Wieder verging eine unbestimmte Zeit, doch ging es mir besser, da ich wusste, dass Eleaouniaoiuosiu in Gedanken stets bei mir weilte, genauso wie ich bei ihm. Penny zeigte mir den Sack, den sie als mein Hochzeitskleid ausgesucht hatten, und mir gruselte. Ich trug immer noch das Kleid, mit dem ich Eleaouniaoiuosiu in der Verwunschenen Grotte hatte treffen wollen. Es war nun auch nicht mehr frisch, es roch ein wenig und war sehr zerknittert, doch es roch nicht so sehr wie die Säcke, die sich die Trolle anzogen, und es erinnerte mich immer an Eleaouniaoiuosiu, meinen Liebsten. Wenigstens brachte mir Brenda ein bisschen rosa Kaugummi, das ich als Zahnpastaersatz benutzte und außerdem kunstvolle Blasen damit erzeugte.
Und dann, eines Tages, hörte ich aufgeregtes Stimmengewirr.
„Die sollen draußen bleiben, die stinken!“, rief Eddy aufgebracht.
Ich trat näher. Von wem sprach er?
„Was ist denn los, Eddy?“, fragte ich ihn.
Er blickte mich entrüstet an. „Die Scheißalbernen! Die, wo dich entführt haben, die wollen herkommen.“
„Sie haben mich nicht entführt!“, tadelte ich sachte. Moment mal, woher bewusste Eddy, dass Eleaouniaoiuosiu kam? War etwas schiefgelaufen? Hatte ihn jemand verraten?
„Äh, wer sagt denn, dass sie kommen?“
„Die Zahnfeen. Sie wollen persönlich verhandeln.“
Ach, so war das. Ich hatte angenommen, dass Eleaouniaoiuosiu mich wieder heimlich rettete, so wie schon einmal. Aber offensichtlich wollte er nun ganz offiziell meine Herausgabe fordern. Vielleicht duellierte er sich ja mit Eddy. Wie ungeheuer romantisch! Ich schmolz dahin vor Entzücken. Eleaouniaoiuosiu liebte mich noch mehr, als ich gedacht hatte.
Das durfte ich mir natürlich Eddy gegenüber nicht anmerken lassen. Und natürlich bestand bei einem Duell nicht die geringste Chance, dass Eddy gewann, aber ich musste ihn in Sicherheit wiegen.
„Aber es ist doch nett, dass sie persönlich kommen. Und du bist doch so stark, du wirst dich doch nicht vor ein paar Alawari fürchten, oder?“
„Sie stinken!“, wiederholte er aufgebracht.
Ich war kurz davor zu explodieren. Die Alawari stanken nicht, sie dufteten so gut wie nichts sonst auf der Welt. Alle Blumen dieser Erde rochen nicht so gut wie die Alawari. Aber natürlich beherrschte ich mich. Schließlich war es jetzt bald vorbei.
„Sie stinken nicht“, sagte ich nur.
„Lass sie doch kommen“, sprang mir Penny bei. „Die armen Leute sind vielleicht nur so bekloppt, weil sie nie Bier probiert haben. Wenn du ihnen einen Schluck anbietest, sind sie vielleicht ganz nett.“
„Aber sie haben mir meine Braut geklaut! Die kriegen nichts von mir!“
„Ja, das war voll fies“, stimmte Pupsi zu. „Die sind echt blöd.“
„Wir können Geld von ihnen verlangen“, schlug Freddy vor. „Dann könnten wir uns Eis kaufen.“
Das war ja wohl die Höhe! Hieß das, sie wollten mich verkaufen? Wie einen Sack Kartoffeln? Aber sie brauchten sich keine Gedanken machen. Eleaouniaoiuosiu würde sich schon um sie kümmern. Er würde alles für mich tun.
„Eis schmeckt nicht“, motzte Eddy zurück.
Meine Güte, wie kindisch sie waren. Nicht nur, dass sie ein Menschenleben – und zwar nicht irgendeines, sondern meins, das ja schon etwas Besonderes war, auch wenn ich damit natürlich niemanden herabwürdigen möchte, denn alle Menschenleben sind wichtig, deshalb setze ich mich ja auch für die Armen und Behinderten ein – einfach so gegen materielle Dinge eintauschten, nein, sie konnten sich noch nicht einmal einigen, was sie wollten. Ich hörte nicht mehr zu. Stattdessen nahm ich mir einen Krug Bier mit, ging damit in meine Kammer und träumte von Eleaouniaoiuosiu. Oh, wie sehr liebte ich ihn! Das war mir gerade erst wieder bewusst geworden. Ich zog seinen Brief hervor und hielt ihn an meine Lippen.
