine Portion des bestellten Essens und setze mich zu Ilaria auf die Couch. Im Fernsehen läuft irgendeine Modelsendung.
„Ich hoffe du magst Shrimp Curry.“
„Mhm“, antworte ich mit bereits vollem Mund. Das Essen schmeckt wunderbar, auch wenn es ein wenig schärfer sein könnte.
„Ich habe heute ein Paket von meiner Familie bekommen. Meine Grandma hat ein Kochbuch für mich gemacht. Außerdem hat sie mir eine Box mit verschiedenen Gewürzen geschickt. Die meisten davon kannte ich noch gar nicht. Ich weiß noch nicht, wofür ich was brauchen könnte, aber das finde ich schon irgendwie heraus.“ Kaum hat sie ausgesprochen, nehme ich mir vor, ihr dabei zu helfen. Ich möchte nicht das ahnungslose Opfer ihrer verrückten Experimente werden.
„Klingt doch gut. Hast du sonst noch etwas bekommen?“, frage ich nach und drehe mich nun von den halbnackten Models zu meiner Freundin.
„Ja, eine neue Pfanne, zwei Tassen, ein blaues Kleid, ein Pyjama und das Jahrbuch meines letzten Highschooljahres.“
Ich schnaube. „Dein Jahrbuch? Lass mich raten. Du warst unglaublich beliebt, Cheerleader und Abschlussballkönigin.“
Ilaria kichert. „Weit gefehlt, mein Liebster. In der Highschool war ich flach wie ein Brett, hatte keinen Funken Selbstbewusstsein und war ziemlich unsichtbar. Es war natürlich nicht alles schlimm. Ich hatte ein paar Freunde und auch einen Freund und eigentlich auch recht viel Spaß, aber dass ich mich nie richtig wohlgefühlt habe, hat doch einige Momente überschattet.“
„Zum Beispiel?“
„Es war schrecklich, ein passendes Kleid für den Abschlussball zu finden. Ich habe sogar in einer der Kabinen geweint, weil ich mich so furchtbar hässlich gefühlt habe“, erzählt sie mir. „Für den Ball habe ich meinen BH ausgestopft, damit ich mich weiblicher fühle und nicht so aussehe als wäre ich ein kleines Kind, das das Kleid seiner Mutter geklaut hat. Es ist frustrierend zu sehen, wenn die anderen Mädchen einen größeren Busen bekommen und man mit 17 immer noch aussieht wie ein kleines Kind.“ Ich höre Ilaria aufmerksam zu, während ich weiteresse. „Ich bin erst auf dem College aufgeblüht. Genau genommen nach meiner Operation. Als ich mich endlich in meinem Körper wohlgefühlt habe, hat sich alles gebessert.“
„Du machst mich neugierig. Jetzt will ich wissen, wie du auf der Highschool ausgesehen hast.“
„Wir können uns das Buch morgen ansehen und ich kann dir auch ein paar Fotos zeigen, wenn du willst.“
„Klar“, antworte ich ihr und esse gleich weiter. „Ich bin sicher, dass du ein hübsches Mädchen warst, sonst wärst du jetzt nicht so atemberaubend.“
Ich spüre Ilarias Bein an meinem Rücken, sie streichelt mich mit ihrem Schenkel. „Danke, du bist lieb. Wie geht’s dir? Hattest du einen schönen Tag?“
„War okay“, antworte ich ihr. „Ist übrigens gutes Curry.“
„Ich habe von Namaste SF auf der Lombart Street bestellt. Das Restaurant stand schon seit einigen Wochen auf meiner Liste, aber es hat sich noch nie ergeben. Heute dachte ich mir, dass ich mich für die fast endlose Arbeitswoche belohne.“
„Was hattest du?“
„Fish Curry und Garlic Naan. Super lecker, kann ich nur empfehlen“, antwortet sie mir. „Wie war die Arbeit? War deine Kollegin sauer, weil du ihre Schicht nicht übernehmen konntest?“
Ich ziehe einen Mundwinkel hoch. „Nein, gar nicht.“ Ich sehe erst in meine Takeout-Box und stochere mit meinem Löffel in dem Curry herum, dann blicke ich wieder zu Ilaria. „Wir haben uns sogar angefreundet. Sie hasst Klemmbrett-Kyle mindestens so sehr wie ich, das hat uns gleich eine Grundlage zum Lästern gegeben.“
Ilaria kichert. „Ich habe dir doch gesagt, dass die Zeit in einem miesen Job angenehmer wird, sobald man sich mit jemandem anfreundet und Verbündete findet. Hab' ich’s dir nicht gesagt?“
„Ja, ja, hast du.“
„In Zukunft solltest du gleich auf mich hören, Killian. Freunde in der Arbeit zu haben, hat mir geholfen die Tage zu überstehen, als ich bei McDonalds gearbeitet habe.“
Ungläubig blinzle ich Ilaria an. „Du hast bei McDonalds gearbeitet?“
„Ja, um mein Benzin zu bezahlen. Mom und Daddy haben mir zwar Taschengeld gegeben, aber das war an die Bedingung geknüpft, dass ich gute Noten schreibe und mir einen Job suche.“ Ilaria richtet ihr Kissen und legt sich dann wieder bequem hin. „Meine Eltern wollten, dass ich lerne, Verantwortung zu übernehmen und dass ich begreife, dass hinter dem Geld, das sie mir geben, doch recht viel Arbeit steckt.“
Ich nicke, während ich kaue. „Dann warst du kein verwöhntes Prinzesschen, hm?“
„Mache ich denn den Eindruck?“ Ich wiege meinen Kopf hin und her und hoffe, dass ich diese Frage nicht beantworten muss. „Gut ja, ein bisschen verwöhnt war ich vielleicht“, meint sie mit einem Lächeln. „Meine Grandma und mein Grandpa haben mich mit Geschenken überschüttet. Ich bin das einzige Mädchen unter den Enkelkindern, das hat mir einen kleinen Bonus eingebracht.“
„Wie viele Cousins hast du denn?“, erkundige ich mich.
