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Kapitel 25
30.000 Quarter
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An meinem freien Tag beschließe ich, Ilaria zu überraschen. Schon als ich meinen Dienstplan für diese Woche das erste Mal gesehen habe, habe ich auf diese Überraschung hingearbeitet. Die letzte Nacht habe ich bei meiner Mom verbracht, da ich heute Nachmittag zwei Schüler hatte. Die Einnahmen als Gitarrenlehrer sind zwar nur ein Tropfen auf den heißen Stein, doch ich konnte damit einen Teil meines heutigen Einkaufs bezahlen. Während Ilaria noch in der Arbeit ist, schließe ich schon ihre Wohnungstür auf. Meinen Einkauf stelle ich auf der Kommode ab, schlüpfe dann aus meinen Schuhen, lasse meinen Rucksack zu Boden sinken und ziehe meine Jacke aus. Auf der Lehne von Ilarias Couch hängen einige Kleidungsstücke. Sieht so aus, als wäre sie nicht sicher gewesen, was sie heute anziehen soll.
Ich nehme meine Tüte und meinen Rucksack mit in die Küche. Auf Ilarias Schreibtisch entdecke ich im Vorbeigehen ein Foto von uns beiden. Sie hat es in ein Buch geklebt und mit einem verschnörkelten Rahmen versehen. Als ich genauer hinsehe, lese ich die Wörter ‚Liebes Tagebuch‘ und nehme sofort wieder Abstand. Ilarias geheimste Gedanken zu lesen, würde mir im Traum nicht einfallen, selbst wenn sie mir auf dem Silbertablett serviert werden. Ich werfe noch einen letzten Blick auf das Foto, auf dem Ilaria mir einen Kuss auf die Wange drückt und gehe in die Küche. Ein Schmunzeln kann ich mir allerdings nicht verkneifen. Der Gedanke, dass Ilaria regelmäßig in ein Tagebuch schreibt und es auch noch so liebevoll verziert, gefällt mir. Es passt zu ihr. Auch auf dem Kühlschrank entdecke ich neue Fotos von uns beiden. Sie sind mit Muschelmagneten befestigt. Ilaria war gestern Abend wohl sehr beschäftigt.
Ich stelle meine Einkaufstüte auf die Theke und kümmere mich erst einmal darum, dass Musik läuft und mache mir im Anschluss einen Kaffee. Während der Kaffee in meine Batman-Tasse läuft, verstaue ich das gekaufte Vanilleeis im Gefrierschrank. Bevor ich anfange zu kochen, räume ich noch den Geschirrspüler aus. Den Sauerteig für das Brot habe ich schon vor ein paar Tagen angesetzt. Jetzt muss ich das Brot nur noch backen. Aus meinem Rucksack hole ich die runden Backformen und natürlich den Sauerteig.
Ein Blick auf das Display meines Smartphones verrät mir, dass ich gut in der Zeit liege. Ich werfe das Brot in den Ofen und beginne dann damit, Gemüse zu waschen, Zwiebel zu schälen und zu schneiden. Während ich darauf warte, dass das Olivenöl in einem Topf erhitzt, schneide ich gerade Sellerie in kleine Stückchen. Die geschnittenen Zwiebeln und ungefähr die Hälfte der Selleriestückchen werden im Öl angebraten. Ich werfe außerdem einen prüfenden Blick in den Ofen, obwohl ich weiß, dass das Brot ungefähr eine Stunde brauchen wird. Meine Backkünste sind nicht besonders berauschend, deswegen gehe ich lieber auf Nummer sicher und behalte das Brot im Auge. Nebenbei schneide ich noch Tomaten, Paprika und Karotten in kleine Stückchen. Außerdem muss ich noch die Muscheln waschen. Nach und nach landen alle Zutaten in dem Topf. Immer wieder schmecke ich die Muschelsuppe ab und füge noch einige Gewürze hinzu.
