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Kapitel 6
Hühnersuppe
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Das endlose Klingeln meines Smartphones raubt mir den letzten Nerv. Ich habe die ganze Nacht im Badezimmer verbracht, um mich zu übergeben. Ich könnte schwören, dass ich sogar für einige Minuten mit dem Kopf an den Toilettendeckel gelehnt, geschlafen habe. Das letzte, was ich möchte, ist, mit einem Menschen zu kommunizieren.
„Was?!“, brumme ich verschlafen und grantig in mein Smartphone.
Erst ist es still, doch dann erklingt Ilarias verunsicherte Stimme: „Killian? Wo bist du? Ist alles in Ordnung bei dir? Ich mache mir Sorgen um dich. Du hast dich den ganzen Tag nicht gemeldet. Hast du unser Date vergessen?“
„Ach du Scheiße“, gebe ich erschrocken von mir. Eigentlich sollte ich jetzt mit einer Pizza vor Ilarias Tür stehen. Eilig setze ich mich auf, doch dann wird mir so schwindelig, dass ich mich wieder in mein Bett zurücksinken lasse. „Fuck. Entschuldige, Ilaria. Ich bin krank. Ich hab’s verschlafen, bei dir anzurufen. Tut mir leid.“
„Oh nein, schon in Ordnung. Vergiss es. Was hast du denn?“, fragt sie besorgt nach. Ihre Stimme zu hören ist das Beste, was mir in den letzten Stunden passiert ist. Es tut mir leid, dass ich sie vollkommen vergessen habe.
„Alles.“
„Also Männergrippe, hm? Warst du beim Arzt?“
„Nein, was soll der schon machen, wenn ich mich übergebe, außer mir den Gnadenschuss zu verpassen.“
Sie seufzt. „Ruh dich aus, das ist das Beste. Und trink viel. Vielleicht einen Tee?“
„Nein, lieber nicht. Kaum ist meine Tasse leer, sehe ich den Tee im Badezimmer wieder.“
„Das hast du schön ausgedrückt“, spricht sie sanft.
„Mhm, ich bin ein verdammter Poet.“ Ilaria kichert. Ihre Stimme klingt wie Musik in meinen Ohren. „Jetzt, da ich dich höre, kann ich das erste Mal seit Stunden lächeln. Danke.“
„Sogar wenn du krank bist, bist du süß.“
Ich verziehe das Gesicht. „Ich bin nicht süß.“
„Ein bisschen schon.“
„Das hört jeder Mann gerne“, meine ich sarkastisch.
„Hm.“ Sie überlegt für einen kurzen Moment. „Was ist dir lieber? Nett?“ Ihre Stimme lässt eindeutig durchhören, dass sie mich ärgern möchte. „Killian, du bist ein netter Kerl.“
Ich schnaube. „Ich lege jetzt auf. Mir geht es wirklich scheiße.“
„Warte.“
„Hm?“
„Gute Besserung. Ruf mich an, wenn du dich besser fühlst.“
„Mhm. Gute Nacht.“
„Gute Nacht, Killian.“
Ich muss mich stark konzentrieren, um auflegen zu können. Etwas grobmotorisch beende ich den Anruf und lasse das Smartphone neben mich ins Bett sinken. Mit einem leidenden Brummen schließe ich wieder meine Augen.
„Ich hasse mein Leben“, beschwere ich mich. „Warum kann ich nicht einfach tot sein?“
Für einige Sekunden kann ich liegen bleiben, doch dann richte ich mich auf und greife nach dem Eimer, den ich neben meinem Bett abgestellt habe. Was zur Hölle will jetzt noch aus meinem Körper raus?! Meine inneren Organe vielleicht?!
· • ✤ • ·
Es klingelt und klingelt und klingelt. Ich muss in einer Zeitschleife gefangen sein, denn das ist mir heute schon einmal passiert. Ich bin mir ganz sicher.
„Hallo?“, frage ich, als ich den Anruf entgegennehme.