„Vier. Daniel hat letzten Sommer geheiratet, er ist jetzt Hausmann, seine Frau verdient die Brötchen, Sean ist Buchhalter und arbeitet unter anderem mit meiner Mom zusammen, Brad ist nach New York gezogen, um Modedesigner zu werden und Michael ist bei der Army.“
Interessiert nicke ich. Ein bunt gemischter Haufen also. „Was macht deine Mom eigentlich?“
„Sie verkauft Tees, Kräutermischungen und Seifen. Alles selbstgemacht. Sie hat auch ihren eigenen Onlineshop.“
„Ach, genau, jetzt erinnere ich mich. Das hast du irgendwann erwähnt. Du redest aber nicht viel von ihr, hm?“ Ich kratze die letzten Reste des Currys aus der Box zusammen und stecke den Löffel in den Mund. Kauend sehe ich Ilaria an.
„Ja, das stimmt wohl. Meine Mom hat Asperger und deswegen ist es ihr nicht leichtgefallen, zu erkennen, dass ich sie manchmal dringend gebraucht hätte. Sie ist nicht gut darin, Gesichtsausdrücke zu deuten, also wusste sie oft nicht, wie sie reagieren soll. Und jemandem klipp und klar zu sagen was man fühlt, was man will und was man braucht, ist als Teenager fast unmöglich, weil für einen selbst auch alles verwirrend ist. Mittlerweile ist es besser geworden und ich liebe sie, auch wenn sie oft zögerlicher und vorsichtiger reagiert, als Daddy.“
„Und mit deinem Dad war es einfacher?“
„Ja“, antwortet sie. „Wenn ich in meinem Zimmer eingekuschelt geschmollt habe, hat er sich auf mein Bett gesetzt, meinen Kopf gestreichelt und mir gesagt, dass ich ihm alles erzählen soll, was mich bedrückt.“ Ilaria schmunzelt. „Und dann hat er mir Schokolade oder Eis gebracht und mir so gut es ging geholfen. Die Probleme eines Teenagers waren für ihn auch nicht immer einfach zu verstehen, aber er hat sich immer sehr viel Mühe gegeben, sich in meine Lage zu versetzen.“
„Dein Dad ist ein echt netter Kerl, hm?“
Ilaria strahlt sofort, als sie an ihn denkt, dann erzählt sie gleich weiter: „Ja, er ist der Beste. Mein Highschoolfreund hatte immer ein wenig Angst vor ihm. Weißt du, mein Daddy ist dieser riesige Kerl, der früher in der NFL gespielt hat. Er ist immer noch ziemlich kräftig und kann ganz schön einschüchtern, wenn man ihn nicht kennt. Aber in Wirklichkeit ist er einfach nur ein großer Teddybär, der alles für sein kleines Mädchen tun würde. Nach der Trennung von Matt hat er alles getan, um für mich da zu sein. Er war eine unglaublich große Unterstützung, als es mir so schlecht ging, dass ich nicht einmal mehr als dem Bett steigen wollte.“
„Klingt, als wärst du in guten Händen gewesen“, antworte ich ihr und ziehe einen Mundwinkel hoch. „Bin gleich wieder bei dir.“
„Mhm.“
In der Küche werfe ich die Takeout-Verpackung des Indischen Essens weg und lege den Löffel in die Spüle, weil der Geschirrspüler gerade läuft. Da ich noch hungrig bin, öffne ich den Kühlschrank und sehe nach, was ich noch essen könnte.
