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Kapitel 5
Ein besonderes Mädchen
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Müde lasse ich mich auf Moms Couch nieder. Ich reibe mir meinen Bauch. Wenn es Burger gibt, kann ich mich nie zurückhalten. Nun bin ich so voll, dass ich ein Verdauungsschläfchen gut gebrauchen könnte. Ich halte mir die Hand vor, als ich herzhaft gähne. Nachdem ich mich gestreckt habe, mache ich mich breit und lege meine Füße hoch. Ein kleines Nickerchen könnte ich mir auf jeden Fall erlauben.
„Da braucht wohl jemand einen Kaffee.“
„Ja“, stimme ich müde zu.
„Schlaf nicht ein, du schuldest mir noch eine Geschichte“, ermahnt Mom mich. Ich öffne ein Auge und sehe ihr nach. Sie verschwindet schnell aus meinem Blickfeld und ich schließe mein Auge wieder. Brummend kuschle ich mich an eines der Kissen.
„Geschichte? Was für eine Geschichte?“, frage ich nach.
„Ich will wissen, wie dein Treffen mit diesem Mädchen war. Ihr habt euch doch getroffen oder nicht? Wie war ihr Name?“, antwortet sie mir etwas lauter.
Schon beim Gedanken an Ilaria muss ich wieder lächeln. „Ilaria.“
„Ilaria“, wiederholt Mom, vermutlich, um es sich einzuprägen.
Ich atme tief durch. Mein Nickerchen hat sich wohl erledigt. Schwerfällig setze ich mich auf, um nicht doch noch einzuschlafen. Heute fühle ich mich verdammt gerädert. Als hätte mich jemand überfahren und dann den Rückwärtsgang eingelegt, um mich noch ein weiteres Mal zu überfahren. Geschafft reibe ich mir das Gesicht.
„Hier, bitteschön.“ Mom stellt zwei Tassen auf den Couchtisch und setzt sich dann zu mir.
„Danke.“
„Und? Wie war euer Date?“, erkundigt Mom sich neugierig.
„Wir haben uns dreimal getroffen.“
„Dreimal in einer Woche? Sie gefällt dir wohl sehr, hm?“
„Ja“, antworte ich ein wenig verlegen. „Abgesehen davon hatte sie diese Woche noch frei. Morgen ist ihr erster Arbeitstag im neuen Job.“
Mom nickt. „Was habt ihr so angestellt?“
„Am Montag waren wir essen. Eigentlich wollte ich mit ihr Burger essen gehen, aber wir haben telefoniert und sie hat mir erzählt, dass sie Pescetarierin ist, also habe ich ihr sofort ein anderes Restaurant vorgeschlagen. Das hat ihr gleich viel besser gefallen.“
Mom rührt ihren Kaffee um, ich tue es ihr gleich. „Und das ist okay für dich? Du wolltest keine Frauen mehr mit eingeschränkten Essgewohnheiten. Hast du es dir wieder anders überlegt?“
Ich winke ab. „Pescetarier sind okay. Bei ihr weiß ich, dass ich sie mit Fisch und Meeresfrüchten begeistern kann.“ Mir gehen sofort einige Frauen durch den Kopf, die es mir viel schwerer gemacht haben als Ilaria. „Weißt du, Mom, es ist so: Mir ging es eher darum, dass ich einer Frau nicht mehr dabei zusehen will, wie sie ihr Essen wiegt, bevor sie es mit angewidertem Gesichtsausdruck isst.“ Nachdenklich runzle ich die Stirn. „Ich will auch nicht mehr dabei zusehen, wie jedes Gericht, das auf dem Teller landet, seziert und dann genauestens begutachtet wird. Das verdirbt mir den Appetit. Ich will mein Essen genießen und meine Freundin soll ihr Essen auch genießen können.“
Mom kichert amüsiert. „Die jungen Mädchen übertreiben diesen Diätwahnsinn.“
„Oh, es sind nicht nur die jungen Mädchen, Mom.“ Ich schüttle den Kopf. „Die Frauen Ende 30 sind mindestens genauso verrückt. Nach der gescheiterten Ehe wollen sie in Topform sein und machen die verrücktesten Diäten, um Pfunde zu verlieren, die sie gar nicht haben.“ Genervt rolle ich mit den Augen. „Da weiß man gar nicht, was man machen soll, wenn man sie zu sich nach Hause einlädt. Wie soll ich eine Frau bekochen, wenn sie eigentlich nur rohes Gemüse isst und an Eiswürfeln lutscht?“
Mom fängt an zu lachen. „Und Ilaria?“
„Ich glaube, dass ihr ein all-you-can-eat-Restaurant gut gefallen würde.“
„Ach?“, fragt sie überrascht, dabei zieht sie ihre Brauen hoch.
