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Kapitel 15
Geldsorgen
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Ich stelle die Teller auf den Tisch, lege das Besteck daneben und fülle zwei Gläser mit Coke, ehe ich mich setze. Mom greift nach ihrem Glas und bedankt sich. Heute hatte sie Lust auf ein gutes Steak und dazu kann und will ich natürlich nicht nein sagen. Ich liebe Steaks!
„Du bist heute besonders schweigsam“, bemerkt Mom. „Hast du irgendein neues Projekt im Kopf, das dich beschäftigt?“
Ich räuspere mich, ehe ich ebenfalls zu meinem Glas greife und einen Schluck trinke. „Nein, ich bin nur müde. Ilaria ist nicht nur Frühaufsteherin, sie hat auch verdammt viel Energie. Neben ihr fühle ich mich manchmal wie ein alter Hund.“
Mom lacht. „Und deine Freundin ist ein Welpe, der mit dir spielen will?“
Ich schnaube amüsiert, dann nicke ich. „Ja, genau. Ich spiele gerne, aber irgendwann muss ein Mann auch ausschlafen.“ Müde reibe ich mir das Gesicht, dann widme ich mich meinem Steak. Natürlich fällt ihr auf, dass ich heute etwas neben der Spur bin. Mom hat immer ein Auge auf mich, wenn ich sie besuche. Sie macht sich bestimmt Sorgen, auch wenn sie das nicht sollte.
„Aber sonst geht es dir gut?“, erkundigt sie sich mit einem Lächeln.
„Mhm“, antworte ich, während ich kaue.
„Auch mit Ilaria?“
„Sehr“, entgegne ich mit einem Nicken. „Sie ist eine tolle Frau. Wenn ich bei ihr übernachte und sie früh raus muss, hinterlässt sie mir Notizen mit süßen Botschaften und kleinen Herzen. Sie wünscht mir einen guten Morgen und bereitet mir Frühstück vor, damit ich gleich etwas zu Essen habe, sobald ich mich aus dem Bett quäle. Sie hat mir sogar eine Batman-Tasse gekauft, die jeden Morgen für mich bereitsteht.“ Bei dem Gedanken an Ilaria muss ich lächeln, ich habe keine andere Wahl. „Mit ihr fühle ich mich richtig wohl. Gestern habe ich sie das erste Mal zu einem meiner Auftritte mitgenommen.“
„Und? Hat es ihr gefallen?“
„Ja, sehr gut sogar. Es war mir fast schon unangenehm, so viele Komplimente zu bekommen. Mit netten Worten geizt sie wirklich nicht. Sie hat sich auch sofort in meinen Freundeskreis integriert.“ Ich schneide ein Stückchen von meinem Steak und streiche etwas Kräuterbutter darauf. „Erst hatte ich ein wenig Bedenken, dass sie sich vielleicht nicht wohlfühlt, weil meine Jungs doch ein wenig ruppig sein können, aber sie hat alles mit Humor genommen und auch kräftig ausgeteilt. Die Jungs meinten, ich soll sie behalten und das habe ich vor.“ Ich grinse, dann genieße ich mein Steak. Es ist perfekt.
„Bring sie doch nächsten Sonntag einfach mal mit“, schlägt Mom vor. Sie sticht mit ihrer Gabel in ihre Schüssel und spießt eine Tomate auf. „Ich würde sie auch gerne kennenlernen.“ Genüsslich isst sie ihren Salat.
Ich bin etwas überrascht. „Du willst meine neue Freundin an deinem Geburtstag dabeihaben?“
„Warum nicht?“, antwortet sie mit einer Gegenfrage, dabei halbiert sie ihre Bratkartoffel. „Es ist ein Tag wie jeder andere auch. Ich koche für uns und wir unterhalten uns nett. Dein Lächeln macht mich neugierig. Ich möchte endlich das Mädchen kennenlernen, das dafür verantwortlich ist.“
„Okay.“ Aus einer kleinen Schüssel nehme ich noch einen Löffel Kräuterbutter. Selbstgemacht ist sie einfach am besten. „Vergiss nicht, dass sie Pescetarierin ist. Und sie verträgt scharfes Essen nicht.“
„Hat sie irgendwelche Allergien?“, hakt Mom nach.