„Hi, Killian“, höre ich Ilarias Stimme am anderen Ende der Leitung.
„Wolltest du mich nicht schlafen lassen?“
„Oh, ja, das wollte ich, aber dann dachte ich, dass du vielleicht jemanden brauchen könntest, der sich um dich kümmert.“
Verwirrt frage ich: „Was? Du bist hier?“
„Vor deiner Tür“, antwortet sie mir. „Ich habe schon geklopft, aber du hast mich nicht gehört.“
„Doch, aber ich dachte, dass ich mir das eingebildet habe“, gestehe ich müde. „Hey, ich weiß das zu schätzen, aber geh bitte nach Hause.“
„Bist du dir sicher? Ich habe Suppe gemacht.“
Überrascht öffne ich meine Augen. Ich richte mich schwerfällig auf und blicke zur Tür, hinter der Ilaria darauf wartet, in mein kleines Apartment gelassen zu werden. „Du hast Suppe für mich gekocht? Ist das dein Ernst?“
„Ja, Hühnersuppe“, antwortet sie mir. „Wenn du nicht willst, dass ich mich um dich kümmere, dann gehe ich, aber ich lasse die Suppe hier. Ich esse kein Fleisch, das weißt du ja.“ Ich kämpfe mich an den Rand meines Bettes und brauche einen Moment, um mich in der richtigen Welt zurechtzufinden. „Killian? Bist du noch da?“
„Ja, äh, kannst du mir einen Moment geben? Ich sehe aus wie ein Stück Scheiße.“
„Ich bin nicht davon ausgegangen, dass du top gestylt und in Anzug in deinem Bett liegst, während du krank bist. Lass mich rein, ich bin auf den Anblick vorbereitet“, erklärt sie. „Ich gebe dir die Suppe und dann verschwinde ich wieder.“
„Okay.“ Ich wickle mich in meine Decke und trotte ausgelaugt zur Tür. Es erfordert meine gesamte Konzentration, die Kette an der Tür zu entfernen und dann aufzuschließen, doch meine Mühen werden mit dem Anblick eines menschgewordenen Engels belohnt.
Ilaria lächelt mich an. „Hi, Killian. Du siehst furchtbar aus. Bist du sicher, dass ich mich nicht um dich kümmern soll?“
„Du willst gar nicht weggehen, richtig?“, frage ich erschöpft.
„Nein. Ich will das Wochenende mit dir verbringen.“
„Ich werde dich anstecken und glaub mir, das willst du nicht. Das willst du ganz und gar nicht.“ Ich reibe mir über das Gesicht.
„Gut, dann gehe ich wieder nach Hause.“ Sie streckt mir ihre Hand entgegen, in der sie eine Tüte hält. „Lass sie dir schmecken.“ Ich nehme die Tüte an mich. „Gute Besserung, Killian.“
Ilaria dreht sich um und macht einige Schritte, doch ich kann sie nicht gehen lassen. „Warte. Bitte.“
Sie blickt über ihre Schulter, dann dreht sie sich zu mir. „Hm?“
„Danke, dass du hergekommen bist.“ Einladend öffne ich ihr die Tür. „Komm rein.“
„Ich wusste es“, gibt sie freudig von sich. Sie hüpft beinahe vor Freude, als sie wieder zurückkommt und mein kleines Apartment betritt. „Wir sollten damit anfangen, ein wenig frische Luft in deine Bude zu lassen und außerdem brauchst du eine Dusche.“
Was ich brauche ist ein Kopfschuss, um mein Leiden zu beenden. Unmotiviert bleibe ich an der Tür stehen. Ilaria nimmt mir die Suppe wieder ab und spaziert damit in die Küche. Nach einem mürrischen Brummen schließe ich die Tür. Als Ilaria wiederkommt, öffnet sie ein Fenster.