Als ich gerade umrühre, leuchtet mein Display auf und zieht somit meine Aufmerksamkeit auf sich. Ilaria hat mir eine Nachricht geschrieben.
Ilaria: ‚Hey, mein Liebster! Ich bin gerade auf dem Weg nach Hause. Soll ich etwas zu Essen mitnehmen oder bestellen wir uns eine Pizza?‘
Die vielen Kuss-Emojis und die Herzen, die sie kurz danach schickt, bringen mich zum Schmunzeln. Schnell tippe ich ihr eine Antwort.
Killian: ‚Ist schon alles erledigt, du musst nur noch nach Hause kommen.‘
Ilaria: ‚Du bist der Beste!‘
Ich stelle den Herd aus und schiebe den Topf von der heißen Platte. Jetzt muss nur noch das Brot fertig werden und schon können wir essen. Da mir durch die Hitze des Herdes recht warm geworden ist, kippe ich das Fenster.
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Gerade, als ich das Brot aus dem Ofen nehme, höre ich Ilarias Stimme. Dass sie die Tür aufgeschlossen hat, habe ich gar nicht mitbekommen. Die Musik muss die Geräusche übertönt haben.
„Das riecht aber toll!“, ruft sie aus dem Wohnzimmer. Etwas umständlich schubse ich die Formen mit dem Brot von dem Blech in meiner Hand auf den Herd, um sie auskühlen zu lassen.
„Das Essen ist so gut wie fertig“, antworte ich ihr und schiebe das Blech zurück, ehe ich den Ofen wieder schließe.
Ilaria stößt zu mir und drückt mir einen Kuss auf die Wange. Neugierig blickt sie in den Topf.
„Clam Chowder“, antworte ich ihr, worauf sie mich erstaunt ansieht.
„Da hast du dir ja ganz schön Mühe gegeben.“
Ich ziehe die blauen Ofenhandschuhe aus und lege sie auf die Theke. „Ach, halb so wild. Ich dachte, dass ich dich mit einem selbstgemachten Abendessen überrasche. Wir müssen ja nicht immer etwas bestellen und ich hatte genug Zeit.“
Ilaria schlingt ihre Arme um meinen Hals und drückt mir einen Kuss auf die Lippen. Ich lege meine Hände an ihre Taille und erwidere den Begrüßungskuss. „Du bist der wunderbarste Mann auf der ganzen weiten Welt“, macht Ilaria mir ein Kompliment.
Ich schnaube. „Naja.“
„Das mit dem Annehmen von Komplimenten wirst du dir noch angewöhnen“, meint Ilaria mit einem Lächeln. Sie streicht über meine Brust. „Kommst du mit unter die Dusche? Mit Gesellschaft ist es viel schöner.“
„Klar, wieso nicht?“
Ilaria nimmt mich an der Hand und führt mich durch das Wohnzimmer. „Heute trödeln wir aber nicht, meine Füße bringen mich um.“ Ich schüttle den Kopf und verkneife mir einen Kommentar. „Ich kann es kaum erwarten, auf meinem Hintern zu sitzen und meine Beine hochzulegen.“ Im Badezimmer öffnet Ilaria ihre Bluse und zieht sich eilig den BH aus. „Endlich wieder frei.“ Sie greift zu einem Tuch und wischt sich damit über das Gesicht, um ihr Makeup zu entfernen.
„Also von mir aus müsstest du nie einen BH tragen.“
„Ich fürchte, dass meine Arbeitskollegen das ein wenig anders sehen“, antwortet Ilaria mir amüsiert. „Spätestens wenn die Klimaanlage läuft, wird sich jemand beschweren.“ Sie hält ihre Zeigefinger an ihre Brüste, um damit ihre Brustwarzen übertrieben darzustellen. Natürlich weiß ich sofort, was sie meint.
