Kapitel 26
Der Umtrunk, hinein …
Nichts, was im Leben geschieht, kann man im Nachhinein ändern, auch wenn man es gerne möchte.
Wie es so weit kommen konnte, ist mir im Moment ein Rätsel?
Es hatte alles so harmlos begonnen, es sollte nur ein gemütlicher Abend werden, und es war erst auch gemütlich, bis eben alles etwas übertrieben wurde. Meine Tochter hatte sich für den Abend angemeldet, und wir hatten vor uns etwas zu unterhalten, sie hatte sogar einige Packen Bier mitgebracht, und der Abend begann, in dem ich das erste Bier geöffnet hatte.
Es war köstlich, es war angenehm gekühlt, meine Lippen schrien auf, mehr, mehr.
Mein Körper selbst war es nicht mehr gewöhnt, so schnell Bier zu trinken. Schnell bemerkte ich ein inneres schummerig – Gefühl, was mir laut mahnte, halte kurz, sonst wirst du zu betrunken sein.
Der Verstand sagt nein, der Körper, oder besser gesagt, die innere Vernunft hatte sich verabschiedet. Mit jedem Bier erweiterte sich meine Größe, die in mir einen Riesen entstehen ließ. Wann, trank ich schon ein Bier, und die Folgen waren in der Vergangenheit geblieben, die Erinnerung hatte sich getrübt, genau wie mein Verhalten, einfach nur ins Bett zu gehen.
Es war die Vernunft, die jedes Bier leicht gesenkt hatte, der Vorsatz war entschwunden, einfach die nächste Flasche zu öffnen. Dabei war da schon der Punkt gekommen, da es überhaupt nicht mehr geschmeckt hatte, es war ganz einfach eine Überschätzung der eigenen Verträglichkeit, die nicht mehr vorhanden war.
Plötzlich, unausweichlich, war ich abgefüllt, nur noch ein Wunsch, einfach ins Bett zu fallen, die Augen zu schließen, so den Abend ausklingen zu lassen. Dabei war es schon kein Abend mehr gewesen, es war gerade Mitternacht, eine Nacht, die schon Vorboten gesandt hatte, aus dem Reich der Finsternis geschickt wurde.
Etwas zu genießen, hatte ich, und mein Verstand überhaupt keine Ahnung. Der Verstand hatte sich vollständig verabschiedet, und wie ich persönlich ins Bett gefallen war, war auch nicht mehr in mir vorhanden. Im Kopf herrschte die Dunkelheit, eine Dunkelheit, die gewisse Wesen hatte erwachen lassen. Wesen, die ich noch nie vorher gekannt, auch nicht gesehen hatte. Es sei denn, in Erzählungen, vor allem aus der Vergangenheit, wo sie ständig umherspukten. Es war Hexen, Dämonen, und natürlich der Herr aller finsteren Gestalten, die sich in der Nacht ihren Platz zu suchen pflegten. Mein Körper lag im Bett, jedoch mein Geist schwirrte umher, wurde zum gefundenen Fressen, finsterer Kreaturen, die ein Festmahl machen wollten. Der Alkohol, den mein Körper überhaupt nicht gewöhnt war, stand weit offen, die ungebetenen Gäste hatten leichtes Spiel, in meinem Inneren herrschte einfach nur Chaos. Wenn ich in jenem Moment geahnt hätte, was mir noch alle bevorstehen würde, dann wäre ich aus meinem Bett gesprungen, und mein nicht mehr ganz so junges Leben etwas zu bieten. Es war allerdings der Alkohol, den ich in meinem Kopf geschüttelt hatte, was diesen Entschluss auch noch zusätzlich verhinderte. Alles in mir wurde zu einem Festmahl, ein Festmahl dunkler Gestalten, die anfingen meine Seele aufzufressen. War ich denn wirklich dem ausgeliefert, war keine Hilfe in der Nähe, die es hätte verhindern können?
Der Morgen nahte, mein Kopf brummte wie eine Heizanlage, die über ihre Kapazitäten hochgefahren worden war.