„Ab unter die Dusche. Das wird dir guttun.“ Sie tritt auf mich zu und reicht mir ein Duschgel. „Das wird dir helfen. Es erfrischt und du kannst gut durchatmen.“
„Das hast du extra für mich besorgt?“, frage ich überrascht, worauf sie nickt.
„Natürlich. Ich mag dich wirklich sehr gerne und ich kümmere mich um dich. Ich war auch in der Apotheke und habe dir ein paar Medikamente besorgt.“
„Okay, du hast mich geschlagen. Kümmere dich um mich, aber tu es auf eigene Gefahr. Ich hasse mein Leben, wenn ich krank bin.“
Ilaria kichert. Sie streift mir die Decke von den Schultern, wirft sie auf die Couch und greift nach meiner Hand.
„Ab unter die Dusche, Killian.“
Nach einem tiefen Seufzer lasse ich mich zum Badezimmer entführen. Bevor sie jedoch auf die Idee kommt, meinen Eimer auszuwaschen, nehme ich ihn mit ins Badezimmer, um das selbst zu erledigen. Das kann ich ihr nicht zumuten. Viel zu widerlich.
Obwohl ich mich eigentlich gegen Ilarias Fürsorge gewehrt habe und meine Krankheit mit Schlaf kurieren wollte, tut es gut, ihren Anweisungen zu folgen. Nach einer heißen Dusche fühle ich mich tatsächlich ein wenig besser. Es ist nicht nur angenehm, den Schweiß loszuwerden, auch mein Kopf fühlt sich durch die Düfte des Duschgels freier an.
Ich steige aus der Dusche, trockne mich gründlich ab und schlüpfe wie ferngesteuert in Shorts und Shirt, außerdem putze ich mir meine Zähne. Mit Mundgeruch will ich Ilaria nicht gegenübertreten. Zu meinem Glück ist der Spiegel beschlagen, sodass ich mir meinen Anblick erspare. Bevor ich das Badezimmer verlasse, trockne ich meine Haare noch einmal ab, das Handtuch lasse ich im Waschbecken liegen.
Ich brauche nur wenige Schritte zu meinem Bett, was ich da sehe, lässt mich breit grinsen. Ilaria kniet auf allen Vieren auf meiner Matratze. Ihr kurzes Kleid verdeckt gerade noch so ihren Hintern. Der Anblick stimmt mich noch zufriedener als die heiße Dusche. Still beobachte ich Ilaria dabei, wie sie meinem Bett einen frischen Überzug verpasst. Das Mädchen ist ein Hauptgewinn. Sie ist nicht nur mitfühlend und fürsorglich, sondern liefert dem Neandertaler in mir auch noch eine Show. Nach getaner Arbeit klettert sie von meinem Bett und sieht zu mir.
„Wie fühlst du dich?“, fragt Ilaria mich, dabei legt sie meine Kissen und Decken zurück auf das Bett.
„Besser. Danke.“ Ich deute auf mein Schrankbett. „Das alles ist wirklich nicht nötig. Du machst dir viel zu viele Umstände.“
„Umstände?“, fragt sie verwirrt. „Ich kümmere mich bloß um dich. Mach dir keine Gedanken und leg dich wieder hin. Ich bringe dir eine Schüssel Suppe.“
Ich widerspreche nicht weiter und klettere ins Bett. Ilaria beugt sich zu mir und drückt mir einen Kuss auf die Wange. Zufrieden genieße ich den Ausblick in ihren Ausschnitt, als sie sich wieder aufrichtet. Mindestens so freudig wie vor der Tür, huscht Ilaria um das Bett. Die Rüschen ihres kurzen Kleides lenken meine Aufmerksamkeit auf ihren Hintern. Diese Frau anzusehen, sorgt bei mir sofort für bessere Laune.