Ich schnaube bei der Erinnerung an unser erstes Date. „Ja, am Montag hat sie viele verschiedene Gerichte bestellt und mich dann mit der Hälfte von allem gefüttert.“
„Clever“, meint Mom. „Wenn du vollgegessen bist, kannst du ihr nicht davonlaufen.“
Überrascht sehe ich Mom an, dann fange ich an zu lachen. „Bis jetzt habe ich noch keinen Grund gefunden, davonzulaufen. Im Gegenteil. Ilaria hat Humor, sie ist wunderschön und auch sehr nett und ich denke, dass sie mich wirklich mag.“ Mom lächelt zufrieden. „Am Donnerstag waren wir im Kino. Sie hat sowohl am Montag im Restaurant, als auch im Kino ihren Teil der Rechnungen übernommen, anstatt sich darauf zu verlassen, dass ich bezahle. Außerdem hat sie sich einen Film angesehen, der nicht unbedingt in ihr Genre fällt.“ Ich hebe meinen Zeigefinger, um das Folgende deutlich zu betonen. „Und sie hat sich nicht beschwert. Einige Szenen haben ihr sogar gefallen.“
„Klingt, als wäre es eine gute Idee gewesen, an ihren Tisch zu gehen und sie anzusprechen.“
Lächelnd nicke ich. „Ja, das war es. Am Freitag haben wir zusammen gekocht.“
„In deiner kleinen Küche?“, fragt Mom nach.
„Nein, wir waren bei ihr. Das war ein richtig nettes Date“, antworte ich. „Sie wohnt nicht weit von hier. Vallejo Street. Ihre Wohnung ist zwar etwas gewöhnungsbedürftig, passt aber zu ihr.“
„Du machst mich neugierig.“ Mom trinkt von ihrem Kaffee, dabei sieht sie mich weiterhin an.
„Sagen wir es so: Ich kann mir jetzt ungefähr vorstellen, wie es ist, Arielle zu daten.“
Mom hält sich die Hand vor den Mund. Sie schluckt ihren Kaffee, bevor sie lacht. „Hat sie sich die Haare mit einer Gabel gekämmt, als sie dir die Tür geöffnet hat?“
„Nein“, antworte ich ihr amüsiert und puste dann vorsichtig in meine Tasse, ehe ich einen kleinen Schluck nehme. „Aber jetzt, da du es erwähnst. So unwahrscheinlich wäre das gar nicht. Ich würde es ihr zumindest zutrauen, eine Gabel zu verwenden, nur um dann über meinen Gesichtsausdruck lachen zu können.“
„Ich kenne sie zwar nicht, aber sie gefällt mir jetzt schon“, antwortet Mom mit einem leichten Grinsen.
