An dem Tag, an dem ich meine Masterarbeit einreichte, hatten Vince und ich einen schrecklichen Streit.
Es war einer dieser Streits, bei denn man vor Frust heult, weil man weiß, dass der andere einen liebt und man ihn ebenfalls mindestens genauso sehr.
Es war einer dieser Diskussionen, bei denen man schreit und der Hals schmerzt. Ich fühlte mich furchtbar weit von ihm entfernt.
"Was machen wir eigentlich hier?", fragte ich irgendwann, ließ mich an der Wand entlang auf den Küchenboden gleiten. "Ich weiß es doch auch nicht", seufzte Vince und setzte sich neben mich, den Arm um mich gelegt. "Bist du denn glücklich? So generell meine ich?", fragte ich kleinlaut.
"Natürlich bin ich das. Ich liebe dich. Es ist nur frustrierend, wenn wir nicht voran kommen." "Kommen wir das nicht?"
Er zuckte mit den Schultern und sagte: "ich glaube wir müssen mal dringend in den Urlaub. Einfach weg von hier."
So kam es, dass wir nach dem Kolloquium endlich zusammen in den Urlaub fuhren. Wir hatten 10 Tage Zeit, bis ich für ein letztes Blockseminar, was bisher immer aufgeschoben wurde, zurück sein musste.
Vince und ich waren nun zusammen, seit ich 18 war. Also fast sechs Jahre. Und trotzdem machte mein Herz einen kleinen Sprung, als er um die Ecke bog um mich abzuholen. "Wie ist es gelaufen?", fragte er mich. "Gut", sagte ich. "Es war echt toll zu zeigen, was ich alles weiß."
Wir fuhren nach Dublin, es war für mich ein besonderer Ort, da Irland mein Lieblingsland ist. Außerdem kam mein Vater aus Dublin, weswegen ich da tolle Zeiten mit ihm verbracht habe. Wir machten normale Urlaubssachen wie an den Dollymount Strand zu gehen oder einen Spaziergang am Howth Cliff zu machen, wofür wir immer ganze Tage benötigten. Natürlich aßen wir auch richtig gut und sahen ins in Dublin selbst um. Wir besuchten außerdem meine Großmutter und tranken mit ihr Tee. Sachen, die ganz normale Pärchen eben machen.
Doch Vince kannte mich sehr gut. Er wusste. wie verliebt ich in Bibliotheken war. Ich hatte meine gesamte Studienzeit als Hilfskraft in unserer Unibib gearbeitet. Ich hatte als Lesesalaufsicht angefangen, bis ich schließlich immer an der Ausleihe saß und dann irgendwann Büchern Signaturen geben durfte.
Das war einer meiner seltsamsten Kinks: Schlaue Jungs und der Geruch nach Büchern.
Seit dieser Zeit wollte ich immer mal das Book of Kells sehen, aber bei unseren Besuchen hier, war nie Zeit nur um dieses eine superalte Buch zu sehen, in die Trinity College Bibliothek zu gehen.
Ich staunte und sah mich um. Ich sah Vince zwischendrin richtig süß lachen, weil es ihn so glücklich machte, mich so aufgeregt zu sehen.
Irgendwann waren wir relativ alleine zwischen zwei Regale aus meinem Lieblingsfachbereich.
Ich las mir gerade die Buchrücken durch und bekam gefühlt fast einen Orgasmus, als Vince hinter mir sagte: "Schau mal Schatz, ich hab ein ganz altes Buch gefunden." Ich drehte mich um. Es war ein wissenschaftliches bzw. philosophisches Buch über Liebe. Er drückte es mir in die Hand. Andächtig schlug ich es auf und vorne klebte ein kleiner Post-It drin, auf dem stand: "Willst du mich heiraten?" Ich sah zu Vince, wollte ihm sagen. wie süß es doch sei, dass genau dieses Buch von jemandem benutzt wurde um einen Heiratsantrag für Introvertierte zu machen.
Doch Vince stand da nicht mehr. Er kniete auf dem Boden, in den Händen ein Ring. "Willst du mich heiraten, Aurelia?", wiederholte er. Mir blieb der Mund offen stehen. Damit hatte ich nicht gerechnet.
Es war der perfekte Antrag, weil er mich so gut kannte. Er hatte nicht, wie die Menschen auf Pinterest, das Buch beschädigt um ein kleines Fach reinzuschneiden. Nein, er wusste, dass mir das wehgetan hätte.
Ich merkte wie Tränen in meine Augen stiegen, vor mir befand der schönste Mann der Welt.
Und er wollte den Rest seines Lebens an meiner Seite verbringen, und das, obwohl er wusste, wie verrückt ich war.
Ich meine, ich hatte eine Sub und ich war crazy. Ich hatte noch nicht mal einen Job.
"Ja. Ich möchte dich heiraten.", antwortete ich leise. Beschämt, dass meine Stimme so komisch stand.
Er stellte sich hin, legte eine Hand an meine Hüfte, einen in meinen Nacken und küsste mich so lange, bis die Museumsaufsicht uns bat, das doch bitte zu unterlassen.