„Ich mach' mir noch ein Sandwich“, spreche ich etwas lauter, damit Ilaria mich hören kann.
„Wenn ich gewusst hätte, dass du verhungerst, hätte ich dir mehr zu essen bestellt.“
„Ach was, schon okay. Ich bin nicht wählerisch und finde schon etwas.“
Da es spät ist und ich mir keinen großen Aufwand machen will, mache ich mir ein PB and J Sandwich. Abwiegend, ob mir das ausreichen wird, mache ich mir doch lieber noch ein zweites. Mit meinem Teller setze ich mich dann wieder zu Ilaria auf die Couch. Nachdem ich einen Bissen gemacht habe, setzt meine Prinzessin sich auf und streichelt meinen Rücken.
„Ich habe auch Ramen gekauft. Also die, die du so gernhast.“
Überrascht sehe ich sie an. „Wieso das denn?“
„Falls du mal einen schnellen Snack brauchst“, antwortet sie mit einem Lächeln. „Ich will ja nicht, dass mein Mann verhungert.“
„Danke, so schnell werde ich aber nicht verhungern, ich habe noch eine kleine Reserve.“
„Sicher ist sicher. Dir soll es bei mir ja gutgehen.“ Ilaria lehnt sich an meine Schulter und atmet tief durch. „Du hast mir heute gefehlt.“ Ich bekomme zarte Küsse auf die Wange und den Hals. Beschweren will ich mich zwar nicht, aber das hindert mich doch ein wenig am Essen.
„Ach, hab' ich das?“
„Ja“, stimmt sie mir zu, ehe sie schon weiterspricht: „Ich musste die ganze Zeit an dich denken. Außerdem wollte ich dich etwas fragen.“
„Schieß los“, bitte ich sie und nutze die Gelegenheit sofort, um wieder in mein Sandwich zu beißen. Mein Blick gleitet zu dem Fernseher vor mir. Die Models spazieren gerade über den Laufsteg. Die ausdruckslosen Gesichter dieser Frauen waren mir immer schon unangenehm. Es wirkt, als wären sie jeder Menschlichkeit beraubt worden. Wandelnde Kleiderständer.
Ilaria streichelt meinen Rücken, dann lässt sie die Hand an meinem Nacken ruhen. Mit sanften Bewegungen massiert sie mich. „Ich wollte dich fragen, wie du Thanksgiving verbringst.“
Da ich alles andere außer dieser Frage erwartet habe, sehe ich Ilaria verwirrt an. „Thanksgiving? Darüber habe ich noch gar nicht richtig nachgedacht. In den letzten Jahren war ich immer bei meiner Mom und wir haben zusammen gekocht.“
„Ich habe eigentlich auch nicht weiter darüber nachgedacht, aber meine Eltern haben mich gefragt, ob ich an Thanksgiving nach Hause komme. Bevor ich ihnen allerdings zusage, wollte ich das mit dir besprechen. Ich habe sofort an deine Mom gedacht. Ich war mir nicht sicher, ob du überhaupt in Erwägung ziehen würdest, mich zu begleiten, weil dann deine Mom alleine wäre.“ Sie presst ihre Lippen zusammen.
„Da ist doch noch mehr.“
Ilaria wirkt plötzlich recht schüchtern. Ihre Hand gleitet aus meinem Nacken und in ihren Schoß. Mit gesenktem Blick sieht sie ihre Finger an, die sie nervös ineinander verhakt. „Ich weiß, dass es dich vielleicht überfordert, aber was hältst du davon, dass wir Thanksgiving als große Familie verbringen? Du, deine Mom und ich fliegen nach Indiana und feiern bei meinen Eltern. Deine Mom kann im Gästezimmer übernachten und wir schlafen in meinem alten Zimmer.“ Vorsichtig sieht Ilaria auf. Ich weiß nicht, was ich ihr auf diesen Vorschlag antworten soll.
