Prompt: Sieben Minuten (12.01.2020)
Startzeit: 18:00 Uhr
Ende: 18:45 Uhr
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Sieben Minuten.
In sieben Minuten kocht man ein verdammt perfektes Frühstücksei. Also so richtig perfekt. Mit noch weichem Dotter, aber das Eiweiß ist hart. Weich finde ich das nämlich widerlich und kann das Ei nicht essen. Das weißt du und deswegen gibst du auch nicht auf, daran herumzuexperimentieren.
In sieben Minuten erreiche ich zu Fuß den nächsten Bäcker. Der, die die besten Roggenbrötchen und Zimtschnecken verkauft. Während also du an dem Ei bastelst, besorge ich die Grundlage für das Frühstück.
Sieben Minuten braucht ein gutes Pils, so sagt jedenfalls mein Vater. Bei uns braucht die neue Kaffeemaschine mit Mahlwerk, bis eine Kanne mit dem schwarzen Gold gefüllt ist, ebenfalls genau diese sieben Minuten. Was uns beiden manchmal zu lang ist, weil wir beide am Morgen nicht ohne können.
Du bist, als Künstler normal, abergläubisch. Sieben Minuten bevor sich der Vorgang hebt, gehst du einmal auf der Hinterbühne von links nach rechts. Erst dann reihst du dich auf deiner Position ein, was je nach Stück knapp werden kann. Aber du hältst gnadenlos daran fest.
Heute in sieben Minuten gehe ich einen großen Schritt in meinem Leben.
Ich werde deine Frau. Sehr viel länger als sieben Minuten habe ich dich nicht mehr gesehen. Wir haben eine unfassbar schöne und innige letzte Nacht als Verlobte verbracht und am frühen Morgen einen letzten gemeinsamen Kaffee getrunken. Sieben Minuten standen wir schweigend, nackt und eng umschlungen am Panoramafenster. Die Sonne kroch in diesen sieben Minuten langsam aus den Bäumen hervor. Niemals werde ich diesen Sonnenaufgang vergessen. Für immer werde ich dein Herz an meiner Schulter klopfen spüren, deine Lippen an meinem Nacken.
Nur noch sechs Minuten. Da meine Trauzeugin und beste Freundin Tina den großen Auftritt liebt, fahren wir erst jetzt auf dem Parkplatz ein. Mir scheint, dass alle nur noch auf uns warten. Mein Blick hat dich nur gestreift, viel zu schnell bist du wieder verdeckt.
Fünf Minuten. Meine und deine Mutter helfen mir aus dem Wagen, richten die kleine Schleppe und wischen sich alle beide verstohlen Tränen aus dem Gesicht. Ich bekomme den Brautstrauß in die Hand gedrückt. Dabei sehe ich über ihre Schulter, aber ich kann dich nicht sehen.
Vier Minuten bis zu unserem Termin. Endlich sind alle zufrieden mit der Schleppe, dem Strauß und überhaupt. Ich schmunzle ob der ganzen Aufregung. Für mich zählst nur du und ich kann es kaum erwarten dein Gesicht zu sehen. Wenn du dieses Kleid siehst, ich bin so furchtbar gespannt auf deine Reaktion.
In drei Minuten müssen wir im Traumzimmer sein, doch gerade erst tritt die Hochzeitsgesellschaft des Paares vor uns auf die Treppe des Gebäudes. Und nun endlich kommst du auf mich zu. Dein Blick ist voller Liebe und Zärtlichkeit als du dich mir langsam, näherst. Du musterst mich genau, deine Lippen zucken kurz und dann nimmst du endlich meine Hand. Mein ganzer Körper bebt vor Erwartung.
Zwei Minuten. Der sanfte Küsse auf meinem Handrücken erregt mich beinahe. Du flüsterst. Sagst mir, dass ich unglaublich aussehe. Ich lächle und finde ich umwerfend.Tief sehen wir uns in die Augen, dann reichst du mir deinen Arm und führst mich zur Treppe.
Eine letzte Minute. Wir erreichen den Absatz, dort steht als letzter dein Trauzeuge, der wie immer den Überblick behält. Er zwinkert mir zu und geht dann vor uns in das Trauzimmer.
Wir bleiben stehen.
»Wir könnten noch kurz warten, dann sind wir sieben Minuten überfällig«, schlägst du vor.
Deine Augen blitzen vergnügt.
In sieben Minuten kann man durchbrennen. Zurück zum Auto und ab auf die Autobahn.
In sieben Minuten kann die Welt still stehen oder sich doppelt so schnell drehen. Je nachdem, was man so vor hat.
In sieben Minuten werden Penne gar, kann ich einen Kilometer joggen oder mich schminken.
Du beugst dich zu mir, gibst mir einen verführerischen Kuss und greifst dann ganz fest meine Hand.
Wir sind drei Minuten drüber, als wir den Raum betreten.
Überall leises Murmeln und ein Raunen, als du mich stolz zu unserem Platz bringst und den Stuhl zurecht rückst.
Fünf Minuten nach der Zeit schließen unsere Trauzeugen die Tür und nehmen mir den Brautstrauß ab.
Dann setzten auch sie sich und die Beamtin sieht sich im Raum um, dann schiebt sie ihre Mappe etwas vor sich und setzt ihre Lesebrille auf.
Ich spüre deine Finger, die meine fest umschlossen halten.
Sehe zu dir.
Noch ein letztes Flüstern hinter uns, ein Räuspern deines Vaters.
Die Uhr springt auf sieben Minuten nach.
Ich drücke deine Hand.