╭─━ · • ✤ • · ━━━━━━━━━━━━━─╮
Kapitel 21
Ein Tritt in den Arsch
╰─━━━━━━━━━━━━ · • ✤ • · ━─╯
Da ich mir nicht ganz sicher bin, ob ich mir selbst in Ilarias Wohnung Einlass gewähren darf, klopfe ich nervös an ihre Tür. Ich habe ihr nicht geschrieben, dass ich zu ihr komme, da ich mir auch dabei nicht sicher war. Vielleicht wäre ich vor Angst doch wieder nach Hause gegangen.
Ich höre, dass sich ein Schlüssel im Schloss dreht, dann öffnet sich die Tür. Ilaria sieht mich überrascht an. Sie nimmt einen Schritt Abstand.
„Wieso hast du nicht selbst aufgeschlossen?“, begrüßt sie mich mit einer Frage. Sie verschränkt ihre Arme vor der Brust.
Ich hebe die Schultern. „Ich wusste nicht, ob das okay ist.“
„Dafür habe ich dir doch den Schlüssel gegeben.“
Ich atme durch. „Entschuldige.“
„Komm rein.“ Ilaria nimmt Abstand von mir und spaziert in den Wohnbereich. „Willst du einen Kaffee?“
„Ja, bitte.“
Während sich Ilaria in der Küche um meinen Kaffee kümmert, schlüpfe ich aus meiner Jacke und meinen Schuhen. Der riesige Strauß Rosen steht immer noch auf der Kommode. Keine Ahnung, was ich davon halten soll. Ich kratze mich am Kopf und lasse mich auf die Couch sinken. Auf dem Couchtisch liegen einige benutzte Taschentücher. Sieht so aus, als hätte Ilaria geweint. Ich fühle mich wie ein riesiges Arschloch.
Ich bekomme einen Kaffee und ein Glas Wasser. Ilaria setzt sich neben mich. Als ich sie ansehe, verstärkt sich mein schlechtes Gewissen und das Gefühl ein Arschloch zu sein um das Hundertfache. Ilarias Augen sind gerötet und deutlich geschwollen. Auch ihre Nase und Wangen sind rot. Wahrscheinlich hat sie vorhin erst geweint. Natürlich fühlt sie sich furchtbar, ich Idiot habe sie ignoriert. Wenn ich ihr eine Nachricht geschickt hätte, dann hätte sie heute vielleicht nicht geweint. Eigentlich hätte ich gleich meinen Kopf einschalten und mit ihr sprechen sollen. Dass sie nun wie ein Häufchen Elend neben mir sitzt ist meine Schuld.
„Was ist gestern passiert?“, fragt sie mich. Ihre Stimme klingt heiser und zerbrechlich. Sie presst sofort ihre Lippen zusammen. Mit mir zu sprechen, fällt ihr scheinbar sehr schwer. In ihren Augen bilden sich bereits wieder Tränen. Ich reiche ihr die Taschentuchbox. „Danke.“
„Ich habe die Nerven verloren“, antworte ich ihr. Ich gestikuliere Richtung Rosenstrauß. „Die Rosen, dann das Telefonat.“ Ich seufze. „Ich dachte, dass er dich wieder um den Finger gewickelt hat und du zu ihm zurückgehst.“ Nervös reibe ich mir die Stirn. Ilaria anzusehen ist schwer. „Ich hatte Angst.“
Ilaria beugt sich zu mir und gibt mir einen Klaps auf den Arm. Sie hat sofort meine volle Aufmerksamkeit. „Du bist so ein Arschloch!“ Sie schubst mich, doch da sie nicht besonders viel Kraft in ihren schlanken Armen hat, bewege ich mich kaum. „Wenn du mir zugehört hättest, dann hätte ich es dir erklärt. Ich kann nicht fassen, dass ich gestern die ganze Nacht geweint habe, einfach nur, weil du zu stur warst, um mir zuzuhören. Ich bin so wütend auf dich, Killian.“ Ilaria schluchzt. Ich habe sie noch nie so aufgelöst erlebt. „Wenn-Wenn du zugehört hättest, dann hätte ich dir gesagt, dass er mir die Rosen geschickt hat, weil er Brooks Kommentare gelesen hat.“ Sie putzt sich die Nase, wirft das Taschentuch auf den Couchtisch und zieht ein weiteres aus der mit Muscheln dekorierten Box heraus. „Er hat sich schuldig gefühlt.“ Sie schluchzt ein weiteres Mal und wischt sich die Tränen von den Wangen. „Und er hat mit Brooke geredet und ihr gesagt, dass sie mich gefälligst in Ruhe lassen soll.