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Kapitel 8
Status: In einer Beziehung
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Wie jeden Abend statte ich meiner Prinzessin einen Besuch ab. Ich klopfe und warte einen Moment und schon öffnet sie für mich die Tür. Heute ist jedoch etwas anders. Anstatt mich mit einem strahlenden Lächeln und einem Kuss zu begrüßen, sieht sie mich nur kurz an und widmet ihre Aufmerksamkeit sofort wieder dem Smartphone in ihrer Hand.
„Hi, Killian“, begrüßt sie mich mit traurig klingender Stimme.
Ich lege meine Stirn in Falten, als ich die Tür schließe und meine Jacke an einen der Haken hänge.
„Ist alles okay?“, frage ich besorgt. So habe ich sie noch nie erlebt.
„Hm? Was? Ja, es ist alles in Ordnung“, versichert sie mir, doch schon ihre Worte verraten, dass sie nicht ganz bei der Sache ist.
Dass nicht alles in Ordnung ist, würde man sogar mit verbundenen Augen erkennen. Ilaria lässt sich auf die Couch sinken. Sie streicht mit ihrem Finger über das Display ihres Smartphones. Ich schlüpfe aus meinen Schuhen und trete auf Ilaria zu. Sie sieht wie gebannt auf ihren Bildschirm, das ist untypisch für sie. Irgendetwas beschäftigt sie. Hoffentlich ist nichts Schlimmes passiert.
„Was ist los, Prinzessin?“
„Die Leute im Internet sind gemein zu mir.“
Ich schnaube, doch mein anschließendes Grinsen vergeht mir sofort, als Ilaria mit traurigen Augen zu mir nach oben sieht. „Oh, das war kein Witz? Was ist los?“ Ich setze mich und hebe meinen Arm, um Ilaria Zuflucht zu bieten. Ihr Bildschirm erlischt und sie schmiegt sich an mich. Liebevoll streichle ich sie und küsse ihre Stirn.
„Ich wollte mir durch Social Media eine größere Internetpräsenz aufbauen, damit ich meinen Schmuck und meine Kunst unter die Leute bringen kann.“ Sie vergräbt ihr Gesicht an meinem Hals. „Jemand aus meiner Vergangenheit hat meine Accounts gefunden und schreibt jetzt ziemlich fiese Sachen über mich.“
Ich kratze mich am Kopf. „Soll ich dir bei den Privatsphäre-Einstellungen helfen? Ich kann die fiesen Kommentare auch löschen und die Person blockieren.“
„Nein, du verstehst das nicht.“
„Was verstehe ich nicht, Ilaria? Erkläre es mir. Was bedrückt dich genau?“, frage ich nach.
Ilaria sieht mich unglücklich an. „Ich dachte, dass genug Zeit vergangen ist und ich im Internet neu anfangen kann. Aber das alles ist genau wie damals und die Dinge, die Brooke geschrieben hat, sind so gemein.“ Ich seufze, höre Ilaria jedoch trotzdem aufmerksam zu. „Sie hat geschrieben, dass ich eine Heuchlerin bin und dass ich keine Body Positivity predigen soll, weil ich ohnehin nur aus Plastik bestehe. Außerdem hat sie noch geschrieben, dass ich ohne meine Brüste ohnehin keine Likes bekommen würde und dass ich nicht so tun soll, als wäre ich ein netter Mensch, weil sie genau weiß, dass ich ein billiges Flittchen bin.“ Ilaria schluchzt. Sie wischt sich die Tränen von den Wangen. „Und dass-und dass Frauen wie ich daran schuld sind, dass niemand Feministinnen ernst nehmen kann.“ Ilaria wischt sich erneut die Tränen aus den Augen. „Es interessiert sich ohnehin niemand für meine Persönlichkeit oder dafür, was ich zu sagen habe.“
Etwas genervt runzle ich die Stirn. Dass Frauen sich so etwas gegenseitig antun, ist einfach nur traurig. „Klingt für mich eher danach, als wäre sie mit sich selbst und ihrem Aussehen unzufrieden. Lass dir davon nicht die Laune verderben. Du weißt doch, dass das vollkommen unsinnig ist.“
Ilaria klettert auf meinen Schoß. Ich lege meine Arme um sie und drücke sie fest an mich. Tröstend streichle ich ihren Rücken und küsse ihre durch Tränen salzige Wange, dann ihre Schläfe und im Anschluss ihre Stirn. Es bedrückt mich, Ilaria so zu sehen. Ich muss mir etwas überlegen, um sie wieder aufzuheitern, sobald sie mir ihr Herz ausgeschüttet hat.
