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Kapitel 13
Eine unbekannte Seite
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Bevor ich mich heute auf den Weg zum Club mache, muss ich noch eine kleine Sache erledigen. Ich Idiot habe Ilarias Wohnungsschlüssel bei ihr zu Hause vergessen. Mit genügend Zeit und ohne Stress komme ich bei Ilarias Wohnung an. Ich drücke die Tür des Gebäudes auf, meine Schritte hallen in dem Foyer. Vor Ilarias Wohnungstür bleibe ich stehen und klopfe an.
„Ich komme gleich!“
Als sie die Tür öffnet, mache ich einen erschrockenen Schritt zurück. Ilarias Gesicht ist mit schwarzem Zeug bedeckt. Ihre sonst gepflegten Haare sind in Frischhaltefolie gewickelt und an ihren Kopf geklebt. So habe ich sie noch nie gesehen. Dieser Anblick zeigt mir eine vollkommen neue Seite meiner sonst so anmutigen Prinzessin.
„Holy shit“, gebe ich verwirrt von mir.
Ilaria lässt ihre Hand sinken, in der sie einige Dollarscheine hält. „Killian.“ Sie blinzelt mich an. „Ich hab' dich nicht erwartet.“
Ich schnaube. „Und ich habe diesen Anblick nicht erwartet.“ Grinsend mustere ich sie genauer. „Du siehst ein bisschen aus wie ein Alien.“
Durch die Gesichtsmaske scheint ihre Mimik wie versteinert. Ihre dunklen Augen, die mir sonst so gut gefallen, wirken im Moment ziemlich unheimlich. „Haha, lustig“, gibt sie ruhig von sich. Auch ihre Lippen bewegen sich kaum. „Die Maske ist gegen Mitesser und ich färbe mir gerade die Haare.“
Amüsiert lasse ich meinen Blick wieder über ihren Körper wandern. Jetzt sehe ich auch erst, dass ihr weites, graues Shirt durch blaue Farbe befleckt ist. „Ich bin nicht von Natur aus schön, da muss man ein bisschen nachhelfen.“
Ich reibe mir über das Gesicht. „Wow.“ Nach einem Räuspern lasse ich meine Hand wieder sinken. „Wen hast du denn erwartet?“, frage ich und deute mit dem Kopf auf die Geldscheine in ihrer Hand.
„Den Pizzaboten“, antwortet sie und tritt von der Tür. „Komm rein.“ Ich folge Ilaria nach drinnen. Sie schließt die Tür und legt das Geld auf die Kommode im Eingangsbereich. „Ich ziehe mir eben das Gesicht ab, dann kann ich besser reden.“
„Ich bitte darum, du siehst unheimlich aus.“ In der Zwischenzeit stelle ich meinen Gitarrenkoffer ab und werfe einen Blick in den Spiegel.
„Vielen Dank.“
Ilaria geht etwas ungelenk Richtung Schlafzimmer. Ich schüttle den Kopf und mache noch einen Schritt ins Wohnzimmer. Auf dem Couchtisch stehen einige Kerzen und außerdem noch ein Weinglas. Zwischen den Kerzen befinden sich Nagellack und anderer Kosmetikkram. Ich erkenne Nagelfeilen und irgendwelche Cremetuben. Wofür das alles gut sein soll, ist mir schleierhaft. Manche Schönheitsgeheimnisse will man nicht kennen. Die schwarze Albtraum-Gesichtsmaske gehört auf jeden Fall in diese Kategorie.
Als Ilaria wieder ins Wohnzimmer kommt, betrachte ich sie noch einmal von oben bis unten. Zwischen ihren Zehen stecken bunte Dinger, die mir vorhin gar nicht aufgefallen sind.
„Und was ist das? Ein Zehentraining, dass schöne Füße machen soll oder so?“, frage ich amüsiert und deute zu ihren Füßen. Frauen sind doch verrückt.
