Kapitel 15
Minigeschichte
Heute ist ein Tag, den könnte man getrost löschen aus meiner Welt, aus meiner Welt, meines Erlebens. Alles, was ich anfasste, verwandelte sich in reines, dunkles, finsteres Unglück, ein Unglück, was nicht viel daran fehlte, und es könnte anfangen zu stinken.
Glaubt mir, mit so einem Gestank will sicherlich keiner zu tun haben. Mir aber, lief es nach, verfolgte mich, schien mich mit dem Kloaken – Gestank überziehen zu wollen.
Furchtbar, schon der Gedanke, genauso zu riechen, wie die furchtbarste Kloake dieser Welt. In solchen Fällen, wenn einem so mitgespielt wird, gibt es nur einen Rat:
„Einfach ruhig bleiben, alles überstehen, indem man nichts mehr macht!“
Genau das tat ich, allerdings musste man ja auch nach Hause kommen, das Auto kann man stehen lassen, doch den ganzen Weg zu Fuß gehen, geht auch nicht. Wichtig war es schon, das Auto stehenzulassen, denn einen Unfall musste man nicht unbedingt provozieren. Mit dem Bus fahren war eine Alternative, denn da waren noch mehr Menschen drin, und die konnte nicht alle nur mit dem Pech konfrontiert sein. Also lief ich los, zur Bushaltestelle, wo ich mich brav hinstellte, um bloß nicht aufzufallen.
Wer weiß, was die Pest noch so alles drauf hatte, da konnte aus einem Flugzeug etwas fallen, was man die Bordtoilette nannte, und ein Klatsch brauner Substanz fiel geradewegs in Richtung Erdoberfläche, genau dorthin, wo mein Kopf gerade verweilte.
Wenn aus so einer Höhe eine braune Substanz hinunter rauschte, dann war man von oben bis unten mit einer stinkenden Masse bedeckt, die einem das ganze Leben mit ihrem Gestank einhüllte. Was allerdings noch viel wahrscheinlicher wäre, das ist der Tod, der einem mit hoher Gewissheit besuchen kommt. Jetzt ist aber Schluss, Schluss mit dem Finsteren, die durch solchen Gedanken erst noch animiert werden.
Vielleicht werde ich schon beobachtet, von dem Mann, der oben auf einer Wolke sitzt, eigentlich auf meinen Körper aufpassen sollte. Der ist aber sauer, weil er auf so einen wie mich aufpassen sollte, da macht so ein Schutzengel schnell etwas anderes, als aufzupassen.
Da hinten steht eine süße, flotte Puppe, die ist doch viel attraktiver.
Was für die Augen.
Schnell beschließt der sogenannte Schutzengel den ungeliebten loszuwerden, vielleicht einzutauschen gegen die Süße da hinten. Hallo Unglücksrabe, sagte sich der Unglückliche denke nicht mehr daran, sonst kommt der da oben auf einer Wolke hockende noch auf gruslige Gedanken. Jetzt kommt endlich der Bus, die düsteren Gedanken sind plötzlich verschwunden.
Er war schon so lange nicht mehr mit dem Bus gefahren, dass er überhaupt nicht wusste, wie er bezahlen sollte, konnte man beim Busfahrer ein Fahrschein kaufen, oder musste man ihm sich woanders holen?
Daran hatte er tatsächlich vorher nicht daran gedacht, plötzlich war er einen ganzen Kopf kleiner, als wäre ihm etwas auf dem Kopf gefallen, etwas, vielleicht aus der Bordtoilette?
Das Unglück schien ihm sogar bis hierher zu verfolgen, eine Fahrkarte, schwarz wollte er lieber nicht fahren, bei seinem Glück doch nicht.
Er stieg trotzdem ein, auch wenn er keine Ahnung hatte, wie er eine Fahrkarte auslösen konnte und fragen wollte er auch nicht, die würden wohl denken, ich bin bekloppt, oder so.
Die Bremsen quietschten, der Bus blieb stehen, vor ihm die Einlass-Tür öffnete sich automatisch, er stieg zwei Stufen hoch, stand dann vorm Busfahrer, der dort in einer Ecke eingepfercht schien. Er betrachtete den Fahrer mit großen Augen, der wusste nicht was da der Fahrgast von ihm wollte, der muss Taub sein, hatte der Fahrer geglaubt, und winkte ihm einfach mit seinem rechten Arm weiterzugehen.
Das hatte doch wunderbar funktioniert, so macht man es heute, das musste er sich merken. Der Bus fuhr tatsächlich an, er musste sich festhalten, sonst hätte es ihm weggefegt von seinen Füßen.