Ich zucke mit den Schultern. „Denke nicht. Bis jetzt hat sie nie etwas erwähnt und eigentlich isst sie abgesehen von Fleisch wirklich alles. Sie sieht zwar nicht so aus, aber das Mädchen hat einen gesunden Appetit.“
Mom überlegt. „Ich muss mir einfallen lassen, was ich backen könnte. Vielleicht etwas mit Schokolade.“
„Du backst deine eigene Geburtstagstorte?“, frage ich.
Mom lacht. „Du wirst es ja nicht machen. Aber wenn ich ein Stück Kohle brauche, dann rufe ich dich an.“
„Wie witzig“, antworte ich etwas genervt, aber deutlich amüsiert. Mom lässt keine Gelegenheit aus, um mich ein wenig zu verarschen. „Ich könnte dir ja eine Torte besorgen, so ist es ja nicht.“
„Aber die sind doch viel zu teuer und selbstgemacht ist ohnehin besser“, meint Mom abwinkend. „Mach dir keine Gedanken, Killian. Ich backe mir die Torte so wie ich sie am liebsten habe.“
„Gut, ich kann dich ohnehin nicht aufhalten“, antworte ich ihr, ehe ich mit den Schultern zucke. „Wünschst du dir irgendetwas?“
Mom tätschelt meinen Oberarm. „Uns geht es gut, wir sind gesund und du bist glücklich, mehr wünsche ich mir nicht.“
Ich schnaube. „Wenn das so ist.“
Natürlich. Ich dachte mir schon, dass sie mir keine Antwort gibt, mit der ich etwas anfangen könnte. Teuren Schmuck kann ich mir nicht leisten, sonst würde ich ihr eine hübsche Halskette oder Ohrringe kaufen. Verdient hätte sie es, immerhin hat sie so viel mit mir durchgemacht. Sie war in den schwersten Zeiten meines Lebens für mich da und hat mir geholfen, mich aus der Scheiße zu ziehen, in die ich durch meine eigene Dummheit geraten bin. Meine Mom bedeutet mir alles. Ein kleines Geschenk ist das Mindeste, was ich tun kann.
Nach dem Essen kümmern wir uns zusammen um den Abwasch. Ich schrubbe und Mom trocknet. Ich reiche ihr einen Teller.
„Feierst du deinen Geburtstag sonst gar nicht?“, frage ich nach als ich den nächsten Teller abwasche.
„Am Freitag nehme ich Muffins mit ins Büro. Vielleicht gehen wir auch etwas trinken. Das entscheide ich dann spontan. In meinem Alter hat man nicht mehr so viel zum Feiern.“
Ich schnaube. „Wenn man auf die 30 zugeht, geht es steil bergab, was die Partytauglichkeit angeht.“
Mom lacht. „Ja, zwei Cocktails und ich will eine Woche durchschlafen. Wenn ich abends auf die Uhr sehe, wünsche ich mir meistens, dass ich schon frisch geduscht im Bett liege und mir meine Krimiserie ansehen kann.“
Nun lache auch ich. Damit kann ich mich gut identifizieren. „Ich bin eindeutig dein Sohn, das können wir beide nicht abstreiten.“ Amüsiert schüttle ich den Kopf. „Ilaria ist da ganz anders. Sie will runter von der Couch und raus in die Welt, um etwas zu erleben.“
„Und das ist für dich kein Problem?“, fragt sie, als sie den Teller zurück in den Schrank stellt, ehe sie nach dem zweiten Teller greift.