„Es tut so weh, das zu lesen und das sollte es gar nicht. Ich habe doch eine Therapie gemacht. Und ich sollte auch nicht weinen, weil ich erwachsen bin und über solchen Kommentaren drüberstehen sollte, aber es tut weh“, erzählt Ilaria deprimiert. Sie schluchzt ein weiteres Mal. „Ich sollte nicht weinen. Es sollte doch mittlerweile alles wieder gut sein, aber das ist es nicht. Wieso ist es das nicht?“
„Es ist okay, dass du weinst.“
„Weißt du, Brooke war meine beste Freundin.“ Ich nicke leicht. Das erklärt natürlich sofort, wieso ihr die Worte besonders nahe gehen. „Nach der Trennung von Matt war sie auf seiner Seite. Das ist auch der Grund, wieso ich aktuell keine Freunde habe. Ich bin bei allen in Ungnade gefallen.“ Ilaria nimmt etwas Abstand. Sie blickt wieder auf ihr Smartphone, doch ich lege meine Hand auf den Bildschirm.
„Nicht. Hör auf. Schalt das dumme Ding aus, okay?“
Sie nickt. „Ja, du hast ja Recht.“ Ilaria schenkt mir ein gequältes Lächeln. „Entschuldige. Das alles ist so albern. Du musst mich gerade für einen dummen Teenager halten.“
Ich schüttle den Kopf und hebe Ilarias Kinn an. „Unsinn.“ Sanft küsse ich ihre Lippen. „Das Mädchen hat dich verletzt. Die Kommentare sind nur die Spitze des Eisbergs. Ihr wart beste Freunde und das ist vorbei. Es ist nur natürlich, dass du um deine Freundschaft trauerst. Du hast durch deine Trennung von deinem Ex nicht nur ihn verloren, sondern sozusagen dein gesamtes soziales Leben.“ Liebevoll streiche ich ihr mit dem Daumen über die Wange, um ihr die Tränen wegzuwischen. „Ich verstehe das. Es ist scheiße, wenn man plötzlich alleine dasteht“, spreche ich ihr gut zu. „Aber du bist ein starkes, selbstbewusstes Mädchen und du schlägst dich gut. Du hast eine tolle Wohnung, einen neuen Job und es ist egal, was die anderen Frauen über dich denken, solange du dich mit deinen Entscheidungen wohlfühlst.“
Ilaria leckt über ihre Lippen. Sie nickt verhalten und schluckt. „Danke, Killian. Es tut gut, jemanden zu haben, der mich versteht.“
Ich winke ab. „Nicht dafür, Prinzessin.“ Ilaria bekommt einen weiteren Kuss auf die Stirn. Sie schaltet ihr Smartphone aus und legt es auf den Couchtisch. „So, jetzt hüpfst du ins Badezimmer und wäschst dir dein Gesicht und wenn du zurückkommst, dann wartet eine feste Umarmung auf dich.“
Nun lächelt sie endlich das erste Mal an diesem Abend. Sie streicht durch ihre Haare, ehe sie antwortet: „Du bist süß, vielen Dank.“
Es dauert einige Minuten, bis Ilaria wieder aus dem Badezimmer kommt, doch in der Zwischenzeit mache ich es mir selbst bequem. Ich hole außerdem noch einen Krug mit Wasser und zwei Gläser. Nachdem sie sich so aufgeregt hat, sollte sie etwas trinken, sonst bekommt sie vielleicht noch Kopfschmerzen. Sie hat schon genug Kummer, auf Kopfschmerzen kann sie bestimmt verzichten.
Nach einem halben Glas Wasser legt Ilaria sich zu mir auf die Couch und schmiegt sich an meine Brust. Fürsorglich streiche ich durch ihr Haar und atme tief durch. Ich kann beinahe spüren, dass in ihrem Kopf viel vor sich geht. Normalerweise ist meine Prinzessin nicht so still und in sich gekehrt.
„Willst du darüber reden?“, frage ich in die Stille, die nur von dem unbeachteten Fernseher unterbrochen wird. Ich spiele mit einer ihrer Haarsträhnen.