Ilaria lacht. „Nein, du ahnungsloser Mann.“ Sie kommt auf mich zu und gibt mir einen Kuss auf die Wange. Als sie wieder Abstand nehmen will, halte ich ihren Arm fest und küsse ihre Lippen. „Ich bin gerade dabei, mir die Fußnägel zu lackieren. Die Zehenspreizer halten die Zehen auseinander, damit das Lackieren einfacher ist und der Lack nicht sofort wieder verschmiert, weil sich die Zehen so nicht berühren.“
„Machst du das öfter?“, frage ich nach. „Kerzen, Wein, Gesichtsmaske, das ganze Programm?“
Ilaria nimmt von mir Abstand, sie lässt sich auf die Couch sinken. „Du weißt doch, dass ich Alkohol nicht mag. Das ist Apfelsaft, im Weinglas sieht er aber hübscher aus.“ Meine Freundin stützt ihren Fuß an dem Couchtisch ab und macht sich wieder daran, ihre Nägel zu lackieren. „Aber ja, Gesichtsmaske zwei Mal die Woche, Haarfarbe alle zwei Wochen, Haarpflege jede Woche und meine Zehen und Finger, sobald es wieder nötig ist. Kommt auf den Lack an.“
„Aha“, gebe ich neutral von mir. „Ist mir noch nie aufgefallen.“
„Das mache ich ja auch nicht vor deiner Nase, sondern immer, wenn ich alleine zu Hause bin. Ein Verwöhnprogramm nur für mich alleine, damit ich abschalten und mich entspannen kann“, erklärt sie, dabei konzentriert sie sich vollkommen auf ihren Fuß. Hinter mir klopft es. „Kannst du die Pizza für mich entgegennehmen?“
„Ja, klar.“
Ich greife nach den Scheinen, die sie auf der Kommode liegen lassen hat. Immer noch von dem Anblick irritiert gehe ich zur Tür und nehme die Pizza an. Ich bezahle den Lieferanten und schlüpfe dann aus meinen Schuhen. Mit der Pizza gehe ich in die Küche und lege ein paar Stücke auf einen Teller, dann serviere ich sie meinem schwer beschäftigten Mädchen. Mittlerweile kümmert sie sich um ihren zweiten Fuß.
„Danke. Bleibst du zum Essen?“
„Nein, ich wollte nur meinen Schlüssel holen.“
„Oh, ja, ich habe ihn auf die Kommode in die Schüssel gelegt.“ Ich setze mich neben Ilaria hin und lege eine Hand an ihren unteren Rücken. Vorsichtig streichle ich sie, während ich die Frischhaltefolienkonstruktion auf ihrem Kopf begutachte. Ilaria sieht auf und lächelt mich an. „Ich dachte schon, dass mein Anblick dich verstört hat.“
„Ein bisschen schon, ja.“ Ich ziehe einen Mundwinkel hoch. „Ohne dem schwarzen Zeug im Gesicht gefällst du mir besser.“
Nun lacht Ilaria herzlich. „Du profitierst auch davon, glaub mir. Ich pflege mich regelmäßig und mache mir einen entspannten Abend und du hast im Gegenzug dafür eine hübsche, ausgeglichene Freundin.“
„Ja, das habe ich irgendwie nie bedacht“, gebe ich peinlich berührt zu. „Ich wusste ja von den Cremes und dem Enthaarungszeug, das in deinem Bad rumsteht, aber das alles hier habe ich noch nie gesehen.“ Ich zucke mit den Schultern. „Verrückt, was du dir alles antust.“
„Ich tue mir nichts an, das macht mir Spaß. Aber apropos antun.“ Ilaria greift in die hellrosa Kosmetiktasche. Sie wühlt kurz darin, ehe sie sich zu mir dreht. „Bitte.“
Ich sehe auf die Pinzette in ihren Fingern und dann fast schon panisch in ihr Gesicht. „Was hast du damit vor?“
„Nur ein paar Haare zwischen deinen Augenbrauen. Das stört mich schon eine Weile, aber ich habe nie etwas gesagt, weil ich dich nicht ändern wollte. Ihr Männer habt das ja nicht besonders gerne, wenn man euch verändern will.“
Ich ziehe meine Brauen zusammen und lege meine Stirn in Falten. „Muss ich?“
„Ja, bitte.“ Ilaria blinzelt mich an. „Du bist so ein gutaussehender Mann und ich will, dass das so bleibt, verstehst du? Es geht wirklich nur um ein paar Haare. Ich verspreche dir, dass das das einzige ist, das ich ändern will.“
Resignierend lasse ich mich nach hinten auf die Lehne sinken und schließe meine Augen. „Wenn es wehtut, dann beiße ich dich.“
„Unsinn, du beißt mich doch nicht“, entgegnet sie mir kichernd.