„Ich harre sehnsüchtig deiner, Eleaouniaoiuosiu“, sagte ich zärtlich.
Dann legte ich mich aufs Bett. Wenn ich aufwachte, würde er mich wachküssen. Er würde an meinem Bett stehen und mich im Schlaf betrachten mit einer unendlichen Zärtlichkeit. Federleicht würde er mir über Gesicht und Haare streichen und mir zuflüstern, wie sehr er mich liebte und vermisst hatte.
....
Ich wachte auf. Irgendetwas war falsch. Eleaouniaoiuosiu fehlte. Er war immer noch nicht da.
Die Tür flog auf.
„Bell, komm, sie sind da. Die musst du dir mal ansehen, wie die aussehen. Die haben noch mehr Farbe als du im Gesicht.“
Mein Herzschlag setzte aus, und das obwohl mein Herz sonst perfekt funktioniert (wie übrigens alles an mir). Ungläubig sah ich sie an und brachte keinen Ton mehr hervor.
„Na los, komm.“
„Ich …“, stotterte ich. „Ich muss mich erst waschen.“
„Ach, du immer mit deinem Waschen.“
Sie zog mich einfach hoch und mir blieb nur ein kleiner Schluck Bier, bevor sie mich aus dem Raum zerrte.
Mein Kopf war vollkommen wirr. Ich wusste gar nicht, was ich Eleaouniaoiuosiu alles sagen sollte. Sollte ich anfangen mit „Oh mein allerliebster Eleaouniaoiuosiu, wie sehr habe ich dich vermisst!“ Oder sollte ich ihm gleich um den Hals fallen? Sollte ich sofort in einen leidenschaftlichen Kuss ziehen?
Durch den glückseligen Nebel in meinem Kopf hörte ich Eddys aufgeregte Stimme: „Das war saugemein von euch und von mir kriegt ihr gar nichts, ihr blöden Hirnis.“
Und dann hörte ich sie. Eleaouniaoiuosius geliebte Stimme.
„Oh verzeih mir vielmals, Prinz der Trolle. Es war in der Tat eine unverzeihliche Tat und ohne Zweifel hast du jedes Recht, mir zu zürnen, doch höre mich zuerst an, das erbitte ich mir von dir.“
Ich schwankte. So wunderbar konnte nur Eleaouniaoiuosiu reden. Ich stolperte um die Ecke.
Dort stand er. Er trug einen Mundschutz.
Verflixt, wie sollte ich ihn denn da küssen?
„Eleaouniaoiuosiu?“, flüsterte ich. Er würde ja wohl selbst den Mundschutz wegmachen, wenn er mich bemerkte.
Er drehte sich um und sah überrascht zu mir.
„Ah ah, Belle, du weilst also auch hier?“, sagte er ungläubig. Er konnte es wohl immer noch nicht glauben, dass er mich gefunden hatte, dass ich wirklich leibhaftig, lebend, atmend und liebend vor ihm stand.
Niemand sprach meinen Namen so schön und so voller Gefühl aus. Mir stiegen die Tränen in die Augen und langsam trat ich auf ihn zu.
Doch bevor ich ihn erreichte, tauchten zwei Gestalten hinter ihm auf.
„Belle!“, rief eine Stimme. „Wie geht es dir?“
„Aleratiroanouleionala! Orileiaoulaioleonalauloeor! Meine allerliebsten Schwestern!“, rief ich und warf mich weinend in ihre Arme. Auch sie trugen Mundschutz.
Dann wandte ich mich um und sah Ihn an. Ich sagte nichts, ich schenkte ihm nur ein Lächeln, in das ich all meine Gefühle legte.
Eddy blieb hinter mir stehen. Auch er brachte keinen Ton heraus. Selbst er war ergriffen. Allerdings nicht allzu lange.„Eh Mann, eh“, unterbrach seine unangenehme Stimme den großen Moment. „Mann, ist die schön.“
Auch Eddy hatte es also gesehen: Das Glück, das mich erfüllte, machte ich mich noch viel schöner. All die Strapazen waren weggewischt und ich sah aus wie eine Göttin.