„Nein, ich will dich damit nicht nerven.“
„Du nervst mich damit nicht. Ich will wissen, was in dir vorgeht“, entgegne ich ihr bestimmt.
Unsicher fragt sie: „Und das Drama ist dir nicht zu pubertär?“
Ich schnaube. „Prinzessin, verletzte Gefühle sind nie pubertär. Ich will nicht, dass du dir jetzt die ganze Zeit darüber Gedanken machst und es in dich hineinfrisst. Sprich mit mir. Wenn du es rauslässt, dann geht es dir bestimmt besser.“
Ilaria atmet tief durch. Sie richtet sich auf und drückt mir einen Kuss auf die Wange. „Danke, dass du mir zuhören willst. Ich muss mich noch daran gewöhnen, dass ich jetzt einen Mann habe, der mich wirklich versteht, wenn ich ihm etwas sage.“
Ich ziehe einen Mundwinkel hoch. „Ich bin froh, dass deine Ex-Kerle Idioten waren, jetzt habe ich meine Chance auf das süßeste Mädchen in ganz San Francisco.“
Ilaria kichert. Sie küsst meine Wange noch einmal und kuschelt sich dann gleich wieder an meine Brust. „Das alles ist so eine komplizierte und lange Geschichte. Nachdem ich meine Verlobung gelöst habe, hat Matt in dem darauffolgenden Spiel sehr schlecht gespielt. Er hat dann gepostet, dass sein Herz gebrochen ist, weil ich ihn verlassen habe und das hat zu einer Lawine an Hassnachrichten geführt, die du dir gar nicht vorstellen kannst. Wortwörtlich ganz Indiana hat mich gehasst.“
Ich ziehe meine Brauen zusammen. „Wow. Das klingt schrecklich.“
„Das war es. Ich war so froh, als es vorbei war und ich wieder mein Leben in der Hand hatte. Und jetzt das… Das alles kommt gerade wieder hoch, als wäre es erst gestern gewesen.“ Sie seufzt geschlagen. „Weißt du, was mich so richtig wütend und traurig an der Sache macht? Brooke und ich kannten uns schon sehr lange. Sie weiß, dass ich mich wegen meiner kleinen Brüste immer unwohl und unattraktiv gefühlt habe. Und sie weiß auch ganz genau, dass ich das für mich gemacht habe. Für mich alleine. Ich wollte mich in meinem Körper wohlfühlen. Manche nehmen ab, manche legen Muskelmasse zu und ich habe mich operieren lassen, damit ich mir selbst gefalle, weil es eben nicht möglich ist, das durch Diät oder Sport zu ändern.“ Ilaria murrt. „Sie weiß ganz genau, dass mir das geholfen hat, Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl zu entwickeln. Wie kann ein Mensch, der mich so gut kennt, mir nicht nur von einem Tag auf den anderen den Rücken kehren, sondern auch noch so einen Groll auf mich haben, um über ein Jahr später so etwas zu schreiben?“ Ich lege meine Hand in Ilarias Nacken und kraule sie sanft. „Wieso tun Menschen so etwas? Ich weiß, dass sie auch Matts Freundin ist, aber sie wusste auch, dass ich schon länger nicht mehr richtig glücklich war und dass ich alles versucht habe, um meine Beziehung noch zu kitten.“ Ilaria vergräbt ihr Gesicht in meinem Shirt, sie murmelt irgendetwas, das ich nicht verstehe.
Schmunzelnd streichle ich ihren Kopf. „Was sagst du, Prinzessin?“
Sie hebt ihren Kopf an. „Gar nichts. Das alles regt mich viel zu sehr auf.“
„Möchtest du dich wieder abregen?“
„Ja, bitte.“
Ich überlege einen Moment, ehe ich ihr einen Vorschlag mache: „Willst du deinen Kummer wie die Frauen im Fernsehen bekämpfen? Dir weinend einen Film ansehen und dabei Eis in dich stopfen, bis du dich besser fühlst?“
Ilaria richtet sich auf und sieht mich an, dann fängt sie an zu lachen. „Übernimmst du dann die Rolle meiner besten Freundin und setzt dich zu mir?“
Nun bin ich es, der lacht. Als ich mich wieder beruhigt habe, antworte ich ihr: „Nein, ich bin der Kerl, der sich hinter dich setzt und dir Schultern und Nacken massiert, bis du vergessen hast, warum du dich eigentlich schlecht gefühlt hast.“
„Das würdest du tun?“, fragt sie nach, worauf ich nicke.
