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Der warme Kakao in meinen Händen, verbrennt mir fast die Hände, doch ich bin viel zu sehr auf das Gespräch mit Bree konzentriert, um ihn wegzustellen. Sie erzählt mir von ihrer Arbeit. Langsam tut sie mir echt leid. Es scheint so, als würde sie noch mehr arbeiten als sonst.
"Bree", sanft lege ich meine Hand auf ihren Arm: "Denkst du nicht, dass es mal Zeit wäre Urlaub zu nehmen?"
"Urlaub? Warum?", ihr Blick wirkt verdattert.
"Du wirkst total überarbeitet", besorgt sehe ich sie an: "Nimm dir endlich mal wieder Zeit für dich selbst. Arbeit ist nicht alles."
Sie legt den Kopf schief: "Wie soll ich denn dann Geld verdienen? Du weißt, dass ich es mir nicht leisten kann, Leyla."
Die Blondine wirkt völlig total ratlos: "Ich verstehe echt nicht, wie du es schaffst am Ende des Monats noch Geld zu haben, obwohl du gar keinen Nebenjob hast. Unterstützen deine Eltern dich etwa doch wieder?"
Wehmütig blicke ich sie an. Manchmal würde ich ihr nur zu gerne erzählen, was ich für einen Job mache. Allerdings würde sie es verstehen. Fast niemand würde das. Das ist auch der Grund, warum nur Elijas es weiß.
"Nein, tun sie nicht. Ich weiß einfach nur wie man mit Geld haushaltet", lüge ich.
Zwar hasse ich es meine Freundinnen anzulügen, aber manchmal ist es einfach nötig. Eine Notlüge halt und dafür kommt man sicher noch nicht in die Hölle.
Bree antwortet darauf etwas in einem wehmütigen Ton, doch meine Aufmerksamkeit driftet ab, als ich plötzlich das Vibrieren meines Handys in meiner Jackentasche wahrnehme. Ich lasse eine meiner dunklen Augenbrauen in die Höhe wandern und stecke meine Hand in die Tasche, um das Telefon herauszufischen.
Mit gerunzelter Stirn entsperre ich mein Smarthphone und öffne die Nachricht, die gerade eingetroffen ist.
Hey Süße,
wir sollten uns echt mal treffen. Mir passt der Freitag am besten!
Ein Absender wurde nicht dazu geschrieben und auch die Nummer ist mir gänzlich unbekannt. Einerseits habe ich keine Ahnung, von wem die Nachricht kommt, weshalb ich erst nicht sicher bin, ob ich antworten soll, aber andererseits bin ich auch zu neugierig, um es nicht zu tun.
In der Hoffnung, dass Bree meinen, teils verwirrten, teils neugierigen, Blick nicht bemerkt und mich fragt, was los ist, lege ich das Handy so auf den Tisch, dass sie die Nachricht nicht lesen kann und beginne auf der Tastatur herum zu tippen.
Hey Unbekannter,
ob wir uns treffen sollten, kann ich noch nicht sagen. Schließlich kenne ich nicht mal deinen Namen. Diese Information wäre echt hilfreich.
Ich habe zwei Theorien, wer es sein könnte. Entweder einer der Typen aus der Bar, in der ich arbeite – viel zu leicht ist es, für diese Männer an meine Nummer zu gelangen – oder der Mann, auf den ich in der Uni gestoßen bin. Zwar ist er streng genommen auch nur einer dieser Barjungs, aber ihn habe ich danach nochmal wieder getroffen. Gemischt mit der Tatsache, dass er zu versuchen schien, mich besser kennenzulernen, gibt ihm das irgendwie eine Sonderstellung.
Generell wäre mir die zweite Möglichkeit irgendwie lieber. Dann kann ich mir wenigstens sicher sein, dass er mich entführt oder sowas. Die meisten Männer, die mir beim Strippen zusehen, sehen mich meistens nur als Objekt. Aber dieser Mann aus der Uni, ich glaube, sein Name ist Ashton, schien anders zu sein. In seinen Augen konnte man irgendwie sehen, dass er mich als mehr ansieht.
Die nächste Nachricht erscheint. Ich nicke Bree weiter zustimmend zu, höre aber nicht auf ihre Worte. Zwar sind wir Freunde und eigentlich sollte ich ihr zuhören, aber die wenigen Worte, die ich hin und wieder aufschnappe, sagen mir, dass sie sich sowieso nur über Geld beklagt.
Ach komm schon, du kennst mich doch.
Ich verdrehe genervt die Augen. Diese Spielchen sind echt das Letzte, worauf ich Lust habe. Wenn das dieser Ashton sein sollte, sammelt er gerade wirklich keine Pluspunkte. Um ihm zu zeigen, wie sehr mich seine letzte Nachricht genervt hat, antworte ich ebenso blöd.
Ah, ja. Jetzt erinnere ich mich wieder. Du bist bestimmt der Penner, der erst im Müll nach Essen gesucht hat und dann auf einer alten, kaputten Bank eingeschlafen ist. Hab dir einen Zehner da gelassen.
Während ich diese Worte schreibe, erscheint ein zufriedenes Grinsen auf meinen Lippen.
Was? Nein, ich bin's. Holden. Wir haben uns doch im Country Club getroffen. Deine Eltern haben es für eine gute Idee gehalten, dass wir uns treffen, und du hast mein Interesse geweckt.
Fast bekomme ich einen Brechreiz. Holden war der Letzte, an den ich gedacht habe, aber jetzt ist mir alles klar. Schon beim anfänglichen 'Süße' hätte mir klar sein müssen, dass er es ist. So eine Begrüßung hätte ich von diesem Ashton irgendwie nicht erwartet.
Tja, dann sorg dafür, dass dein Interesse wieder einschläft. Ich bin an irgendwelchen Dates mit dir nämlich keinesfalls interessiert. Also such dir irgendein anderes Mädchen, dass du nerven kannst und sag meinen Eltern, dass sie aufhören sollen, sich in mein Leben einzumischen. Ich bin kein Kleinkind mehr.
Nach dieser letzten Nachricht stelle ich das Handy auf stumm, sodass mich weitere Nachrichten von ihm nicht mehr erreichen können. Ich will den täglichen Einfluss von nervigen, egozentrischen Männern ja nicht überdosieren.