„Kann ich die haben?“
Eleaouniaoiuosiu fuhr herum und starrte Eddy an. „NEIN!“, schrie er auf eine Weise, wie nur ein wahrhaft verzweifelter Mann schreien kann.
Ich war gerührt, obwohl ich es gewusst hatte.
„Wenn ich sie kriege, bekommt ihr das Bier“, sagte Eddy hinter mir.
Als ob Eleaouniaoiuosiu auf so was eingehen würde! „Selbst wenn ich es wollte, kann ich sie euch nicht geben. Denn sie ist meine Frau.“
Huch! Da hatte er etwas übertrieben. Wir waren ja noch nicht einmal offiziell verlobt, aber offenbar konnte er es gar nicht mehr abwarten.
„Eleaouniaoiuosiu“, flüsterte ich bewegt. „Mein Liebster.“
„Oh. Und was ist mit der da? Die ist auch toll.“ Ich drehte mich ein wenig herum und sah, dass Eddy auf Aleratiroanouleionala zeigte, die leichenblass wurde.
Eleaouniaoiuosiu wirkte unsicher, innerlich zerrissen. „Sie ist mir meine liebste Cousine.“
Eddy grinste. „Aber sie ist nicht verheiratet.“
Eleaouniaoiuosiu runzelte verwirrt seine perfekte Stirn. „Nein, das ist wohl wahr. Doch ist ein Leben hier ihr wirklich zuzumuten?“
Aleratiroanouleionala war blass. Sie sah so wunderschön aus, so rein und anmutig und dabei so unendlich traurig, und ich liebte sie so sehr. Eine solche Perle würde in dieser Klärgrube verkommen. Der Gedanke schien mir unerträglich. Doch was war die Alternative? Wenn Eddy nun lieber Aleratiroanouleionala heiraten wollte als mich, so war ich frei. Es tat unbeschreiblich weh, ein so zartes, vollkommenes Wesen leiden zu sehen, aber noch tragischer wäre es, wenn ich Eddy heiraten würde. Denn ich war so gut wie Alawarikönigin. Mein Volk brauchte mich.
„Aleratiroanouleionala, liebste Cousine“, sprach Eleaouniaoiuosiu sie an. „Du hast gehört, was er gesagt hat. Natürlich werde ich dich niemals opfern.“ Er sah entschlossen zu Eddy. „Es muss einem anderen Weg geben. Ich schenke dir all die Blumen unserer Insel.“
„Ich will aber keine Blumen. Entweder krieg ich sie zur Frau oder ihr könnt wieder gehen und kriegt kein Bier.“
Eleaouniaoiuosiu senkte demütig das Haupt. Mit schwerem Blick sah er Aleratiroanouleionala an.
Sie hob ihr zartes Händchen. „Lass nur, Eleaouniaoiuosiu, mein liebster Cousin. Ich bin nur eine arme Alawari und ihr seid so viele. Ich will nicht schuld an eurem Unglück sein.“
Mir kamen wieder die Tränen. Das war die Aleratiroanouleionala, die ich kannte, stets edel, hilfreich und gut. Wie ich.
„Du willst wirklich hier bleiben, in dieser Klärgrube?“ Eleaouniaoiuosiu trat zu ihr und fasste ihre Hände.
„Für mich gibt es keine Lösung“, sprach sie tapfer. „Es gibt kein Alawariland mit Bier für mich. Doch wenigstens ihr sollt unseren alten Traum noch erleben. Dafür haben wir jahrelang gekämpft.“ Glitzernde Tränen perlten an ihren Wangen.
Eleaouniaoiuosiu schluckte. Er schloss sie in seine starken, männlichen Arme und drückte sie an seine muskulöse Brust. „Wir werden dir deine Heldentat nie vergessen“, flüsterte er bewegt.
