„Mama!“ rief sie laut und wollte schnellstmöglich landen, doch da sie im Fliegen noch nicht so geübt war, begann sie in der Luft zu schlingern und legte eine ziemlich Bruchlandung, inmitten der Blumenwiese, hin. Gelber Blütenstaub wurde dabei in Wolken aufgewirbelt und die sich hier befindlichen Schmetterlingskinder, stoben entsetzt schreiend auseinander.
„Tut mir leid, tut mir leid!“ rief Lara und erhob sich taumelnd wieder. Sie war voller Blütenstaub, Grasflecken und Erde.
Die Frau in dem schillernden, blauen Kleid drehte sich erschrocken um. Als sie das Mädchen erkannte rief sie: „Lara! Was machst du denn hier?“
Sie eilte zu ihrer Tochter und halft ihr, so gut es ging, deren Kleid, Haare und Gesicht vom Schmutz zu befreien. Aber da war nicht mehr viel zu machen. Das bisher weisse, nur mit einigen Tupften gesprenkelte Apollo- Falter Kleid, war nun nicht mehr weiss, sondern gelb und grün. „Es… tut mir so leid,“ meinte Lara erneut und brach in Tränen aus.
„Aber, aber…“ meinte ihre Mutter und schloss sie liebevoll in die Arme. Lara roch ihren wunderbaren, vertrauten Duft und spürte ihre Wärme. „So schlimm ist das jetzt auch wieder nicht. Das Kleid kriegen wir schon wieder sauber. Wichtig ist, dass dir nichts passiert ist.“
„Nein, mir ist nichts passiert,“ meinte das Mädchen und schniefte ein paar Mal. Mina wischte ihr die Tränen ab und sprach dann: „Setz dich doch kurz zu mir, bis du dich wieder etwas beruhigt hast und dann erzähl mir, wie du überhaupt hergekommen bist. Ich habe dich eigentlich gar nicht gerufen. Wir waren doch gerade zusammen in der Welt der Phönix- Vögel und jetzt bist du schon wieder da… Ach du meine Güte!“ rief sie dann auf einmal „dir ist aber hoffentlich in der irdischen Welt nichts zugestossen?!“
„Nun ja…“ Lara wurde auf einmal verlegen „ich denke… ich bin wohl von einer Leiter gefallen.“
„Von einer Leiter gefallen?“ Minas Augen weiteten sich vor Schreck. „Aber… das ist nicht gut. Du musst sofort zurück in deinen Körper.“
„Aber… ich will dableiben Mama,“ protestierte Lara. „An diesem Ort ist es so schön und ich muss doch wissen, was du hier machst. Die Schmetterlingskinder sagten mir, dass du ihre… Blumenmutter bist. Was bedeutet das?“
„Nun… das braucht gerade zu viel Zeit, um es zu erklären. Du musst zurück in deinen Körper, sonst geschieht ihm noch etwas! Es ist gerade ziemlich kalt.“
„Aber versprich mir, dass ich bald zurückkehren darf!“ rief das Mädchen. „Ich will mehr über diese Welt und deine Aufgabe hier erfahren.“
„Also gut. Wenn mit dir alles in Ordnung ist und du in der Nacht schläfst, rufe ich dich hierher zurück und dann erkläre ich dir, was dies für eine Welt ist und was ich hier mache. Nun geh aber. Geh…!“
In diesem Augenblick erfasste ein gewaltiger Sog das Mädchen und kurz darauf fand sich dieses in seinem Körper wieder.
„Autsch!“ stöhnte Lara, als sie wieder erwachte. Ihr Kopf schmerzte höllisch. Sie richtete sich auf und blickte sich um. Es war bereits am Eindunkeln und sie merkte, wie unterkühlt sie bereits war. Sie musste so schnell als möglich nach Hause zurück. Zum Glück war dieses ganz in der Nähe. Sie packte die Feder des Phönix, welche noch immer am Fusse des Baumes lag und machte sich schlotternd, ihre leichte Strickjacke über der Brust zusammenhaltend, auf dem Heimweg.
Auf halbem Wege kamen ihr jedoch bereits ihre Grosseltern entgegen.
„Lara!“ rief ihre Grossmutter erleichtert, als sie das Mädchen sah und lief zu ihr hin. Bei sich trug sie eine warme Jacke, die sie Lara nun um die bebenden Schultern legte.
„Was machst du bloss für Sachen!“ tadelte Hannah. „Wir haben uns grosse Sorgen um dich gemacht und als es eindunkelte, begaben wir uns auf die Suche nach dir.“
„Ich… äh… bin auf der Jägerleiter ausgerutscht und gestürzt,“ sprach das Kind. „Jetzt… habe ich etwas Kopf- und Rückenschmerzen.“
„Oh Gott, auf der Jägerleiter?“ Hannah wandte sich vorwurfsvoll an ihren Mann: „Ich sagte doch, dass diese Leiter viel zu gefährlich ist!“
Grossvater George zuckte etwas hilflos mit den Schultern. „Sag das unserem Wildhüter. Er wollte, dass wir diese Jägerleiter hier aufstellen.“
Hannah sprach resolut: „Dann rede ich eben mit ihm. Ich will nicht, dass Lara nochmals so etwas zustösst.“
„Aber das darfst du nicht tun!“ protestierte das Kind. „Ohne diese Leiter, kann ich nicht mehr in die Zweige meines Lieblingsbaumes klettern.“
„Das musst du ja auch nicht! Das ist sowieso zu gefährlich!“
„Ach was! Es ist ja gar nichts Schlimmes passiert. Dafür habe ich Mama zweimal kurz nacheinander wiedergesehen.“
Die Grossmutter drehte die Augen gen Himmel: „Was soll das denn jetzt wieder heissen?“
„Wie gesagt, ich habe Mama zweimal nacheinander angetroffen. Du warst ja auch schon mal dabei Oma. Du weisst, dass Mama und Papa noch leben!“
George wirkte ehrlich besorgt. „Ach Kind. Ich glaube es wird langsam Zeit, dass wir den Tatsachen ins Auge sehen. Deine… Eltern sind fort. Wir müssen uns endlich damit abfinden. Ich weiss es ist schwer, aber das Leben geht weiter!“
„Aber sie sind noch da! Sie haben es mir gesagt. Sie sind einfach nicht mehr in dieser Welt, aber niemals weit fort. Oma, sag es ihm!“
Hannah seufzte: „Ach Kleines, dein Opa hat recht. Wir müssen endlich loslassen. Sonst werden wir niemals den Frieden finden.“
„Nein! Das stimmt nicht! Wie kannst du so etwas sagen! Du warst doch mit mir in der Silberstadt!“
„Vielleicht war das alles ja auch nur ein schöner Traum. Es ändert jedenfalls nichts daran, dass deine Eltern nun in einer anderen Ebene existieren als wir. Irgendwann werden diese Träume aufhören und auch du… wirst dich verabschieden müssen.“
„Wie nur könnt ihr beide solch schreckliche Dinge sagen!“ rief Lara und auf einmal schossen Tränen in ihre Augen. Sie riss sich von der Hand ihrer Grossmutter los und lief weinend davon. „Lara!“ riefen die alten Leute ihr noch hinterher „Lara! So warte doch!“...