„Problem ist das falsche Wort.“ Ich wiege meinen Kopf hin und her. „Für sie bewege ich meinen faulen Arsch gerne und sie ist auch nicht enttäuscht, wenn ich den Tag oder den Abend lieber auf der Couch verbringe. Es gibt ja genug Dinge, die man auch auf der Couch anstellen kann.“
Mom schnalzt mit der Zunge. „Das will ich mir eigentlich lieber nicht vorstellen. Aber wenn wir schon dabei sind: Wie sieht es mit Kindern aus? Weiß sie, dass du keine möchtest? Noch ist sie ja Mitte 20, je älter man wird, desto lauter tickt die biologische Uhr.“
Ich ziehe meine Brauen zusammen und reiche Mom eine Schüssel. „Kein gutes Thema, Mom.“
„Ich weiß, aber es muss besprochen werden, wenn ihr längerfristig zusammenbleiben wollt. Das ist wichtig.“
„Ilaria war mit ihrem letzten Ex verlobt. Der Kerl hat ihr einen öffentlichen Antrag gemacht, den sie nicht ablehnen wollte, um ihn nicht zu blamieren. Sie hat ihn verlassen, als er angefangen hat, von Kindern zu sprechen.“ Ich zucke mit den Schultern. „Aktuell sind ihr Geschäft und ihre eigene Marke ihre Priorität und ich unterstütze das.“ Ich widme mich nun der Pfanne, sie sauber zu bekommen, erfordert etwas mehr Kraft. „Wenn sie sich irgendwann in der Zukunft doch für Kinder entscheidet, dann muss ich das noch einmal mit ihr besprechen.“
„Würdest du deine Meinung ändern?“, fragt Mom nach. „Wenn man mal eines hat, kann man sich nicht mehr umentscheiden.“
„Keine Ahnung. Kommt wohl darauf an, wo wir in ein paar Jahren stehen.“ Mit dem Schwamm in der Hand winke ich ab, ehe ich mich wieder daran mache, die Pfanne sauber zu bekommen. „Aber das alles ist noch so weit entfernt. Wir haben einander noch nicht einmal gesagt, dass wir uns lieben.“
„Liebst du sie denn?“
Ich höre auf zu schrubben und sehe zu meiner Mom. Dieser neugierige, erwartungsvolle Blick bringt mich zum Grinsen. „Du wirst dich mit ihr gut verstehen, sie ist auch viel zu neugierig.“
Mom streichelt meinen Rücken. „Ich will nur, dass du glücklich bist. Kaffee?“
„Oh ja, Kaffee macht mich sehr glücklich, danke.“
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Zum Abschied nehme ich Mom fest in den Arm und drücke ihr einen Kuss auf die Wange. Zu Fuß mache ich mich auf den Weg nach Hause, weit ist es nicht, aber es ist genug Zeit, um meinen gut gefüllten Magen zum Verdauen zu motivieren. Zu Hause lasse ich alles fallen und begebe mich gleich auf die Couch. Wie versprochen schreibe ich Ilaria eine Nachricht.
Killian: ‚Hey, Prinzessin! Bin gerade zu Hause angekommen. Die Couch hat mich vermisst.‘
Zu meiner Überraschung sehe ich, dass meine Nachricht nicht nur zugestellt wurde, sondern, dass Ilaria sie auch gleich gelesen hat, außerdem tippt sie sofort an einer Antwort. Sieht doch ganz so aus, als hätte sie schon auf mich gewartet.
Ilaria: ‚Nicht nur die Couch vermisst dich! Kommst du heute noch vorbei?‘
Ich lasse einen tiefen Seufzer los. Natürlich würde ich gerne zu ihr kommen und sie an mich drücken und einschlafen, aber das ist eben alles, was ich heute noch will. Schlafen. Ich bin müde und will ins Bett. Eigentlich kämpfe ich sogar damit, ob ich noch duschen soll oder mich heute davor drücken kann. Nach der Bandprobe wäre es eigentlich nötig. Mein Smartphone meldet sich erneut. Ilaria hat mir ein Bild von einem selbstgemachten Apple Pie geschickt. Sie fährt wirklich schwere Geschütze auf.
Ilaria: ‚Bin gerade fertig geworden. Die ganze Wohnung duftet herrlich nach Kuchen.‘
Killian: ‚Ich würde gerne vorbeikommen, aber ich bin vollkommen erledigt und will eigentlich nur noch ins Bett.‘
Ilaria: ‚Darf ich dich anrufen?‘
Killian: ‚Selbstverständlich.‘
Ilarias Foto und ihr Name erscheinen auf meinem Bildschirm. Lächelnd nehme ich das Gespräch an und halte mir mein Smartphone ans Ohr.
„Hey“, begrüßt sie mich. „Ist alles in Ordnung, Killian?“ Ihre Stimme klingt besorgt.
„Ja“, antworte ich knapp. „Das Wochenende zehrt nur immer an meinen Kräften. Die Arbeit, gestern konnte ich nicht wirklich ausschlafen und die Probe war heute auch anstrengend. Wir haben ein paar neue Songs geprobt, das dauert immer länger.“
„Dann kommst du nicht, weil ich dich nicht schlafen lassen habe?“, fragt sie etwas zögerlich nach.
