Angelina schlief erschöpft neben mir ein und ich konnte nicht glauben, was da eben passiert war. Ihr zu widerstehen hatte mich mehr Kraft gekostet, als ich im Vorfeld angenommen hatte. Es war höchste Zeit gewesen die Notbremse zu ziehen, denn meine Beherrschung sank rapide mit der unermesslichen Steigerung meiner Erregung und ich brauchte jetzt nicht mehr als wenige Pumpbewegungen, um mich meinem eigenen Höhepunkt hinzugeben. Mit Macht musste ich ein erlösendes Stöhnen zurückhalten, aber sie sollte auf keinen Fall aufwachen. Nicht jetzt.
Trotzdem musste ich mich von ihrem süßen Anblick losreißen. Ich hoffte von Herzen, dass es das letzte Mal gewesen sein würde, dass ich zu solchen Mitteln greifen musste. Ich kam mir so fies vor, mein schlechtes Gewissen ließ mich innerlich schwören, dass ich ihr dafür eine Revanche geben würde. Ihr kleines Teeny-Herz heckte das garantiert ab morgen in den schillerndsten Farben aus. Tief in mir freute ich mich schon darauf, aber noch hatten wir unser weiteres Zusammenleben zwar beschlossen, aber die Regeln noch nicht festgelegt. Solange sie denen nicht zugestimmt hatte, konnte ich ihr auf keinen Fall freie Bahn lassen. Es wurde langsam aber sicher zu gefährlich, dass ich ihr nachgeben würde und das könnten wir beide bitter bereuen.
Mit einem der Handtücher, die auf einem Regal neben dem Bett lagen konnte ich mich säubern, nachdem ich das Kondom abgenommen hatte. Ich wollte es gleich entsorgen, dann starrte ich kurz auf beides und entschied mich anders.
Vielleicht würde sie ihre Enttäuschung besser verkraften, wenn sie den Beweis von mir zurückbehielt, dass ich noch bei ihr war, als ... ? So einen kleinen Triumph aus ihrer Sicht? Ich schwankte.
Ehe ich es mir noch anders überlegen konnte, ließ ich es einfach in einer Ecke des Bettes liegen und stieg vorsichtig heraus, zog mich schnell an und nahm meinen Rucksack. Dann stellte ich auch den nochmal ab und lief zum Schreibtisch, um ihr noch einen kleinen Abschiedsgruß dazulassen, mir war einfach danach und ich hoffte, sie würde sich freuen und richtig deuten, wenn ich ihr den kleinen Zettel auf den Nachttisch legte.
Dann griff ich erneut nach dem Rucksack, warf ihr noch einen liebevollen Blick zu und machte mich endlich auf den Weg. Alle schliefen und niemand bemerkte meine Abreise.
Ungarn wartete auf mich.
Je weiter ich mich von Angelina entfernte, desto schwerer wurde mir das Herz, aber es half ja nichts, nun musste ich, nein mussten wir da durch. Aber die Aussicht darauf, was mich bei meiner Rückkehr bald erwarten würde, ließ mich wieder Hoffnung schöpfen.
Die Reise verlief problemlos und als ich bei meinem ersten Kontaktmann eintraf, konnte der mir bereits alle Papiere übergeben und das Handy.
Es gab nur eine eingespeicherte Nummer darin, ich wusste nicht, wo die Unterlagen landen sollten, zu meiner eigenen Sicherheit, falls ich doch aufflog.
Er gab mir Adressen von günstigen Pensionen mit Frühstück, wie sich eben ein armer Student unterbringen würde, wenn er soch eine Bildungsreise machen wollte.