„Wenn du mir wehtust oder mich darum bittest, dann schon.“
Ilaria kichert ein weiteres Mal. Ich spüre ihre Hand an meinem Brustkorb. Sie streichelt mich. „Du wirst bei deinem Auftritt super aussehen.“
„Ich werde bei meinem Auftritt einen roten Fleck zwischen den Augenbrauen haben.“
Kaum zupft Ilaria an meinen Brauen herum, zucke ich unter den Schmerzen weg. Wie kann so eine Kleinigkeit so verdammt wehtun und was für gefühllose Wesen sind Frauen, dass ihnen das auch noch Spaß macht?
Um mein Leiden zu überspielen, beiße ich in die Luft, was Ilaria dazu veranlasst, schnell Abstand zu nehmen. Sie hat sich wohl erschreckt. Mein Plan ist aufgegangen. „Nein, böser Killian, nicht beißen.“ Sie stupst gegen meine Wange, worauf ich meinen Kopf zur Seite drehe.
Ilaria ist erbarmungslos. Sie hält mein Kinn fest und dreht meinen Kopf, wie sie ihn braucht. Ihr todbringendes Werkzeug bereitet mir Schmerzen.
„Ilaria“, jammere ich vor mich hin, was mein Mädchen nur ein weiteres Mal zum Kichern bringt. Sie ist ein Monster.
„Ja?“
„Wann bist du fertig?“, frage ich sie, als sie mir mit ihren kalten Fingern über die Brauen wischt.
„Gleich. Halt doch mal still.“ Sie legt ihre Hand wieder an mein Kinn und drückt gegen meine Wangen, sodass ich einen Fischmund mache. Nun kichert sie weiter, anstatt sich um meine Augenbrauen zu kümmern.
„Laff den Unfinn, ich muff lof“, bitte ich sie nuschelnd. Durch den Fischmund klingt das nicht besonders beeindruckend.
„Moment. Du zuckst jedes Mal weg.“
Ilaria lässt von mir ab. Ich öffne die Augen und sehe gerade, dass sie sich noch einmal über mich beugt. Sie gibt mir einen Kuss auf die Lippen und lächelt mich dann an, als sie sich wieder aufgerichtet hat.
„Danke.“ Ich setze mich wieder bequem hin und reibe mir über den Bereich zwischen meinen Brauen. „Eigentlich wollte ich dich fragen, ob du mitkommen willst, aber das hat sich wohl erübrigt.“
„Süß von dir. Ich kann morgen mitkommen. Du bist doch morgen wieder auf der Bühne, oder?“
„Ja, klar, bin solo im Cafe du Nord“, antworte ich ihr.
„Perfekt, dann komme ich morgen mit. Das wird toll.“
„Ich freu mich darauf, aber jetzt muss ich wirklich los.“ Ilaria greift mit beiden Händen nach meinen Wangen und drückt mir einen Kuss auf die Lippen. „Viel Spaß.“
„Den werde ich haben.“ Ich küsse Ilaria ein weiteres Mal. „Dir auch noch viel Spaß.“
„Den habe ich immer“, antwortet sie zuversichtlich.
„Und trink nicht zu viel Apfelsaft, sonst kannst du heute nicht mehr fahren.“
Ilaria lacht. „Du bist so dämlich.“
Nach einem letzten innigen Kuss löse ich mich schweren Herzens von meinem Mädchen und quäle mich von der Couch. Ich gehe zur Tür, schlüpfe in meine Schuhe und greife nach meiner Gitarre.
