"Bei der beschissenen Zitadelle, ist das dunkel hier", brummte die Gestalt, die ich für ein Kind gehalten hatte mit tiefer männlicher Stimme. "Brego, mach mal Licht!"
Daraufhin löste die gebückt stehende Person einen Gegenstand von ihrer Brust und warf ihn über meinen Kopf hinweg. Das veranlasste mich reflexartig, wieder in die Verteidigungsposition zu wechseln. Ich hörte, wie der Gegenstand im Flug zerplatzte und Flüssigkeit platschend im Gras verteilt wurde. Der Anzug signalisierte augenblicklich einen Temperaturanstieg, als Flüssigkeit und Gras in Flammen aufgingen. Der Modus meiner Brille wechselte im Angesicht der gestiegenen Umgebungshelligkeit wieder auf Normalsicht und offenbarte mir das wahre Aussehen meiner Opponenten.
Denjenigen, der gebückt dastand und Brego hieß, kannte ich. Er trug eine grüne Technikeruniform, die an einigen Stellen schon durchgescheuert war und ihr weiße Akzente verlieh. Er hatte graue Flecken im Haar und grinste schief, als ich ihn ansah. Der abgesperrte Bereich, den wir am ersten Tag im Ring durchquert hatten, war wohl sein Territorium gewesen und das wimmernde Auftreten ein Trick, um uns in den Raum mit dem Toxin zu locken. An seinem Gürtel hingen verschiedene Dosen, bestimmt mit noch garstigerem Inhalt, als dem der beiden vorigen.
Die bullige Gestalt erwies sich als glatzköpfiger Riese, der nur Hose und Stiefel trug. Sein Oberkörper war mit Narben übersät, die von Kämpfen und Verbrennungen zu stammen schienen. Ich musste zweimal hinsehen, um sein Gesicht als solches zu erkennen. Tiefe Furchen zogen sich hindurch und eine breite, kantige Nase, die schon einige Brüche hinter sich haben musste, ragte wie eine Gebirgskette aus der Felsenlandschaft hervor. Er war mit einer langen Metallstange bewaffnet, die in einem herausgebrochenen Betonklotz endete, so krude, wie sein Gesicht. Davon wollte ich lieber nicht getroffen werden.
Der Kleine, der scheinbar den Ton in der Gruppe angab, sah, entgegen seiner Stimme, wirklich wie ein Kind aus, mit kurz geschnittener blonder Stoppelfrisur und in einen schwarzen Ganzkörperanzug gehüllt. Sein Gewehr, das so groß war wie er selbst, stand mit dem Kolben auf dem Boden. Es war nicht auf mich gerichtet, allerdings war ich unschlüssig, ob ich das als Zeichen der Entwarnung werten konnte.
"Ihr habt meinen Gefangenen getötet", kommentierte ich das gerade Geschehene. Nicht, dass es ihnen nicht selbst klar sein musste, aber so gab ich ihnen die Gelegenheit, sich zu rechtfertigen und mir, falls sie das taten, noch einige Sekunden, um abzuwägen, ob ich mich für Kampf oder Flucht entscheiden sollte.
"Der hätte keinen dankbaren Gefangenen abgegeben, glaub mir", behauptete der Kleine. "Ich würde mir allerdings mehr Sorgen darüber machen, was mit dir gleich passiert. Ist dein Anzug denn feuerfest?"
Ich rief die Informationen des Anzugs ab. Das Material selbst war feuerfest und mit einem Wert über den Hitzeschutz versehen, der mir leider nichts sagte. Ich konnte nur hoffen, dass er hoch genug war oder mich die Systeme warnte, falls es zu heiß wurde. Dass meine Brille über ähnliche Eigenschaften verfügte, konnte ich nicht glauben.
"Habt ihr denn keine Taschenlampen? Musstet ihr unbedingt die Wiese in Brand stecken, nur um mich zu sehen?" Ja, ein wenig Humor, um mir noch ein paar Sekunden zu erkaufen, konnte nicht schaden. "Wer seid ihr überhaupt?"
"Sagen wir es mal so, wir sind ehrenwerte Bürger des Rings, denen von zuverlässiger Quelle berichtet wurde, dass die Bewohner dieses Dorfes gegen den Rest des Ringes in den Krieg ziehen wollen. Und da dachten wir uns, dass wir ihnen vielleicht etwas entgegenkommen sollten. Wäre ja schade, wenn in unseren Heimen etwas zu Bruch gehen würde, wo man als Schlachtfeld stattdessen diese grüne Wiese nutzen könnte." Die Stimme des Zwerges triefte vor Sarkasmus und wenn das brennende Gras nicht ausgereicht hätte, war jetzt klar, wie sehr sie auf Konflikt aus waren.
"Ihr habt gerade einen gefesselten Menschen getötet, ja, ihr seid wahnsinnig ehrenwert. Und Grün ist die Wiese auch nicht mehr lang. Vielleicht sollten wir doch zu euch?"
