Wenige Stunden später war Assur sicher im Krankenhaus untergebracht. Er hatte zwar eine tiefe Wunde, aber zum Glück war der Blutverlust nicht so hoch, dass er in einem kritischen Zustand war. Er lag in einem tiefen Schlaf und der Arzt sagte, dass er eine ganze Weile lang absolute Ruhe und medizinische Pflege brauche, würde. Aber noch saßen ich und mein Freund neben seinem Bett und ich betrachtete das erschöpfte Gesicht von Assur, von dem ich nicht wusste, wie es in seinen Herzen aussah. „Wären wir nur früher dagewesen.“
Er besah erst den Kranken, dann mein Gesicht und nahm langsam seine Hut ab. Er musterte das Kleidungstück und seine Augen waren starr auf den Stoff gerichtet. „Das alles ist wirklich seltsam Jones, sehr seltsam.“
„Ein Mordversuch ist nur für dich seltsam. Dramatisch oder düster wäre da passender.“
„Wie philosophisch von dir…“ Alyrun blickt kurz zur Seite und lächelt, setzte aber dann rasch sein ernstes Gesicht wieder auf. “Was, wäre, wenn… Das sind so Begriffe die mir viel zu hypothetisch sind. Aber durch dich hat Assur eine zweite Chance bekommen, eine weiter Chance auf eine besser Zukunft.“
„Einen Moment hatte ich seinen Worten geglaubt.“
„Und eben seine Worte waren Seltsam Jones. Worte, die ich selbst gewählt hätte, wäre ich jemand, der einen dunkleren Pfad eingeschlagen hätte.“
„Wie jetzt? Denkst du jetzt etwa…“
„Ich denke in dem Moment gar nichts darüber! Ich sortiere nur grade die Indizien.“
„Aber etwas macht dich doch nachdenklich.“
„Ja, der Riese hatte die Worte nicht selbst gewählt, sondern jemand hat sie ihm in den Mund gelegt. Schon lange bevor er auf Assur getroffen ist.“
„Wie kommst du drauf?“
„Wegen der Art und Weise diese Menschen? Die Tatsache, dass er mehr ein Kämpfer war als jemand der wirklich Manipuliert? Zudem hätten sie Assur gleich umbringen können, aber er wurde nicht mal lebensgefährlich verletzt.“
„Und wer hat ihm die Worte eingeflüstert?“
„Ich weiß es nicht, aber sein Muster kommt mir bekannt vor. Es wirkt so… familiär.“
Ich klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter. „Hey Freund! Denk nicht zu viel darüber nach. Wer anderes als dein dunkles Spiegelbild könnte dir ebenbürtig sein?“
„Vielleicht hast du recht.“
Nebenbei war Alyrun nicht entgangen, dass eine andere Patientin mir zuzwinkerte, die mich vor einer Weile noch selbst versorgt hatte. Und er hielt das für einen guten Themenwechsel. „Hast du mal gedacht zu heiraten?“
„Ich würde gerne mal ein anderes Thema ansprechen.“
„Vielleicht fühlst du dich von Ilea angezogen? Keine Elvan?“
„Mann, Alyrun… zu spitze Ohren. Aber das könnte wohl auch auf dich zutreffen, du scheinst selbst ein Ilea zu sein. Du bist ein Talent für das Element Wasser und wirkst oft still und wortkarg.“
Alyrun unterdrückte ein Lachen. „Du kennst mich wirklich gut, aber den Eindruck hast nicht nur du.“
„Nun, Alyrun“, fragte ich, „was hast du vor, wenn Assur wieder auf den Beinen ist?“
„Eigentlich nichts Dramatisches.“
Ich zog meine Augenbrauen hoch. „Auch nachdem er...“
„Ich weiß, mein Freund, aber die Gerechtigkeit reinigt nur den Menschen. Wunden müssen auch heilen.“
So hatte ich das das noch nie bei Alyrun gesehen und auch diese Seite meines Freundes war neu für mich. „Du willst ihn nicht ins Gefängnis stecken? Aber als rechtschaffender Mann, der du doch bist, solltest du doch eigentlich darauf bestehen, dass er seine Zeit im Knast absitzt.“
„Du hast nicht erwartet, dass ich der Gnade den Vorzug geben würde.“
„Nein.“
„Und hättest du meine Entscheidung akzeptiert?“
„Ja, weil ich das Vertrauen in dir haben, dass du im Gegensatz zu mir die richtige Entscheidung fällst.“
„Ich schätze deine eigene Entscheidung mir zu Vertrauen. Ich will aber ehrlich mit dir sein: Es besteht hier das Risiko, dass Assur immer noch Hass empfindet. Trotz aller Bemühung könnt er wieder fallen.“
„Warum also dann diese Entscheidung?“
„Ich handle hier in deinem Interesse und es existiert Liebe in der Freundschaft. Aber ich habe die bittere Erfahrung gemacht, dass Liebe auch immer bedeutet, dass man verwundbar ist. Hier muss man entscheiden, ob dieses Risiko es wert ist.“ Alyrun betrachtete Assur mit einer reglosen Miene. “Nun, Logan bestand darauf, dass er ein Auge auf unseren Freund haben wird. Aber ich konnte ihn überreden, ihn erst mal laufen zu lassen. Allerdings solltest du das gegenüber Inspektor Morgan für dich behalten.“
„Anscheinend hast du ein paar kleine Geheimnisse vor dem Inspektor.“
Alyrun setzte wieder sein typisches Lächeln auf: ”Ein paar ungelöste Fragen mehr oder weniger, das macht bei ihm keinen Unterschied.“