„Vergiss den Schlüssel nicht!“, ruft sie mir nach.
Ich werfe einen Blick über meine Schulter, lache dann und schnappe mir den Schlüssel aus der Muschelschale auf der Kommode. „Den hätte ich jetzt wirklich vergessen.“
„Hast du ein Glück, dass ich für dich mitdenke.“
„Das habe ich. Bis später, mein kleines Alien.“
„Bis später.“
Ilaria winkt mir zu, als ich die Wohnung verlasse. Sie haucht mir noch einen Kuss zu, was mich dazu bringt, breit zu grinsen. Ich schließe die Tür. Den unheimlichen Anblick von vorhin werde ich wohl nicht so leicht aus dem Kopf bekommen. Ich lasse den Schlüssel mit dem Muschelanhänger in meiner Lederjacke verschwinden und reibe mir dann wieder die Stelle zwischen den Augenbrauen.
„Dass Frauen sich das ständig antun können“, murmle ich vor mich hin, während ich das Wohngebäude verlasse. Das ist doch verrückt.
· • ✤ • ·
Ich schleiche in Ilarias Apartment, als wäre ich ein Einbrecher, der nicht entdeckt werden will. Durch die Lichterkette und das Wellenlicht im Schlafzimmer ist es auch im Wohnzimmer hell genug, also betätige ich nicht den Lichtschalter. Um mein Mädchen nicht zu wecken, bin ich so leise wie möglich, als ich Rucksack und Gitarre abstelle und mir Jacke und Schuhe ausziehe. Ich schleiche in das Schlafzimmer und werfe einen verstohlenen Blick auf Ilaria. Es bringt mich zum Lächeln, als ich sehe, dass sie mit ihrem pinken Plüschoktopus in den Armen schläft.
Im Badezimmer angekommen, schließe ich leise die Tür. Auf der Theke entdecke ich eine meiner Shorts und ein Shirt. Beides ist feinsäuberlich zusammengelegt. Auf meiner Kleidung liegt außerdem eine mit Herzen verzierte Notiz.
‚Wenn du das hier liest, bin ich eingeschlafen. Spring unter die Dusche und komm ganz schnell zu mir ins Bett, ich brauche jemanden zum Kuscheln!‘
Im Spiegel erblicke ich mein breites Grinsen. Es ist unmöglich, es zu bekämpfen. Ich liebe es, diese verspielten Notizen von Ilaria zu finden. Das Leben fühlt sich dadurch leichter an, irgendwie fröhlicher. Um Ilaria ihren Wunsch zu erfüllen, schlüpfe ich aus meinen verschwitzten, nach Club riechenden Klamotten und werfe sie gleich in den Wäschekorb. Ich springe unter die Dusche, schrubbe mich sauber, wasche mir die Haare und danach putze ich mir noch die Zähne.
Nach meinem Besuch im Badezimmer schlüpfe ich zu Ilaria ins Bett. Sie scheint meine Anwesenheit zu bemerken, denn sie kneift die Augen zusammen, bevor sie einige Male blinzelt und dann zu mir rutscht.
„Da bist du ja“, murmelt sie verschlafen und kuschelt sich sofort an meine Brust. „Mein Killian.“
Ich streichle Ilarias Rücken und drücke sie im Anschluss an mich. „Da hat mich wohl jemand vermisst, hm?“
„Ja, und wie.“ Ilaria küsst meine Brust. „Gut, dass du kein Shirt trägst, du bist schön warm.“
Ich lache leise und drücke Ilaria fester an mich. Glücklicherweise ist Ilarias Kopf nicht länger in Frischhaltefolie eingewickelt, also habe ich die Möglichkeit, meine Nase in ihren süß duftenden Haaren zu vergraben. Davon werde ich niemals genug bekommen. Zufrieden schließe ich meine Augen und genieße die Liebe, mit der ich gedrückt werde.