Das Feuer hatte begonnen, sich auszubreiten, und ich sollte eigentlich nicht so viel Zeit mit Reden verbringen. Gegen alle drei konnte ich aber unmöglich bestehen. Ich zögerte das Unvermeidliche heraus, hatte keinen Plan und von Hilfe war weit und breit nichts zu sehen.
"Hey, der Kerl da ist ein bekannter Serienmörder, wir haben dem Ring einen wertvollen Dienst erwiesen, indem wir ihn beseitigt haben", erläuterte er. "Aber du hast recht, Brego hat mit der Wiese wohl ein klein bisschen übertrieben. Wir sind Betonboden gewohnt, da breitet es sich nicht so aus. Unser Boden ist übrigens feuerfest." Er linste an mir vorbei. "Ah, vielleicht solltest du jetzt ein wenig näher kommen, wenn du nicht verbrennen willst."
Tolle Idee. Dann erschlug mich der Große mit seinem Betonklotz, das war auch nicht besser. Entweder ließ ich es auf den Feuerschutz des Anzuges ankommen oder ich versuchte, irgendwie an ihnen vorbeizukommen.
"Ja, ich glaube, ich komme zu euch, wenn ihr nichts dagegen habt", rief ich und rannte los. Ich sah, dass der Griff des vernarbten Riesen um seine Waffe fester wurde. Vielleicht lag ich ja immer noch falsch und das war keine feindselige Reaktion, deswegen zog ich meine Laserpistole und legte sie - in rein freundschaftlicher Weise – auf Brego an.
Der Kleine reagierte, riss sein Gewehr zu mir herum und schickte mir eine Streuladung entgegen. Der hätte ich selbst nach zehn weiteren Jahren des Trainings nicht ausweichen können. Wie Hagel auf ein Autodach schlugen die Schrotkörner in mir ein und der Anzug meldete an allen getroffenen Stellen Schadenswerte zwischen siebzig und achtzig Prozent sowie die wunderbare Aussicht auf blaue Flecken.
Aber ich lebte noch und drückte nun selbst in schneller Folge ab. Brego schien nicht der Schnellste zu sein und kam erst in Bewegung, als ich schon angefangen hatte zu schießen. Ich traf ihn im Unterleib, ein paar Schüsse verfehlten ihn und mit einem Glückstreffer erwischte ich tatsächlich eine seiner Dosen, auf die ich eigentlich gezielt hatte. Er riss vot Schreck die Augen auf, dann verschwand er in einer Rauchwolke.
Der Kleine hatte wohl geahnt, was ich vor hatte. Er hechtete von Brego davon, rollte sich ab, und kam mit dem Gewehr im Anschlag wieder zum Stehen. Der Riese war ebenfalls ausgewichen. Beide leider genau in die Richtung, in die auch ich, in Erwartung einer gigantischen Explosion, gerade einen Schwenk durchgeführte.
"Haf! Aus dem Weg du Idiot, ich brauche eine Schusslinie!", brüllte der Kleine. Haf, der Riese hatte seinen Boss dank seiner langen Beine hinter sich gelassen und verschaffte mir unfreiwillig Deckung. Die Freude darüber war nur von kurzer Dauer, denn der Abstand zwischen uns wurde kürzer und kürzer. Ich wog die Chancen ab, ob ich ihn mit einem Schuss Treffen konnte, bevor er mich mit dem Hammer im Boden versenkte, aber meine Beine nahmen mir die Entscheidung ab, indem sie sich besonders ins Zeug legten.
Wir rannten entlang des Feuers und ich überlegte mir, dass so ein bisschen Gras doch unmöglich so stark brennen konnte. War das Bregos Zeug oder war da irgendetwas im Boden? Die Teile der Halle, die nicht direkt unter der Kuppel lagen, wurden mit Pflanzenlampen und einem Bewässerungssystem versorgt, vielleicht enthielt es ja einen Bestandteil, der das Feuer am Leben hielt. Dass das Lüftungssystem ständig frischen Sauerstoff in diesen Bereich pumpte, machte die Sache nicht besser.
Sollte es nicht eigentlich einen automatischen Löschmechanismus geben? Einmal hatten wir in Numbakas Werkstatt etwas Elektronik verschmoren lassen, danach mussten wir sie stundenlang von widerlich klebrigem Löschschaum reinigen. Das passierte wohl nur, wenn das eigene Leben nicht davon abhing.
Ich hörte Haf hinter mir schnaufen und brüllen, drehte meinen Kopf zurück und sah, wie er mit der wuchtigen Waffe, hoch erhoben über seinem Kopf, auf mich zugeflogen kam. Er war gesprungen! Nach rechts konnte ich nicht ausweichen, ohne in den Flammen zu enden, hielt ich an oder rannte weiter, hatte er mich. Also nach links, weiter von der Sicherheit der Siedlung weg. Direkt ins Schussfeld des Anführers. Ein einzelnes Projektil riss mich von den Füßen und stieß mich gegen die Wand der Halle, die mir bis gerade eben gar nicht aufgefallen war.