„Das klingt ähm …“ Ich räuspere mich. „Ich …“ Nervös reibe ich mir den Nacken. „Weißt du, Ilaria …“
Ilaria nimmt ein wenig Abstand, dann lässt sie einen tiefsitzenden Seufzer los. „Es tut mir leid, wenn ich dich mit meiner Frage in eine unangenehme Position bringe. Ich dachte nur, dass es nett wäre, wenn sich unsere Familien kennenlernen. Wir sind jetzt schon recht lange zusammen und da dachte ich, dass das eine gute Gelegenheit wäre.“
Um Ilaria die Unsicherheit zu nehmen, lächle ich sie an. „Das halte ich für eine gute Idee, aber ich bin ehrlich, ich kann mir den Flug nicht leisten.“
„Meine Eltern würden das übernehmen, immerhin laden sie uns alle zu sich ein“, antwortet Ilaria schnell. „Du musst dir also keine Gedanken um irgendwelche Ausgaben machen.“
„Und das stört sie nicht? Ich will nicht, dass sie das Gefühl haben, dass ich ein Schnorrer bin. Ich gebe mir Mühe, mein Leben wieder auf die Reihe zu bekommen und ich fürchte, dass es einen miesen Eindruck macht, wenn ich erzähle, dass ich bei meiner Mom lebe.“
Irritiert schüttelt Ilaria den Kopf. „Meine Eltern wissen das alles bereits. Killian, sie wollen dich kennenlernen. Du machst mich glücklich und das ist das Wichtigste für sie. Es geht nicht um Geld, um Besitz, wo du wohnst oder darum, wie du dein Geld verdienst.“ Sie legt ihre Hand wieder an meinen Arm. „Ich habe auch einen ganz normalen, langweiligen Durchschnittsjob, bis ich mit meiner Kunst genug Geld verdiene. Von irgendetwas muss man leben.“ Liebevoll streichelt sie über meine nackte Haut. „Du hast keinen Grund, dich zu schämen. Wir alle haben Zeiten, in denen es nicht gut läuft.“
Ich nicke leicht. „Okay, dann rede ich mit meiner Mom. Gott, ich bin sicher, dass Mom begeistert sein wird.“
Ilaria kichert. „Und du klingst, als wärst du alles andere als begeistert.“
„Ich muss mich an den Gedanken gewöhnen. Das macht mich doch ein wenig nervös.“ Ich mache eine ausladende Handgeste. „Ich bin außerdem nicht sicher, ob ich frei bekomme. Kann ich dich fürs Erste mit einer vagen Antwort sitzen lassen, ohne, dass du mir böse bist?“
Ilaria nickt eifrig. Sie drückt mir einen Kuss auf die Wange. „Danke, dass du es versuchst, du bist der Beste.“ Fröhlich klatscht Ilaria in die Hände, dann lässt sie sich zurück in ihr Kissen sinken und strahlt mich an. „Wenn es dir hilft, dich mental auf alles vorzubereiten, dann kannst du meine Eltern auch per Videochat kennenlernen.“
Ich nicke und widme mich wieder meinem Sandwich. „Mhm, klingt gut, aber atme tief durch und beruhige dich erst einmal. Heute will ich nur noch ans Schlafen denken.“
„Ja, natürlich“, antwortet Ilaria. Dass es ihr nicht so leichtfällt, sich zu beruhigen, verraten ihre Füße, die sich hinter mir aufgeregt bewegen. Dieser Frau ist es unmöglich, still zu stehen oder sitzen, sobald sie sich über etwas freut. Diese Eigenschaft gefällt mir an ihr besonders gut.
Nach meinem Sandwich putze ich mir noch die Zähne. Ilaria macht mir Platz, damit ich mich hinter sie legen kann. Sie drückt ihren Hintern in meine Leistengegend und zieht meine Hand an ihren Brustkorb. Es ist schön, den Tag mit einer wundervollen Frau in den Armen zu beenden. Zufrieden brummend vergrabe ich mein Gesicht in ihren weichen Haaren. Ilaria duftet unglaublich gut. Meine Hand bahnt sich ihren Weg zu einer von Ilarias Brüsten. Sanft drücke ich zu, ehe ich ihr einen Kuss auf den Hals gebe. Nach dem ersten Kuss folgt ein weiterer und dann noch einer. Vorsichtig reize ich Ilarias Brustwarze mit meinem Zeigefinger. Ich muss gestehen, dass es bereits ausreicht, ihr so nahe zu sein, um in Stimmung für mehr zu kommen.
„Ich dachte, dass du nur noch ans Schlafen denken willst“, spricht sie leise.
„Ich muss morgen nicht früh raus“, antworte ich mit einem Grinsen.
„Trifft sich gut, ich nämlich auch nicht.“
Ilaria dreht sich um und verwickelt mich in einen Kuss. Ich greife nach ihrem Schenkel und ziehe sie gegen meine Hüfte. Meine Hand wandert zu ihrem Hintern. Ich drücke sie gegen mich. Ilaria löst unseren Kuss und lächelt mich an. Sie streicht durch mein Haar, dann berühren sich unsere Lippen ein weiteres Mal.
Es wird nun doch noch eine Weile dauern, bis ich meinen Schlaf bekomme, aber ein Wochenende auf diese Weise zu starten, lasse ich mir keinesfalls entgehen.