„Mir auch“, stimme ich ihr zu, ehe ich weitererzähle: „Ilaria liebt das Meer und hat wohl schon viele Strandszenen gemalt. Ein paar davon hängen in ihrer Wohnung. Und alles andere schreit förmlich nach Meerjungfrau. Die Muschelsessel sind zwar kitschig, aber ziemlich bequem.“ Ich stelle meine Tasse wieder ab. Mein Kaffee ist noch zu heiß, um ihn trinken zu können. Ich gestikuliere, um meine nächste Beschreibung zu verdeutlichen. „Sie hat mir auch voller Stolz ihr Schlafzimmer gezeigt. Über ihrem Bett hängt ein Fischernetz mit Lichterketten und Muscheln. Ja, also, alles in allem ist ihre Wohnung sehr kitschig, aber sie könnte einen viel schlimmeren Tick haben.“ Ich ziehe einen Mundwinkel hoch. „Es ist niedlich, wie sehr sie sich darüber freut, ihr erstes Apartment ganz für sich alleine zu haben.“
„Wie alt, sagtest du, ist sie?“
„24.“ Mom nickt nachdenklich. „Ist gerade noch okay, eine jüngere Frau würde mich gar nicht interessieren. Ilaria weiß bereits, was sie möchte, das gefällt mir. Außerdem ist sie ein klein wenig verrückt. Aber nicht unheimlich-verrückt, sondern charmant-verrückt.“
„Charmant-verrückt? Was hat sie denn getan?“
„Bei unserem ersten Date hat sie zwei Muscheln geklaut, um daraus Schmuck zu basteln.“
„Sie hat was?“, fragt Mom amüsiert. „Ist eigentlich keine schlechte Idee, die werden ohnehin weggeworfen.“
„Ja, das dachte ich mir im Nachhinein auch, aber für den Moment, war das ziemlich unerwartet und verrückt. Es gefällt mir, dass sie anders ist, als die Frauen, die ich sonst so treffe. Das ist mal etwas Neues.“ Bei dem Gedanken an Ilaria muss ich wieder breit lächeln.
„Das Mädchen hat dir ja ganz schön den Kopf verdreht“, stellt Mom fest. Sie legt ihre Hand an meinen Oberarm und streichelt mich. „Ich freue mich für dich.“
„Ich mich erst“, antworte ich grinsend.
„Du hast nicht zufällig ein Foto, das du mir zeigen könntest?“
„Klar“, antworte ich. „Du willst bestimmt ein jugendfreies Bild, hm?“
„Killian!“, gibt sie streng von sich.
Obwohl ich weiß, dass sie mich nie schlagen würde, gehe ich in Deckung. „Das war ein Witz. Die sind alle jugendfrei.“ Ich ziehe mein Smartphone aus meiner Hosentasche und suche dann das Selfie, das Ilaria von uns beiden gemacht hat. „Hier.“
Mom nimmt mein Smartphone an sich und betrachtet das Foto einige Sekunden. „Wow, sie ist wirklich sehr attraktiv. Und diese großen Augen. Sie hat ein hübsches Puppengesicht.“ Sie wirft mir einen Blick zu, den ich im Augenwinkel bemerke. Ich konzentriere mich auf das Foto. „Ein schönes Mädchen, keine Frage.“ Mom gibt mir das Smartphone zurück. „Und ihr trefft euch wieder?“
Ich nicke eifrig. „Ja, so bald wie möglich.“ Ich räuspere mich, bevor ich weiterspreche: „Wenn das Wetter es zulässt und wir die Zeit finden, würde ich sie gerne mit zum Strand nehmen. Das gefällt ihr bestimmt, außerdem könnte es sein, dass sie von der Muse geküsst wird und Inspiration für ihr nächstes Gemälde bekommt.“
Mom kichert. „Vielleicht wirst sogar du von der Muse geküsst.“ Sie tätschelt meinen Oberschenkel. „Es ist schön zu sehen, dass es dir wieder besser geht. Das Lächeln steht dir viel besser, als dieser grimmige Gesichtsausdruck.“ Ich werfe meiner Mom einen verurteilenden Blick zu. „Genau dieses Gesicht meinte ich.“ Sie lächelt mich an, lange kann ich also nicht ernst bleiben.
„Ja, schon gut, ich weiß. Das ist eben mein Gesicht, ich kann nichts dafür.“
Mom erhebt sich von der Couch. „Ich habe etwas, das dich bei Laune hält. Hast du schon Platz für etwas Süßes? Ich war bei Bob’s.“
„Für Donuts ist immer Platz“, antworte ich ihr grinsend.