Ilaria stellt eine Tasse Tee und ein Glas Wasser in das Fach meines Schrankbettes, das mir als Nachttisch dient. „Hast du Schmerzen?“
„Mir ist hauptsächlich schlecht. Die Kopfschmerzen sind halb so wild. Die Dusche hat geholfen.“
„Sehr schön.“ Ilaria geht zurück in die Küche und bringt mir die versprochene Suppe. Sie reicht mir die Schüssel und setzt sich dann zu mir auf das Bett.
„Danke. Nicht nur für die Suppe, sondern für alles.“
„Ich kümmere mich gerne um dich“, antwortet sie und streicht durch mein feuchtes Haar. „Hoffentlich geht es dir bald wieder besser.“
„Mit deiner Fürsorge bestimmt“, meine ich zuversichtlich.
Mit dem Löffel rühre ich die Suppe um. Dass sie sich für einen Kerl, den sie erst seit kurzem kennt, so viel Mühe macht, ehrt mich sehr. Ich muss mich erkenntlich zeigen, sobald ich wieder auf den Beinen bin. Vorsichtig nehme ich einen Löffel der Suppe. Ich verziehe sofort das Gesicht und lasse den Löffel wieder zurück in die Schüssel sinken. Es fällt mir schwer, die furchtbare Suppe zu schlucken, doch ich tue es. Wenn mir nicht vorher schon schlecht gewesen wäre, dann wäre mir spätestens jetzt schlecht.
„Ich darf doch ehrlich sein, oder?“, frage ich, wobei ich mein Gesicht verziehe.
„Natürlich.“
„Das ist die grauenhafteste Suppe, die ich jemals gegessen habe“, sage ich angeekelt und schüttle mich. Nur durch Glück verschütte ich nichts.
„Was? Nein. Du machst Witze.“ Ilaria sieht die Suppe an und zieht dann eine Schmolllippe. „Du machst doch Witze, oder?“
Ich lache leise. Ihre Enttäuschung ist zu süß. „Nein, sie ist furchtbar. Ehrlich. Ich kann das wirklich nicht essen. Tut mir leid.“
„Wegen dem Huhn habe ich sie nicht gekostet, sondern auf das Rezept vertraut. Das tut mir so leid, Killian.“ Ilaria lässt ihre Schultern hängen. „Entschuldige. Ich wollte dir eine Freude machen und habe total versagt.“
„Bullshit. Ich weiß die Geste zu schätzen, aber bitte zwing mich nicht, die Suppe aufzuessen.“
Nun lacht auch Ilaria. „Nein, das würde ich niemals. So ein Unsinn.“ Sie nimmt mir die Schüssel wieder ab und bringt sie zurück in die Küche. „Dann mache ich dir eine deiner Instantnudelsuppen. Das kann ich nicht versauen.“
„Du hast es nicht versaut“, tröste ich sie. „Das Internet hat dich im Stich gelassen, das kommt vor.“
„Fühlt sich trotzdem blöd an. Da zwinge ich dir meine Suppe auf und dann schmeckt sie wie Abwaschwasser.“
Ich zucke mit den Schultern. „Eher wie Regenwasser aus einer vollen Mülltonne, aber du warst nah dran.“
Aus meiner winzigen Küche erklingt ein Lachen, das ein Lächeln auf meine Lippen treibt. Ich höre das Schließen eines Schranks, dann ist es wieder ruhiger, bis Ilaria wieder ihre Stimme hebt: „Es tut mir so leid. Beim nächsten Mal bringe ich dir eine Gemüsesuppe oder eine Fischsuppe.“
Es dauert einige Minuten, doch Ilaria kommt wieder zu mir ans Bett und setzt sich. „Die nächste Suppe, die ich dir koche, schmeckt nicht wie Müll, versprochen.“
„Ich gebe dir eine zweite Chance, weil du so hübsch bist“, antworte ich ihr grinsend. Ilaria legt ihre kalte Hand an meine Wange und streichelt mich. Die kleine Abkühlung tut gut. Ich schmiege mich gegen ihre Handfläche.