„Ich weiß, dass es vermutlich noch Zeit braucht, bis du über dein sozusagen altes Leben hinweg bist, aber das heißt nicht, dass ich dir dein neues Leben nicht versüßen kann.“ Ich zwinkere ihr zu. „Vielleicht vergisst du so schneller deinen Kummer.“
„Wenn du heute Nacht bleibst, dann vergesse ich meinen Kummer bestimmt.“ Ilaria rutscht ein Stück nach oben und küsst sanft meine Lippen. „Ich würde dich allerdings sehr früh aus den Federn werfen, immerhin muss ich morgen wieder zur Arbeit.“
Bei dem Gedanken verziehe ich sofort mein Gesicht. „Ich fürchte, dass ich das nicht überlebe.“ Ich lege meinen Zeigefinger unter Ilarias Kinn, was sie dazu bringt, mich noch einmal zu küssen. „Verschieben wir das auf das Wochenende? Ich könnte am Freitag nach meinem Auftritt zu dir kommen und das könnten wir am Samstag wiederholen. Es würde aber sehr spät werden. Vor Ein Uhr morgens musst du nicht mit mir rechnen.“
Ilaria nickt leicht. „Einen Musiker teilt man mit der Welt, das bleibt mir nicht erspart, aber ich freue mich darauf, Zeit mit dir zu verbringen.“ Sieht so aus, als wären wir auf einem guten Weg. Sie wirkt schon etwas fröhlicher. „Bekomme ich trotzdem eine Massage?“, fragt sie mich hoffnungsvoll.
„Selbstredend, die habe ich dir schon versprochen.“
„Wunderbar“, gibt Ilaria begeistert von sich. Sie drückt mir einen festen Kuss auf die Wange und klettert dann von der Couch. „Ich bin gleich wieder da. Hoffentlich bist du ausdauernd, denn ich genieße sehr gerne und am liebsten sehr lange.“
Ich setze mich auf und sehe Ilaria nach, als sie auf dem Weg ins Schlafzimmer ist. Sie wird schon noch sehen, dass ich nicht nur beim Massieren Ausdauer besitze. Bei meinen unkeuschen Gedanken, die alle Ilaria betreffen, muss ich breit grinsen. Dass ich ihr heute zumindest ein Stück weit näherkommen kann, stimmt mich zufrieden. Als Ilaria zurück in den Wohnbereich tritt, bändigt sie gerade ihre dunkelblaue Mähne mit einem breiten, flauschigen Gummiband. Sie klettert zu mir auf die Couch und setzt sich vor mich. Ich möchte gerade meine Hände an ihre Schultern legen, doch da zieht sie sich ihr Shirt aus und lässt es neben sich sinken. Ihr linkes Schulterblatt zieht meine Aufmerksamkeit auf sich. Sie hat also doch mehrere Tattoos. Das Seepferdchen-Motiv gefällt mir. Es unterstreicht den Meerjungfrauen-Charme, den Ilaria verbreitet.
„Hübsches Tattoo“, bemerke ich.
„Danke“, antwortet Ilaria mir.
„Hast du noch eines?“
„Ich habe drei.“ Sie hebt ihre Hand und zeigt mir das kleine Muscheltattoo an ihrem Handgelenk, das ich bereits bei unserem Date in ihrer Küche entdeckt habe. „Und das dritte ist versteckt.“
Ich werfe einen Blick über ihrer Schulter, doch Ilaria hat ihre Brüste und ihren Bauch mit einer kuscheligen Decke verhüllt. Zu schade, dass mir dieser Anblick verwehrt bleibt.
„Zeigst du es mir?“, frage ich neugierig.
„Hm“, antwortet Ilaria überlegend. „Noch nicht.“
„Ist es denn an einer prekären Stelle?“
Ilaria kichert. „Nein, aber ich bin gerne ein wenig geheimnisvoll. Ich werde es dir noch zeigen.“ Sie tippt sich selbst auf die Schulter. „Wolltest du nicht irgendetwas machen?“
Ich küsse Ilarias Nacken und ihre Schulter. „Hast du zufällig Massageöl?“
„Nein, nur Olivenöl oder Gleitgel.“
Grinsend lege ich meine Hände an ihre Schultern. „Ach, Gleitgel? Hast du sonst noch spannende Dinge in deiner Nachttischschublade?“
Erneut kichert meine Prinzessin. „Steh doch auf und sieh nach.“
„Das ist aber alles andere als geheimnisvoll“, ziehe ich sie auf und beginne damit, sie zu massieren.
