Jones Edward
Ich ging ans Telefon und war erfreut, als Alyrun dran war. Aber er verhielt sich merkwürdig. „Was ist passiert?“
„Bring bitte Riny ins städtische Krankenhaus.“
„Wieso?“
„Ich habe einen Freund von ihr dorthin gebracht. du kannst ihr sagen, dass er lebt.“
Bei dieser Antwort zog sich mein Mundwinkel nach unten und mein Fuß trat nervös auf der Stelle. „Geht es ihm gut?“
„Ich wünschte das hättest du nicht gefragt.“ Seine Stimme hörte sich an, als würde er versuchen zu flüstern, so als ob es ihm unangenehm wäre.
„Deine Aussage impliziert, dass er irgendeine Verletzung erlitten haben muss, wenn du es vermeidest meine Fragen zu beantworten.“
„Du hast dazugelernt.“
„Jetzt sag mir was passiert ist.“
„Er wurde angeschossen.“
Meine freie Hand ballte sich zur Faust, als ich das hörte. Wenn Riny davon erfuhr, würde es sie verängstigen. „Gar nicht gut, ich werde mir das genauer ansehen, wenn ich dort bin.“
„Es gibt im Krankenhaus fähige Ärzte Jones.“
„Ich bestehe darauf!“
„Gut, bring Riny her, aber sag ihr bitte nichts davon, bis ihr dort seid. Ihr Freund soll selbst mit ihr darüber reden.“
Leider verriet er mir keine weiteren Einzelheiten. Ich malte mir das Gesicht des Mädchens aus, wenn sie ihren Freund am Krankenbett sehen würde.
Sollte ich es ihr daher nicht hier und jetzt sagen, damit sie wenigsten vorbereitet drauf ist? Ehe ich mich entscheiden konnte, risse mich eine leise Mädchenstimme aus meinen Gedanken
„Jones? Hat Alyrun dich grade angerufen?“
Ich war überrascht, dass Riny plötzlich hinter mir stand. Was würde sie wohl denken, wenn ich es verneine? Ihre weit offenen Augen starrten mich fragend an. Ihre gebeugte Haltung, bei der sie die Arme um sich schlang, zeugten von Sorgen und Unsicherheit. Ich atmete kurz aus und sagte ihre dann, dass er im Krankenhaus auf uns wartete. Langsam senkte sie ihren Kopf. „Es ist wegen Floyd, oder?“
„Ja… wir sollen zu Alyrun ins Krankenhaus kommen.“ sie schien eine sehr gute Auffassungsgabe zu haben. Mich beschlich aber ein unheimliches Gefühl, so dass meine Hand zu meiner Schulter fuhr.
„Er wurde also verletzt und das wegen mir!“
„Das kannst du nicht wissen.“
„Aber wegen mir hat er die Aufmerksamkeit auf sich gezogen und selbst dann hätte man mich misshandelt, wenn Alyrun nicht gewesen wäre! Ich konnte nicht mal die Chance nutzen, die er mir gegeben hat!“
„Höre auf Mädchen“, meine Stimme wurde laut und fest. Denn etwas an Rinys Worten machte mich wütend. Nicht sie selbst, aber dass sie sich selbst ein schlechtes Gewissen einredete. „Hör auf, dir selbst die Schuld zu geben!“
„Aber ich…“
„kein Aber! Du wirst dir nicht einreden, dass du allein verantwortlich bist, solange es keinen Grund dafür gibt! Verstanden?!“
Das Mädchen ging einen Schritt zurück, gleichzeitig hob sie ihren Kopf, so dass sie aufrecht vor mir stand. Beschämt zog sie ihre Arme hinter ihren Rücken und sah mich mit errötetem Gesicht an. “Das… Ich… ich wusste nicht, dass es einen so guttun kann, angeschrien zu werden.“
Ich musste lächeln, als ich das von ihr hörte. „Hat dir dein Vater nie beigebracht, dass man sich selbst wertschätzen sollte?“ Ich hatte wohl einen wunden Punkt bei ihr getroffen, denn sie biss dermaßen auf ihre Zähne, dass man ein leichtes Knirschen hören konnte. „Wenn es nur so wäre.“
Was mochte man als Tochter nur erlebt haben, dass es einen so dermaßen anwidert von seinem Vater zu sprechen?
Ich konnte mir zu dem Zeitpunkt nicht wirklich ausmalen, was in ihrer Familie so alles falsch lief. War ihr Vater dafür verantwortlich, dass das Mädchen sich selbst so geringschätzte? Ich malte mir aus, was Alyrun wohl sagen würde. Normalerweis wirkte er sehr kalt, aber die Kälte war auch das unangenehme, wenn er seinen Gedanken und Worten Taten folgen ließ. Ich hoffte, dass sie sich meine Worte merken würde. Sie erinnerte mich an Assurs Tochter, die anfangs auch unsicher und schüchtern wirkte. Mancher nennt es eine Schwäche, aber ich hatte stets ein Herz für alles Zerbrechliche.
Riny war im nächsten Moment deutlich weniger angespannt und zeigte auch Vertrauen als ich mit ihr nach draußen ging, um in das Carriage zu steigen.