Prompt: Der / Die Schöne und das Biest
Startzeit: 20:58 Uhr
Ende: 21:51 Uhr
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Mit einem Glas Wein in der Hand schlenderte Alex durch den Raum. Suchend sah er sich um. Unfassbar, wie viele Menschen hier waren. Da hatte Klaus nicht zu viel versprochen. Die gerade mal 60 qm große Wohnung schien aus allen Nähten zu platzen. Die Musik lief auf Anschlag und überall wurde getanzt, getrunken und sich lautstark unterhalten. Alex wollte lieber nicht wissen, was die Nachbarn davon hielten. Es wäre nicht das erste Mietverhältnis, welches Klaus wegen Ruhestörung vorzeitig gekündigt werden würde. Wie so oft musste dann schnell eine andere Bleibe her und nicht selten campierte er tagelang in Alex´ Wohnzimmer. Ganz zu besonderen Freude von Heike, die Klaus sowieso nicht ausstehen konnte. Sehr zu ihrem Leidwesen hatte Alex den Beratervertrag mit dem hochtalentierten Tänzer gerade erst verlängert. Dabei war er mit Sicherheit der anstrengendste Künstler, den Alex gerade unter Vertrag hatte. Aber eben auch einer, an dem er gut verdienen konnte, denn im Grunde konnte sich Klaus seine Engagements aussuchen. Seit ein paar Monaten aber legte er wert auf Anstellungen in de Region. Denn Klaus war verliebt. Und diese Feier die Geburtstagsparty seines aktuellen Lovers. Alex wusste nicht, ob die Sache ausnahmsweise länger halten würde, aber zumindest bescherte sie dem Tänzer gute Laune und einen stabilen Alltag.
Im Moment konnte er Klaus nirgends entdecken, wohl aber den Anlass der Einladung. Ilija stand auf dem Balkon und rauchte. Alex erkannte auf den ersten Blick, dass er lieber nicht genauer wissen wollte, was genau da im Spiel war. Wie immer war der junge Russe umgeben von seinen Kollegen. Vor einer halben Stunde hatten sie noch im Wohnzimmer ein paar spontane Choreos zum Besten gegeben. Dabei hatte Alex auch seine Begleitungen aus den Augen verloren. Seine Frau war Zuhause geblieben. Die kleine Chiara zahnte und sie hatte die Kinder daher nicht dem Babysitter überlassen wollen. Alex vermutete, dass ihr die Ausrede ganz gut in den Kram gepasst hatte. Wie gesagt, sie mochte Klaus nicht. Und Ilija ebenso wenig.
Er zuckte zusammen, als er eine Hand auf seinem Unterarm spürte, dann lachte er erleichtert auf. Jule deutete zur Küche und erklärte ihm, dass er Klaus dort finden würde, sofern er ihn denn überhaupt suchen würde. Alex schüttelte den Kopf und stellte sein leeres Glas ab.
"Danke, aber ich war auf der Suche nach euch. Meine offizielle Schuldigkeit ist getan.", meinte er. Die Blondine lachte und blickte ihn bedauernd an. Auch Jule kannte sowohl Klaus als auch Ilija gut, hatte mit beiden an dem Theater gearbeitet, an dem sich die beiden Tänzer kennen und lieben gelernt hatten. In der Maske liefen die Gerüchte zusammen. Über Jule hatte Alex früher gewusst, dass sich etwas anbahnte, als er es schlussendlich von Klaus erfuhr. Was wiederum für ihn in Ordnung ging. Das Privatleben interessierte ihn nur dann, wenn es Einfluss auf die Planungen nahm. Oder wenn es Probleme bedeutete.
"Was macht eigentlich Paulsens Assistentin hier?", fragte Jule ihn unvermittelt. Alex verschluckte sich beinahe am Wein.