„Danke, sehr großzügig von dir.“ Ilaria lässt ihre Hand wieder sinken und lehnt sich gegen meine Schulter. „Du fühlst dich ganz heiß an.“
„Liegt teils am Fieber, teils an dir.“
Kichernd richtet Ilaria sich wieder auf. Sie gibt mir einen sanften Klaps auf den Oberarm. „Du Charmeur.“
„Willst du heute Nacht bleiben? Ich würde es verstehen, wenn nicht.“ Ich deute in mein Gesicht. „Neben diesem Gesicht würde ich auch nicht aufwachen wollen.“
Ilaria lacht, dann streichelt sie meinen Arm. „Wenn du mich schon so lieb darum bittest, bleibe ich gerne.“
„Du kannst dir ein Shirt leihen.“
„Ach, nicht nötig, ich habe ganz zufällig alles, was ich brauche in meiner Handtasche“, erklärt sie und setzt dann ein freches Grinsen auf.
„Ach, ganz zufällig also, hm?“
„Ja, ist alles hineingefallen, du weißt ja, wie chaotisch ich sein kann.“
Ich ziehe einen Mundwinkel hoch. „Danke, dass du hier bist. Ich fühle mich schon viel besser. Deine Suppe hat die Kurve zwar kurzzeitig wieder gesenkt, aber dein Lachen hebt sie wieder.“
Ilaria rollt amüsiert mit den Augen. Sie ärgert sich zwar ein bisschen, aber ich kann an ihrem Lächeln erkennen, dass sie durch meine Worte angetan ist. „Die Geschichte werde ich nie wieder los, hm?“
Ich schüttle den Kopf. „Ich werde sie noch an meinem Sterbebett erzählen.“ Ich klopfe mit meiner flachen Hand auf die Matratze. „Was wohl dieses Bett gewesen wäre, wenn ich die Suppe aufgegessen hätte.“
Ilaria lacht laut los, doch sie legt schnell ihre Hand auf ihren Mund. „Noch ein Wort und ich vergifte deinen Tee“, droht sie mir spielerisch und stupst mit ihrem Zeigefinger gegen meinen Brustkorb. „So krank kannst du gar nicht sein, wenn du noch so frech sein kannst.“
„Doch, mir geht’s total scheiße. Ich bin nur für dich stark.“
„Lieb von dir.“
Ilaria legt die drei Schritte in meine Küche ein weiteres Mal zurück, um mir die versprochenen Instantnudeln zu bringen. Während ich esse, sammelt Ilaria die verschwitzten Bettüberzüge und meine verstreuten Klamotten zusammen und stellt den vollen Wäschekorb zur Tür. Auch wenn ich ihr erkläre, dass sie das wirklich nicht machen muss, tut sie es gerne, um mich zu unterstützen. Wenn sie sich dazu herablässt, unsere Beziehung zu vertiefen, werde ich diese Frau für den Rest meines Lebens auf Händen tragen. Selbst der Boden unter ihren Füßen ist anbetungswürdig.
· • ✤ • ·
Ich bin im Halbschlaf, als Ilaria zu mir ins Bett klettert. Ich kann erkennen, dass ein kleines Licht brennt. Ein müder Blick in ihre Richtung zeigt, dass sie gerade ihre lange Mähne bändigt. Mit einem sanften Lächeln sieht sie zu mir.
„Auf deinem Nachttisch stehen zwei Gläser mit Wasser“, erklärt sie mir leise.
„Danke“, antworte ich brummend und drehe mich in ihre Richtung. „Du bist eine wunderbare Frau, ist dir das eigentlich klar?“
„Danke, Killian.“
Ilaria schaltet das Licht aus und kuschelt sich dann an mich. Ihre Finger streichen über meinen Brustkorb. Ich lege einen Arm um sie und streichle ihren Rücken. Unter meinen Fingern spüre ich ausgesprochen weichen Stoff. Ist das ein Seidennachthemd?