„Unsinn.“ Ich verenge meine Brauen. „Es liegt nicht an dir. Ich bin kein manipulativer Verrückter, der Zuneigung an Bedingungen knüpft. Ich bin einfach nur müde, Prinzessin. Ich habe morgen auch ein paar Schüler, Wäsche sollte ich auch machen. Wenn du möchtest, dann kann ich morgen Abend etwas zu essen besorgen und dann komme ich zu dir und wir sehen uns einen Film an, hm?“
„Ja, das klingt gut, aber es ist ein bisschen schade, ich hätte gerne deine Meinung zu meinem Apple Pie gehört“, erzählt Ilaria ruhig. Ich kann hören, dass sie einen Schrank schließt. „Du hast dir bei deiner Mom aber bestimmt den Bauch vollgeschlagen, vielleicht hättest du eh nichts mehr runterbekommen.“
Ilaria bringt mich zum Lachen. „Für Kuchen ist doch immer Platz.“
„Soll ich dir ein Stückchen vorbeibringen?“, fragt sie mich. „Dann könntest du es morgen zum Frühstück essen.“
„Das ist wirklich lieb von dir, Ilaria, aber mach dir deswegen keine Umstände. Ich weiß, dass du mir jetzt sagen willst, dass du es gerne machst, aber du musst nicht extra wegen einem Stück Kuchen zu mir kommen, okay? Bis du hier bist, liege ich wahrscheinlich schon im Koma. Morgen bin ich wieder fit und dann bekommst du eine ausführliche Kritik zu deinem Apple Pie.“
„Unglaublich. Du weißt sogar schon, was ich denke und was ich sagen möchte.“ Ilaria seufzt. „Sei bitte ehrlich zu mir: Vergraule ich dich mit meiner überfürsorglichen Art? Wenn ich dich bedränge, musst du mir das sagen. Bitte.“
Ich bin überrascht. Dass Ilaria sich gleich Gedanken macht, dass mit unserer Beziehung etwas nicht in Ordnung sein könnte, wäre mir nie in den Sinn gekommen. „Du bedrängst mich nicht“, antworte ich ihr. „Du musst dir keine Sorgen machen. Ich freue mich, wenn du mir morgens meinen Kaffee bringst oder sofort aufspringst, um uns Snacks zu holen, wenn wir fernsehen. Es gibt nichts, das ich lieber tue, als dich an mich zu drücken und dir zuzuhören, wenn du mir etwas zu erzählen hast. Ich mag dich wirklich gerne, Prinzessin. Sehr, sehr gerne und nicht nur für deine fürsorgliche Art, sondern für alles. Bitte denk nicht zu viel nach, okay? Ich bin nur müde und brauche ein paar Stunden Schlaf.“
„Entschuldige. Irgendwie ist noch dieses Muster in meinem Kopf. Dass alles irgendwie meine Schuld ist und dass ich vielleicht doch verrückt sein könnte.“
Ich schmunzle. „Ein bisschen verrückt bist du ja, aber auf eine angenehme Weise. Mach dir keinen Kopf, okay? Von mir aus gesehen ist alles mehr als in Ordnung. Ich hab’s vorhin auch wieder meiner Mom erzählt.“
„Ach, tatsächlich? Du erzählst deiner Mom von mir?“, erklingt Ilaria überrascht.
