Jones Edward
Ich war gerade mit Jon auf der Krankenstation und sah, wie eine Ärztin seine Schulter untersuchte. Der jedoch wehrte sich mit lauter Inbrunst gegen die Behandlung. „Jetzt lassen Sie endlich die Hände von mir! Das ist ja peinlich!“
Die Ärztin lächelte ihn nur an. „Ich weiß, Schätzchen! Aber es ist schon komisch, wie sich ein kleines Kind eine Kugel einfangen kann.“
„Wie bitte!?“
Ich musste mir das Lachen verkneifen, als die Krankenschwester ihn abtastete, während er immer noch wütend vor sich hin schimpfte und meinte, es sei eine Unverschämtheit, wie herablassend sie sich ihm gegenüber verhielt. Er wollte sich das Ganze nicht bieten lassen und meinte, dass er kein Interesse an ihr hätte. Ich hatte nicht die geringste Ahnung, wie er darauf kam, dass sie auf ihn stehen könnte...
Aber sie lächelte nur und machte weiter zärtliche Witze über ihn, sehr zu seinem Missfallen. Irgendwann verließ Jon schnaubend das Zimmer, dicht gefolgt von der aufgebrachten Krankenschwester, die verzweifelt versuchte, ihn aufzuhalten.
Ich hätte das ganze Schauspiel genießen können, aber im Moment war ich wirklich an einem Tiefpunkt angekommen. Ich gab mir selbst die Schuld daran, dass Assur in seinem Zorn zu einem Verbrecher geworden war. Vor allem tat es mir um seine kleine Tochter Nya leid. Wäre ich dort gewesen, hätte ich sie schützen können.
Drei Jahre... drei lange Jahre war ich mit meiner Truppe in diesem Dorf stationiert gewesen und immer, wenn ich abends keinen Dienst gehabt hatte, war ich zu ihnen gegangen. Ich wusste noch, wie ich Assur damals auf der Straße hatte liegen sehen. Er hatte kein Geld und er wollte nicht nach Hause, bevor er etwas zu Essen für seine Familie besorgt hatte. Ich habe damals viel Zeit mit ihm verbracht. Und das Schöne war, meine Kameraden hatten, nachdem ich ihnen davon erzählt hatte, sie zu versorgen. Ein Herz für eine kleine Familie, die eigentlich unbedeutend für die großen Mächte war.
Ich hatte immer den Gedanken gehabt, dass Politiker uns nur mal sehen müssten, wie wir mit dem Herzen etwas verändern konnten und nicht mit Gerede, Beschlüssen und Verträgen. Zuerst waren Assur und seine Familie noch recht verängstigt gewesen. Doch ich besuchte sie, wann immer es ging, brachte immer Essen mit und lernte sie kennen. Mit der Zeit wurde die Gemeinschaft enger und das größte Glück war, als er mir Nya vorstellte. Die Kleine war bezaubernd mit ihren freundlichen, mandelbraunen Augen und ihrer unschuldigen Art, die mich immer daran erinnerte, dass es doch ein wenig Gutes in dieser Welt gab. Ich schenkte ihr eine Halskette, an dem ein silbernes Blatt befestigt war und erzählte ihr oft die Märchen, die mir mein Vater erzählt hatte. Vor allem die über Ritter, die durch ihr Schwert und ihre Stärke die Schwachen beschützen und diejenigen entmachteten, die nur Unheil über andere brachten. In ihren Augen war ich wohl auch so ein Ritter in strahlender Rüstung. Auch wenn meine Uniform meist verdreckt vom Wüstensand war. Sie bewunderte mich auch, weil ich ihrem Vater das Kämpfen beibrachte. Er wollte selbst in der Lage sein, seine Familie zu beschützen. Allerdings hätte ich niemals ahnen können, dass er dieses Wissen missbrauchen würde.
Aber ich war wohl auch selbst Schuld, dass ich damals nichts hatte tun können. Wäre ich nicht im Lazarett gelandet, hätte ich selbst meine Befehle missachtet, um sie zu retten.
Ich hörte immer noch die Schüsse, die Bomben, die fielen. Ich sah noch, wie Granatensplitter die Körper der Soldaten durchbohrten und dann kam der entsetzliche Schmerz. In dem Moment konnte ich bereits mein Leben an mir vorbeiziehen sehen. Als ich dort lag und mehr und mehr Blut verlor.
Ich hatte so viel verloren, dass ich für einige Zeit bewusstlos war und erst eine Weile später in einem Lazarett erwachte.
Eine Krankenschwester saß neben mir und lächelte mich besorgt an.
„Ich hoffte inständig, dass Sie wieder aufwachen.“
Ein paar Minuten danach tauchten meinen Kameraden auf und wollten mich unbedingt sehen. Die Krankenschwester hatte erst etwas dagegen, bis ich ihr zu verstehen gab, dass sie sie durchlassen sollte.