Ich schüttle den Kopf, ein Grinsen kann ich mir dabei nicht verkneifen. „Die Männer wahrscheinlich eher nicht.“
Ilaria lacht. „Möglich. Ich will aber, dass mir jemand zuhört und nicht sabbernd auf meine Brüste starrt.“
„Hm? Was hast du gesagt?“, scherze ich grinsend, worauf ich einen Klaps auf den Arm ernte.
„Nicht witzig, Killian. Sexismus ist kein Spaß. Ich habe nicht nur Brüste, sondern auch Köpfchen.“
„Ich weiß, entschuldige. War ein schlechter Scherz. Ich höre dir immer zu, außer mein Kopf ist zu müde.“
„Es sei dir verziehen. Ich rede ja auch viel.“ Während ich mich ausziehe, wirft Ilaria das Tuch in einen kleinen Mülleimer und setzt sich auf die geschlossene Toilette. Sie zieht ihre Strümpfe aus und betrachtet ihre Fersen. „Toll, Blasen so groß wie Golfbälle.“
„Tja, wer schön sein will, muss leiden, hm?“, kommentiere ich die Situation nun doch. Als ich Ilarias Blick sehe, wünsche ich mir allerdings, den Kommentar für mich behalten zu haben.
„Sobald ich meine neuen Schuhe eingelaufen habe, ist alles in Ordnung, aber die erste Woche ist immer sehr schmerzhaft.“
„Ich verliere langsam den Überblick darüber, wie oft du dich über neue Schuhe beschwert hast“, meine ich ehrlich und öffne dann die Glastür zur Dusche, um das Wasser anzustellen.
„Beschwere ich mich tatsächlich so häufig?“
„Mhm“, antworte ich ihr. „Ziemlich.“
„Nervt dich das?“
Ich zucke mit den Schultern. „Es sind deine Füße. Du kannst anziehen, was du willst. Und es ist ja nicht so, als würde es mir nicht gefallen. Du siehst immer sehr sexy aus.“
„Ja, aber nervt es dich, dass ich mich beschwere?“, hakt Ilaria nach.
„Wenn ich jetzt ja sage, bist du dann beleidigt?“
„Nein, ich will nur eine ehrliche Antwort von dir haben.“
Ich wiege meinen Kopf hin und her. „Sagen wir es so: Du bist nicht die erste Frau, die sich bei mir über ihre Schuhe beschwert. Es kam schon oft vor, dass eine Frau nicht nach Hause laufen wollte, weil ihr die Füße so sehr wehgetan haben. Irgendwann habe ich dann angefangen, ein Paar flache, bequeme Schuhe in meinem Rucksack herumzutragen, damit meine Freundin sich andere Schuhe anziehen kann.“
„Ach, tatsächlich?“, fragt Ilaria nach, worauf ich nicke. „Das ist ja nett von dir.“
Ich schnaube und werfe meine Socken in den Wäschekorb. „Es ist eigennützig, so beschweren sich Frauen nicht so oft.“
„Aha! Also stört es dich!“, bemerkt Ilaria und zeigt auf mich.
„Komm in die Dusche“, antworte ich ihr und öffne die Glastür erneut.
Nun lacht meine Prinzessin ein weiteres Mal. „Du bist ausweichender als ein Politiker.“ Grinsend steige ich in die Dusche. Ilaria schlüpft noch aus ihrem Rock und ihrem Höschen und folgt mir sofort. „Hey, vielleicht stecke ich auch ein Paar flache Schuhe in deinen Rucksack. Die schwarzen Sneakers passen bestimmt perfekt zu dem anderen Kram, den du mit dir herumschleppst.“
Ich zucke mit den Schultern. „Dagegen hätte ich nichts einzuwenden.“ Meine nackte Freundin drängt sich an mir vorbei und lässt sich von dem Duschkopf berieseln. Für einen Moment genieße ich den Anblick, dann nehme ich ihr nasses Gesicht in meine Hände und küsse ihre Stirn.
Ein Glück, dass sie dieses Thema mit Humor nimmt. Dass so ein Gespräch auch anders ausgehen kann, weiß ich leider zu gut.