Dann blinzelte, nein etwas stach in meine Augen, es war ein grelles Licht, ein Licht der aufgehenden Sonne, die verkündete ohne Erbarmen:
»Du da, mit dem Brummschädel, der neue Tag hat begonnen!«
Alles schien sich in meinem Kopf im wilden Tanz zu drehen, nichts konnte mich mehr beschützen, vor diesem Erwachen. Die Augen waren verklebt, sie waren kaum zu öffnen, das Licht blendete, was durch das geschlossene Fenster drang, ohne Erbarmen, mit dem kleinen Sünder, der die Augen kaum noch aufbekam. Im Kopf war ein Chaos aus einem Nichtverstehen, wo ich wohl gerade war.
Alles schien neu zu sein, wo war ich überhaupt, es entzog sich meiner Erinnerung, was überhaupt geschehen war, und sogar wo ich hier war. Dann schoss ich hoch, was für ein Tag hatten wir heute, und vor allem wie spät war es?
Wenn es schon so hell war, dann musste es schon später sein, und ich musste doch noch zur Arbeit. Was sage ich da nur wieder, es ist peinlich aufzuwachen, verschlafen zu haben, mit einem Brummschädel, der alles Hin und Her zu schaukeln schien. Dann kam ganz langsam die Erinnerung zurück, meine Tochter war doch am Abend da gewesen, und wir hatten es uns gemütlich gemacht, ich hatte zu viel getrunken, und ich hatte schon lange nichts mehr getrunken. Mein Blick streifte meine Uhr, die zeigte sieben Uhr, und in mir schwangen Glocken, die mir mein Unglück einzuläuten schienen. Jede Minute ist jetzt wichtig, angezogen, schnell ins Bad gelaufen, eine Katzenwäsche muss meine Augen frei machen. Meine Tochter war nicht mehr da, ich war vollkommen allein, fast wäre ich über meine eigenen Schuhe gefallen, als ich aus dem Bad gestürmt kam, konnte mich aber gerade noch halten. Die Welt schien vollkommen neu zu sein, als ich zur Tür hinauswollte, da kam die Erinnerung:
»Es war doch Samstag, heute brauchte ich nicht zu Arbeit.«
Es war ein kleines Anzeichen von etwas Glück in mir, jedoch fragte ich mich, wie es sein konnte, erst jetzt davon zu wissen?
Dann schwanden mir die Kräfte und ich sackte einfach zusammen, der Aufprall auf dem Boden konnte nicht besonders heftig gewesen sein. Denn mein Bewusstsein kehrte dadurch nicht zurück. Wieder umschlang mich etwas Fürchterliches, etwas, was mich mit aller Kraft festzuhalten drohte. Alle Kraft hatte sich aus meinem Körper verabschiedet, nur weil ich zu viel Bier getrunken hatte, was mein Organismus nicht mehr verarbeiten konnte. Jetzt wurde ich wieder wach, mein Kopf konnte wieder etwas denken. Meine Augen öffneten sich, ein Blick zum Fenster zeigte nicht mehr das grelle Licht, was ich gerade eben noch gesehen hatte.
Oder war es nicht gerade erst gewesen?
Vielleicht hatte ich länger hier am Boden gelegen, und es war viel später, als ich dachte.
In mir spürte ich eine Schwäche, die eigentlich nicht normal war. Noch nie hatte ich mich so schwach gefühlt, es war, als ob mit mir etwas geschah.
Etwas, was ich nicht wollte, trotzdem aber geschah es, ohne dass ich meinen Willen zu gebrauchen brauchte. Eine Puppe, mit der gespielt wurde, die an Fäden zu hängen schien, machen musste, was der Puppenspieler mit mir machte.
Mit Mühe stemmte ich mich hoch, versuchte wieder aufzustehen.
Jetzt versuchte ich zur Toilette zu kommen, bevor ich mich selbst einnässte, musste die Blase entleert werden. Etwas stimmte mit mir nicht mehr, mein Gleichgewicht schien gestört zu sein, alles schien sich um mir zu drehen, das Laufen fiel mir schwer, jeden Moment könnte ich stürzen. Wie auch immer, ich musste schnell die Toilette erreichen, sonst würde ich mich selbst beschmutzen. Mehr tastend lief ich an der Wand entlang, schnell in den Raum der Erleichterung zu gelangen.
Als ich mich niedersetzte, ächzte die Toilettenbrille, die aber mein Gewicht noch aushielt. Dann floss es aus mir heraus, und es kam mir wie ein unendlicher Strom vor. Dann verebbte der gerade noch unendliche Strom, den Schmerz in der Blase konnte ich auch nicht mehr spüren, es war eine Erleichterung, eine Erleichterung wieder frei zu sein.