„Naja, was wirst du schon finden? Meine vibrierenden Freunde, Kondome und ein paar andere Kleinigkeiten.“ Sie lässt ihre Schultern locker und beugt sich dann etwas nach vorne, als ich mich ihrem Nacken widme. „Ich nehme an, dass deine Nachttischschublade einen ähnlichen Inhalt hat?“
Ich schnaube. „Richtig geraten.“
„Spielst du auch alleine?“
„Eigentlich nicht. Das letzte Spiel ist auch schon eine Weile her.“ Ich lasse meine Hände an ihre Schultern gleiten und küsse sanft Ilarias Nacken. „Aber wenn du willst, trage ich dich ins Bett und wir spielen zusammen.“
„Das klingt verführerisch, aber ich bin nicht in Stimmung.“
„Ich könnte dich in Stimmung bringen“, raune ich gegen ihr Ohr. Ilaria bekommt Gänsehaut. Sie atmet tief durch.
„Es geht nicht. Ich habe meine Periode. Manche Männer stört das nicht, aber ich fühle mich dabei nicht wohl.“
„Oh“, gebe ich enttäuscht von mir. „Gut, dann verschieben wir das auch, hm?“
„Hey, nicht aufhören.“
Ich habe gar nicht mitbekommen, dass ich aufgehört habe, Ilaria zu massieren. „Sehr wohl, Prinzessin“, antworte ich ihr grinsend und platziere einen Kuss auf ihrer Schulter, bevor ich sie weiter massiere. Ich erhöhe den Druck ein wenig, was Ilaria ein wohliges Seufzen entlockt.
„Das tut so gut. Wenn du jetzt noch meine Krämpfe wegzaubern könntest, würde ich dich auf der Stelle heiraten“, scherzt sie, wonach sie kichert.
„Hast du keine Schmerzmittel zu Hause?“, frage ich, während meine Finger mit kreisenden Bewegungen über ihre Schultern gleiten. Ihre Haut ist weich wie Seide.
„Doch, aber die helfen nicht wirklich. Heute ist einfach kein guter Tag für mich. Die Hormone spielen verrückt, dann die Krämpfe, mein Arbeitstag war auch nicht besonders angenehm mit meinen Kopfschmerzen und kaum bin ich zu Hause, ist auch noch Brooke gemein zu mir.“ Ilaria seufzt, ehe sie weiterspricht: „Ein Glück, dass du hier bist. Das ist das Highlight meines Tages.“
Ich ziehe einen Mundwinkel hoch. „Wenn ich dich sehen kann, ist das auch mein Highlight.“
Zufrieden schlinge ich meine Arme um Ilaria und verschränke sie um ihren Bauch. Ich hauche Küsse an ihren Hals und ihre Schulter, dann lässt sie sich gegen mich sinken, dreht ihren Kopf zur Seite und küsst meine Wange.
„Und du bist dir ganz sicher, dass du nicht über Nacht bleiben willst?“
„Nein, das ist keine gute Idee. Meine morgendliche miese Laune ist noch schlimmer, wenn ich von jemandem geweckt werde. Ich will dir nicht den Tag verderben. Das Wochenende steht schon fast vor der Tür.“
„Das ist relativ. Mir kommt es vor, als wäre das Wochenende noch ewig weit weg“, gibt Ilaria schmollend von sich. „Bekomme ich dich am Freitagnachmittag zu Gesicht?“
„Ich kann zu dir kommen und wir essen zusammen, aber am Abend habe ich wie gesagt einen Auftritt. Wenn du willst, kannst du mitkommen.“
Ilaria schüttelt leicht den Kopf. „Nein, nächste Woche vielleicht. In meinem aktuellen Zustand will ich lieber mit einer Wärmeflasche auf der Couch liegen und fernsehen.“ Ilaria legt ihre Hände auf meine und streicht liebevoll über meine Haut. „Vielleicht male ich auch etwas, während du weg bist. Oder ich mache ein Schläfchen. Vielleicht gebe ich auch der Eiscreme und dem Film eine Chance. Wäre nicht das erste Mal, dass es funktioniert.“
Ich gebe Ilaria einen zärtlichen Kuss auf die Schläfe, dabei linse ich unauffällig zu ihren Brüsten. Die Decke ist ein wenig verrutscht. Viel sehe ich zwar nicht, doch es reicht, um mich zufrieden zu stimmen.
