Am nächsten Morgen brummte mein Handy. Es war eine WhatsApp mit unbekanntem Absender eingegangen:
Na, haben dich meine vielen Mängel völlig verschreckt? Ich könnte es verstehen! Mir hat es aber gestern mit dir Spaß gemacht 😊 Liebe Grüße vom Montagsauto 😉
Ich schrieb zurück: Keine Angst! Bin nicht so leicht zu erschrecken! Ich fand es auch sehr interessant!
Postwendend antwortete Paula: Interessant kann alles heißen!
Ich schrieb darauf: Ja, alles!
Dann speicherte ich die Handynummer in den Kontakten unter ‚Paula‘. Ich war ziemlich sicher, dass ich die Nummer noch öfter brauchen könnte.
Während des Tutorats am darauffolgenden Freitag brummte mein Handy wieder. Ich sah diesmal gleich, dass die WhatsApp von Paula kam.
Sie fragte: Nachher Lust auf einen Spaziergang am Neckar?
Ich schrieb zurück: Nur, weil du es bist!
Dann schaute ich auf die andere Seite des Tisches und unsere Blicke trafen sich. Paula strahlte mich mit ihren leicht zusammengekniffenen stahlblauen Augen und ihrem Zahnspangenlächeln an. Ich lächelte zurück. Nach einer gefühlten halben Ewigkeit löste ich als erster den Blick und wollte mich wieder auf die juristischen Themen konzentrieren.
Da sprach mich Alicia von der Seite leise an: „Paula strahlt so, wenn sie zu Dir schaut. Du scheinst eine ziemliche Verehrerin zu haben. Läuft da vielleicht was zwischen Euch, was ich nicht weiß?“
Ich erschrak und dachte: „Ich war einmal mit Paula im Biergarten und jetzt hatten wir uns gerade zu einem Spaziergang verabredet. Was soll da am Laufen sein?“ Dann sagte ich zu Alicia: „Paula scheint wohl ganz nett zu sein. Mehr kann ich nicht sagen.“ Alicia darauf: „Mach mich bloß nicht eifersüchtig! Ich behalte Euch im Blick!“ Mit den Worten „Mach, was Du willst!“ beendete ich das kurze leise Gespräch mit Alicia.
Nach Ende des Tutorats schlenderten Paula und ich am Neckar entlang und unterhielten uns angeregt. Zunächst redeten wir noch einige Zeit über das Strafrecht und die ersten Tatbestände, die wir in Vorlesung und Tutorat durchgenommen hatten. Paula, musste ich zugeben, hatte fast alles vollständig begriffen. Auf meine Nachfragen kamen von ihr sehr verständliche und detaillierte Antworten. Paula hatte offenbar schon fleißig gelernt.
Dann redeten wir über unsere Hobbys. Ich erzählte Paula von meinen sportlichen Ambitionen auf dem Tennisplatz. Sie schien beeindruckt, dass ich doch recht erfolgreich war. Sie legte mir ihrerseits dar, dass sie mit Ballsportarten nicht so viel anzufangen wüsste, aber dass sie gerne spazieren ginge. Auch längere Wanderungen in der Natur, manchmal sogar über mehrere Tage, würde sie gerne mögen. Ich erzählte ihr weiter, dass ich viel lesen und dabei zeitgenössische deutsche Literatur bevorzugen würde. Paula berichtete, dass sie gerne Liebesromane lese und Fachliteratur über Pflanzen und Vögel. Sie zeigte mir auf ihrem Handy zwei Apps, die sie häufig benutzen würde. Die eine App wäre in der Lage, Pflanzen in der freien Natur zu bestimmen. Und die andere App erkenne Vogelstimmen und könne die Vogelrasse bestimmen.
Ich lud mir die beiden Apps ebenfalls aus dem AppStore herunter, und Paula zeigte mir, wie man damit umgeht. Ich fand es spannend, dass die Apps im Handumdrehen Informationen ausspucken konnten, die man sich sonst gar nicht erschließen würde.
Als Paula und ich den Spaziergang beendeten und auseinandergehen wollten, schlug ich ihr spontan vor: „Was hältst Du von einer Herbstwanderung im Schönbuch morgen in einer Woche? Dann könnte ich mit Dir die Apps weiter ausprobieren. Und wir könnten die wunderbare Färbung der Wälder mit dem Herbstlaub bewundern.“
Paula strahlte: „Da-tss würde mich mega freuen! Toll, da-tss Du Intere-tss-e daran ha-tss-t. La-tss un-tss tss-u-tss-ammen wandern gehen!“
Wir verabschiedeten uns mit Küsschen rechts und links. Paula wirkte so natürlich - und das nicht nur, weil sie für die Natur schwärmte.