“ Sie zeigt zu dem Rosenstrauß. „Die hat er mir geschickt, damit ich mich wegen dem Scheiß besser fühle! Er wollte nur nett sein und mich aufmuntern! Du hast überhaupt keinen Grund, eifersüchtig zu sein!“ Ilaria wischt sich die Tränen von den Wangen. „Das ist so dumm. Matt hat jetzt eine neue Freundin. Sie hat ihm den Kopf gewaschen und er hat jetzt verstanden, was in unserer Beziehung falsch lief. Dafür hat er sich auch entschuldigt.“ Ilaria sieht mich wütend an. „Ich habe es nicht verdient, mich wegen einem Kerl scheiße zu fühlen! Weder wegen Matt, noch wegen dir!“ Nun wird sie deutlich lauter. Ohne etwas zu sagen, gebe ich ihr die Möglichkeit, alles loszuwerden, was sich bei ihr angestaut hat. „Ich habe es verdient, dass man mich ernst nimmt und dass man mir zuhört, anstatt sich auszumalen, was ich vielleicht denken könnte! Es ist mein Recht, ernst genommen zu werden! Ich bin eine erwachsene Frau und ich kann selbst ausdrücken, was ich denke und empfinde, verstanden?“
Mit so einer Standpauke habe ich nicht gerechnet. Ich lege eine Hand an meinen Mund und nicke leicht. „Entschuldige“, murmle ich in meine Handfläche.
„Nimm mich lieber in den Arm und sag mir, dass das niemals wieder passiert“, antwortet sie mir nun wieder ruhiger, wobei sie sich mir nähert. Ich breite meine Arme aus, Ilaria klettert auf meinen Schoß und umarmt mich fest. Sie schluchzt und bricht dann in Tränen aus. Ich drücke meine Prinzessin fest an mich.
„Es tut mir so leid. Ich hatte einfach Angst, dich zu verlieren“, antworte ich ihr ruhig und drücke sie noch etwas fester. Ich streiche durch ihr Haar und gebe ihr einen Kuss auf die Schläfe.
„Da ist weglaufen eine ganz tolle Idee“, antwortet sie schluchzend und von Sarkasmus geladen.
„Ja, das war nicht besonders clever“, gebe ich geschlagen zu. Ich löse Ilaria von mir, um sie ansehen zu können. Vorsichtig wische ich ihr die Tränen von den Wangen. „Es tut mir leid, dass ich nicht mit dir geredet habe. Das war scheiße und du hast mit allem, was du gesagt hast, vollkommen Recht. Ich habe gestern alles falsch gemacht, was man nur falsch machen kann.“
„Das ist wahr“, stimmt sie mir zu. Ich halte sie an der Taille fest, als ich mich vorbeuge, um die Taschentuchbox zu ergreifen. Nachdem ich mich wieder aufgesetzt habe, greift sie sich ein weiteres Taschentuch, um sich die Nase zu putzen. „Ich bin immer noch wütend, nur dass du das weißt.“
„Das kann ich gut nachvollziehen. Ich wäre wahrscheinlich auch wütend.“
„Ich verstehe es einfach nicht. Du hast so viele intelligente Dinge über Kommunikation gesagt und wie wichtig es ist, dass man einander unterstützt und einander zuhört. Warum sagst du so etwas, wenn du bei einer Kleinigkeit wie einem Strauß Rosen einfach verschwindest und auf stur schaltest? Ich dachte, dass du anders bist und dann verhältst du dich so dumm und kindisch. Du hast mich wirklich sehr verletzt, Killian.“
Für einen Moment weiß ich nicht, was ich Ilaria antworten soll. Sie bedeutet mir so viel und ich würde es ewig bereuen, wenn eine Kurzschlussreaktion unsere Beziehung zerstört. Ich atme tief durch. „Ich kann nur sagen, dass es mir unendlich leidtut und dass ich einen Fehler gemacht habe. Ich verspreche dir, dass ich das wiedergutmachen werde, wenn du mir die Chance dazu gibst.“ Ich lege meine Hand an ihren Schenkel und streichle sie. „Kannst du mir verzeihen?“
Ilaria zuckt mit den Schultern. „Ja, aber nicht sofort. Ich will noch einmal über alles nachdenken. Ich mag dich zu gerne, um dich zum Teufel zu jagen, aber du hast mir wehgetan und das gefällt mir nicht. Ich bin echt sauer.“
„Zurecht“, antworte ich kleinlaut. „Kann ich irgendetwas tun, damit es dir besser geht?“