Ilaria atmet tief durch, ehe sie flüstert: „Ich habe mir unsere erste gemeinsame Nacht zwar etwas romantischer vorgestellt, aber es fühlt sich schön an, heute bei dir zu bleiben.“
„Mhm“, brumme ich als Antwort.
„Du bekommst gar nicht wirklich mit, was gerade passiert, hm?“
„Müde“, antworte ich ihr und ziehe sie näher zu mir. Obwohl ich langsam wieder in den Schlaf drifte, spüre ich trotzdem die sanften Küsse an meiner Haut.
Eigentlich ist es gar nicht so schlecht, krank zu sein, wenn man eine Frau hat, die sich so gut um einen kümmert.
· • ✤ • ·
Geklapper in der Küche stört meinen Schlaf. Ich ziehe die Decke über meinen Kopf und drehe der Geräuschquelle den Rücken zu. Warum ist die Welt so laut, wenn man krank ist? Brummend vergrabe ich mein Gesicht in meinem Kissen. Ich bin noch nicht bereit, mich heute meinem Leben zu stellen. Schon gar nicht freiwillig.
Fröhlich summend spaziert Ilaria durch mein Apartment. Ich kann sie zwar nicht sehen, ihr Summen verrät allerdings, wo sie sich befindet. Es ertönt ein weiteres Geräusch. Ilaria schließt die Fenster.
Mit einem Auge luge ich aus der Decke hervor, das andere kneife ich zusammen. Ilaria scheint mich zu entdecken und kommt auf mich zu. Sie krabbelt zu mir ins Bett und anschließend unter meine warme Decke. Ich erschaudere, als ihr kalter Körper mich berührt.
„Fuck, bist du kalt.“
„Entschuldige.“ Ilaria nimmt gleich wieder Abstand, doch ich ziehe sie zu mir. „Ich hab' deinen Abwasch erledigt.“
„Warum?“, frage ich murrend und sorge dafür, dass wir beide doppelt zugedeckt sind. Die Welt außerhalb des Bettes ist kalt und böse.
„Ich habe mich gelangweilt und ich wollte dir helfen.“
„Mach das nicht, du bist nicht mein Dienstmädchen.“
„Was bin ich dann?“, fragt sie nach. Mein Gehirn ist noch zu müde, um zu verstehen, worauf sie hinauswill. Vielleicht ist es doch ein Problem, dass sie ein Morgenmensch ist.
„Ich weiß nicht, was du willst.“ Meine Augen fallen zu und ich kuschle mich wieder in mein Kissen. Ilaria streicht durch mein Haar.
„Du brauchst wohl noch mehr Schlaf.“
„Mhm, bitte, bitte.“
„Schon in Ordnung“, flüstert sie. „Entspann dich. Du brauchst deine Ruhe.“
Ich genieße es, von Ilaria gestreichelt und liebkost zu werden. Es ist beeindruckend, mit welcher Ausdauer sie sich mit mir beschäftigt, obwohl ich kaum reagiere und wahrscheinlich mehr als einmal in den Schlaf drifte. Ich lasse mir Zeit, aufzuwachen. Ilaria krault meinen Nacken. Wohlig brummend lächle ich. Vielleicht ist aufwachen doch nicht so scheiße.
„Oh, wird da jemand wach?“, fragt sie leise.
„Mhm.“
„Möchtest du einen Tee haben? Ich würde dir ja Kaffee anbieten, aber dein Magen braucht bestimmt noch Zeit, um sich zu erholen.“
„Ja, deine Suppe war grauenhaft“, ziehe ich sie auf, was mir einen Klaps gegen den Oberarm einbringt.
Sie beschwert sich: „Ja, ja, Ilaria ist eine furchtbare Köchin. Du bekommst nie wieder Suppe von mir.“
„Ich hätte ohnehin lieber etwas Anderes von dir.“
„Was es auch ist, wenn du einen Teller Suppe isst, bekommst du es“, nennt Ilaria mir ihre Bedingung.
