Kapitel 33
Minigeschichte am Mittwoch, 24.07.2024 – aus dem Geschäftshaus
Der Dämon – oder doch ein Engel?
Finster blickt Gros herunter, denn er hatte heute einen kurzen Ausflug gemacht, hatte seine eingerosteten Flügel etwas mehr bewegt, wie sonst. Gros sah eigentlich nicht aus wie ein Dämon, aber er war es, das wusste er genau.
Sein Vater war viel mächtiger als er.
Gut, sagte er sich, Vater hatte auch schon länger Zeit gehabt Seelen zu sammeln, denn die schmeckten besonders gut, wenn man sie mit etwas Honig vermischte.
Hoch oben, fast unter den Wolken segelte er gemächlich, ohne viel Anstrengung und zog seine Kreise. Über ihm, nicht weit weg, schlief gerade ein Schutzengel und der schnarchte sogar, deswegen hatte er Gros auch noch nicht entdeckt, was Gros selbst völlig egal war. Engel waren nur kleine Gehilfen, Gehilfen eines Gottes, der seine Arbeit nicht selbst machen wollte. Gros wusste aber auch nicht, dass eben die Schutzengel dafür verantwortlich waren, dass sie die Dämonen kaum noch Seelen fanden, die sie mit köstlichem Honig vertilgen konnten. Natürlich litten die Dämonen deswegen nicht unter einer Hungersnot, die ihnen vielleicht sogar ihre Existenz hätte kosten können. Es war wie ein leckeres Dessert, was ihnen vorenthalten wurde. Gros selbst wollte seinen Vater beeindrucken, dass er endlich so weit war, ein richtiger Dämon geworden war, und er wollte sich natürlich auch beweisen.
Gros war immerhin schon fünfhundert Jahre, da wurde es Zeit, dass er endlich zeigte, was in ihm steckte. Vater war da schon ein gefürchteter Dämon gewesen, zumindest hatte er es ihm so gesagt, und wie er ihm kannte, stimmte es auch. Er hatte seinen Vater beobachtet, wie er an seine potenziellen Opfer herantrat, sie einwickelte, mit honigsüßen Worten umgarnte, um sie in Sicherheit zu wiegen. Damit er an das kam, wo jeder Dämon hinterher war, nicht nur, weil die Seele so gut schmeckte, es brachte ihnen auch Wohlstand ein. Vor allem aber Respekt, denn der Oberdämon, Luzifer konnte jedem erfolglosen Dämonen die dämonische Macht entziehen. Trotzdem steigerte sich die Macht, mit jedem Erfolg, den ein Dämon hatte. Fast fing Gros an zu schwärmen, als er darüber nachdachte, denn wenn er einmal mit so hohen Ehren, wie sein Vater daherkommen wird, dann hatte er es geschafft. Aber bis dahin, musste er sich erst noch beweisen, natürlich musste er es sich selbst auch erst beweisen. Was er sicherlich gut hinbekommen wird, das ist die Heimtücke, einem gutgläubigen Menschen zu umgarnen, ihm in die Hölle zu schleudern. Plötzlich vernahm er über sich Geräusche, es war ein Schutzengel, der es sich auf einer Wolke bequem gemacht hatte, vielleicht eingeschlafen war. Gros wurde neugierig, denn so richtig, hatte er nur von seinem Vater gehört, was das für bösartige Kreaturen waren, die einem ehrlichen Dämon die Existenz schwer machten. Gesehen hatte er persönlich noch nie einen Schutzengel, dazu war es noch nie gekommen. Sein Vater hatte ihm erklärt, diese Wesen besser aus dem Weg zu gehen, denn man könne ihnen nicht ein Wort glauben, und schließlich würden sie einen in den Abgrund schicken.
Was hatte sein Vater nur damit gemeint – in den Abgrund schicken?
Es war die Neugier, die ihm unruhig machte, also flog er immer engere Bahnen, ließ sich immer höher treiben. Tatsächlich da lag ein Schutzengel, oder war es kein Schutzengel, war es etwas anderes?
Zumindest war es ein schneeweißes, wunderschönes Geschöpf, mit Flügeln, die seinen Flügeln nicht unähnlich waren. Sie waren eben nur weiß, nicht so finster, wie seine eigenen Flügel. Was aber Gros besonders faszinierte, das war dieses schöne, unendlich schöne Gesicht. Hatte sich hier eine Göttin niedergelassen, um etwas zu ruhen? - um jedes hier lebende Wesen um den Verstand zu bringen. Aber was für Wesen lebten, denn hier, er lebte doch nicht hier, also konnten sie einen Dämon nicht beeinflussen wollen. Die Welt dreht sich so lange, bis sie aufhört sich zu drehen. Hatte sein Vater immer gesagt, und Vater hatte immer recht, zumindest war Gros so erzogen worden. Jetzt verstand Gros die Welt nicht mehr, denn so ein schönes Wesen hatte er noch nie erblickt, er hatte auch noch nie etwas davon gehört. Diese unglaubliche Schönheit zog ihm magisch an, er wollte trotzdem vorsichtig sein, denn so ein edles, schönes Wesen wollte er nicht erschrecken.