„Nein, im Moment nicht.“
„Ich verspreche dir, dass ich es in Zukunft besser machen werde. Ich bereue es sehr, dass ich gestern weggelaufen bin. Das war nicht okay.“ Ich drücke ihr einen sanften Kuss auf die Stirn. „Ich weiß, dass es keine Entschuldigung ist, aber wenn ich wütend bin, dann nehme ich lieber Abstand. Ich bin ein ziemlicher Hitzkopf und muss Dampf ablassen, bevor ich wieder richtig denken kann, aber das rechtfertigt nicht, dass ich dich ignoriert habe.“ Ich schüttle den Kopf. „Das war scheiße und du hast das nicht verdient. Ich habe das Gefühl, dass ich das alles komplett vermasselt habe.“
Ilaria sieht mich an. Sie legt ihre kalte Hand an meine Wange, beugt sich dann zu mir und gibt mir einen sanften Kuss. „Das hast du nicht. Ich brauche nur Zeit, um darüber nachzudenken. Beziehungen sind nicht perfekt, aber ich will auch nicht, dass man mir wehtut und ich weiß im Moment nicht, was ich denken soll.“ Sie wischt sich über die Wange. „Ich weiß, dass ich viel zu nett bin und ich will nicht, dass das jemand ausnutzt. Ich will nicht eines Tages aufwachen und realisieren, dass ich in einer toxischen Beziehung gefangen bin. Das macht mir Angst.“
Ich rutsche zurück und lehne mich an. Ilaria schluchzt, dabei lässt sie sich an meine Schulter sinken. Liebevoll streichle ich ihren Rücken. Ich fühle mich schuldig. Meine dumme Entscheidung macht sie fertig. Ich könnte mir selbst ins Gesicht schlagen. Sie wischt sich die Tränen von den Wangen und schluchzt noch einmal. Ich reiche ihr eines der Taschentücher. Dieses Missverständnis hätte gar nicht erst eskalieren dürfen. Wenn ich das wieder hinbiegen möchte, muss mir etwas verdammt Gutes einfallen.
Wir bleiben eine ganze Weile so sitzen. Ich versuche mein Möglichstes, meine Prinzessin zu trösten. Ilaria wird immer ruhiger. Für einen Moment denke ich, dass sie eingeschlafen ist, doch sie richtet sich wieder auf. Sie streicht sich die Haare hinter die Ohren und atmet durch. „Hast du auch Hunger?“, fragt sie mich. Die Frage überrascht mich.
„Hast du noch nichts gegessen?“, frage ich besorgt nach. Ich streiche über ihren Oberschenkel. „Du musst essen, auch wenn du traurig bist.“
Sie nickt. „So schnell vergeht mir mein Appetit nicht. Ich war so frustriert, dass ich meinen gesamten Schokoladenvorrat gegessen habe.“
Ich schnaube über dieses kleine Geständnis. „Worauf hast du denn Lust? Das Essen geht auf mich.“
Ilaria beugt sich zu meinem Gesicht und küsst meine Wange. Diese Geste bringt mich zum Lächeln. „Ich bin noch nicht ganz sicher. Worauf hast du denn Lust?“
Ich zucke mit den Schultern. „Burger und Fritten?“
„Hm“, gibt Ilaria überlegend von sich. „Ich hatte eigentlich eher an asiatisch gedacht.“
„Nehme ich auch“, antworte ich ihr. „Ich finde auf jeder Speisekarte etwas.“
„Und das macht dir nichts aus?“, fragt sie noch einmal nach, worauf ich den Kopf schüttle.
„Such dir aus, was du möchtest, das ist das Mindeste, was ich heute für dich tun kann.“
Ilaria klettert von meinem Schoß und geht zu ihrem Schreibtisch. Sie bringt ihr Tablet mit und wir suchen uns etwas zu essen aus. Während ich überlege, was ich haben möchte, putzt Ilaria sich noch einmal die Nase und verschwindet anschließend ins Badezimmer, um sich das Gesicht zu waschen. Ich empfange meine Prinzessin, indem ich meinen Arm anhebe. Sie kuschelt sich an meine Seite. Im Augenwinkel sehe ich ihren Blick. Sie sieht immer noch traurig aus. Ich drehe meinen Kopf in ihre Richtung und sie gibt mir einen sanften Kuss. Hoffentlich kann sie mich bald wieder in einem anderen Licht betrachten.