Fast schien es, die Welt war wieder in Ordnung, jedoch nur fast, denn etwas Schlimmes schien sich anzubahnen. Sämtliche Bewegungen schienen nach einer anderen Anordnung zu funktionieren, nicht mehr von meinem Willen abhängig zu sein. Mit Mühe versuchte ich mein Bett zu erreichen, denn selbst hier im Sitzen schien sich etwas zu drehen, sich selbständig machen zu wollen. Es musste jetzt schnell gehen, sonst würde ich von dem Toilettensitz stürzen, es war einer Ohnmacht nahe, wenn ich nicht schnell ins Bett kommen würde.
Ich tastete wieder an der Wand entlang, in mir erwachte die Angst, es nicht mehr schaffen zu können. Gespenstig, wie die Beine fast selbständig reagieren konnten, und doch fast vor dem Einknicken waren. Im Kopf drehte sich nicht nur alles, es war ein Schwindel, der große Angst in mir entstehen ließ. Da spürte ich meine Brust, wie Schmerzen aus dem Inneren im pochenden Maß dringen wollten.
Nein, sagte ich mir, das war nicht nur der Alkohol, es war noch etwas anderes, was da in mir anklopfte. Es ist nicht mehr weit, jedoch war alles nur noch ein Schwanken, das Bewusstsein wollte wohl nicht mehr, jetzt kam es in mir zu vollem Wissen, auch mein rechter Arm schien taub zu werden. Es musste eine Herzsache sein, hoffentlich kein Herzinfarkt? - war meine größte Sorge. So etwas konnte man sich nicht aussuchen, es geschah etwas, was ich noch nie so erlebte, oder waren es tatsächlich nur die Auswirkungen meines Bierkonsums.
Jetzt verdickte sich plötzlich die Luft, in der ich hier weilte? - Werde ich immer langsamer, konnte kaum noch gehen, schien sogar etwas abzuheben. Weil ein Arme plötzlich aus dem Nichts erschien, mich ergriff, bevor ich wieder fallen konnte. Zirpende, feine, zarte Töne konnten meine Ohren wahrnehmen. Ich wurde plötzlich getragen, gezogen, nur wohin? - war meine einzige Frage.
Etwas wollte mich schützen, wollte mich forttragen, in eine friedlichere Welt, in einer Welt voller Zärtlichkeit. Alle Erinnerungen war plötzlich fort, ich stieg und stieg, in eine vom Bewusstsein getragene Wirklichkeit, wo jeder Mensch seine guten Empfindungen verteilen konnte. Es war in mir nicht klar, was eigentlich geschehen war, hatte ich meinen Körper verlassen, war in eine andere Ebene gestiegen. Was geschieht mit mir? - fragte meine Gedankenwelt, die im absoluten Chaos gestürzt war.
Trotzdem konnte mein »Ich«, keine Angst mehr spüren, auch wenn ich wirklich verstorben war, so war ich glücklich. Menschen erschienen, die waren durchsichtig, ohne Körper und trotzdem konnte ich sie erkennen. Kannte ich diese Wesen, die mich umringten, die in mir eine Frage aufwerfen – wer waren sie alle, die ich kannte, und doch nicht kannte. Gerade da, als ich sie alle erkannte, kam mir meine Tochter entgegen.
Sie war schon lange nicht mehr am Leben, und sie war auch hier, hier bei mir. Ihre Hände umschlossen meinen Kopf, sie umarmte mich, da hatte ich es begriffen, sie war nur erschienen, mit Bier, um mir den Übergang, in diese andere Ebene zu erleichtern. Sie hatte mit mir getrunken, als Engel war sie erschienen, mir den Weg zu erleichtern, mir die Angst zu nehmen. Ganz allein war ich gewesen, hatte einen Herzinfarkt gehabt, und sie hatte mich abgeholt, hatte mir einen Weg gezeigt.
Die Unterhaltung hatte mir die Kraft gegeben, am nächsten Morgen vom Leben in diese Welt zu finden. Oh, danke liebe Tochter, ich habe die Liebe erfahren, die ich auch dir immer gegeben.
Ende der kurzen Minigeschichte, die natürlich frei erfunden ist!
Euer Klaus Konty