In dieser einen Woche der Bestrafung lernte ich so viele neue Seiten an mir kennen, die zunächst unheimlich, dann aber aufregend und befriedigend waren. Die Kontrolle zu verlieren war das eine, aber das Gefühl der unzähmbaren Lust, die mich erfasste, wenn Maria und Francesco, mal allein oder auch beide gleichzeitig, Zärtlichkeiten mit mir austauschten, war unbeschreiblich.
Am Anfang war ich noch sehr verkrampft, es war alles so neu und ungewohnt, aber das legte sich ziemlich schnell und ich freute mich morgens schon auf die Stunden, die wir gemeinsam verbringen durften, auch wenn mir die Beiden leid taten, weil sie sich in ihrer eigenen Lust zurückhalten mussten, was sie aber eisern durchhielten.
Am letzten Tag dieser traumhaften Woche stand plötzlich Sandro vor der offenen Tür (auf die hatte Gio bestanden in dieser Woche) und sah uns zu, wie mich Francesco gerade sehr intensiv mit Küssen verwöhnte - überall auf meinem Körper, was mir kleine Laute der Lust entlockte, die mich selbst erstaunten.
Als ich ihn im Flur erkannte, sah ich ihn kurz böse an und schloss die Augen wieder. Allein um ihm zu zeigen, wie gut es mir OHNE ihn ging, aber als ich erneut hinsah, war er bereits fort.
In den Wochen danach lebte ich mich gut ein, auch wenn ich bald richtig lernen musste, um den versäumten Unterrichtsstoff nachzuholen. Hier herrschte ein anderes Regiment, was die Lernerei anging, aber da wir alle im gleichen Boot saßen, bekam ich es einigermaßen auf die Reihe, weil wir uns gegenseitig halfen.
Ich achtete gut darauf, wann Sandro zu Besuch kommen wollte, Gio ließ es meistens vorher fallen, wenn er sich mit Sophia unterhielt. Da ich immer noch frustriert war, dass mich Sandro so abgeschoben hatte, beschloss ich, es so oft wie möglich so einzurichten, dass er uns Drei beim Liebesspiel erwischte. Einfach um ihn zu bestrafen, ihm weh zu tun. Dass es mir dabei nicht besser ging, verdrängte ich monatelang mit Erfolg, aber irgendwann erlosch dieser Rachegedanke.
Zurück blieb nur Sehnsucht und Trauer.
Dann bekam ich meine erste Regel. Mit Rückenschmerzen, Bauchweh und umständlichen Möglichkeiten, mein Blut aufzufangen. Sophia kümmerte sich sehr geduldig um mich. Nachdem die Tage vorbei waren, überreichte sie mir die goldene Schleife. Ohne weitere Worte. Es war bereits alles gesagt. Jetzt konnte/sollte ich mich entscheiden.
Ich wusste es, alle wussten es. Aber ich schwieg.
Je länger die Trennung dauerte, desto weniger vermochte ich mir vorzustellen, wie es einmal war zwischen uns und ich musste mir eingestehen, dass ich hilflos war in meinem Bestreben, ihn irgendwie zurück zu gewinnen.
Die Zeit, die dann folgte, war eine sehr sinnliche Zeit. Allein die Tatsache, dass ich sie nicht mit Sandro verbringen konnte, quälte mich.
Ich sprach mit Sophia eines Tages beim Abwasch darüber, mehr unfreiwillig, aber es ergab sich zufällig, weil ich mit ihr wegen Maria reden wollte.
»Sophia, ich wollte dich fragen, weil ich unsicher bin ... ist es richtig, wenn ich Marias Küsse als schön empfinde, obwohl ich ja eigentlich -«
Mist. Da war es schon passiert. Das letzte, was ich preisgeben wollte, waren meine Gefühle für Sandro. »Ach, ist egal. Entschuldige, ich werde es bestimmt allein herausfinden«, versuchte ich zu retten, was zu retten war, aber Sophia hatte bereits den Abwasch unterbrochen.
Sie trocknete sich die Hände ab, nahm mir das Handtuch aus der Hand und drehte sich zu Gio um, der in dem Moment die Küche betrat.
»Würdest du dich bitte heute um den Abwasch kümmern? Ich möchte mit Angelina sprechen.«
Sie hatte den Arm um mich gelegt und wollte mich hinaus begleiten, aber Gio hielt sie kurz auf und ich sah zu, wie er sie an sich zog und zärtlich küsste. Wieder erfasste mich diese Sehnsucht nach Sandro, aber ich versuchte sie zu unterdrücken.
»Frauengespräche, so so. Na gut, ich übernehme hier.«
Als wir draußen waren, atmete ich tief durch. Sophia hatte meine Hand genommen, wir liefen noch stumm bis zum Gartenzaun. Dann fragte sie leise: »Was wolltest du vorhin sagen? Manchmal hilft es, wenn man es laut ausspricht, damit man es selber glauben kann.«
Nun brach alles aus mir heraus, was ich so lange in mir versteckt hatte.