Könnte es nicht sein, dass wenn sie sich erschreckt, sie dann einfach verschwindet, und er wollte sie nicht verjagen, er wollte sie umarmen, einfach nur nahe bei ihr sein?
In Gros fing etwas an sich zu verändern, es war etwas, was er so noch nie in sich gespürt hatte. Seine Gedanken waren plötzlich absolut einfach, ohne Hintergedanken. Von Liebe hatte er noch nie etwas gehört, von einem anderen Dämon, auch nicht von seinem Vater war so ein Wort je gefallen. Die Gefühle, die entstanden, kannte kein Dämon, denn Dämonen verliebten sich nicht, deshalb war es absolut unbekannt. So hatte Gros nicht die geringste Ahnung, dass er sich gerade über Hals und Kopf verliebt hatte, dass alles völlig durcheinandergeraten war, kein Gedanke mehr normal war. Jetzt war er nur ein Wesen, was von Impulsen gesteuert wurde, und die können bekanntlich auch trügen. Wenn er so fühlt, muss es ja nicht ein anderes Wesen auch so fühlen.
Für Gros war es ungewohnt und einfach wirklich neu. Dazu kam, dass er wirklich nicht die geringst Ahnung hatte, was da gerade geschah.
Gros konnte nicht mehr seine Augen von dem schönsten Wesen abwenden, was er je gesehen hatte, er war wie hypnotisiert, er war nicht mehr der Dämon, der er noch vor wenigen Augenblicken gewesen war. Er musste sie ansehen, er konnte nicht anders, dazu kam das in ihm ein ungewohntes Zittern auftauchte, was er überhaupt nicht bestimmen konnte, vor allem nicht die Ursache. Er fand keinen Zusammenhang, zwischen seinem körperlichen Zittern, und dem Wesen, was da in so unglaublich, schöner Art dalag und einfach nur schief. Ob er wollte oder nicht, er näherte sich ihr immer mehr, dann erhob er ein wenig seine rechte Hand, sie einfach nur zu berühren, sie zu fühlen, wie sich diese zarte Haut anfühlte.
Hätte er es doch nur nicht gemacht, ihre Haut leicht zu berühren, da stoben Funken hoch, Funken, so wie er es noch nie erlebt hatte, gerade so, als hätte sich etwas Neues eröffnet. Aus den Funkenregen wurde urplötzlich ein Blitzstreifen, der auch ein zusammenhängendes Lasso hätte sein können. Aber es war ein Feuerlasso, es strahlte hell, und am Ende war tatsächlich eine Schlaufe, ein Feuerring – Schlaufe. Die wirbelte in die Höhe und legte sich um den Hals von Gros, der plötzlich gefangen war, gefangen von einem Lasso aus Blitzen geformt, und es umschlang tatsächlich seinen Hals.
Was war Gros eben geschehen?
Wurde er von einem Engel, einem Schutzengel, oder was es überhaupt war, verzaubert, um gefangen genommen zu werden.
Wer aber? - wollte einen Dämon verzaubern, um ihm gefangen zunehmen. Es war sicherlich der Vater aller Engel, der Vater aller Schutzengel – Gott hatte es getan, er hatte die Falle entwickelt und ausführen können. Kurz darauf, sprang der schlafende Engel in die Höhe, zog an dem Feuerseil, was wie eine unendliche Pein, um den Hals von Gros lag. Mit unglaublicher Härte zog der gerade eben noch schlafende Engel an dem Feuerseil, und warf Gros zu Boden. Dann sprach plötzlich eine hallende Stimme, von unglaublicher Tiefe und Festigkeit, die alles auf sich zog.
„Das ist die Strafe, weil Dein Vater gegen mich gearbeitet hatte!“
„Dein Vater hatte leidiges Leid in die Welt gebracht!“
„Da wir Deinen Vater nicht strafen können, bestrafen wir Dich – Gros!“
Ende der kleinen Minigeschichte, die mit Herz wenig zu tun hat, eigentlich nur eine Rache - Geschichte ist. Wenn es Gott gibt, ist er sicherlich nicht so gemein und rächt sich an einen noch Unschuldigen.
Ja, auch ein Dämon ist unschuldig, wenn er noch keine bösen Taten ausgeführt hatte. Was ist schon die Liebe, wenn man dafür bestraft wird, weil man wirklich liebt?
Also lieber Gott, einen Liebenden bestraft man nicht, denn die Liebe selbst ist edel und fein!
Namen der Mini – Kurzgeschichte
Der Dämon Gros
Noch ein kurzes Gedicht – von der göttlichen Liebe!
Göttliche Liebe
Oh, wie fein und edel sie ist,
meine Augen können es nicht lassen,
sie immer nur anzusehen,
alles an ihr ist so schön,
die Liebe spiegelt durch alles in die Welt,
kein anderer Gedanke mehr – nur sie – nur sie,
in ihren Augen sprüht Glückseligkeit,
und jeder Funke trifft mitten ins Herz hinein!
Klaus Konty