„Das dachte ich mir. Willst du noch einen Kaffee?“
„Ja, wirf die Maschine an, dann schaffe ich es vielleicht bis nach Hause, ohne ins Koma zu fallen.“
Ich greife nach meiner Tasse und nehme einige Schlucke, um ihr die leere Tasse mitgeben zu können. Mom nimmt meine Tasse entgegen und geht damit in die Küche. Ich hebe meine Arme über meinen Kopf und strecke mich genüsslich. Nach dem Donut muss ich nach Hause. Ich kann mein Bett bis hierher rufen hören.
· • ✤ • ·
Nach einer langen, heißen Dusche klappe ich mein Bett auf. Das Quietschen der Federn zeigt mir, dass mein Bett mich genauso vermisst hat, wie ich es vermisst habe. Ich wusste doch, dass ich die Rufe gehört habe. Unmotiviert werfe ich Kissen und Decken auf das Bett und falle hinein, als wäre ich ein Stein, der ins Wasser gekickt wird.
Ich nehme mein Smartphone aus dem Fach, das mir als Nachttisch dient, und tippe eine Nachricht an Ilaria. Schon beim Tippen fallen mir die Augen zu. Um mich wach zu halten, schüttle ich den Kopf und reibe mir die Augen.
„Ach, fuck.“
Ich kneife die Augen zusammen. Das Display ist viel zu hell. Gemächlich tippe ich die Nachricht zu Ende und schicke sie ab.
Killian: ‚Ich wünsche dir jetzt schon für morgen einen angenehmen ersten Arbeitstag. Morgen Früh bin ich zu tot, um dir zu schreiben, aber ich denke an dich, sobald ich denken kann. Gute Nacht.‘
Ich lasse mein Smartphone neben mich ins Bett sinken und drehe mich zur Seite. Meine Augen fallen wie von selbst zu. Ich nehme einen tiefen Atemzug. Es dauert nicht lange, schon spüre ich, dass ich langsam in den Schlaf drifte. Mein Einschlafversuch wird allerdings von meinem vibrierenden Smartphone unterbrochen. Da ich ziemlich sicher bin, dass Ilaria mir eine Antwort geschrieben hat, taste ich danach.
Ilaria: ‚Du gehst schon ins Bett? Wie schade. Ich hatte gehofft, dass wir noch telefonieren, aber es ist in Ordnung, wenn du zu müde bist. Ich wünsche dir eine gute Nacht und süße Träume.‘
Sie schickt eine weitere Nachricht.
Ilaria: ‚Vielleicht träumst du ja von mir!‘
Grinsend kratze ich meine letzte Energie zusammen, um ihr eine Antwort zu schreiben.
Killian: ‚Das wäre der süßeste aller Träume. Gute Nacht, Ilaria.‘
Mit einem zufriedenen Lächeln lasse ich mein Smartphone sinken. Zu gerne würde ich Ilaria jetzt in meine Arme schließen, durch ihr Haar streichen, ihr einen Kuss geben und neben ihr einschlafen. Das wäre ein wahrgewordener Traum.
· • ✤ • ·
Nach einem harten Tag mit Haushalt, einem Besuch im Waschsalon und dem faulsten Gitarrenschüler, den die Welt jemals gesehen hat, bin ich froh, dass es endlich Abend wird. Während ich mir zwei Sandwiches mit Erdnussbutter und Marmelade mache, linse ich immer wieder zu meinem Smartphone, das neben mir auf der Theke liegt. Normalerweise behalte ich es nie so genau im Auge. Ich lasse es immer irgendwo liegen und beachte es nur, wenn mich jemand anruft oder mir eine Nachricht schreibt. Seit Ilaria in mein Leben getreten ist, ist es anders. Eigentlich ist es fast schon peinlich, dass ich wie ein Teenager hoffe, dass jeder Anruf und jede Nachricht von ihr stammen. Es ist lächerlich. Ich bin lächerlich.
