Eine letzte Reise/ Die Welt der Einhörner
Wieder gingen ein paar Tage ins Land und Lara besuchte nun schon eine Weile wieder die Schule. Eigentlich gefiel es ihr dort ganz gut. Die Lehrer und auch die Mitschüler waren meistens nett zu ihr. Nur ab und zu, wenn sie in ihre Träumereien versank und eine ihrer vielen inneren Reisen in fremde, fantastischen Welten machte, ärgerte sich ihre Lehrerin manchmal, weil sie nicht bei der Sacher war und auch ihre Mitschüler bezeichneten sie dann teilweise als Freak.
Aber seltsamerweise, machte das Lara gar nicht mehr so viel aus, weil sie durch all ihrer Erfahrungen, die sie im wundervollen Traumland gemacht hatte, wusste, dass stets für sie gesorgt wurde und all diese Plänkeleien hier auf Erden, ohne wahre Bedeutung waren.
Sie wusste, dass es etwas anderes gab, eine Welt in der Harmonie und Liebe herrschte. Sie hatte es mit eigenen Augen gesehen. Ab und zu wurde sie schon noch traurig, weil sie sich noch oft nach dieser Welt zurücksehnte. Doch sie war auch fest entschlossen, sich in der irdischen Welt weiterhin Mühe zu geben, damit sie eines Tages das tun konnte, wonach ihr Herz verlangte.
Eines Abends lag sie noch lange wach und starrte an die Decke über sich. Ihre Grosseltern hatten ihr, auf ihren Wunsch hin, einen Projektor geschenkt, welcher wundervolle Regenbogenfarben und leuchtende Sterne auf die Decke und die Wand projizierte. All das zog in einem regelmässigen Rhythmus an Laras Augen vorbei und brachte sie zum Träumen.
Schon bald darauf, fielen ihr die Augen zu.
„Lara! Lara!“ vernahm sie gleich darauf wieder zwei, ihr sehr bekannte Stimmen.
„Mama? Papa?“ fragte sie und öffnete die Augen. Ein wundervoller Anblick bot sich ihr, gleich darauf, dar! Sie fand sich in einer ursprünglichen und zugleich zauberhaften Umgebung wieder. Die Luft hier war, ähnlich wie im Reiche der Schmetterlingskinder, von magischem Licht durchtränkt. Vor dem Mädchen erhob sich eine gewaltige Berglandschaft, welche Ähnlichkeit mit einem weltbekannten Karstgebirgen in China hatte. (https://www.china-tourism.de/entdecken/landschaftspark_wulingyuan/) Die Berge hier, bestanden jedoch aus einem ähnlichen Gestein, wie die Silberberge. Wie mächtige Säulen, in unterschiedlichen Breiten und Höhen, ragten sie gen Himmel, bewachsen von dichter, exotisch anmutender Vegetation. Funkelnde Wasserfälle stürzten von ihnen herab und mündeten ihn glitzernden Flüssen, welche die darunterliegenden, saftiggrüner Auen, wie ein Netzwerk durchzogen.
Der Himmel war tiefblau, jedoch leuchteten überall herrliche Regenbögen. In den Lüften und auch an den Berghängen und den Wiesen darunter, tummelten sich wunderschöne Einhörner in bunten Farben. Lara blickte sich fassungslos um.
In diesem Moment erschienen vor ihr zwei leuchtende Gestalten. Es waren ihre Eltern! „Mama! Papa!“ rief das Kind noch einmal und warf sich in die Arme der beiden. „Bin ich erneut in der jenseitigen Welt?“
„Ja, das bist du,“ gab ihr Vater Robert liebevoll zurück und kniff seine Tochter leicht in die Wange. „Wir mussten uns doch noch endgültig von die verabschieden und dazu erschien uns diese wundervolle Einhorn- Welt besonders geeignet.“
Kurz wollte Lara wieder Trauer erfassen, als ihr Vater von Abschiednehmen sprach, doch dann entsann sie sich wieder der Wärme in ihrem Herzen, die ihr dabei half, ihren Kummen zu überwinden und es ging ihr sogleich besser.