Diese Nacht würde ich noch bei ihm verbringen, am nächsten Tag fuhr ich mit einem Bus weiter, der Bahnhof lag nicht weit weg. Der Kontaktmann war ein netter Kerl, der gut vernetzt war und an alle möglichen und nötigen Papiere herankam. Weiterführende Informationen tauschten wir nicht aus, die Operationen liefen ständig sehr geheim, der Sicherheit wegen. Also fragte ich auch nicht weiter, sondern versuchte mich lieber in mein ungarisch etwas einzugewöhnen, indem ich mich ausschließlich mit ihm in dieser Sprache unterhielt. Zur Ablenkung gab es am Abend ein schmackhaftes Abendessen und eine Runde Kartenspiel. Etwas, was ich noch nicht kannte, aber die Regeln waren schnell erklärt und wir spielten noch eine Weile, ehe wir uns dann schlafen legten. Am nächsten Tag ging ich schon vor dem Frühstück los, das besorgte ich mir am Bahnhof, bevor in in den Bus stieg und es musste reichen.
Als ich im betreffenden Satdviertel von Budapest eingetroffen war, suchte ich mir als erstes eine Unterkunft. Die zweite Pension sagte mir von der Lage und den Preisen zu, also meldete ich mich als braver Student dort an und gab meine Meldedaten ab. Sorgfältig achtete ich darauf, jede Angabe richtig einzutragen. Ein fataler Fehler, wenn man seinen eigenen Namen falsch schrieb, konnte ungeahnte Folgen haben. Hier tickten die Uhren etwas anders als in Italien, Dänemark oder Deutschland. Der Mitarbeiter an der Rezeption prüfte alle meine Angaben sehr akribisch, aber hatte keinerlei Beanstandungen, also bekam ich meinen Zimmerschlüssel für das Zimmer Nummer zehn und ging sofot nach oben.
Nachdem ich mich im Bad eingerichtet und meine paar Sachen im Schrank deponiert hatte, nahm ich mir noch einen Erkundungsspaziergang zur Bibliothek vor, damit ich am Morgen schneller dorthin finden würde. Anschließend konnte ich noch ein Abendessen in einer der vielen Kneipen einnehmen, wo man günstig und gut deftig essen konnte und entsprechend satt ging ich wenig später schon schlafen.
Je schneller und besser ich heute Nacht schlief, desto eher konnte ich Morgen schon das Erste erledigen.
Nach dem recht frühen Frühstück, das einfach aber schmackhaft war, machte ich mich, bestückt mit Notizbüchern und allerlei Fragenkatalogen, auf den Weg, damit ich in Ruhe stöbern konnte, um auf die richtigen Daten zu stoßen.
Nachdem ich mir die Freigaben für die betreffenden Abteilungen mit meinen Papieren beschaffen konnte, zur Tarnung auch zu solchen, die ich gar nicht aufsuchen wollte, begann ich systematisch zu suchen und ich wurde schnell fündig.
Die ersten Fotos konnte ich schon bald verschicken, danach gleich wieder gelöscht, damit auf dem Handy nichts Verdächtiges zurückblieb. Wenigstens nichts, was man auf den ersten Blick entdecken würde.
Es lief alles wie am Schnürchen, ich konnte in den nächsten Wochen ungestört in allen Unterlagen herumsuchen, ohne dass sich irgendjemand dafür interessierte. Wenn das so weiterlief, könnte ich vielleicht schneller als geplant, alle benötigten Unterlagen verschicken und meine Zelte hier wieder abbrechen. Mit Gio stand ich in ständigem Kontakt, natürlich nicht über ein Handy, sondern über unsere Wolkensprache. Manchmal wurde es wegen des schlechten Wetters etwas schwierig, aber meistens bekamen wir es irgendwie hin, oder konnten es einfach auf den nächten Tag schieben.
Angelina gig es wohl gut, was mich beruhigte, denn unser Abschied war schon etwas dramatisch gelaufen. Aber wenn ich es richtig verstand, fügte sie sich in die neue Situation und grübelte wohl auch nicht den ganzen Tag, was mir einen Stein vom Herzen fallen ließ. Ein wenig Sorgen hatte ich mir trotz allem gemacht.
Leider machte sich am vorletzten Tag nun doch noch einer Sorgen - in der Bibliothek.
