„Eleaouniaoiuosiu“, sagte ich langsam. „Du verwechselst das. Sie ist deine Schwester.“
„Nein, sie ist meine Frau.“
Ich schüttelte tadelnd den Kopf. „In unserer Sprache heißt das Schwester. Die Tochter deiner Eltern.“
„Aber das ist sie nicht. Sie ist meine Frau.“
Ich seufzte. Anscheinend hatte Eleaouniaoiuosiu doch mehr Probleme mit unserer Sprache, als ich gedacht hatte.
„Sie ist nicht deine Frau. Vielleicht ist sie nicht deine Schwester, sondern deine Cousine, aber ganz sicher nicht deine Frau.“
„Sie ist meine Ehefrau.“
Ich schüttelte mittlerweile wütend und ungeduldig den Kopf. „Sie ist nicht deine Ehefrau. Mit einer Ehefrau lebt man zusammen. Man liebt sie mehr als alle andere, man verehrt sie, man schwört ihr ewige Treue, schenkt ihr Blumen und lädt sie zu romantischen Abendessen ein.“
„Aber das tue ich alles mit Orileiaoulaioleonalauloeor.“
Ich holte tief Luft. „Man hat Geschlechtsverkehr mit ihr! Man macht Kinder mit ihr, verstehst du? Würdest du das mit Orileiaoulaioleonalauloeor tun?“
Ich wartete auf seinen Entsetzensschrei.
„Sicher. Fast jeden Abend.“
Mir blieb die Luft weg.
Orileiaoulaioleonalauloeor lächelte. Sie trat ein wenig vor und legte die Hand auf ihren Bauch. „Ich bin guter Hoffnung. Eleaouniaoiuosiu und ich erwarten ein Kind.“
Das konnte nicht wahr sein. Mein Gehirn, das mich bis jetzt noch nie im Stich gelassen hatte, setzte aus. Was Eleaouniaoiuosiu gesagt hatte, ergab überhaupt keinen Sinn. Ich war unsinnige Äußerungen zu Haufe von den Trollen gewohnt. Aber Eleaouniaoiuosiu war ein Alawari. Ein Prinz. Mein Traumprinz. Mein Verlobter.
„Oh, Orileiaoulaioleonalauloeor!“, quietschte Aleratiroanouleionala. Sie rannte auf sie zu und fiel ihr um den Hals. „Ich freue mich so für euch. Das ist wunderbar!“ Nun fiel sie auch Eleaouniaoiuosiu um den Hals.
Ich sah ihn an. Seine Augen blickten etwas belustigt. War er wahnsinnig geworden? Das musste es sein. Dieses laute Lachen, das war ein Lachen des Wahnsinns gewesen.
Ich starrte auf Orileiaoulaioleonalauloeors Bauch. Er war flach wie ein Bügelbrett. Was bildete sie sich ein? Sie hatte ja keine Ahnung. Jeder weiß, dass Schwangere zunehmen, da das Baby in ihnen wächst.
„Das ist ein Irrtum“, flüsterte ich.
Alles war vorbei. Die Alawari waren wahnsinnig geworden.
Eine Hand tätschelte meinen Rücken. Ich fuhr mit einem entsetzten Schrei zurück, als ich sah, dass es Pupsi war.
„Ich bin doch auch ‘n toller Mann“, sagte er.
Ich rannte schreiend davon, weg, nur irgendwohin, wo die Welt noch in Ordnung war. Lieber würde ich mich zurück in Mrs Gartenzwergs Gewalt begeben, als Pupsi zu heiraten!
Als ich zu mir kam, merkte ich, dass ich im Waschraum war.
„Eh Bell.“
Pupsi war mir gefolgt.
Ich fasste einen gleichermaßen schweren wie heroischen Entschluss.
„Bleib mir vom Leib“, zischte ich ihn an. „Oder ich ertränke mich in diesem Wasserfass.“
„Oh“, machte er.
„Ich meine es ernst“, drohte ich. „Lieber sterbe ich, als deine Frau zu werden.“ Ich streckte eine Hand ins eiskalte Wasser, zu allem entschlossen.
„Mann, bist du hysterisch. Ich heirate doch lieber ein nettes Trollmädel, wenn die Menschinnen so drauf sind.“
Zögernd zog ich die Hand zurück, ließ sie aber dicht über dem Wasser, um jederzeit untertauchen zu können. Ach verdammt, ein Messer wäre doch eindrucksvoller gewesen! Ein Messer, das ich an meine perfekten Brüste hätte halten können! Oder wenigstens eine Pistole.
„Du gibst mich frei?“, fragte ich nach.