„Tut mir leid, dass meine Wochenenden immer belegt sind. Für meine letzten Beziehungen war das ziemlich belastend.“
„Das kann ich mir gut vorstellen.“
„Ab nächster Woche bin ich für ein paar Gigs gebucht. Meine Donnerstage sind in den nächsten zwei Monaten auch belegt.“
„Ich bin hin und her gerissen“, meint Ilaria überlegend. „Einerseits bedauere ich es, dass du nicht bei mir sein kannst, aber anderseits freue ich mich für dich. Mehr Leute können deine Stimme hören. Weißt du was? Eigentlich bin ich sogar neidisch auf deine Zuhörer.“
Ilaria bringt mich zum Lachen. „Dein Neid wird bald verblassen.“
„Das klingt aber geheimnisvoll. Bekomme ich ein Privatkonzert?“
„Möglich“, antworte ich vage, um sie zu ärgern. Ich grinse breit.
„Tz, wie frech.“
„Na da siehst du mal, wie es sich anfühlt.“
„Habe ich heute nicht schon genug gelitten, Killian?“ Ilaria legt ihre Hand an eine Stirn und lässt sich wie ein sterbender Schwan gegen mich sinken. „Was muss ich denn noch alles durchmachen?“
Grinsend betrachte ich Ilaria. Ihre Augen sind geschlossen, ihr Körper ist schlaff und ich könnte schwören, dass sie sogar die Luft anhält. „Ach, wenn Ilaria tot ist, dann stört es sie ja bestimmt nicht, wenn ich mich auf die Suche nach dem dritten Tattoo mache.“ Ich zupfe an der Decke, ziehe sie jedoch nicht weg.
Nun lacht meine Prinzessin. „Du Arsch. Ich habe mit einem Kuss gerechnet.“ Sie öffnet ihre Augen und sieht zu mir auf.
„Nein, Nekrophilie ist gar nicht mein Ding. Leichen zu küssen fände ich sehr abturnend“, antworte ich ihr grinsend.
Sie wiegt ihren Kopf hin und her. „Ja, damit hast du wohl recht. Aber siehst du? Ich lebe noch. Du kannst mich also küssen.“
„Nichts lieber als das.“ Ich beuge mich nach vorne und küsse Ilarias Lippen. Sie erwidert den Kuss, dabei streichelt sie meine Wange. Ihre Nähe ist unglaublich angenehm. Nach unserem Kuss richte ich mich wieder auf.
Auch Ilaria setzt sich wieder hin. Sie tastet nach ihrem Shirt und zieht es an. „Danke noch einmal für die Massage, das war sehr angenehm. Deine Hände sind nicht nur kräftig, sondern auch ziemlich rau.“ Ich zucke mit den Schultern. Ilaria dreht sich wieder in meine Richtung, sie lächelt mich an. „Liegt bestimmt daran, dass du so viel Gitarre spielst, hm?“ Sie nimmt meine Hände in ihre und betrachtet meine Handflächen, meinen Fingerkuppen schenkt sie besondere Aufmerksamkeit. „Kräftige Hände finde ich sehr sexy.“
Ich schnaube. „Du findest meine Hände sexy?“
„Ja“, antwortet sie energisch. „An dir ist eigentlich alles sexy.“ Sie sieht von meinen Händen in mein Gesicht. „Deine Augen gefallen mir besonders gut.“
„Weil blau ganz offensichtlich deine Lieblingsfarbe ist?“, frage ich neckisch.
Ilaria sieht mich ertappt an, doch dann lacht sie. „Du brauchst wohl noch Zeit, um meinen Meerestick zu verarbeiten, was?“ Amüsiert küsst sie meine Wange. „Ich könnte dich fressen.“
Ich brumme. „Sag jetzt nicht wieder, dass ich süß bin.“
Sie schüttelt den Kopf. „Nein, nein, du bist stark und männlich. Wie ein Bär.“
Ich nicke. „Ja, das gefällt mir besser. Süß klingt immer, als wäre ich ein kleiner Welpe.“
„Dann bist du wohl doch ein wenig Macho, hm?“ Sie kichert.