„Bleibst du heute über Nacht?“, fragt sie mich.
„Wenn du möchtest ja, aber wenn du Zeit zum Nachdenken brauchst, dann gehe ich nach dem Essen nach Hause.“
„Ich denke, dass es mir lieber wäre, wenn du bleibst“, antwortet sie mir. „Ich bin froh, dass wir das Missverständnis klären konnten.“
„Ich auch, Prinzessin.“ Ich reiche ihr das Tablet und sie schließt die Bestellung ab. „Letzte Nacht habe ich echt mies geschlafen.“
„Ich konnte auch kaum schlafen. Ich hatte viel zu viele Gedanken im Kopf“, antwortet Ilaria, ehe sie seufzt. „Auch wenn wir das geklärt haben, gibt es aber trotzdem noch etwas, das ich unbedingt mit dir besprechen muss. Ich will nicht, dass so etwas wieder vorkommt und deswegen will ich wissen, wieso du so heftig reagiert hast. Dafür muss es einen Grund geben. Du bist sonst ganz anders.“
„Darüber will ich eigentlich nicht sprechen“, antworte ich ihr.
„Dir bleibt aber nichts Anderes übrig. Es ist offensichtlich, dass dein Problem auch unsere Beziehung und vor allem mich beeinflusst.“ Ilaria klingt ernst, sie setzt sich auf und sucht Augenkontakt. Ich reibe mir das Gesicht, ehe ich sie ansehe. „Ich habe mich gestern furchtbar gefühlt und dass du nicht mit mir reden wolltest, versetzt mich unter Stress. Ich frage mich ständig, ob das ein Ausrutscher war oder ob meine Zukunft jetzt genau so aussieht. Muss ich damit jetzt immer rechnen? Wirst du öfter eifersüchtig und wütend? Lässt du mich vielleicht in der Öffentlichkeit stehen und verschwindest, wenn du sauer bist?“ Sie sieht traurig auf ihre Finger, die sie ineinander verhakt. „Das verunsichert mich und ich hätte gerne eine Erklärung.“
„Ich sagte doch, dass ich nicht mehr weglaufen werde.“ Ich hebe meinen Arm. „Komm wieder zu mir und mach den Fernseher an. Kuscheln wird uns guttun.“
Ilaria verschränkt ihre Arme. „Dann war das alles? Du sagst du willst nicht reden und wir reden nicht? Killian, du hast mich verletzt und ich habe ein Recht darauf zu verstehen, was in deinem Kopf vorgegangen ist. Wie soll ich damit klarkommen, wenn ich nicht kapiere, was du dir gedacht hast? Ich will darüber reden. Das ist mir wichtig.“
Ich lasse meinen Arm wieder sinken und seufze. „Du hörst erst auf, nachzuhaken, wenn ich dir die ganze Geschichte erzählt habe, hm?“
Ilaria nickt. Sie schnappt sich eines der Seesternkissen und schlingt ihre Arme darum. Gespannt sieht sie mich an. „Bitte. Ich habe dir nie einen Grund gegeben eifersüchtig zu sein. Ich will wissen, woher das kommt.“
Ich richte meinen Blick an die Decke. Es ist einfacher, wenn ich Ilaria nicht ansehe. Solche Gespräche liegen weit außerhalb meiner Komfortzone. „Gut, viel gibt es eigentlich nicht zu erzählen.“ Ich räuspere mich. „Meine letzte Freundin hat mich mit ihrem Ex betrogen und mich dann für ihn verlassen. Als du mir gesagt hast, dass die Blumen von deinem Ex sind und du dann auch noch mit dem Kerl telefoniert hast, habe ich Angst bekommen, dass sich das wiederholt.“ Ilaria legt ihre Hand an meinen Oberschenkel und streichelt mich.