Ich schnaube und drehe mich auf den Rücken. „Dann ist der Einsatz mein Leben, hm?“
„Sieht so aus“, antwortet sie verspielt und kuschelt sich an meine Schulter. Sie legt ihre Hand an meine Brust und streichelt mich. „Spaß beiseite, was willst du?“
„Ich will mich für deine Fürsorge bedanken. Ich weiß es sehr zu schätzen, dass du extra dafür zu mir gekommen bist. Du hättest dir einen schöneren Freitagabend machen können.“
„Schöner wäre es nur gewesen, wenn du dich heute Nacht nicht übergeben hättest.“
Ich lege meine Stirn in Falten. Das hatte ich bereits wieder verdrängt. „Letzte Nacht war angenehmer als die Nacht davor.“ Bei der Erinnerung verziehe ich das Gesicht. „Du wärst geflüchtet.“
„Unsinn.“
Ilaria setzt sich auf und sieht mich an. Sie blickt auf ihre Finger, die sie nervös miteinander verhakt. Ich bin mir sicher, dass sie etwas sagen möchte, sie scheint nur noch nicht zu wissen, wo sie anfangen soll. Ich greife nach ihren Fingern und drücke sie leicht.
„Was geht dir durch deinen hübschen Kopf?“
Ilarias Mundwinkel zucken, doch dann richtet sie ihren Blick auf mich. Sie beißt sich auf die Unterlippe, doch dann spricht sie: „Ich wäre gerne deine Freundin. Deine feste Freundin. Ich will, dass das zwischen uns ernst wird.“
Etwas überrumpelt sehe ich Ilaria an. Ich blinzle einige Male. „Du wärst gerne meine Freundin?“ Ich mache eine ausladende Handgeste. „Nachdem du mir nachts zugehört hast, wie ich mich übergebe, meinen Abwasch gemacht hast und meine Bude aufgeräumt hast?“
Sie zuckt mit den Schultern, nickt aber dann. „Ich verbringe gerne Zeit mit dir. Ich freue mich über jede deiner Nachrichten und singe und tanze im Badezimmer, während ich mich für ein Treffen mit dir fertig mache. An deiner Seite geht es mir gut.“
Ratlos sehe ich Ilaria an. Ihr zu sagen, wie ich mich im Moment fühle, ist schwer. Alles, was ich ihr sagen möchte, klingt wahrscheinlich vollkommen verzweifelt. Ich zögere erst, doch dann lege ich meine Hand an ihren Oberschenkel und streichle sie. „Eine Freundin wie dich zu haben, würde mich zu einem sehr glücklichen Mann machen.“
Nach einem freudigen Quietschen stürzt Ilaria sich in meine Arme. Etwas überrumpelt lege ich einen Arm um sie.
„Nicht so stürmisch, Prinzessin, sonst wird mir wieder schlecht.“
„Ich würde dich so gerne küssen, aber du musst erst Zähne putzen.“
Ich schnaube amüsiert. „Heben wir uns das lieber für einen Tag auf, an dem ich dir keine Bakterien übertrage.“
„Du musst schnell wieder fit werden.“ Ilaria streicht über meine Brust. „Denk an den Kuss. Er soll dein Immunsystem motivieren.“
Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen streiche ich durch Ilarias Haar. „Wenn es mir besser geht, entführe ich dich an den Strand.“
„Du willst mit mir am Strand spazieren gehen?“
„Klar. Sobald es mir besser geht, machen wir das. Für heute reicht es mir aber, wenn ich liegen bleibe und mich nicht übergebe.“
Ilarias Kichern erklingt erneut. „Kleine Ziele zu haben ist immer gut, das motiviert.“ Sie schmiegt sich an meine Schulter. „Wenn du meine Suppe gegessen hättest, hätte sie vielleicht schon alle Bakterien getötet.“
Ilaria bringt mich zum Lachen. Ich drücke sie an mich und atme tief durch. „Ja, und mich gleich mit dazu.“