Eigentlich dachte ich, dass sie wieder eingeschlafen ist, doch dann erklingt Ilarias Stimme: „Wie war euer Auftritt?“
„Es war ein netter Abend. Die Leute hatten viel Spaß. Meistens stehen alle nur rum und machen Fotos und Videos mit ihren Smartphones, wenn unsere Freunde die Menge nicht auflockern, aber heute war eine große Gruppe da, die unsere Musik richtig gut fand.“ Ich grinse bei der Erinnerung. „So eine Blondine wollte unbedingt ein Foto mit der Band machen.“
Ilaria küsst meine Brust. „Hab' ich ein Glück, dass du nicht mit ihr durchgebrannt bist. Ihr Gitarristen seid ja sehr gefragt.“
Ich schnaube. „Ich könnte mein kleines Alien doch niemals gegen eine gewöhnliche Frau eintauschen.“
Für meine freche Antwort bekomme ich einen leichten Klaps. „Wenn du mich weiter ärgerst, dann knabbere ich an dir.“
„Welch harte Strafe.“
„Ja, oder? Ich bin böse.“
„Ich steh' da ein bisschen drauf.“
Für einige Sekunden ist es still, dann lacht sie. „Worauf? Dass ich böse bin oder dass ich an dir knabbern will?“
„Ja“, antworte ich grinsend. Ilaria richtet sich auf, sodass sie mich ansehen kann. Ich bekomme einen zarten Kuss von ihr, was mein Grinsen wieder schmälert. „Du bist jetzt wach, habe ich recht?“
„Mhm.“ Ich lasse meine Hand über ihren Rücken gleiten und greife nach ihrem Hintern. Nach einem kleinen Klaps grinse ich Ilaria wieder an.
„Ich bin auch noch wach, wenn du also irgendetwas mit mir anstellen willst, wäre ich bereit dazu.“
„Ach, ich soll also etwas mit dir anstellen, hm?“
„Ja, bitte.“ Ilaria scheint zu überlegen, doch dann schmiegt sie sich wieder an mich. Für einen kurzen Moment habe ich die Hoffnung, dass ihre Hand sich in meine Shorts verirrt, doch sie streichelt nur meine Brust. „Jetzt bin ich ein bisschen enttäuscht.“
„Bin gerade nicht in Stimmung“, antwortet sie mir leise.
„Soll ich dich in Stimmung bringen?“, frage ich nach, wobei ich ihren Rücken streichle. „Ich kenne da ein paar nette Tricks.“
„Nein, danke. Heben wir uns das für morgen auf.“
„Okay.“ Ich lasse meine Finger durch ihre Haare gleiten und streichle ihren Kopf.
„Das fühlt sich schön an.“
„Dann genieß es.“
Ich schließe meine Augen und atme tief durch. Obwohl ich zu einer Runde Sex nicht nein gesagt hätte, kann ich auch so schnell einschlafen. Das war immer schon meine Superkraft. Als ich gerade in den Schlaf drifte, richtet Ilaria sich auf. Ich öffne meine Augen und sehe sie an. Sie fährt mit ihren Fingern durch ihre Haare und wendet sich von mir ab und ihrem Nachttisch zu. Mit ihren Händen in den Haaren setzt sie sich wieder auf die Matratze. Sie bändigt ihre Mähne mit einem Haarband. Besorgt streichle ich ihren Oberschenkel. Ihre Haut fühlt sich immer so zart und weich an.
„Ist alles in Ordnung, Prinzessin?“
Sie reibt sich den Bauch und nickt leicht. „Ja, aber ich glaube, dass ich einen kleinen Snack brauche. Ich bin hungrig. Willst du auch etwas?“
„Was hast du denn da?“, frage ich.
„Ich dachte an ein Sandwich mit Erdnussbutter und Marmelade?“
Ich nicke. „Das klingt perfekt. Soll ich dir helfen?“
„Nein, nein“, antwortet sie, wobei sie abwinkt. „Ich bin sofort wieder bei dir.“ Ilaria beugt sich über mich und gibt mir einen Kuss. „Willst du eines oder zwei?“
„Wie viele isst du?“
„Eines, schätze ich“, antwortet Ilaria mir.