· • ✤ • ·
Während Ilaria im Badezimmer noch mit ihren Haaren kämpft, decke ich den kleinen Tisch im Wohnzimmer und serviere das Abendessen in der Kruste des selbstgebackenen Brots. Ich fülle einen Krug mit Wasser und werfe einige Zitronenscheiben hinein.
„Wow, das sieht ja aus, als würden wir in einem Restaurant essen. Du hast dir so viel Mühe gemacht“, gibt Ilaria erstaunt von sich. Ich ziehe einen Mundwinkel hoch, schnappe mir noch zwei Gläser und stoße mit dem Krug zu meiner Prinzessin. Ilaria setzt sich gerade.
„Hoffentlich schmeckt es dir auch so gut wie im Restaurant“, entgegne ich ihr und stelle die Gläser und den Krug auf den Tisch. Als ich mich gerade hinsetzen möchte, hält Ilaria mich am Arm fest. Mit ihrem Finger lockt sie mich zu sich und ich beuge mich in ihre Richtung. Ich bekomme einen Kuss. Das ist eine Belohnung ganz nach meinem Geschmack.
„Danke, dass du gekocht hast.“
„Nichts zu danken, Prinzessin. Ist doch nur ein Abendessen.“ Bevor ich mich setze, hole ich noch eines der Feuerzeuge vom Couchtisch und entzünde die Kerze auf dem Esstisch. Ilaria befüllt gerade unsere Gläser.
„Ich wusste gar nicht, dass du backen kannst.“ Mit ihrem Löffel stupst sie gegen das Brot.
Ich winke ab. „Kann ich auch meistens nicht. Halbverbrannte Muffins, Brownies, die eher einem Stück Kohle gleichen, matschiger Kuchen…“ Ich schüttle den Kopf. „Bei dem Brot hatte ich wahrscheinlich auch mehr Glück als Verstand.“
„Ach, du übertreibst doch“, antwortet Ilaria mir und pustet vorsichtig auf ihren Löffel. Sie kostet von der Suppe und nickt zufrieden. Auch ich beginne zu essen.
„Und? Schmeckt es dir so gut wie im Restaurant?“, erkundige ich mich interessiert.
„Besser. Ich schmecke die Liebe, mit der du gekocht hast“, antwortet Ilaria mir, doch dabei sieht sie nicht so zufrieden aus, wie ich es mir erhofft habe.
„Stimmt irgendetwas nicht, Prinzessin?“, erkundige ich mich besorgt und greife gleich nach ihrer Hand.
„Es ist alles in Ordnung“, antwortet sie mit unsicherer Stimme. Ihr Blick gleitet zu unseren Händen, ehe sie mich ansieht. „Ich begreife nur gerade, dass du das für mich gemacht hast. Einfach so, ohne irgendeinen besonderen Grund. Ich bin dir wirklich sehr dankbar, Killian. Es bedeutet mir viel, dass du dich so um mich kümmerst.“ Sie blickt nach oben und versucht, ihre Tränen wegzublinzeln, ehe sie doch den Löffel weglegt und über ihre Augen wischt. „Entschuldige, ich bin manchmal viel zu emotional.“
Da ich mir nicht sicher bin, wie ich auf Ilarias Aussage reagieren soll, drücke ich sanft ihre Hand und schenke ihr ein Lächeln. „Unsinn, das bist du nicht.“ Ich hebe unsere Hände an und küsse ihre Finger. „Ich hoffe, dass das Freudentränen sind?“
Sie nickt und streicht wieder über ihre Augen. „Ja, ja, entschuldige. Keine Ahnung, was in mich gefahren ist. Es tut mir leid. Du bist süß und romantisch und ich verderbe alles.“
Ich stehe auf, um die Taschentuchbox von dem Couchtisch zu holen. „Bist du sicher, dass alles okay ist?“, frage ich nach, als ich ihr ein Taschentuch reiche. Dankend nimmt sie es an sich und wischt über ihre Augen, ehe sie sich die Nase putzt.