„Ja. Sie fragt mich jede Woche nach dir. Außerdem hat sie mich gefragt, ob du nächsten Sonntag mitkommen willst. Sie hat Geburtstag und macht uns etwas zu essen.“ Auf der anderen Seite der Leitung ist es still, dann höre ich ein leises Quietschen. Irritiert lege ich meine Stirn in Falten. „Ilaria?“
„Entschuldige, ich freue mich so“, erklingt sie nun aufgeregt. Wie sehr sie sich freut, kann ich eindeutig an ihrer Stimme erkennen. Sie spricht schneller als üblich. „Ich bin so überrascht, damit habe ich jetzt gar nicht gerechnet! Deine Mom will mich also kennenlernen? Und ich darf an ihrem Geburtstag dabei sein?“
Vor meinem inneren Auge sehe ich sie strahlen und durch die Wohnung hüpfen. Ich lächle breit, als ich ihr antworte: „Ja. Sie freut sich schon sehr darauf, das Mädchen kennenzulernen, das mich wie einen Idioten grinsen lässt.“
Sie kichert. „Welch erstaunliche Zauberkräfte ich doch habe.“
„Mhm, die hast du. Ich hoffe nur, dass Mom keine peinlichen Geschichten ausgräbt. Ich will mich vor dir nicht blamieren.“
„Mist. Ich wollte nach genau solchen Geschichten fragen“, meint Ilaria amüsiert. „Ich würde ihr gerne etwas schenken. Hat sie Lieblingsblumen?“
„Ja, ich weiß nur nicht, wie die Blumen heißen. Ich kann später Google anwerfen und sie suchen. Ich überlege aber auch, was ich ihr schenken soll. Am liebsten würde ich ihr eine Halskette schenken, aber das Geld ist knapp.“
„Wenn du willst, dann können wir eine für sie machen“, schlägt Ilaria vor. „Ich habe viel Übung darin und du weißt bestimmt, was deiner Mom gefällt.“
Ich nicke beeindruckt. „Das ist eigentlich eine richtig gute Idee. Ich bezahle dir auch das Material.“
„Unsinn. Du musst doch nichts bezahlen. Wir suchen ihr einen schönen Stein aus und ich zeige dir, was ich alles kann.“ Wieder ist Ilarias Freude deutlich zu hören. „Ich wollte dir ohnehin schon lange zeigen, was ich alles entworfen habe und wie das mit der Schmuckherstellung funktioniert. Ich könnte dir stundenlang erzählen, was ich alles schon ausprobiert habe.“
Ilarias Enthusiasmus bringt mich zum Lächeln. Aus ihrer Stimme kann ich deutlich heraushören, dass sie das wortwörtlich meint. Ihre Begeisterung ist selbst durch den Lautsprecher meines Smartphones ansteckend. „Ich sehe mir das gerne an. Brauchst du noch irgendetwas, das ich besorgen soll?“
„Nein, nein“, antwortet sie schnell. „Ich habe alles da. Wir können sofort anfangen, sobald du Zeit hast.“
„Super. Dann machen wir das irgendwann nächste Woche. Sonntag wäre das Essen. Schaffst du es, bis dahin einen Anhänger zu basteln?“
„Selbstverständlich“, antwortet Ilaria selbstsicher. „Mittlerweile bin ich sehr schnell.“
„Wunderbar.“ Ich gähne. „Sorry. Mein Bett ruft.“
„Ich würde mich gerne zu dir ins Bett legen.“
„Nein, das willst du nicht.“
„Ähm, doch das will ich!“, widerspricht Ilaria energisch.
„Das würdest du dir anders überlegen, wenn du wissen würdest, wie ich gerade rieche.“
Es ist kurz still, dann lacht Ilaria laut los. „Du liegst schon zu lange auf der Couch, wenn du anfängst zu stinken. Ab unter die Dusche, sonst komme ich rüber und schrubbe dich ab.“
„Ich tue mal so, als wäre das eine harte Strafe und als würde mir das gar nicht gefallen, wenn du mir unter der Dusche Gesellschaft leistest.“ Ich räuspere mich. „Ich quäle mich dann mal ganz alleine ins Badezimmer. Wir sehen uns morgen, ja?“
„Ja, okay, bis morgen. Ich … vermisse dich jetzt schon.“
„Ich dich auch. Fühl dich geküsst, Prinzessin.“
„Gute Nacht, Killian.“
„Nacht.“
Stöhnend stehe ich von der Couch auf, klappe mein Bett hinunter, werfe mein Smartphone darauf und schlurfe ins Badezimmer. Nach einer schnellen Dusche falle ich nur noch ins Bett. Langsam werde ich einfach zu alt für diesen Scheiß…
· • ✤ • ·
Nach dem vierten oder fünften Mal ergebe ich mich meinem Wecker, der Welt und der Verantwortung, die ein Leben als Erwachsener mit sich bringt. Auf meinem Display entdecke ich mehrere Benachrichtigungen. Mit großer Wahrscheinlichkeit sind die Nachrichten von Ilaria. Mein morgendliches Selfie wartet bestimmt schon auf mich. Müde lege ich mein Smartphone zurück auf den Nachttisch, dann drehe ich mich zur Seite und brumme in mein Kissen. Es ist viel zu hell und ich hasse die Welt. Ich starre einige Minuten auf den leeren Platz neben mir. Lieber wäre es mir, wenn ich jetzt Ilaria zu mir ziehen und an mich drücken könnte. Sie ist ein kleiner Trost gegen den morgendlichen Welthass.