„Du siehst zwar schön aus, aber du bist mir zu anstrengend. Hab keine Lust, dich nachher aus dem Wasser zu ziehen.“
„Ist das dein Ernst?“
„Ja.“
Ich konnte es kaum fassen. Ich hatte mich schon fast auf meinen tragischen Tod gefreut. Ich wäre eine wunderschöne Wasserleiche gewesen. Sollte ich es tun? Aber war das nicht Verrat an meinen Fans? Sie fragten sich sicher schon, was aus mir geworden war. Und so eine schöne Leiche ich auch sein würde – niemand von ihnen würde mich je zu Gesicht bekommen. Nur die Trolle und diese verräterischen, wahnsinnigen Alawari. Nein. Ich war nicht auf einen geistesgestörten Alawariprinzen angewiesen. Ich hatte unendlich viele Chancen. Ich hatte Menschen, die mich liebten.
Ich zog die Hand zurück.
Am selben Abend verließ ich die Trolle. Die Alawari brachten mich mit magischen Kräften zurück.
Die Toilettenkabine war nicht besetzt, doch vor der Tür stand bereits ein Mädchen. Sie war hässlich, aber nicht so hässlich wie die Trolle. Nach allem, was ich durchgemacht hatte, kam mir das hier wie der Himmel vor.
Das Mädchen riss ungläubig die Augen auf, als sie mich sah. Im Spiegel offenbarte sich mir die ganze schreckliche Wahrheit. Ich sah entsetzlich aus, schon fast hässlich.
„Du bist doch Belle de Cygne!“, rief das Mädchen.
„Ganz recht.“ Na also, die Leute erinnerten sich an mich. Zwar konnten sie sich meinen vollständigen Namen immer noch nicht merken, aber immerhin. In meiner Abwesenheit hatten sie gemerkt, wie sehr ich ihnen fehlte und wie gemein sie zu mir gewesen waren.
„Aber du bist doch verschwunden! Wir dachten alle, du wär…“
„Wie du siehst, geht es mir den Umständen entsprechend gut. Auch wenn der Anblick schrecklich ist. Hast du Make-up?“
Wortlos reichte sie mir ein kleines Kosmetiktäschchen und ich nahm es mit einem dankbaren Lächeln entgegen. Mit einem ungläubigen Kopfschütteln entfernte sie sich in die Kabine, während ich versuchte, mein Gesicht zu retten.
„Was ist das für ein Kleid? Warst du beim Theater?“ Sie war zurück.
Ich sah an mir herunter. Das Kleid, in dem ich Eleaouniaoiuosiu hatte heiraten wollen. Es war ein billiger Fummel.
„Oh nein, man hat mich grausam gefangen genommen und misshandelt. Möchtest du es haben? Wir können Kleider tauschen“, bot ich an, großzügig wie immer.
„Das ist jetzt aber ’n Witz, oder?“
„Bestimmt nicht.“
„Äh. Warum eigentlich nicht?“ Sie sah so dümmlich aus, wie sie dastand, von meinem Angebot völlig überwältigt, und doch rührte mich gerade dieser Anblick so. Wie leicht ist es doch, die Menschen glücklich zu machen! Warum nur tut es keiner?
Ich lächelte sie an. „Na dann.“
Als ich mich auszog, fiel Eleaouniaoiuosius Brief auf den Boden. Ich knüllte ihn achtlos zusammen und warf ihn in den Mülleimer. Dann zog ich mir die einfachen Gewänder des fremden Mädchens an, das sich mit einem ungläubigen Kopfschütteln in mein perlenbesticktes Seidenkleid zwängte.
„Wahnsinn“, murmelte sie und drehte sich vor dem Spiegel hin und her.
Ich ließ sie eine Weile gewähren und schob sie dann freundlich zur Seite. „Du kannst dich gerne wo anders weiter bewundern, du siehst, dass ich Wichtiges zu tun habe.“ Ich begann mir die Augen zu schminken.
„Äh klar. Und nochmal danke für das Kleid.“
Ich lächelte sie warm an. Sie war der erste nette Mensch, der mir hier begegnete. Sicher war mein erster Eindruck dieser Schule falsch gewesen. Ich hatte einfach die falschen Leute kennengelernt.
„Gern geschehen“, sagte ich freundlich, als sie, immer noch staunend, die Kabine verließ.
Ich kam jedoch nicht lange dazu, mich mit Make-up zu beschäftigen, als plötzlich die Tür aufgerissen wurde.
„Ich fass es nicht, du hast recht! Belle!“
Es war Mr Blumentopf. Hinter ihm standen das Mädchen von gerade eben und eine ganze Reihe weiterer Schüler. Offenbar hatte ich doch Fans.
Und Mr Blumentopf hatte sich Sorgen gemacht? Wie rührend, obwohl er sich so unfreundlich verhalten hatte.
„Wie kommst du hierher?“, brüllte er mich an. „Weißt du, dass die Polizei seit Monaten nach dir sucht?“
„Wirklich?“, fragte ich. „Der nette Polizeibeamte, der mir den Kaffee gemacht hat?“
„Deine Eltern waren krank vor Sorge! Wissen sie, dass du wieder hier bist?“
„Noch nicht. Ich möchte ihnen so nicht unter die Augen treten. Daher werde ich mich erst frisch machen und sie dann überraschen.“
„Gott im Himmel, das gibt es doch nicht! Silke, geh und hol den Direktor. Und jemand soll die Polizei informieren und Belles Eltern.“
Das Mädchen flitzte davon. Mr Blumentopf beobachtete mich beim Schminken.