Er hatte mich an der Schulter erwischt und der Anzug wies darauf hin, dass das Projektil die Panzerung durchschlagen hatte. Ein Blick auf die Stelle zeigte das Ende einer zerdrückten Patrone, die scheinbar nicht viel weiter gekommen war. Ein Stück neben mir schlug Hafs Betonklotz mit ohrenbetäubendem Lärm gegen die Metallwand und schickte eine brummende Vibration an mir vorbei.
Er grunzte, erhob sich aus der Hocke und schwang den Hammer nach oben, um mir nun den Rest zu geben. Zu Beginn meines Trainings hatte ich mich gefragt, warum ich nur das Fallen übte, und war jetzt froh darum. Ich stieß mich von der Wand ab und fing meinen Sturz mit einer Rolle ab. Ein Regen von Gras und Erde folgte mir, als Haf den Boden pflügte.
Wenn ich nicht in das Feuer ging, konnte ich nur noch an der Wand entlang laufen und bot ein einfaches Ziel. Es war nur eine Frage der Zeit, bis mich eine Kugel an der richtigen Stelle traf und der Anzug nicht mehr standhielt. Dann war es vorbei.
Es war verrückt, aber ich holte tief Luft und stürzte mich in die Flammen.
Warnanzeigen protestierten piepsend und wiesen in grellem Rot auf die Stellen hin, an denen die Panzerung bereits Schaden genommen hatte. Aber ich durfte nicht umdrehen, wenn ich überleben wollte. Ich ließ die Haut des Anzugs über meine Augen wachsen und rannte blind in die Richtung, in der ich die Barrikaden der Siedlung vermutete. Dann legte ich meinen Zeigefinger an die Brille, um die Informationen abzugreifen, die eigentlich für meine Augen gedacht waren. Ich sah nur Flammen und zog die Nadel des Handschuhs wieder ein, als sie so heiß wurde, dass mein Finger schmerzte. Ich senkte den Kopf und hielt die Arme schützend davor, als ich meine Flucht fortsetzte.
Ich hielt meine Augen geschlossen und sah mir den Status des Anzugs mit dem Handschuh an. Er begann an der Oberfläche zu schmelzen und anschließend zu verhärten, und füllte so bereits beschädigten Stellen auf. Dadurch wurde verhindert, dass die Hitze durch die Kampfschäden bis zu meinem Körper vordrang. Komplett verhindert wurde es nicht, ohne ein Kühlmodul war das unmöglich, aber so dauerte es länger. Mir wurde eine Berechnung präsentiert, die anzeigte, wann sich der Anzug so stark aufgeheizt haben würde, dass erst Schmerzen, dann Verbrennungen verschiedener Grade und anschließend der wahrscheinliche Tod auftreten würden. Ich hatte geschätzte 129 Sekunden bis zur ersten Stufe dieser Prophezeiung, wenn die Hitze konstant blieb.
Unerwartet und in der Berechnung unbeachtet, kündigte der Atemfilter an, dass die Sauerstoffgenerierung nur noch mit verringerter Effizienz lief, und auch andere Systeme bombardierten mich mit Hinweisen, dass sie demnächst zum Selbstschutz in den Ruhemodus wechseln würden.
Großartig! Das half weder ihnen noch mir, anschließend würden sie ja dennoch verbrennen. Den ganzen, verdammten Anzug konnte ich nach diesem Einsatz vergessen. Wenn ich überlebte.
Mein Lauf wurde jäh von einem Hindernis gestoppt, gegen das ich mit den Armen krachte. Die Palisade der Siedlung? Ich tastete es mit den Händen und bekam sofort Warnmeldungen, über die Hitze, die es ausstrahlte. Zumindest war es ein festes Objekt. Ich versuchte, mit einer Hand irgendwo Halt zu finden, damit ich darübersteigen konnte, und wurde mit unglaublichen Schmerzen belohnt, als sich die Hitze durch den Anzug brannte. Ich würde den Versuch, über die Absperrung zu klettern, nicht überleben. Also musste ich weiter daran entlang laufen. Mir blieb noch eine knappe Minute, bis auch die anderen Körperteile, ganz ohne meinen Leichtsinn, die Hitze zu spüren bekommen würden.
Die berechnete Zeit verringerte sich rapide, nachdem ich ein paar Schritte gelaufen war. Die Palisade strahlte zu viel Hitze aus. Ich entfernte mich von ihr und stellte erschrocken fest, dass jetzt schon der Countdown lief, nach dessen Ende ich in meinem Anzug gebraten werden würde.
Der Countdown brach ab und auf der Seite der Palisade ging meine Haut in Flammen auf. So fühlte es sich wenigstens an. Ich verspürte den instinktiven Drang, die Hand wieder von der verdammten Herdplatte zu nehmen und mein Körper fing an zu zucken. Aber es gab keine Linderung.
Ich verfluchte Ruiz, weil er mich hierher geschickt hatte, und ich verfluchte meine idiotische Entscheidung, in das Feuer zu rennen. Ich wollte wirklich weiterrennen, um der Flammen zu entgehen, aber meine Beine gaben einfach unter mir nach. Im Sturz konnte ich dem Feuer aber doch noch etwas Positives abgewinnen, denn den Aufprall nahm ich unter den Schmerzen der Hitze kaum noch wahr.