„Es ist… wirklich unglaublich schön hier!“ jubelte sie. „Ich liiebe Einhörner!“
„Das wissen wir. Darum haben wir dich auch hergebracht. Wir dachten, du solltest das unbedingt mal sehen. Schau, dort oben auf dem hohen Berg, befindet sich ein Regenbogenschloss. Siehst du es?“ „Ja, können wir dorthin? Bitte, bitte!“
„Das war eigentlich der Plan, ja!“ sprach Mina. „Dein Vater und ich halten uns oft dort auf. Es wird dir gefallen! Komm mit!“ Sie und Robert, ergriffen Laras Hand und erhoben sich mit ihr, ohne Probleme, in die Lüfte.
„Ich kann fliegen!“ freute sich das Kind. „Dabei habe ich doch gar keine Flügel!“
„Das brauchst du jetzt auch nicht mehr. Dir sind durch deine Weiterentwicklung, unsichtbare Flügel gewachsen. Ausserdem ist diese Welt von Magie durchtränkt. Auch die Einhörner können fliegen. Anders ginge das hier in diesem Reich auch gar nicht.“
„Diesen Ort hätte ich gerne schon früher besucht,“ meinte Lara.
„Bisher, warst du noch zu sehr von deinem Kummer beschwert, mein Kind,“ erklärte ihr Vater. „Kummer ist einer der Dinge, die einem am Fliegen hindern.“
„Dein Vater hat recht,“ pflichtete Mina bei. „Dadurch jedoch, dass du deinen Kummer immer mehr überwinden lerntest, wurde das hier überhaupt möglich. Es ist auch in der irdischen Welt oft so ähnlich: Gute Gedanken, freudige Gedanken, verleihen einem auch dort oftmals Flügel.“
„Das stimmt!“ gab Lara zurück, während sie staunend zusah, wie sich der Erdboden, auf dem sie vorhin noch gestanden hatten, immer weiter entfernte und das wundervolle, schillernde Schloss dafür immer näherkam. „Wenn es mir gutgeht, dann habe ich das Gefühl, alles gelingt mir. Wenn ich jedoch traurig oder wütend bin, geht immer alles schief.“
„Ja, so ist das. Darum ist es sehr wichtig, dass die Menschen stets die Freude in ihren Herzen wiederfinden können.“
„Aber manchmal ist das nicht so einfach. Vor allem wenn man sieht, wie sehr einige Menschen oftmals leiden müssen.“
„Ja, es gibt noch immer viel Leid,“ stimmte ihr Vater ihr zu. „Aber darum ist es umso wichtiger, dass du deine Freude und das Wissen, dass du hier im Traumland gewonnen hast, in die Welt trägst, um andere ebenfalls glücklich zu machen. Alles Gute, das du tust, zahlt sich irgendwann aus. Daran zweifle nie!“
Lara nickte nachdenklich. Doch sogleich wurde ihre Aufmerksamkeit wieder von der Schönheit um sie herum in Beschlag genommen, als ein herrlichen, in zartem rosa- weiss schimmerndes Einhorn, ganz dicht an ihnen vorbei, durch die Lüfte galoppierte und dabei ein lautes, Begrüssungs-Wiehern ausstiess.
Laras Augen strahlten vor Entzücken und sie streckte die Hand nach dem magischen Wesen, mit dem silbern, glitzernden Horn auf der Stirn, aus. Tatsächlich konnte sie dessen samtige Fell kurz berühren und gleich darauf, durchfuhr sie eine solche Freude und ein solches Entzücken, dass sie leicht in der Luft taumelte.
Das Einhorn begann nun um die drei herum seine Kreise zu ziehen. Dabei wieherte es weiterhin freundlich und stellte seine Ohren neugierig auf. Seine Hufe zogen dabei einen Streifen aus rosaweissem Glitzerstaub hinter sich her.
Das Mädchen und seine Eltern, hielten inne und beobachteten, tief bewegt, das wundersame Schauspiel, das sich ihnen hier darbot.