Ein Mitarbeiter, der mich in den letzten Wochen noch nicht gesehen hatte - irgendwas musste ihm an meiner Nase nicht gefallen haben. Ich merkte es sofort, weil er mir ständig auf den Füßen stand und weil ich ihn leider nicht einfach wegschicken konnte, machte er mir nun ausgerechnet doch noch das Leben schwer, weil er ständig kontrollierte, was ich da lesen wollte und fragte, wozu ich das brauchte.
Der kostete mich ganze zwei Wochen zusätzlich, weil er mich kaum aus den Augen ließ. Aber weil ich ihm keine Angriffsfläche bot, ließ er mich nach einer Woche in Ruhe und ich konnte den Auftrag beenden. Meine herausgeholte Zeit war natürlich wieder futsch, aber später als geplant würde ich nun auch nicht zurückkehren.
Endlich war ich auf dem Rückweg, war froh, dass ich den Auftrag erfolgreich beendet hatte.
Der Winter hatte den Herbst rigoros abgelöst. Sobald ich draußen unterwegs war, fraß sich die Kälte unangenehm durch meine nur mäßig für die kalte Winterzeit geeignete Kleidung, aber der Wunsch, endlich zu Hause zu sein, gab mir genug Motivation, mich durch die eisige Landschaft zu kämpfen.
Es schneite und der Wind pfiff mir um die Ohren. Meine Hände fühlten sich durch die Kälte schon taub an.
Ob es meine Wunschgedanken waren, oder mich einfach die Sehnsucht überfiel - ich meinte fast, Angelina zu spüren, aber das war vermutlich nur Wunschdenken.
Heute hatte ich endlich wieder eine heiße Dusche in Aussicht und einen gemütlichen Abend auf dem Sofa vor dem Kamin.
Es war schon Abend, dunkel war es schon seit Stunden und ich wusste, dass mich heute keine zehn Pferde nochmal in die Kälte hinaus bringen würden - auch wenn ich Angelina zu gern in meine Arme geschlossen hätte. Nur - so müde und erschöpft wie ich mich fühlte, hätte sie vermutlich nicht viel Freude mit mir gehabt.
Als ich endlich ankam, schloss ich mit klammen Fingern die Haustür auf, besser, ich probierte es, aber sie war gar nicht verschlossen.
Ich öffnete verblüfft die Tür.
Dann blieb ich wie festgenagelt in der geöffneten Tür stehen, obwohl der Wind sofort ungemütlich hineinzog und die Flammen im Kamin dagegen flackernd protestierten, aber ich konnte nicht glauben, dass SIE hier war.
Hektisch sprang sie auf. Ihr Blick erinnerte mich an unsere allererste Begegnung am Strand und er hatte auch genau diese Wirkung auf mich.
Sie bewegte sich nicht, obwohl sie total unter Spannung stand, wie ich an ihren geballten Fäusten erkennen konnte. Mechanisch ließ ich die Tür mit einem Schubs hinter mir zufallen, ohne den Blick von ihr abzuwenden.
Dann ließ ich meinen Rucksack fallen und überwand die kurze Entfernung zu ihr, ohne dass mir bewusst wurde, dass ich mich bewegte.
Ich schloss sie in meine Arme und küsste sie.
Wild und ausgehungert, es hatte nichts mit unserem letzten Kuss bei Gio gemein, sie schmiegte sich an mich und wir vergaßen alles um uns herum. Wie Ertrinkende sich an einen Strohhalm klammerten, so konnten wir uns nicht mehr voneinander lösen.
»Ich hab dich vermisst«, flüsterte sie an meiner Brust. »Du hast eiskalte Hände.«
»Da hilft wohl nur noch eine heiße Dusche«, brummte ich in ihre Lockenpracht, in die ich meine Nase versenkt hatte.
»Darf ich mit?«
»Nur, wenn du mir versprichst, dass du nicht -«
»Versprochen, ich habe es verstanden. Komm schon ...«
Mir wurde sehr plötzlich schön warm.