Gerade noch konnte er sich halten, als es einen Knall gab, dann war alles schwarz.
In die Seite des Busses war ein LKW gerauscht, und hatte ihm zerquetscht, er zählte eins, zwei, drei, alles war dunkel.
Da hatte er aber Glück gehabt, es hatte überhaupt nicht weh getan, und wie man mit dem Bus fährt, weiß ich jetzt auch.
Allerdings war es jetzt vollkommen egal, denn er saß plötzlich auf einer Wolke, neben ihm der Schutzengel, der entsetzt zu ihm sah.
„Es tut mir wirklich so leid!“, stotterte der Schutzengel.
„Leider war ich etwas abgelenkt, von der Kleinen da!“
„Die hat mich zugeblinzelt, da konnte ich dich nicht mehr retten!“
„Ist schon gut!“, antwortete der Neue, denn jetzt hatte er wieder Glück, er war jetzt auch ein Schutzengel.
Ende der Minigeschichte, die man nicht zu ernst nehmen sollte!
„Ihr wisst schon, das mit dem Glück ist einfach relativ!“
Klaus Konty
Minigeschichte, auch am 22.09.2023 geschrieben
Fahrt mit der U-Bahn
David hatte zwar ein Auto, war aber noch nie mit der U – Bahn gefahren. Jetzt hatte er beschlossen, es zu machen, kann ja nicht so wild sein, mit der U – Bahn zur Arbeit zu fahren. Eine Fahrkarte hatte er sich schon im Vorfeld beschafft, jetzt konnte es losgehen. Ein Buch hatte er eingesteckt, denn darauf freute er sich schon, die Zeit sinnvoll zu nutzen, als immer hinter dem Steuer seines Autos zu sitzen. Immer musste man voll konzentriert sein, weil die Straßen von Verrückten befahren wurden.
Nein, sagte er sich, sie waren nicht verrückt, viele schnappten einfach über.
So wie manche Autofahrer in ihrem Gefährt stiegen, machte es klick, ein Klick, was plötzlich alles anders werden ließ.
Dann waren sie nicht nur ein Fahrer, der zu einem anderen Punkt fahren wollte, sie wurden plötzlich zu etwas anderem.
Etwas, was mächtig war, etwas was Macht hatte.
Meistens waren es Würstchen, arbeiteten in einem kleinen Büro, mussten den ganzen Tag etwas bearbeiten, was ihnen ihr Chef gab zum Bearbeiten.
Oder aber sie waren einfache kleine Befehlshausführer, die sonst nichts zu melden hatten, vielleicht auch eine Frau hatten, die sie ständig herumjagten, bis ihnen die Zungen aus dem Mund hingen.
Dann stiegen sie in ihrem Auto, schlossen die Fahrertür.
Da geschah etwas Sonderbares, sie verwandelten sich, wurden mächtig.
Wehe dem, der vor ihnen fahren musste, der wurde dann bedrängt, auch mit Hupe und Licht blinken genötigt, dem Platz zu machen, der hinter ihnen fuhr.
Wusste denn der andere kleine Wicht denn nicht, wer hinter ihnen war, es war schließlich ein Gott, auch wenn er nur auf Zeit ein Gott war, so war er doch ein Gott. Auf Zeit bedeutete, sowie er bremsen musste, einparken und dann die Fahrertür wieder öffnete, dann stieg kein Gott aus dem Fahrzeug, nein ein ganz normaler kleiner Bürger, der auch noch nett zu sein schien. Der, der gerade eben noch ein Gott gewesen, hatte es schon wieder vergessen, denn jetzt begann es wieder, die Unterordnung, da konnte sich so ein kleiner Bürger nicht als Gott, oder so etwas fühlen.
Bei dieser Vorstellung musste David wirklich lächeln, das war zu komisch mit den Fahrern, die plötzlich zu einem Gott hinter dem Lenkrad wurden, und es später gar nicht mehr richtig wussten.