Auch ich trat zu ihr. „Oh Aleratiroanouleionala, meine liebste Schwester. Wie gerne würde ich dir dein Los abnehmen. Würde mein Volk mich nicht brauchen, so würde ich keinen Herzschlag zögern. Doch mein Volk braucht mich, ich kann es nicht im Stich lassen. Und meinen Mann.“ Ich sah zu Eleaouniaoiuosiu. Er erwiderte meinen Blick voller Ernst. „Doch wir alle werden dir auf ewig dankbar sein. Du wirst als Heldin in unsere Geschichte eingehen. Mütter werden ihren Töchtern von der tapferen Aleratiroanouleionala erzählen, die sich selbst opferte, um ihrem Volk Glück zu bringen.“
Aleratiroanouleionala sah mich mit einem von Grund auf verstörten Ausdruck an. „Du hast einen Mann?“
Ich lachte gekünstelt. „Na ja, noch nicht, aber so gut wie.“ Ich lächelte Eleaouniaoiuosiu an.
Doch er sah nur zu Aleratiroanouleionala. Welch ein düsterer Schatten lag über unserem Glück! Doch Glück gibt es nun mal nicht umsonst. Immer werden Opfer gebracht werden müssen. Die Welt ist so furchtbar ungerecht. Doch wenigstens würde ich nun Gelegenheit haben, ein klein wenig zu ändern und die Welt in einer positiven Art zu beeinflussen.
Auch Orileiaoulaioleonalauloeor trat vor und umarmte Aleratiroanouleionala. Sie flüsterte ihr etwas ins Ohr.
Dann umarmte ich Aleratiroanouleionala und dann umarmte sie noch einmal Eleaouniaoiuosiu und dann noch einmal Orileiaoulaioleonalauloeor und alle anderen Alawari, die mitgekommen waren. Zum Schluss umarmte Eleaouniaoiuosiu sie noch einmal sehr lange.
„Geht!“, schniefte Aleratiroanouleionala schließlich. „Nehmt das Bier und geht nach Hause. Und schreibt mir von eurem Glück, das mir verwehrt ist.“
Eleaouniaoiuosiu nickte schwer. „Wir werden dich immer lieben, Cousine Aleratiroanouleionala“, sprach er tränenschwer.
Ich schluchzte ergriffen. Eine ähnliche Szene hatte ich einmal in eiener Oper gesehen, aber hier war es noch viel ergreifender.
„Willst du jetzt das Bier oder nicht?“, nervte Eddy und zerstörte den historischen Augenblick.
Eleaouniaoiuosiu wischte sich über die Augen. „Natürlich. Dafür habe ich gekämpft. Es soll nicht umsonst gewesen sein.“
Alle Alawari folgten Eddy in die Bierkammer. Nun sah ich auch endlich den Ausgang aus dieser Hölle. Wir traten hinaus, in eine weite, verschneite Landschaft. Es war sehr gebirgig und kalt und ich fror entsetzlich. Zahlreiche Tonnen wurden auf den weißen, mit Blumen geschmückten Wagen der Alawari verladen.
„He Eddy“, sagte plötzlich Pupsi. „Wenn du jetzt die da heiratest, kann ich doch Bell haben, oder?“
„Das wird nicht möglich sein“, sagte ich kühl und hoheitsvoll. Offenbar hatte Pupsi nicht kapiert, worum es hier ging.
„Klar, wieso nicht?“, sagte Eddy unbekümmert.
„Das hast du wohl wirklich nicht zu entscheiden“, entgegnete ich und sah zu meinem Bräutigam. „Du redest hier schließlich mit der zukünftigen Alawarikönigin.“ Ich sah zu Eleaouniaoiuosiu und lächelte ihn zärtlich an.
Er erstarrte. „Du bist eine Alawarikönigin?!“, fragte er gespielt fassungslos.
Ich lachte. Eleaouniaoiuosiu konnte ein richtiger Scherzkeks sein. Ich liebte seinen Humor.
Auch Orileiaoulaioleonalauloeor und Aleratiroanouleionala sahen mich verwirrt an.
„Bist du mit uns verwandt? Eleaouniaoiuosiu, hatte deine Mutter eines deiner Geschwister in die Menschenwelt gegeben?“, fragte Aleratiroanouleionala.
„So etwas würde sie nie tun“, sagte Eleaouniaoiuosiu überzeugt.
Ich war vollends verwirrt. Was redeten sie da? Wollte Eleaouniaoiuosiu mich necken, weil es heißt Was sich liebt, das neckt sich?
„Vielleicht ist dein Vater fremdgegangen?“, schlug einer der Männer vor.