Über mich selbst den Kopf schüttelnd, verschließe ich die Deckel der Gläser und greife mir den Teller mit meinem Abendessen. Ich lasse mein Smartphone auf der Theke liegen und nehme einen großen Bissen, während ich durch meine kleine Wohnung gehe. Wenige Schritte vor meiner Couch seufze ich und drehe um, um es doch mitzunehmen. Wem mache ich etwas vor? Mich kann ja auch gar keiner sehen. Ich bin alleine, mir muss nichts peinlich sein.
Auf der Couch beäuge ich das Smartphone ein weiteres Mal. Kauend behalte ich den Bildschirm genauestens im Auge. Ilaria hat versprochen, mich anzurufen, sobald sie zu Hause ist. Wahrscheinlich nimmt sie noch eine Dusche und klatscht sich irgendwelche Pflege ins Gesicht und die Haare. Es ist lächerlich, wie aufgeregt ich auf Ilarias Anruf warte. Brummend reibe ich mir das Gesicht. Dieses Mädchen hat mir den Kopf verdreht. Es ist ewig her, dass eine Frau diese Gefühle in mir ausgelöst hat.
Als mein Smartphone klingelt, atme ich tief durch. Ich kann Ilarias Namen und das Selfie von uns beiden auf dem Bildschirm sehen. Mit einem breiten Lächeln stelle ich meinen Teller auf den Tisch und greife stattdessen nach meinem Smartphone.
„Hallo, Prinzessin.“
„Oh, hi, Killian.“ Sie kichert. „Ist das mein neuer Spitzname?“
„Ja, gefällt er dir?“
„Ich finde ihn sehr passend, immerhin bist du mein Ritter in strahlender Rüstung.“ Für einen Moment bin ich sprachlos, dann lache ich allerdings. „Was ist so lustig?“
„Ach, ich sehe mich eher als Hofnarr in abgetragener Lederjacke.“
„Du hast eine viel zu geringe Meinung von dir.“
„Ich kenne mich schon ein wenig länger als du, aber es ist ja auch egal. Es geht nicht um mich. Viel wichtiger ist es, dass du mir erzählst, wie dein erster Arbeitstag war.“
„Das interessiert dich?“
„Klar. Ein Anfang wäre, dass du mir verrätst, was du machst.“
„Oh, ich arbeite in einem Sexshop“, antwortet Ilaria lässig.
Ich blinzle zweimal. „Ehrlich?“ Sie kichert und lacht. „Haha, witzig. Du verarschst mich.“
„Obwohl du nicht hier bist, kann ich dein irritiertes Gesicht direkt vor meinen Augen sehen, Killian.“ Sie kichert weiter.
„Wieso willst du nicht über deine Arbeit sprechen?“, frage ich nach.
„Weil es nicht wichtig ist“, erzählt sie. „Ich spreche lieber über meine Gedanken, meine Hobbys, Dinge, die ich gerne erleben würde und alles, was mir Spaß macht und Freude bereitet. Wenn man über seine Arbeit spricht, wird man in eine Schublade gesteckt.“
Nachdenklich nicke ich, dabei streiche ich durch meinen Bart. „Ja, da hast du wohl recht. Verrätst du es mir trotzdem? Du musst es auch nicht vertiefen, wenn du das nicht möchtest.“
„Ich arbeite drüben in South Beach in einer Marketingagentur.“
„Oh, das ist ja ziemlich cool. Was machst du da?“
„Ich bin im Designteam.“ Ich höre ein Geräusch, das so klingt, als würde sie eine Schublade öffnen. „Das Unternehmen hat online schon einen sehr guten Eindruck gemacht, beim Bewerbungsgespräch war ich auch sehr begeistert von meinem Boss und er war auch begeistert von mir. Paul ist wohl wirklich sehr nett zu allen. Obwohl ich eigentlich dachte, dass ich ihn nicht mehr zu Gesicht bekomme, hat er heute Muffins für uns alle mitgebracht und mich noch einmal offiziell willkommen geheißen.“
Sofort stelle ich die wichtigste aller Fragen: „Das ist ja nett. Waren die Muffins gut?“
„Nicht nur gut, sondern unglaublich“, antwortet Ilaria mir begeistert. „Ich stelle dich kurz auf Lautsprecher, ja? Hörst du mich noch?“
„Ja, ich kann dich gut hören. Was stellst du an?“
„Ich ziehe mich gerade an.“
Grinsend stelle ich mir vor, in was für ein Stück Stoff sie sich jetzt wohl hüllt. Ich muss sofort an ein sexy Seidennachthemd mit Spitze denken. Während mein Kopfkino seinen Lauf nimmt, höre ich die Schublade ein weiteres Mal. Dann ertönt ein Klicken.