„Du bist wirklich nicht ganz dicht, weißt du?“
„Falls Sie das Wasser an meiner Hand meinen, das kommt vom Waschen, also von außen. Ich bin zwar schwer verletzt, aber ich habe noch keine tiefer gehenden Risse. Hören Sie, Mr Blumentopf, ich weiß Ihre Anteilnahme sehr zu schätzen, aber das hier ist eine Mädchentoilette.“
„Und? Dich kann man noch nicht mal auf dem Klo allein lassen.“
„Sie müssen sich keine Sorgen um mich machen.“
Kurz darauf wurde die Tür noch weiter aufgerissen. Ein potthässlicher alter Mann starrte mich an. „Nicht zu fassen, das ist sie!“, rief er.
Ich zog den Lippenstift weg, mit dem ich mich gerade geschminkt hatte, und lächelte ihn an. „Möchten Sie ein Autogramm? Ich habe zwar keinen Kugelstift dabei, aber ein Lippenstift ist schließlich auch ein Stift, nicht wahr?“ Ich lachte herzhaft über meinen phantasievollen kleinen Scherz.
Er schüttelte ungläubig den Kopf, immer noch fassungslos von der Tatsache, mir wirklich im realen Lernen begegnet zu sein. Ich lächelte gütig und schrieb mit dem Lippenstift meinen Namen auf seine Glatze.
„So“, sagte ich. „Jetzt dürfen Sie sich nur nicht mehr den Kopf waschen. Aber das ist es doch nun wirklich wert.“
Ich schminkte mich nun also vor den Augen meiner Fans, aber es störte mich nicht. Man muss die Fans auch mal an privaten Dingen teilhaben lassen.
„Belle!“, schrien unzählige Stimmen gleichzeitig.
Ich drehte mich herum und lächelte die Neuankömmlinge an.
„Muum! Daad!“
Meine Mutter stürzte auf mich zu und riss mich so heftig an sich, dass ich fast erstickte. Als sie mich losließ, unterzog mich mein Vater der gleichen Behandlung.
„Wo warst du? Wir haben uns solche Sorgen gemacht, wir dachten, du wärst ermordet worden“, schluchzte er.
Ich tätschelte seinen Rücken. „Schon gut, jetzt bin ich ja wieder da. Pass auf, du zerknitterst meine Kleider. Ist aber nicht weiter schlimm, die sehen sowieso billig aus.“ Über die Schulter sah ich auch den netten Polizeibeamten. Sogar die böse Friseurin war gekommen. Ich war gerührt. Alle hatten sich hier versammelt, um mich zu sehen.
„Belle, was ist denn nur passiert?“, fragte meine Mutter. „Kannst du dich erinnern?“
„Oh ja. Es war schrecklich. Erst haben mich die Alawari entführt und es war alles so wunderbar, aber dann kamen die Trolle und es war so schrecklich …“
Und ich erzählte allen die Geschichte, wie sie sich abgespielt hatte. Und alle nahmen Anteil daran, waren fassungslos vor Entsetzen.
.....
Mein Leben ist nun wieder wunderbar. Die Fans von meinem Blog waren alle sehr teilnahmsvoll und ich habe jede Menge junge Männer, die sich bei mir um eine Partnerschaft beworben haben.
Und das Schönste: Ich habe einen sehr netten Mann kennengelernt. Ich besuche ihn jeden Nachmittag und erzähle ihm von meinem Leben. Er interessiert sich so für mich wie noch niemand zuvor, jedes Detail aus meinem Leben möchte er wissen. Ich habe gehört, wie er mit meinem Vater darüber gesprochen hat, ob ich vielleicht ganz bei ihm einziehen sollte. Und er möchte mir Blumen schenken. Er sagte etwas von Narzissen.
Ach, ich liebe ihn.
Und heute Morgen habe ich sogar Holly wiedergesehen. Sie hat mir eine niedliche kleine Geschichte erzählt. Es geht um Zahnfeen, denen ihre gesammelten Zähne gestohlen werden. Die tapferen Elben versprechen, ihnen zu helfen, und im Gegenzug helfen ihnen die Zahnfeen. Doch eines Tages bemerken die Zahnfeen, dass die Elben die Zähne selbst gestohlen haben, um sich daraus Schmuck zu schmelzen. Und die Zahnfeen beschließen sich zu rächen. Sie entführen das Menschenmädchen, das die Elben gefangen halten, um von den Trollen, die ebenfalls dieses Mädchen wollen, Bier als Lösegeld zu erpressen, und bringen es den Trollen, womit die Elben kein Druckmittel mehr haben. Sie locken den König der Elben zu den Trollen, und in seiner Abwesenheit verwüsten sie sein Land, mit Tüten von gesammeltem Menschenkot. Die Elben werden daraufhin alle biersüchtig.
Eine süße Geschichte.