Prompt: Rote Schuhe
Diese roten Schuhen.
Natürlich würde er sie immer erkennen.
Und natürlich vermisste er sie.
Zu genau konnte er sich erinnern, wann und wo sie sie gekauft hatte.
Unsicher war sie im Laden damit auf und ab gelaufen, hatte sich bestimmt hundert Mal vor dem Spiegel im Kreis gedreht.
Dabei hatte sie überlegt, ob sie wohl zu dieser einen Jeans passen würde. Und zu dem schwarzen Kleid. Waren die Absätze nicht zu hoch? Sie wollte auf keinen Fall billig wirken, erklärte sie. Nochmal war sie auf und ab gegangen und hatte dann angefangen mit dem Preis zu hadern. Und überhaupt, wann sollte sie sie jemals anziehen? Immerhin würde sie in wenigen Monaten eine Babykugel vor sich herschieben und dann wären solche Stöckelschuhe ja gefährlich. Vielleicht würde sie ihre Figur anschließend nie wieder bekommen und darin maximal albern aussehen. Wie ein Elefant auf Rollschuhen. Außerdem viel zu gewagt. Eigentlich gar nicht ihr Style. War sie nicht eher der sportlich, legere Typ?
Irgendwann hatte er ihr die Schuhe einfach aus der Hand genommen und sie zur Kasse getragen.
Ja, zur engen dunklen Jeans würden sie hervorragend aussehen, zwinkerte er.
Zu dem Kleid sowieso.
Und ganz ohne Kleidung konnte er sie sich sowieso vorstellen. Da hatte sie ihn verspielt in die Seite geknufft und die Kassieren hatte ein Lachen unterdrückt.
Zu hohe Absätze gab es zudem nicht, erklärte er ihr weltmännisch. Außerdem war er selbst über 1,90 Meter groß, da würde sie selbst mit diesen Absätzen nicht heranreichen. Und selbst wenn, ihm wäre das egal. Piepegal sogar. Solange sie nur neben ihm stand oder ging.
Billig? Er hatte geschnauft und die Kreditkarte gezückt. Bei diesem Preis, der zugegebenermaßen kein Pappenstiel war, konnten diese Schuhe überhaupt nicht billig wirken. Warum auch? Wegen der Höhe? Wegen der Farbe?
So ein Blödsinn.
Dann hatte er ihr eine Handvoll Gelegenheiten aufgezählt, wann sie diese Schuhe anziehen könnte. Zu der besagten Jeans oder eben jenem Kleid. Die anstehende Hochzeit seines Bruders zum Beispiel. Das dazu passende Kleid würde sich finden. Zu einer Premiere, die demnächst anstand. Bis dahin wäre die Babykugel noch nicht so riesig, als würde es frivol wirken. Zu Empfängen. Galas. Einfach nur für ihn, wenn sie mal schick essen gehen würden. Oder feiern. Oder eben in trauter Zweisamkeit. Dabei hatte er frech gegrinst und ihr strahlend die Tüte gereicht.
Außerdem zweifelte er keine Sekunde, dass sie nach der Geburt schnell wieder in Form sein würde. Denn ja, grundsätzlich war sie ein sportlicher Typ. Und auch mit ein paar Kilos mehr würde er sie niemals als albern bezeichnen. Auch nicht mit diesen verwegenen Schuhen. Gewagt ja, aber eben nicht zu viel. Er zählte auf, dass sich andere Frauen maximal aus Neid umdrehen würden. Aber das wäre ja dann deren Problem.
Und außerdem, so flüsterte er ihr auf dem Gehsteig ins Ohr, fand er sie einfach nur unwiderstehlich sexy.
Sie trug die Schuhe dann tatsächlich auf der standesamtlichen Hochzeit. Sein Bruder und dessen Zukünftige hatten nicht auf eine festliche Kleiderordnung bestanden. Er musste sich ein schelmisches Grinsen verkneifen, als sich seine gerade angetraute Schwägerin äußerst lobend über die Schuhe äußerte. Und wie er vorausgesagt hatte, reichte sie ihm auch mit diesen Absätzen gerade mal zum Kinn. Am Abend schmerzten ihre Füße. In der Tat waren diese solche Schuhe nicht gewohnt. Er nutzte die Gelegenheit zu einer ausgiebigen Massage derselben. Und zu mehr. Bisher hatte er sie aber nicht überreden können, mit nichts als den Roten zu ihm ins Bett zu kommen.