»Ich war so dumm. Dabei weiß ich längst, dass ich eine von euch werden will, aber ich konnte es nicht zugeben. Er hat mich weggestoßen. Sandro wollte mich nicht mehr, das konnte ich nicht ertragen. Ich wollte ihn eifersüchtig machen, damit er mich zurückholt. Jetzt habe ich ihn verloren, weil ... weil ich es ihm einfach nicht sagen kann. Verstehst du? Ich kann es ihm nicht sagen, ich kann seinen gleichgültigen Blick nicht ertragen, ich habe ihn zuletzt gesehen, da dachte ich, er wäre ein ganz anderer. Er hatte nichts mehr mit meinem Sandro gemein. Ich habe Angst vor ihm.«
Jetzt brach ich doch in Tränen aus und Sophia nahm mich in die Arme und ließ mich weinen.
Als ich halbwegs wieder zuhören konnte, trocknete sie mir die Tränen und drückte mir ein Taschentuch in die Hand, bevor sie anfing zu sprechen.
»Du hast dich wirklich in eine blöde Situation gebracht. Ich darf dir leider nichts sagen über Sandros Beweggründe, aber das eine sag ich dir trotzdem. Du wirst niemanden auf der ganzen Welt finden, der dich mehr liebt als er.«
Sie machte eine kleine Pause, ließ den Satz wirken.
»Was Maria betrifft - deine menschliche Seite macht sich zu viele Sorgen, wo sie nicht nötig sind. Alles, was gefällt ist erlaubt. Nur so kann man herausfinden, was man wirklich möchte. Leider konnten wir dir nicht alle Möglichkeiten bieten, deine Erfahrungen schon vorher zu machen, Sandro wollte dich unbedingt fernhalten vom Einfluss der Menschen. Höre einfach auf dein Bauchgefühl, es gibt kein richtig oder falsch. Nur ein gemeinsames schönes Erlebnis, wenn es beide wollen. Ich habe keine Bedenken, dass du schon bald soweit bist, es dir einzugestehen. Wenn nicht heute, dann in naher Zukunft, ich bin ganz sicher. Deine Entscheidung ist schon in greifbarer Nähe. Ich vertraue deinen Gefühlen mehr als du es jetzt noch vermagst. Aber du schaffst auch das. Hab Mut - für euch beide!«
Sie wollte mir helfen, ich spürte es mit jedem Wort.
Ich musste nachdenken. Lange. Am Ende war es zu lange.
Die Menschen konnten mir nichts geben, was ich nicht bei den Savantoj in besserer Auswahl haben konnte. Zu viele schreckliche Dinge geschahen unter ihrer Verantwortung und dass es auch anders ging, hatte ich bei Sandro und auch in Gios Familie gesehen und schätzen gelernt. Insofern hatte ich mich schon recht bald für die Wandlung entschieden, eigentlich schon bald nach der Trennung von Sandro, weil ich mich sofort auch bei Gio wohlfühlte, trotz des Wissens, dass auch sie den Savantoj angehörten.
Vielleicht wollte ich es mir auch nicht so schnell eingestehen, weil es unweigerlich mit Sandro zusammenhing und das schob ich immer verzweifelter von mir. Nur, wer sollte mir dann bei der Wandlung helfen? Ich sah keinen Ausweg.
Einmal fasste ich mir ein Herz und bat Gio mich hinüber zu Sandro zu fahren. Er setzte mich am Grundstück ab und versprach, mich in einer Stunde wieder abzuholen.
Zögerlich ging ich zum Haus und wollte die Haustür öffnen, aber sie war abgeschlossen. Er war nicht zu Hause.
Enttäuscht wollte ich schon umdrehen, da fiel mir das Versteck vom Zweitschlüssel ein und holte ihn mir, damit ich hinein konnte.
Ich kam mir wie ein Einbrecher vor, als ich durch das Wohnzimmer lief und schließlich im Schlafzimmer landete. Aber war es nicht auch mein Zuhause? Ich musste das Licht anmachen, weil die Fensterläden geschlossen waren. Ich starrte auf das Bett, seine Seite war zerwühlt. Er schlief wohl unruhig. Ich schaute umher und dann entdeckte ich es. Mein Tagebuch lag auf meinem Nachttisch!
Hatte er es gelesen? Las er vielleicht jeden Abend darin? Ich stürzte hin und nahm es auf, konnte aber nicht erkennen, ob darin geblättert worden war. Sollte ich es nun noch mitnehmen? Dann würde er wissen, dass ich hier gewesen war. Nein - ich würde etwas anderes tun. Ich lief zurück in die Küche, holte mir einen kleinen Zettel und einen Stift und kritzelte rasch etwas darauf. Danach steckte ich den Zettel sorgsam in mein Buch zur letzten beschriebenen Seite und legte es zurück.
Ich verließ fast fluchtartig das Haus, schloss ab, legte den Schlüssel zurück und lief zur Grundstücksgrenze, um auf Gio zu warten.
Die ganze Zeit klopfte mein Herz wild in meiner Brust. Wenn Sandro diesen Zettel jemals lesen sollte ...
Gio bog um die Ecke.
Es war zu spät, um den Zettel zurückzuholen.