„Das tut mir leid. Wart ihr denn lange zusammen?“
„Fast zwei Jahre. Sie hat mich aber den Großteil der Beziehung betrogen. Ihr Ex hat in ihrem Wohnhaus gewohnt, es war also nie verdächtig, wenn er dort ein- und ausgegangen ist oder seine Karre vor der Tür stand. Wir hatten auch ein gutes Sexleben und haben viel zusammen unternommen. Es hat auf mich überhaupt nicht gewirkt, als würde ihr etwas fehlen. Und in Wirklichkeit hat sie beinahe unsere gesamte Beziehung nebenbei mit ihrem Ex gevögelt.“ Ich reibe mir das Gesicht. „Als ich dann kapiert habe, was eigentlich los ist, hat sie mir schon gesagt, dass das mit uns nichts wird und sie wieder mit ihrem Ex zusammen ist.“ Ilaria streichelt mich weiterhin, irgendwie macht es das Ganze ein wenig besser. „Ich habe Jessica wirklich geliebt. Sie hat mich fertig gemacht.“ Ich tätschle meinen Bauch. „Nach der Beziehung habe ich einige Pfunde zugelegt, die ich in den letzten Jahren auch nicht mehr losgeworden bin. Die Frauen, die ich nach der Trennung kennengelernt habe, waren hauptsächlich One-Night-Stands, das hat allerdings auch aufgehört, als ich mich mit meinem Gewicht nicht mehr wohlgefühlt habe. In den letzten zwei Jahren habe ich ab und zu mal ein Mädchen zu einem Date getroffen, aber doch eher halbherzig. Das mit dem Vertrauen ist nicht mehr so leicht wie früher.“
Ilaria beugt sich über mich und küsst sanft meine Lippen. Als sie sich von mir löst, lächelt sie mich an, dann streichelt sie meine Wange. „Bei mir musst du dir keine Sorgen um Ex-Freunde oder andere Männer machen. Das verspreche ich dir. Aber du musst wirklich mit mir reden, wenn irgendetwas nicht in Ordnung ist. Du kennst mich. Du weißt, dass ich dir zuhöre.“
„Das werde ich. Versprochen.“
Ich greife nach Ilarias Arm und versuche, sie auf mich zu ziehen. Ilaria kichert. Erst versucht sie, sich gegen mich zu wehren, dann wirft sie mir das Seesternkissen an den Kopf. Ich schließe meine Augen, um sie vor dem Kissen zu schützen, dann schüttle ich es ab und drücke dafür Ilaria an meine Brust. Sie windet sich spielerisch, gibt aber dann doch mit einem tiefen Seufzen auf. Ich werde sanft gestreichelt.
„Ich bin zu schwach, um mich gegen deine Liebe zu wehren.“
Ich schnaube. „Das war der Plan.“
„Danke, dass du mir das mit deiner Ex-Freundin erzählt hast. Jetzt macht das alles auch mehr Sinn. Ich dachte, dass du eifersüchtig und wütend auf mich bist, weil Matt mir Blumen geschickt hat. Dafür kann ich ja gar nichts.“
„Du hättest sie nicht annehmen müssen.“
„Ich dachte aber, dass sie von dir sind“, antwortet Ilaria mir. „Wer rechnet denn damit nach zwei Jahren plötzlich Blumen von einem Ex-Freund zu bekommen? Mein erster Gedanke war, dass sie viel zu teuer sind und du dein Geld in etwas Anderes investieren solltest.“
„Hm.“
„Du störst dich doch nicht ernsthaft an den Blumen?“, fragt Ilaria nach.
„Ein wenig.“
Sie atmet tief durch, ehe sie wieder spricht: „Sie sind ein Geschenk und ich werde sie nicht wegwerfen. Wenn du dich wegen ein paar Blumen angegriffen fühlst oder einen Kratzer in deinem Ego bekommst, dann weiß ich nicht, ob wir das wieder hinbekommen.“ Ich halte einen Moment inne. Sie hat Recht. Das ist Schwachsinn. Ilaria ist ganz anders als meine Ex. Die Fehler meiner Ex haben nichts mit Ilaria oder unserer Beziehung zu tun. „Killian?“
„Vergiss, was ich gesagt habe. Die Blumen sind nicht das Problem. Ich bin ein Idiot. Bis jetzt haben wir nur über mich gesprochen, obwohl das für dich ein wichtiger Schritt war. Es war nett von deinem Ex, sich bei dir zu entschuldigen und dir Blumen zu schicken. Es hat bestimmt geholfen, abzuschließen, hm?“
„Ja, Matt hat sich verändert. Er war wieder der nette, fürsorgliche Mann, den ich früher so gernhatte. Er hat sich sehr für mich gefreut, dass ich einen Neuanfang gemacht habe und er hat gesagt, dass ich stolz auf mich sein kann. Und Brooke wird mich in Zukunft in Ruhe lassen, das hat sie Matt versprochen. Vielleicht entschuldigt Brooke sich sogar noch bei mir.“ Ilaria richtet sich auf und sieht mich an. „Man könnte also sagen, dass dieses Kapitel meines Lebens doch noch ein Happy End bekommt.“
„Das freut mich für dich, Prinzessin.“
„Jetzt müsste nur noch zwischen uns alles wie vorher werden.“
„Kann ich irgendetwas tun?“, frage ich nach.