Langsam quäle ich mich aus dem Bett. Ich gehe die wenigen Schritte in die Küche, dabei kratze ich mich am Hintern und ziehe meine Shorts zurecht. Ich reibe mir das Gesicht. Kaffee. Ich brauche dringend Kaffee. Geistig vollkommen abwesend sehe ich der dunklen Flüssigkeit dabei zu, wie sie in die gläserne Kanne tropft. Nach und nach tropft auch die Realität auf mich ein. Ich muss noch ein wenig Ordnung machen, den Abwasch erledigen, in den Waschsalon latschen und außerdem warten rotzige Teenager darauf, unterrichtet zu werden. Am liebsten würde ich wieder in mein Bett verschwinden und mich vor all den Aufgaben drücken. Heute ist so ein richtiger Montag.
Nach meinem ersten Kaffee fühle ich mich schon wieder ein wenig menschlicher. Erst sammle ich meine Klamotten in einem Wäschekorb zusammen und bringe dann meine gebrauchten Tassen und Teller in die Küche. Den Stapel lasse ich erst einmal Stapel sein, fülle meine Tasse ein zweites Mal mit Kaffee auf und atme tief durch. Um mich nicht ständig an meinem Bett vorbeiquälen zu müssen, klappe ich es zu. Meine Kaffeetasse stelle ich auf den Couchtisch, dann hole ich die Post herein und setze mich damit auf die Couch. Meine Laune sinkt schnell in den Keller, als sich neben meiner Tasse unbezahlte Rechnungen stapeln. Geschlagen vergrabe ich mein Gesicht in meinen Händen. Es wird immer schwieriger, meinen Lebensunterhalt als Musiker zu bestreiten. Durch das Streaming kommt nicht genug in die Kasse, auch die Liveauftritte werden nicht so gut bezahlt, wie ich es mir wünsche. Alles in allem sind die Unterrichtsstunden auch nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Damit kann ich Lebensmittel kaufen, das Leben selbst ist allerdings teurer als ein paar Tacos und eine Schachtel Donuts. Mit meinem Smartphone zähle ich die Rechnungen zusammen, die Summe, die mir angezeigt wird, bricht mir das Genick.
„Ach, fuck“, murmle ich vor mich hin. Vielleicht wird es Zeit, meinen Traum aufzugeben. An Tagen wie diesem würde ich am liebsten wieder zur Flasche greifen und meine Sorgen hinunterspülen. Mir ist allerdings mehr als bewusst, dass ich dadurch nur noch tiefer in der Scheiße stecken würde. Außerdem hasse ich den Kerl, den Alkohol aus mir macht.
Um mich wieder etwas aufzumuntern, sehe ich mir das morgendliche Selfie meiner Prinzessin an. Ilarias breites Lächeln ist ein kleiner Trost, sie lässt mich zumindest für einige Sekunden meine Probleme vergessen.
Ilaria: ‚Guten Morgen, mein Liebster. Ich habe dich letzte Nacht sehr vermisst. Hoffentlich ging es dir ähnlich und du sehnst dich heute so sehr nach mir, dass du ohne zu zögern zu mir ins Bett kletterst. Ich wünsche dir einen schönen Tag! Mein Selfie kommt sofort!‘
Die vielen Herzemojis bringen mich zum Schmunzeln. Sie ist so wundervoll. Ich nehme mir einige Minuten, um mir zu überlegen, was ich ihr antworte. Leider fällt es mir schwer, meine Gefühle richtig auszudrücken.
Killian: ‚Heute Nacht ist keiner von uns alleine. Freue mich schon auf dich.‘
Für ein Selfie sehe ich im Moment zu müde und generell zu scheiße aus, also erspare ich ihr den Anblick und entscheide mich dafür, ihr ebenfalls ein Herzemoji zu schicken.
Sobald ich das Smartphone weggelegt habe, ist die Realität wieder allgegenwärtig. Wenn ich den Gitarrenunterricht hinter mich gebracht habe, werde ich mich wohl oder übel nach einem neuen Job
umsehen müssen. Ich hasse es, Bewerbungen zu schreiben…