„Menileaosilalololuerisidolamu!“, empörte sich Eleaouniaoiuosiu. „Mein Vater war der ehrlichste, gütigste und liebevollste Alawari der Welt!“
Aleratiroanouleionala runzelte beunruhigt die Stirn. „Oje, ist sie vielleicht meine Schwester? Meine Mutter hat mal was von einem dunklen Geheimnis erzählt. Ich dachte immer, sie meinte, dass sie sich einen Tag lang nicht die Zähne geputzt hätte.“
„Aber dann wäre sie ja immer noch keine Alawarikönigin“, sagte Orileiaoulaioleonalauloeor. „Eleaouniaoiuosiu ist der rechtmäßige Thronfolger.“
„Eben“, sagte ich. Ich glaubte zwar schon, dass ich ein Alawarikind war, das mit einem Menschenkind vertauscht worden war, aber ich war sicher nicht mit Aleratiroanouleionala und Eleaouniaoiuosiu verwandt. Natürlich, ich hatte mich von Anfang an mit ihnen verbunden gefühlt, aber das lag daran, dass Eleaouniaoiuosiu mein Seelenpartner war.
Ich wusste so langsam nicht mehr, ob das nun ein perfekt inszenierter Scherz war oder ob sie was falsch verstanden hatten. Aber was gab es denn falsch zu verstehen?
Selbstsicher strahlte ich Eleaouniaoiuosiu an und wartete darauf, dass er lachte.
Er blickte todernst.
Ich zwinkerte ihm zu.
Er verzog immer noch keine Miene.
Ich sah zu Orileiaoulaioleonalauloeor. Sie musste es doch wissen, sie war doch meine Seelenverwandte. So oft hatte ich sie mit Eleaouniaoiuosiu tuscheln sehen. Doch sie blickte nur verwirrt drein.
Ich sah zu Aleratiroanouleionala, die zunehmend entsetzt wirkte. „Bist du meine verschollene Schwester?“, fragte sie. „Überlegt doch mal, sie hat es geschafft, die Insel zu verlassen. Das muss irgendwas zu bedeuten haben.“
„Aleratiroanouleionala“, sprach ich geduldig. „Ich bin nicht deine leibliche Schwester, doch wissen wir beide, wie unwichtig das Blut ist. Im Geiste und im Herzen sind wir beide doch von Anfang an Schwestern gewesen. Und bald werden wir auch vor dem Gesetz verwandt sein.“ Ich sah wieder meinen Liebsten an. „Eleaouniaoiuosiu, du weißt doch, was ich meine.“ Wusste Eleaouniaoiuosiu vielleicht gar nicht, wie sehr ich ihn liebte? Ich hatte seinen Antrag ja nicht mehr annehmen können, bevor man mich entführt hatte.
„Ich mag ein weiser Alawari und der Prinz sein, doch sprichst du für mich in Rätseln, meine Freundin.“
Ich lachte. „Ach Eleaouniaoiuosiu, du bist wirklich süß, wenn du mich reinlegen willst. Ich liebe dich so sehr. Mein Liebster.“
Er reagierte immer noch nicht.
„Ach Eleaouniaoiuosiu, ich weiß alles. Holly hat mir die Nachricht noch überbracht, bevor ich entführt worden bin.“
„Entführt? Welche Nachricht meinst du? Und wer ist Holly?“
Ich errötete. „Na, du weißt schon, die Nachricht, dass du mich treffen willst in der Verwunschenen Grotte. Um mir die alles entscheidende Frage zu stellen. Bevor mich die Trolle entführt haben.“
„Ich habe nie eine solche Nachricht geschrieben.“
„Natürlich hast du. Ich trage sie immer an meinem Herzen. Ohne sie hätte ich dies alles nicht ertragen.“
Ich zog den Brief aus meinem Unterhemd, roch einen Moment daran und las dann die Nachricht vor:
„Meine allerliebste Belle.“
Hier hielt ich einen Moment inne, um diese wunderschöne Formulierung zu genießen.
„Du bist die schönste, klügste und liebreizendste Frau, die mir je begegnet ist.“
Wieder machte ich eine kleine Pause, um die Worte wirken zu lassen.