„Ja, ich bin nur müde und hungrig und überwältigt. Die Arbeit war stressig. Und ich bekomme meine Periode, das lässt mich immer etwas verrücktspielen. Gestern musste ich weinen, weil ich einen süßen Hund im Fernsehen gesehen habe.“
„Oh nein. Willst du dann gleich ins Bett?“, frage ich mich, als ich mich wieder hinsetze. Ich verschiebe den Krug, um die Taschentuchbox abstellen zu können. Der Tisch ist wirklich ausgesprochen klein. „Ich wollte uns eigentlich noch einen Sundae machen.“
„Ein riesiger Eisbecher wäre perfekt für meine Nerven.“ Ich ziehe einen Mundwinkel hoch und mustere Ilaria, die das Taschentuch zur Seite legt und wieder anfängt zu essen. Auch ich greife wieder zu meinem Löffel. Länger sollten wir uns ohnehin nicht Zeit lassen, sonst weicht das Brot auf und die Suppe läuft aus.
„Dann sollst du deinen Eisbecher bekommen“, sichere ich ihr gut zu. Auf Ilarias Lippen breitet sich wieder ein Lächeln aus. So gefällt sie mir gleich besser. Sie weinen zu sehen, ist mir immer unangenehm.
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Ilaria setzt sich zu mir auf das Bett. Anstatt einem knappen, sexy Nachthemd trägt sie einen Flanellschlafanzug. Neugierig lehnt sie sich in meine Richtung, während sie ihre langen Haare bürstet.
„Was machst du?“, fragt sie nach.
„Meine E-Mails checken“, antworte ich etwas frustriert, da ich gerade die offizielle Absage von Ilarias Arbeitgeber bekommen habe. „Die Absage ist da. Schade, dass sie mir keine Chance auf ein Gespräch gegeben haben. Es wäre nett gewesen, bei euch zu arbeiten. Das Geld hätte ich wirklich gut gebrauchen können.“ Ich stelle mir einen Wecker für morgen Früh und stecke mein Smartphone an, um den Akku zu laden, außerdem lasse ich es auf dem Nachttisch liegen. Geschlagen lasse ich mich in das Kissen sinken und sehe an die Decke. Die Lichterkette im Fischernetz ist ausgeschalten, doch das Wellenlicht erleuchtet das Zimmer. Aus einem Lautsprecher ertönt beruhigendes Meeresrauschen.
Nach einem Seufzen tröstet Ilaria mich: „Tut mir leid, dass du den Job nicht bekommen hast, aber vielleicht ist das besser so. Da draußen wartet bestimmt eine andere Chance darauf, von dir ergriffen zu werden.“ Ich werde von Ilaria gestreichelt, doch dann steht sie auf. Ich sehe ihr nach, als sie zu ihrer Kommode geht und ihre Bürste in die oberste Schublade legt. Sie dreht sich vor dem Spiegel und streicht über ihren Bauch, ehe sie anfängt, ihre Haare zu flechten. Ich verhake meine Finger ineinander und bette meinen Kopf auf meinen Händen.
„Ich bin mir nicht sicher, ob es da draußen viele Chancen gibt, die einfach nur ergriffen werden wollen. Es ist ja nicht so, als ob das Geld auf der Straße liegen würde und ich es nur aufheben müsste.“
„Sprich für dich selbst. Ich habe heute einen viertel Dollar gefunden“, antwortet Ilaria mir, ehe sie sich breit lächelnd zu mir umdreht.