„Das, was das Einhorn da hinter sich herzieht, ist Sternenglitzerstaub,“ erklärte Mina. „Aus ihm entstehen auch die vielen Regenbögen. Jedes Einhorn steuert jeweils seine ganz eigene Farbe dazu bei. Es ist wie bei den Menschen auch. Jeder von ihnen hat ganz besondere Fähigkeiten, welche zu einem Grossen Ganzen beitragen. Auch du mein Schatz. Vergiss das niemals!“
Lara nickte bewegt und dann waren sie auch schon im riesigen Vorhof des Regenbogenschlosses angekommen. Das Einhorn folgte ihnen und als die drei dort landeten, tat das Fabelwesen es ihnen sogleich nach. „Das ist übrigens Lyra,“ meinte Mina lächelnd. „Sie ist eins der Einhörner, welche zum Schloss gehören.“
Das rosaweisse Einhorn trottete nun zu einigen anderen Einhörnern, welche sich bereits hier befanden und die Fabelwesen rieben begrüssend die Nasen gegeneinander.
„Kann ich sie mal richtig streicheln?“ fragte das Mädchen begeistert. „Ja, das sollte kein Problem sein. Nähere dich ihr aber mit Vorsicht und mach keine zu hektischen Bewegungen, sonst erschrickt sie womöglich! Einhörner sind sehr sensible Wesen.“
„Ich verstehe. Es ist ein wenig wie bei den Pferden.“
„Nur das Einhörner noch viel sensibler, aber auch viel intelligenter und weiser sind, als es ein Pferd jemals sein könnte. Einhörner sehen dir übrigens direkt ins Herz. Sie erkennen alle deine Absichten und wissen oft mehr über dich, als du selbst über dich weisst.“
Lara wurde jetzt auf einmal nervös. Was, wenn das Einhorn sie aus irgendeinem Grunde ablehnte? Was würden dann ihre Eltern von ihr denken?
Doch ihre Angst war unbegründet, denn sogleich als sie den Entschluss fasste, näher an Lyra heranzutreten, hob diese ihren Kopf und blickte ihr mit ihren grossen, blauen, mit langen Wimpern überschatteten Augen, entgegen. Sie spitzte ihre samtigen Ohren und schnaubte leise, während sie ein paar Schritte auf das Mädchen zu ging.
„Es scheint fast so, als würde sie dich mögen!“ freuten sich ihre Eltern. „Wie könnte es auch anders sein! Streck einfach deine Hand aus und lass sie zu dir kommen!“
Lara tat, wie ihr geheissen, dabei machte sie ein leises, schnalzendes Geräusch, wie sie es jeweils bei den Pferden machte. „Einhörner mögen es lieber, wenn du für sie ein Lied summst!“ sprach Robert. „Kennst du ein schönes Lied?“
Lara überlegte einen Moment, dann kam ihr das passende Lied in den Sinn und sie begann es leise zu summen. Einmal mehr spitzte Lyra neugierig ihre Ohren und auch die anderen Einhörner, deren Fell in allen unterschiedlichen Farben leuchteten, hoben ihre Köpfe und trotteten nun näher heran.
„Das Lied scheint ihnen zu gefallen,“ freute sich Mina. „Du machst das sehr gut Schatz!“
Laras Herz klopfte heftig, als nun alle Einhörner sich um sie herum versammelten und ihre Ohren spitzten. Lyra streckte ihren langen, muskulösen Hals aus und ihre weiche Nase berührte nun sanft die Handfläche des Mädchens. Wieder durchfuhren Lara dabei Wellen des Glücks, der Freude und des Friedens.
Vorsichtig begann sie nun mit ihrer Hand die samtigen Nüstern des edlen Tieres zu streicheln. Lyra schnaubte zufrieden und kam noch näher.
Lara konnte nun auch ihren Hals tätscheln und ihr über den edel geschwungenen Kopf, mit der langen rosafarbenen Mähne streicheln. Das Einhorn kam noch näher und stupste sie liebevoll etwas an.
„Mama, Papa! Ich glaube sie mag mich wirklich!“ freute sich das Kind.