„Das Team, mit dem ich arbeite, macht auch einen sehr netten ersten Eindruck. Oh, und ich habe mich mit meinem Kollegen Robert schon fast angefreundet. Die Frage ist nur, wie gut er mit Ablehnung umgehen kann.“
„Was meinst du damit?“
„Ach, ich habe erzählt, dass ich neu in der Stadt bin und er wollte mir ein Restaurant zeigen. Ich habe ihn gefragt, wer denn noch mitkommt und da meinte er dann, dass er mit mir alleine essen gehen wollte“, erklärt Ilaria.
Ich ziehe meine Brauen zusammen. Obwohl ich den Typen nicht kenne, bin ich trotzdem eifersüchtig. „Und wann geht ihr essen?“
„Wie bitte?“
„Naja, wann gehst du mit dem Kerl essen?“, wiederhole ich meine Frage.
„Gar nicht?“, antwortet sie fragend. „Hast du nicht genau zugehört? Er wollte mich auf ein Date einladen und das wollte ich nicht. Wenn unsere Kollegen mitgekommen wären, wäre ich dabei gewesen, um alle kennenzulernen. Aber ein Date? Nein, danke.“
Erleichtert atme ich aus. „Entschuldige.“
Ilaria kichert. „Du bist ein klein wenig eifersüchtig, hm?“
„Ja“, gebe ich peinlich berührt zu. „Ich mag dich, Ilaria. Ich bin ein ziemlich unsicherer Kerl und Konkurrenz würde mich nur noch mehr verunsichern.“
„Es gibt keine Konkurrenz. Versprochen.“ Ich höre Wasser rauschen. „Wie war dein Tag?“, erkundigt sie sich interessiert.
„Ach, der übliche Alltag. Ich habe meine Wäsche erledigt und ein paar Telefonate gemacht, dann ein paar Unterrichtsstunden gegeben und jetzt sitze ich mit meinem Abendessen auf meiner Couch. Das Gespräch mit dir ist das Highlight meines Tages.“
„Awww, du bist zu süß.“
„Und was machst du jetzt?“
„Mein Glas abstellen und mich ins Bettchen legen.“
„Darf ich frech sein?“, frage ich grinsend nach.
„Seit wann brauchst du dafür meine Erlaubnis?“
„Ach.“ Ich mache eine dramatische Pause. „Mach es dir erst einmal bequem.“
„Okay.“ Ich höre Rascheln und Rauschen. „Erledigt.“
„Was hast du gerade an?“, frage ich mit einem breiten Grinsen.
Vor meinem inneren Auge liegt Ilaria in einem kleinen, knappen Nachthemdchen in ihrem Bett. Sie rekelt sich auf ihren Laken und wartet nur darauf, dass ich ihr Gesellschaft leiste.