Ehe der Babybauch dann tatsächlich verhinderte, dass sie mit geschwollenen Füßen herumlief, trug sie das schicke Exemplar noch einmal auf der Gala-Premiere. Stolz führte er sie über den roten Teppich und funkelte sie verliebt an. Jeder sollte sehen, dass sie, diese atemberaubend schöne Frau, seine war. Die sein Kind trug. Und eben waffenscheinpflichtige rote, hohe Schuhe. Er kämpfte mehr oder weniger erfolglos gegen ein breites Grinsen, als er sich beim Schlussapplaus verbeugte. Die Schuhe leuchteten ihm den Weg zu ihr.
Dann kam das letzte Drittel der Schwangerschaft und die Schuhe standen nur noch hübsch im Regal. Er war es, der sie regelmäßig pflegte, wenn er sowieso die anderen Schuhe putzte. Und noch immer träumte er seine Fantasie. Nur sie. Die Schuhe. Sonst nichts. Albern, schimpfte er sich. Wir sind doch keine Teenager mehr. Aber das Bild ließ ihn einfach nicht los.
Die Monate zogen ins Land.
Sie stand eines Morgens vorm Spiegel und drehte sich in diesem Kleid.
Ob sie es wohl noch tragen konnte?
Die Babypfunde saßen hartnäckig, aber purzelten langsam dem Ziel entgegen.
Er lehnte am Türrahmen und nickte zufrieden. Fragte nach der dunklen, engen Jeans.
Sie zweifelte, schlüpfte nur seinetwegen hinein.
Sprachlos musterte sie ihr Spiegelbild. Er lief los und holte die Schuhe.
Lachend bändigte sie ihre Locken.
Ob das sein ernst sei?
Schulterzuckend half er ihr in den ersten Schuh.
Wie schön sie war.
Wie angegossen.
Noch etwas unsicher lächelte sie ihn an.
Immerhin war das eine Preisverleihung.
Na und?
Er nahm sie an die Hand.
Zufällig hatte er die passende Bluse entdeckt. Das identische Rot. Wie gemacht für sie. Er hatte nicht wiederstehen können. Schon seit ein paar Tagen bunkerte er die Tüte im Auto.
Pure Seide.
Raffiniert geschnitten.
Überrascht sah sie ihm zu, als er sie nach oben brachte.
Sofort war er sich sicher, sie würde atemberaubend aussehen und jeder anderen Frau die Show stellen.
Die Fotografen waren begeistert und sie fand Geschmack daran, ein wenig zu posieren. Ihm fielen keine Attribute mehr ein, um sie zu beschreiben. Um sein Glück, seine Liebe oder seinen Stolz auch nur annähernd in Worte zu fassen.
Traumpaar, tuschelte man in ihrem Rücken.
Schönste Garderobe des Abends, hörte er.
Und das, obwohl einige der Damen der Zunft sich in etwas zu kurze oder zu enge Kleidchen geschält hatten.
Hauptgewinn, raunte ihm ein Kollege zu.
Er lächelte nur milde und wünschte sich, dass sie schnell würden verschwinden können.
In jener Nacht erfüllte sie ihm seinem Wunsch.
Sie liebten sich gierig und voller Lust.
Zu guter Letzt verbannte er die Schuhe aus dem Bett, die Absätze waren einfach zu spitz. Aber er vergaß die Nacht nie.
Sie trug die Schuhe noch ein paar Mal.
Bei ihrem monatlichen Date, bis sie wieder schwanger wurde.
Auf zwei weiteren Premieren.
Dann war da dieses wildlederne Paar, in das sie sich Knall auf Fall bei einem Bummel verliebte.
Ebenso hoch.
Ebenso extravagant.
In Blau.
Diesmal zögerte sie keine Sekunde.
Nun, vor ein paar Stunden hatten sie die Ankleide aufgeräumt und ihm die Schuhe vor die Nase gehalten. Ob er sie noch kennen würde?
Kennen?
Lustig, dachte er und schob sich die Haare verlegen aus der Stirn.
Nun, er hatte nur noch eine Bitte.
Sie brach in ein Lachen aus und küsste ihn vielversprechend.
Zum Abschied, meinte sie zwinkernd.