Da ich nicht mit dieser Antwort gerechnet habe, fange ich an zu lachen. „Toll, halt weiter Ausschau. Noch ungefähr 30.000 davon und ich kann ein schönes Stück meiner Schulden bezahlen.“
Ilaria hält in ihrer Bewegung Inne. Sie sieht nach oben, es wirkt, als würde sie nachdenken. „Du kannst meinen müden Kopf doch nicht rechnen lassen.“
Amüsiert setze ich mich auf und klopfe mit der flachen Hand auf ihre Seite des Bettes. „Die Summe spielt keine Rolle, komm zu mir ins Bett.“
„Ja, gleich“, antwortet sie mir und bindet ihre Haare zusammen. Nach einem letzten Blick in den Spiegel klettert sie zu mir ins Bett und kuschelt sich sofort in ihr Kissen. „Ich hoffe, dass du heute keine Lust auf Sex hast. Ich fühle mich unattraktiv.“
Ich schnaube und streiche über ihren Kopf. „Du siehst genauso hübsch aus wie immer, Prinzessin.“ Ilaria rümpft die Nase. Es ist offensichtlich, dass sie anderer Meinung ist.
„Danke, lieb von dir.“
„Mir fällt da etwas ein, womit du dich besser fühlen könntest“, meine ich zuversichtlich und krabble an das Fußende des Bettes.
„Was hast du vor?“
„Ich massiere deine Füße.“
„Nein, das musst du doch nicht.“
„Ich will aber. Entspann dich.“ Ich lege ihr Bein an meinem Oberschenkel ab, sodass ihre Ferse in der Luft ist. Wehtun will ich ihr nicht, das haben ihre neuen Schuhe schon sehr gründlich erledigt. Als ich damit beginne, ihren Fußballen zu massieren, stöhnt Ilaria genüsslich auf. „Das tut gut, tausend Dank.“
„Für dich tue ich alles, Prinzessin.“
„Was hast du heute sonst noch gemacht, außer dir den Preis für den besten Mann der Welt zu verdienen?“, fragt Ilaria nach, worauf ich amüsiert den Kopf schüttle.
„Gitarrenunterricht, einkaufen, kochen, sonst eigentlich nichts Besonderes. Oh, ich habe gesehen, dass du ein paar unserer Fotos an deinen Kühlschrank gepinnt hast. Ich hab' dir letzte Nacht gefehlt, hm?“
„Ja, das hast du“, antwortet sie mir ohne zu zögern. „Gestern Abend wollte ich irgendetwas tun, um mich zu beschäftigen, aber für ein Gemälde war ich nicht in Stimmung. Also habe ich mir die Nägel lackiert, ein paar Fotos ausgedruckt und meinen Schreibtisch aufgeräumt. Ich muss demnächst irgendetwas unternehmen, mein Alltag fühlt sich aktuell sehr leblos an. Ich brauche wieder mehr Bewegung, sonst fällt mir die Decke auf den Kopf.“
„Woran hast du denn gedacht?“, hake ich nach. „Wenn das Wetter mitspielt, könnten wir demnächst zum Lincoln Park fahren, ein wenig wandern und uns den Mile Rock Beach ansehen. Warst du dort schon?“
„Nein, da war ich tatsächlich noch nicht. Eine Wanderung schiebe ich aber lieber noch ein wenig auf. Sobald es meinen Füßen besser geht, können wir das gerne machen.“
„Hoffentlich lässt du dich vorher nicht noch einmal von einem neuen Paar Schuhe verführen“, ziehe ich sie auf. Ilaria lacht, greift sich ihren Plüsch-Oktopus und wirft ihn nach mir. Obwohl ich mich ducke und mein Gesicht mit einem Arm schütze, trifft sie mich.