„Was ich anhabe?“, fragt sie lachend. „Willst du die reale Version oder willst du eine sexy Version für dein Kopfkino?“
„Schon deine Frage lässt mein Kopfkino bröckeln.“
„Entschuldige.“ Für einige Sekunden ist es still, doch dann spricht Ilaria wieder: „Ich trage einen kurzen Schlafanzug. Weicher, kuscheliger Stoff, der sich um meinen Körper schmiegt. Wenn du willst, dann öffne ich vielleicht einen Knopf für dich und schicke dir ein Foto.“
Auch wenn ich auf so ein Gespräch hinauswollte, bin ich im ersten Moment ziemlich sprachlos. Nervös räuspere ich mich. „Du-Du schickst mir ein Foto?“
Wieder amüsiert Ilaria sich über meine Reaktion. Sie lacht herzlich. „Ja, ich schicke dir ein Foto, aber noch nicht heute.“
„Schade, das hätte mir gefallen.“
„Glaub mir, das Warten lohnt sich.“
„Das kann ich mir gut vorstellen“, gebe ich nachdenklich von mir. „Willst du mir verraten, was mich erwartet?“
„Ich kann dir einen kleinen Hinweis geben“, antwortet sie mit sinnlicher Stimme. „Weißt du, Killian. Ich besitze nicht nur bequeme Schlafanzüge, sondern auch etwas mit Spitzen und Seide. Kleidchen, die so knapp sind, dass sie gerade so meinen Hintern bedecken.“ Sie atmet tief durch. „Wenn ich eines dieser Kleidchen trage, komme ich schnell in Stimmung. Wenn es so weit ist, lasse ich mich ins Bett sinken und streiche mit meinen Fingern ganz langsam über meinen Oberschenkel.“
„Erzähl weiter“, bitte ich mit dümmlichem Grinsen. „Was stellen deine Finger an?“
„Ach, ich kratze mich am Knie und dann drehe ich mich um und suche eine bequeme Position zum Einschlafen.“
Geschlagen lasse ich mich zurück auf die Couch sinken. „Du liebst es, mich zu foltern, hm?“
„Dich foltern?“, fragt sie nun zuckersüß. „Unsinn. Ich bin ein süßes Mädchen und süße Mädchen foltern ihre Männer nicht.“
„Heute lasse ich dir das noch durchgehen, Prinzessin.“
„Und was passiert beim nächsten Mal?“, erkundigt sie sich neugierig.
„Dann lege ich dich über’s Knie und versohle dir deinen frechen Hintern.“
Ilaria kichert. „So einer bist du also, hm?“
„Nur, wenn du auch mitspielen willst“, antworte ich. „Ich für meinen Teil spiele gerne.“
„Das trifft sich gut, ich spiele nämlich auch gerne. Sehr gerne sogar.“
Grinsend lege ich mich auf die Couch. Natürlich weiß ich, dass sie gerne spielt. Sie spielt seit unserer ersten Begegnung mit mir und ich liebe es, auf diese Weise von ihr gereizt zu werden, auch wenn ich ab und zu ein wenig daran verzweifle.
„Erzähl mir von deinem Lieblingsspiel“, bitte ich sie.
Ilaria gähnt. „Wenn ich dir das alles heute verraten würde, dann würde dir einiges entgehen. Manchmal macht es mehr Spaß, etwas alleine herauszufinden.“
„Schade.“ Ich reibe mir den Nacken. „Es hat gerade angefangen, Spaß zu machen.“
„Man soll aufhören, wenn es am schönsten ist. Ich muss morgen früh raus. Kann ich dich morgen Abend wieder anrufen?“
„Ja“, antworte ich ihr mit einem Nicken, das sie nicht sehen kann. „Außerdem würde ich dich gerne wiedersehen. Willst du am Freitag mit mir zu Abend essen? Unser Gig fällt aus, also habe ich viel Zeit für dich. Ich komme vorbei und bringe Pizza mit.“
„Pizza klingt gut. Ich freue mich darauf.“ Ilaria atmet tief durch. „Gute Nacht, Killian. Schlaf schön.“
„Gute Nacht, Ilaria.“
Ilaria legt vor mir auf. Mein Smartphone ist nun bis morgen wieder uninteressant. Ich lege es auf den Tisch und greife wieder nach meinem Teller. Von meinem bereits angebissenen Sandwich nehme ich einen weiteren Bissen. Kauend sehe ich an die Decke über mir.
Hoffentlich erwartet mich kein verrückter Fetisch…