„Wenn ich zwei haben will, klaust du dann mein zweites Sandwich, um ‚nur einmal‘ abzubeißen?“, frage ich grinsend nach, um Ilarias Stimmung wieder etwas aufzulockern.
„Vielleicht“, antwortet sie amüsiert, ehe sie aus dem Bett klettert.
Ilaria wirft einen kurzen Blick in den Spiegel und ich betrachte ihren hübschen Hintern. Es sieht verführerisch aus, wie sie in ihrem kurzen Nachthemd aus dem Schlafzimmer spaziert. Ich kann immer noch nicht fassen, dass so ein süßes und aufmerksames Mädchen sich für mich interessiert. Mit ihrem Aussehen könnte sie jeden haben und sie entscheidet sich für den mittellosen, pummeligen Musiker. Ich lasse mich wieder zurück in mein Kissen sinken und blicke auf das Fischernetz über dem Bett. Es ist schon fast unrealistisch, dass mir in den letzten Monaten so viel Glück widerfahren ist. Hoffentlich wird mir das nicht wieder weggenommen…
Ilaria tänzelt zurück in das Schlafzimmer. Als ich zu ihr blicke, dreht sie sich einmal im Kreis und streckt ihre Arme über ihren Kopf. Sie wirft sich in Pose. Diese kleine Aufführung bringt mich zum Lächeln. „Sandwiches sind fertig“, trällert Ilaria fröhlich. Sie schnappt sich die flauschige Decke, die auf ihrer Seite des Bettes liegt und wirft sie sich über wie einen Umhang, dann wendet sie sich an mich und spricht weiter: „Lass uns auf der Couch essen. Wir sehen uns irgendwas an und dann kann ich vielleicht auch wieder einschlafen.“
Mein müder Körper kämpft sich aus dem Bett. Ich nehme meine Decke mit ins Wohnzimmer. Der Fernseher läuft bereits. Ich werfe die Decke über die Lehne und ziehe die Couch aus, sodass wir genug Platz zum Schlafen haben.
Ilaria und ich machen es uns bequem, wir essen die köstlichen Sandwiches und wie erwartet, will sie von meinem zweiten Sandwich abbeißen. Ich überlasse ihr eine Hälfte, ein wenig, weil ich eigentlich gar keinen so großen Hunger habe, anderseits habe ich auch Angst um meine Finger. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass sie nun wirklich an mir knabbert.
Es kommt, wie ich es erwartet habe. Ich kann ihr nicht widerstehen. Wir liegen auf der Couch, ich hinter Ilaria. Mit meiner Hand streiche ich über ihren Bauch. Sanft küsse ich ihre Schulter. Ich nehme ein tiefes Seufzen wahr, also höre ich auf, sie zu küssen. Nerve ich sie etwa?
„Alles in Ordnung?“
„Hm? Ja, schätze schon.“
Für einen Moment überlege ich, aber dann hake ich dennoch nach: „Da ist doch etwas, das dich beschäftigt, nicht?“
„Ja, es ist aber dumm. Nur eine Kleinigkeit. Es geht um meinen Schmuck, das langweilt dich bestimmt.“
Ich ziehe meine Brauen zusammen. Wieso sollten mir ihre Sorgen egal sein? Wann habe ich ihr jemals das Gefühl vermittelt, dass mir ihre Sorgen dumm vorkommen oder mich sogar langweilen?
„Ilaria, du kannst mir alles erzählen“, antworte ich ihr verstimmt.
Sie dreht sich zu mir um und wirkt schon fast erschrocken, als sie mich ansieht. „Ja, ich weiß.“ Mit einer sanften Handbewegung streicht sie durch meinen Bart. „Nur ein Krümel.“ Sie schnippt ihn weg.