„Ich schätze, dass ich Zeit brauchen werde, um mir über viele Dinge klarzuwerden. Du gibst mir doch den Abstand, den ich brauche, oder?“
Ich nicke. „Nimm dir alle Zeit der Welt.“
· • ✤ • ·
Nach dem Essen beschließen wir, dass wir die Nacht doch nicht zusammen verbringen. Ilaria braucht Zeit, um über alles nachzudenken. Es ist besser so. Ich wäre ohnehin erst irgendwann nachts zu ihr ins Bett geklettert, da ich heute Abend einen Auftritt mit der Band habe. Wer weiß? Aus dem Haus zu kommen und etwas zu unternehmen wird mir vielleicht sogar ganz guttun. Ablenkung kann nicht schaden.
Meine Jungs haben ziemlich gute Laune. Heute kann sich niemand vor einem dummen Spruch in Sicherheit bringen. Wir laden unsere Instrumente aus Angus’ Van und bringen sie durch den Hintereingang in den Club. Glücklicherweise wird uns in dieser Location ein Schlagzeug zur Verfügung gestellt, das erspart viel Zeit. Während Marc und Angus sich darum kümmern, dass alles fachgerecht verkabelt ist, verstauen Ian und ich unsere Jacken, Rucksäcke und Koffer backstage und besorgen etwas zu trinken. Bis jetzt dringt die Wirkung der Ablenkung leider noch nicht zu meinem Kopf durch.
„Willst du reden, Großer?“, fragt Ian mich, als wir an der Bar stehen und auf unsere Bestellung warten.
„Worüber sollte ich reden wollen?“
„Irgendwas bedrückt dich“, meint Ian, wobei er mich mit seinem Ellbogen anstupst. „Nervt dich dein Job?“
Ich schnaube. „Davon kannst du ausgehen.“ Der Barkeeper gibt uns zwei Flaschen Bier und zwei Flaschen Wasser. Auch wenn die Getränke für Bands kostenlos sind und ich ein Bier gut gebrauchen könnte, bleibe ich bei Wasser. Das Problem würde nur größer werden und darauf kann ich gut verzichten.
„Nein, im Ernst, was is' los?“, hakt Ian weiter nach.
„Beziehungsprobleme. Ich will nicht darüber reden.“
„Ach, Scheiße, tut mir leid, Mann“, antwortet Ian mir. „Hoffentlich bekommt ihr das wieder hin. Ihr seid 'n echt süßes Paar.“
„Ja, das hoffe ich auch.“ Ich deute mit dem Kopf Richtung Bühne. Wir gehen hinüber zu den Jungs. Sieht so aus, als wären sie fertig. Marc greift sich ein Bier und Angus bekommt die zweite Wasserflasche. Er fährt heute, also trinkt er nicht.
„Wir sind fertig für den Check“, meint Angus, dann sieht er auf seine Armbanduhr. „Bob sagt, dass wir in 20 Minuten dran sind.“
Ich drücke Ian meine Flasche in die Hand und entschuldige mich für ein paar Minuten.
Ich begebe mich zu den Toiletten, um mir das Gesicht zu waschen. In einer der Kabinen übergibt sich ein Kerl. Ein weiterer Kerl kommt wankend durch die Tür und stolpert zu einem Pissoir. Der Abend hat noch kaum angefangen und schon stinkt es nach Alkohol, Erbrochenem und Urin. Heute fühlt sich das Leben als Musiker wie ein schlechter Witz an. Wahrscheinlich war es das Beste, meine Karriere zu beenden und die Auftritte nun als Hobby zu betrachten. Einen Traum aufzugeben, ist nicht leicht, aber es wird Zeit, erwachsen zu werden. Ich muss damit klarkommen und mein Leben wieder in Ordnung bringen.
Einige Minuten später stehe ich auf der Bühne. Ich bin nervös, meine Hände schwitzen, doch Ians schlechte Witze lockern mich wieder auf. Auch wenn wir wohl nie berühmt werden, ist die Musik ein großer Teil meines Lebens, den ich nicht vollkommen aufgeben möchte. Ich muss mich nur noch daran gewöhnen, dass sie jetzt einen anderen Stellenwert in meinem Leben haben wird. Ich muss positiv denken. …oder es zumindest versuchen.