„Du bist mein erster Gedanke, wenn ich morgens aufwache. Der Gedanke, der mich tagsüber auf den Beinen hält und mich nachts selig und wohlig einschlafen lässt. Doch reicht ein Brief nicht, dir alles zu sagen, was in meinem Herzen vorgeht. Deshalb bitte ich dich, zu mir in die Verwunschene Grotte zu kommen. Ich habe dir Colgi geschickt, um dir den Weg zu weisen.
In unendlicher, leidenschaftlicher, unsterblicher, zärtlicher, reiner Liebe
Dein Eleaouniaoiuosiu
Prinz der Alawari und Prinz deines Herzens.“
Ich wischte mir ein paar Tränen aus dem Gesicht. „Und in der Grotte wolltest du mich fragen, ob ich deine Frau werde. Das war so eine wunderschöne Idee.“
Ich blickte die Anwesenden an und sah, dass sie alle zutiefst erschüttert waren über die Tiefe von Eleaouniaoiuosius Liebe zu mir und die Tragik der Situation.
„Aber ich wollte dich doch heiraten“, warf Eddy ein.
„So etwas habe ich nie geschrieben“, sagte Eleaouniaoiuosiu schließlich. „Zeig mir den Brief.“
Ich erstarrte. Das konnte nicht wahr sein! Was war mit Eleanouniaoiusiosiu geschehen? Was hatte man ihm angetan? Und wer? Ich bekam nichts mehr mit. Willenlos ließ ich mir den Brief abnehmen. Das war ein Albtraum!
„Ich kenne diesen Brief nicht“, sagte Eleaouniaoiuosiu. „Und eine Zahnfee hat ihn dir gegeben?“
„Holly“, flüsterte ich. „Meine liebste Freundin. Sie will meine Zofe werden, aber ich habe so lange nichts mehr von ihr gehört, ich mache mir solche Sorgen um sie. Vielleicht erinnerst du dich nicht an diesen Brief, weil du ihn diktiert hast?“ Ja, so musste es sein. Eleaouniaoiuosiu hatte mir sicher viele Liebesbriefe geschrieben, da konnte er sich nicht an jeden einzelnen erinnern.
„Ich habe auch nichts Derartiges geschrieben. Auch wenn er dem Brief gleicht, den ich Orileiaoulaioleonalauloeor einst geschrieben habe.“
Er lächelte Orileiaoulaioleonalauloeor zärtlich an und griff nach ihrer Hand.
„Eleaouniaoiuosiu“, sprach ich mit wachsender Verzweiflung. „Sicher hast du Orileiaoulaioleonalauloeor viele liebende Briefe geschrieben, sie ist ja deine Schwester. Doch nie hättest du ihr so einen Brief geschrieben.“
Und dann lachte Eleaouniaoiuosiu. Endlich lachte er das befreiende Lachen, das mir sagte, dass dies alles nur ein Scherz gewesen sei und dass er sich natürlich ganz genau an diesen Brief erinnere, da er doch der wichtigste in seinem Leben gewesen war. Er lachte so laut und herzlich, dass ich nicht anders konnte, als ebenfalls zu lachen. Es war ein so warmes befreiendes Lachen, das aus dem tiefsten Herzen kommt. Ein Lachen der Liebe. Auch Orileiaoulaioleonalauloeor und Aleratiroanouleionala und nacheinander alle Alawari stimmten ein.
„Schwester!“, rief Eleaouniaoiuosiu. „Oh Grazielle Anastasia Belle Amelie Aurelia Mary Rose Sue de Cygne von Undzu, meine treue Menschenfreundin, schon lange hat mich niemand mehr so zum Lachen gebracht.“
Ich lächelte ihn an. „Dies zeigt einfach, dass wir füreinander bestimmt sind, mein Liebster.“
„Orileiaoulaioleonalauloeor meine Schwester zu nennen! Meine allerliebste Braut!“
„Aber was ist so lustig daran, deine Schwester Schwester zu nennen?“, fragte Gerry. Er verstand einfach den Alawarihumor nicht, dieser Holzkopf.
„Orileiaoulaioleonalauloeor ist meine Frau. Wir haben vor drei Wochen geheiratet.“
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Anmerkung: Jo. War klar, ne? Ich wollte einfach mal das Klischee von der angeblichen Freundin, die in Wirklichkeit bloß die Schwester ist, umdrehen.