Er hatte gehört, dass zu bestimmten Zeiten die Abteile übervoll waren, da sollte man sich hüten vor Taschendieben. Heute hatte David wohl Glück, er konnte sich sogar einen Platz aussuchen, um gemütlich in seinem Buch zu lesen. An der nächsten Station wurde es plötzlich voller, jetzt waren keine freien Plätze mehr, und in den Gängen standen Fahrgäste, die neidisch zu manch einen sitzenden Fahrgast schielten. „Können die nicht langsam aufstehen!“, schließlich stehe ich schon lange genug, so ungefähr dachten so einige. David ließ sich in seine Lektüre sinken, da drüben beobachtete er aus den Augenwinkeln heraus, stand jemand, der ihm wirklich bekannt vorkam. Jemanden zu kennen, es aber nicht zu wissen woher, kann einem verrückt machen. Immer wieder gehen die Gedanken dorthin, es herauszufinden zu müssen, dann immer wieder ins Leere abzudriften. Der, der dort stand, schien es genauso zu gehen, auch er blickte ständig zu mir, und in dessen Gesicht arbeite es fieberhaft. Es schien ihm genau so zu ergehen, jedoch plötzlich setzte er sich in Bewegung. In meiner Gedankenwelt wollte er auszusteigen. Was dem Ganzen ein Ende bereitet hätte, und an der Haltestelle stiegen sehr viele Fahrgäste aus, einige wieder zu. Da war die Person aus meinen Augen entschwunden, was sich plötzlich änderte, denn da stand er vor mir, und fragte unumwunden:
„Sie kommen mir bekannt vor, und ich habe überlegt, woher wir uns kennen könnten?“
„Genau so war es mir auch ergangen!“, hatte ich ihm geantwortet.
Es lag mir auf der Zunge, nur konnte ich es nicht ergreifen, es entschwand immer wieder, als würde ich in einen Nebel greifen wollen. Genau das war es, wurde mir unerschütterlich klar. Ich bin ein Hobbyschreiber, habe einige Geschichten für mich geschrieben, damit ich meine Rechtschreibung, aber auch meine Grammatik verbessere. Meine ganze Ausdrucksweise hat sich verändert, selbst meine Aussprache, ist viel deutlicher geworden. Was so ein kleines Hobby ausmachen kann, hatte ich schon oftmals festgestellt. Davor war ich ein schüchterner Junge, der allem aus dem Weg gegangen war. Jetzt gehe ich auf Menschen zu. Selbst meine Frau geht mein Gerede auf die Nerven, na das ist doch mal was, hatte ich mir so gedacht. Trotzdem kam ich nicht darauf, wer da vor mir stand. Es war die Kleidung, die der Mann anhatte, das gesamte Verhalten, und was als besonderer Punkt herausstach, das war das Zucken mit seinem rechten Auge. Es war wie ein Donner, der plötzlich über meinem Kopf ertönte, ein Donnern, was mir die Erkenntnis brachte, mit wem ich es zu tun hatte. Diese Erkenntnis hatte mich fast von der Sitzbank gerissen, es war eigentlich unmöglich, denn diese Person gab es in Wirklichkeit nicht, sie stand trotzdem vor mir, und fragte sich, wer ich war.
Es war nur eine Person, die ich selbst erfunden hatte, die in einem meiner Geschichten spielte.
Es war eine erfundene Figur, es war eigentlich unmöglich, wie konnte eine Person aus einer Geschichte, die ich geschrieben hatte, hier vor mir stehen?
Der junge Mann betrachtete mich mit großen Augen, und dann kam ein Erkennen. Hatte er sein Schreiberling erkannt?
Fragte ich mich, und meine Augen bohrten sich in sein Gesicht.
„Du bist es!“ - sagte er plötzlich, als wäre es das Normalste auf dieser Welt.
„Ich habe Gott wiedergefunden!“ - das war ein Hammer, ein Hammer, mich mit Gott zu betiteln.
Trotzdem konnte ich den Vergleich mit Gott nachvollziehen, denn wenn ein Schreiber etwas erfindet, ist es dann nicht fast so, als würde Gott das Leben erfunden haben. Mir wurde jetzt schwindlig, denn so etwas hatte ich nicht erwartet, ich wollte nur mit der U – Bahn zur Arbeit fahren, um vielleicht ein wenig bei der Fahrt zu lesen. Aussteigen werde ich als Gott, der seine Kreation, die er erfunden hatte, begegnet war. Da fiel mir das Buch aus der Hand, es landete auf dem Boden, eine Seite mit einem gezeichneten Bild war zu sehen. Es war der Mann, den ich erfunden hatte, er hatte sich in dem Moment aufgelöst, als das Buch zu Boden gefallen war. Fast schien es, als wäre er in dem Bild zurückgekehrt, aus dem er wie auch immer gekommen war.
Jetzt betrachtete ich das Buch genauer, als ich es aufgehoben hatte. Auf dem Einband, da stand mein Name – Klaus Konty, der da gerade aufgestanden war, um auszusteigen.
Ende der Minigeschichte, die wie ich finde, unglaubliches Potenzial in sich birgt.
Zumindest empfinde ich es so, es könnte auch ein dicker Roman werden?
Klaus Konty