„Ich bin eben ein Mädchen mit einer Schwäche für schöne Schuhe. Noch schlimmer wird es, wenn sie glitzern. Dann glüht meine Kreditkarte sofort. Damit musst du leben.“
„Ach, damit komme ich klar.“ Ich greife mir Okti und werfe ihn sanft zu Ilaria zurück. „Du bist gut, wie du bist“, antworte ich ihr und widme mich wieder ihrem Fuß. Sie zuckt ein wenig, also massiere ich eine andere Stelle. Sie zu kitzeln wäre kontraproduktiv. Sie soll sich immerhin entspannen. „Wie oft kaufst du dir denn neue Schuhe?“
„Hm“, gibt Ilaria überlegend von sich. „Keine Ahnung? Immer, wenn ich Lust dazu habe. Ich trinke nicht und ich rauche nicht, nehme keine Drogen, verdiene recht gut und mein Daddy überweist mir monatlich einen kleinen Zuschuss, weil er Angst hat, dass es mir an irgendetwas fehlt.“ Als ich zu Ilaria sehe, spielt sie gerade mit Okti. Sie wackelt mit zwei seiner Tentakel. „Im Prinzip komme ich ganz gut zurecht. Einen größeren Urlaub könnte ich mir aktuell nicht leisten, aber ab und zu sind schon ein hübsches Paar Pumps oder neue Stiefel drin.“ Sie lächelt mich an. „Aber wenn ich noch 30.000 Quarter finde, könnten wir zusammen Urlaub machen.“
Ich schnaube, lege Ilarias Fuß vorsichtig ab und greife dann nach dem zweiten. „Und wohin geht die Reise?“
„Ich würde sagen, dass wir einen Roadtrip nach L.A. machen. Wir haben deine Gitarren im Schlepptau und ich schicke dich auf jede Bühne, auf der du auftreten darfst.“
„Das klingt eher nach Arbeit, als nach Urlaub“, antworte ich ihr amüsiert.
„Und weil es ja mein Traumurlaub ist, entdeckt dich ein Produzent und du wirst berühmt“, erzählt Ilaria weiter.
Ich lache los, beuge mich zu Ilarias Bein und küsse ihren Schenkel, dann massiere ich weiter ihren Fuß. „Erträumst du dir gar nichts für dich selbst?“
„Doch, natürlich. Ich verkaufe meinen Schmuck an deine treuen Fans!“, antwortet Ilaria überzeugt, ehe sie selbst lacht. „So haben wir beide etwas davon.“
„Ich bin mir nicht sicher, ob dein Plan so funktionieren kann, Prinzessin. Ich sehe da einige Schwachstellen. 30.000 Quarter zu finden, ist nicht so einfach.“
„Man wird doch noch träumen dürfen.“ Sie atmet tief durch. „Oh, das ist so angenehm. Mir hat noch nie jemand einfach so die Füße massiert.“
„Nicht?“, frage ich ungläubig nach. „Für eine Prinzessin bist du aber nicht besonders königlich behandelt worden.“
„Du bist wohl der erste, der eine Prinzessin in mir sieht.“
„Schwer zu glauben“, antworte ich ihr und lege ihren Fuß ab. „Ich bin gleich wieder da.“
„In Ordnung. Okti und ich warten auf dich.“
Im Badezimmer wasche ich mir die Hände und trockne sie gründlich ab, ehe ich wieder zu Ilaria ins Bett steige. Ich liege noch gar nicht richtig, schon kuschelt sie sich an meine Seite. Liebevoll küsse ich Ilarias Stirn und streichle über ihren Arm. Ich spüre, dass Ilaria mit ihrem Finger ein Herz auf meine Brust zeichnet. Diese simple Geste bringt mich zum Lächeln.
„Wenn ich mich wieder besser fühle, dann werde ich mich für die königliche Behandlung erkenntlich zeigen.“
„Ach was, das musst du nicht.“
„Ich will es aber“, antwortet Ilaria mir und gibt mir einen Kuss auf die Wange. Ich bin zufrieden.
„Gut, dann werde ich dich nicht aufhalten.“
Als ich die Augen schließe, brechen jedoch leider Ernüchterung und Realität auf mich herein. Es ist scheiße, dass ich diesen Job nicht bekommen habe. Es wäre toll gewesen, wenn ich mehr Geld verdient hätte. Auf 30.000 gefundene Quarter kann ich mich leider nicht verlassen.