„Willst du nicht darüber sprechen?“
„Es ist so eine dumme Sache. Ich habe einen Laden gefunden, in dem ich meinen Schmuck verkaufen könnte. Natürlich wollen sie daran auch verdienen, also fordern sie Prozente der Einnahmen. Das ist allerdings alles, was ich daran verdienen würde. Ich investiere Geld und Zeit in meine Schmuckherstellung. Ja, es ist ein Hobby, aber es ist auch das, was ich machen will, um mein Geld zu verdienen. Genau wie meine Kunst. Ich will mich als Künstlerin etablieren und davon meine Ausgaben decken können.“
Ich schnaube, was Ilaria dazu bringt, mir einen bösen Blick zuzuwerfen. Vorsichtig beuge ich mich zu ihr und küsse ihre Stirn. „Entschuldige, das war nicht abwertend gemeint. Es amüsiert mich nur, weil ich ganz genau verstehe, was du meinst. Das Leben als Künstler ist anstrengend und raubt einem manchmal den letzten Nerv. Und die wenigsten kapieren, dass wir Geld verlangen, weil wir von einem Social Media Post oder netten Worten weder Miete noch Essen bezahlen können.“
Ilarias Blick wird wieder weicher. „Danke.“ Sie lehnt ihre Stirn gegen meine Brust. „Ich müsste die Preise erhöhen, aber ich denke, dass das die Leute abschrecken könnte. Und jetzt muss ich die ganze Zeit darüber nachdenken, was ich tun soll. Meine Social Media Präsenz wächst, aber das geht mir nicht schnell genug.“
Nun lache ich, dabei drücke ich Ilaria gegen meine Brust. „Prinzessin, du bist zu ungeduldig. Man wird selten über Nacht berühmt. Die Realität sieht in den meisten Fällen leider anders aus. Was denkst du, wie viel ich tatsächlich mit meiner Musik verdiene? Ich gebe Unterricht und muss irgendwelche Aushilfsjobs annehmen, wenn ich die Miete nicht aufbringen kann. Und das kommt leider viel öfter vor, als ich das möchte.“
„Ja und das sollte so nicht sein. Künstler wie wir werden von der Welt vergessen. Aber wenn man dann tot ist, dann wird man ganz plötzlich berühmt“, beschwert Ilaria sich bei mir.
„Ist das eine Einladung zum Doppelselbstmord?“
Ilaria löst sich eilig von mir, sie sieht mich entrüstet an, doch dann fängt sie herzhaft an zu lachen. Mit ihrer flachen Hand klopft sie auf meine Brust. „Du bist ein furchtbarer Mensch!“ Als sie sich wieder beruhigt hat, drückt sie ihre Lippen gegen meine. Ich lege meine Hand an ihren Rücken und streichle sie, während ich den Kuss erwidere.
„Mach dir keine Gedanken mehr, okay? Wenn es dich stört, dass du deinen Schmuck sozusagen verschenkst, dann lehn' das Angebot ab. Du bist freundlich und süß. Dir kann man nichts abschlagen. Wenn du zu einem späteren Zeitpunkt darauf zurückkommst, wird man dir bestimmt eine zweite Chance geben.“ Ilaria lauscht meinen Worten. Ich gebe ihr einen weiteren Kuss auf die Stirn. „Versuch es durch Social Media, das funktioniert für viele Künstler. So bin ich auch schon an ein paar Commissions gekommen. Vielleicht wären Online-Auktionen ja auch eine gute Idee, sobald du eine größere Fanbase hast.“
„Es dauert aber trotzdem schon so lange…“
Nun bin ich derjenige, der seufzt. Wenn ich ihr sage, wie lange ich schon erfolglos Musik mache und wie viele vermeintliche Chancen ich doch nicht nutzen konnte, würde sie das nur noch mehr demotivieren. Ich überlege, was ich als nächstes sagen möchte. Ilaria kuschelt sich näher an mich und küsst meine Lippen.
„Ich denke, dass ich dich für heute Nacht genug genervt habe“, flüstert sie, dabei streicht sie über meinen Arm. „Lass uns etwas Schönes machen.“
„Etwas Schönes?“
„Ich verrate dir, was ich im Sinn habe, Killian…“
Als sie mir zuflüstert, welche Ideen ihr durch den Kopf gehen, stelle ich grinsend fest, dass ich ein glücklicher Mann bin. Ich bin ein verdammt glücklicher Mann.