Ich zucke mit den Schultern. „Ja, das kann sein, aber das heißt nicht, dass ich nicht auch fürsorglich sein kann.“ Liebevoll streichle ich über ihren Oberarm. „Geht es dir schon besser?“
„Ja, viel besser.“ Sie atmet erleichtert durch. „Du tust mir gut, Killian.“
Ich nehme ihre Wangen in meine Hände und küsse ihre Lippen. „Und du tust mir gut, auch wenn du mich gerne ärgerst. Auf Dauer ist das bestimmt nicht gut für meinen Blutdruck.“
Amüsiert nimmt Ilaria meine Hände aus ihrem Gesicht. „Ich spiele eben gerne.“ Sie hält meine Hände. Mit ihren Fingerspitzen tippt sie gegen meinen Handrücken. „Aber jetzt, da du es erwähnst. Ich hätte gerade Lust auf ein kleines Spielchen.“
Überrascht hebe ich die Brauen. „Wie sind die Regeln?“
„Keine Regeln. Nur Fragen.“ Ich nicke. „Also gut. Was würde mich am meisten an dir überraschen?“
Überrumpelt sehe ich Ilaria an. Ich überlege, doch mir fällt spontan nichts ein. „Meinst du so etwas wie Funfacts?“, hake ich nach.
Nun nickt Ilaria. „Ganz genau.“
„Das ist gar nicht so einfach“, gebe ich nachdenklich von mir. „Ich kann immer und überall schlafen?“ Meine Antwort klingt eher nach einer Frage.
Ilaria wirkt skeptisch. „Nein, das ist zu einfach, das dachte ich mir schon. Aber ich beiße trotzdem an. Was war der verrückteste Ort, an dem du geschlafen hast?“
„In einem Club“, antworte ich, doch dann schüttle ich den Kopf. „Nein, in der Gasse hinter einem Club, angelehnt an einen Mülleimer.“
Ilaria hält sich die Hand vor den Mund, als sie lacht. „Das klingt ja ungemütlich.“
Ich zucke mit den Schultern. „Ich war betrunken, da wirkt irgendwie alles gemütlich.“ Interessiert nicke ich Ilaria zu. „Jetzt bist du dran.“
Ilaria streicht über meinen Brustkorb. „Ich kann Klavierspielen.“
Überrascht sehe ich sie an, dann greife ich nach der Hand, die mich gerade streichelt, um sie zu küssen. „Okay, das überrascht mich wirklich, aber eigentlich hätte ich mir das denken können. Deine Finger sind wie dafür gemacht.“
Sie kichert und zieht ihre Hand aus meinem Griff. „Ich habe aber ewig nicht mehr gespielt, wahrscheinlich habe ich das meiste längst vergessen.“
„Hattet ihr ein Klavier zu Hause?“, erkundige ich mich.
„Ja, es gehörte meiner Grandma. Sie hat es mir beigebracht.“
„Dann kommst du wohl aus einer kreativen Familie.“
„Ja, ich schätze schon“, antwortet sie mir. „Daddy arbeitet gerne mit Holz. Er bastelt immer etwas in seiner Garage, wenn er Zeit dafür findet und Mum liebt ihre Pflanzen. Sie macht ihre eigenen Teemischungen und Seifen. Schon als ich klein war, durfte ich bei allem mithelfen. Kreativ zu sein war immer schon ein großer Teil meines Lebens.“
Ich sehe mich in Ilarias Wohnung um. Auf der Staffelei steht ein kürzlich angefangenes Bild. „Ja, das würde einiges erklären.“ Ich sehe wieder zu Ilaria. „Kreativität ist sehr sexy.“
„Findest du?“
„Ja“, bestätige ich mich. Ich überlege einen Moment. „Ich glaube, dass mir gerade eine Idee für unser nächstes Date gekommen ist.“
Ilarias Augen weiten sich sofort. „Ach ja? Erzähl.“
Ich winke ab. „Nein, ich bin lieber geheimnisvoll.“
Schmollend schiebt Ilaria ihre Unterlippe vor. Sie ist zu niedlich, wenn sie das macht. „Das werde ich nie wieder los, hm?“
„Ich kann auch wieder von der tödlichen Hühnersuppe anfangen.“
Ilaria lacht laut los, sie gibt mir außerdem einen Klaps auf den Oberarm. „Du bist so ein Arsch!“