"Allein?", fragte er und zog eine Augenbraue hoch. Das Gejohle auf dem Balkon wurde lauter, offenbar wirkten die Substanzen im Rauchwerk schnell. Irgendjemand wechselte die Playlist und zu Alex´ Entsetzen ertönten die Backstreet Boys. Was die jungen Tänzer wieder in das Wohnzimmer trieb. Schon vorhin hatten sie dazu improvisiert. Während er beobachtete, wie Ilija übermütig herumhüpfte, nickte Jule.
"Ohne Paulsen jedenfalls.", war ihre Antwort. Alex legte den Kopf schief. Ob Klaus gefallen würde, dass Ilija so auf Tuchfühlung ging? Hoffentlich stand kein weiteres Liebesdrama an. Das letzte hatte ihn erste graue Haare gekostet. Und etwa 5.000 EUR Strafgebühr, weil Klaus einige Auftritte geschwänzt hatte.
Jule riss ihn wieder aus den Gedanken.
"Stimmt es, dass Paulsens Agentur für die Werbekampagne des Theaters den Zuschlag erhalten hat?", fragte sie. Das musste Alex bestätigen. Dabei hatte dessen Assistentin eine nicht unwesentliche Rolle gespielt. Man munkelte, sie sei zwar mit dem Boss der Werbeagentur liiert, habe aber dennoch vor unlauteren Methoden nicht zurückgeschreckt. Genau genommen soll sie mit dem kaufmännischen Leiter ein Verhältnis gehabt haben. Und jener wiederum habe ihr den Auftrag zugeschustert.
Alex verabscheute diese Machenschaften zu tiefst. Die Agentur Paulsen war grundsätzlich keine schlechte Adresse, hatte solche Methoden an und für sich nicht nötig und all dies hinterließ einen bitteren Beigeschmack.
Wieder sah er sich um.
"Ich kann sie gar nirgends sehen?", stellte sie fest. Auch Jule drehte sich um die eigene Achse.
"Vorhin stand sie mit ihrer Freundin bei den Kiffern. Oder was auch immer da geraucht wurde.", meinte sie. Die besagte Freundin hatte es sich in einem Sessel bequem gemacht und beobachtete sichtlich angetrunken das Geschehen in der Raummitte.
"Vielleicht sollten wir bald gehen.", stellte Alex trocken fest.Ilija und seine Tanzfreunde tobten sich gerade zu einer Rapnummer aus, die Alex nicht kannte. Klaus lehnte dabei am Türrahmen und feuerte Ilija an.
"Wo hast du eigentlich Jan gelassen?", wollte Jule wissen. Überrascht stellte Alex sein leeres Glas ab.
"Das wollte ich gerade dich fragen.", gab er zurück. "Immerhin hast du ihn mitgebracht."
Bei seinen Worten ließ er seinen Blick schweifen. Es hätte ihn schon sehr gewundert, wäre Jan unter den Tänzern gewesen. Auf dem Balkon stand nur noch ein Pärchen, dass sich einen Joint teilte. Er löste sich von seinem Platz im Durchgang zum Flur und warf einen Blick in die Küche. Dort ließen weitere Kollegen von Klaus und Ilija gerade eine Rumflasche kreisen und boten ihm einen Schluck an. So höflich wie möglich lehnte er bestimmt ab und ging zurück zu Jule. Die hielt ihr Handy in die Hand und schüttelte den Kopf.
"Geht nicht ran. Vielleicht ist er schon los?", überlegte sie. Alex runzelte die Stirn. Er kannte Jan seit Jugendtagen. Sie hatten schon zusammen die Grundschulbank gedrückt. Nein, er hätte sich verabschiedet. Zumal er über das Wochenende nur zu Besuch war und bei Jule schlief. Gut, er hatte einen eigenen Schlüssel für die Tage, aber es sah ihm nicht ähnlich.
Blieben nur zwei Räume in der Wohnung.
Im Wohnzimmer steigerte sich die Stimmung weiter. Michael Jackson besang Billie Jean. Klaus, der alles andere als nüchtern war, strahlte wie ein kleines Kind.
Jule klopfte schon an der Badezimmertür, die dann grob aufgerissen wurde. Lena, die einst eine Affäre mit Klaus unterhalten hatte (er darauf bestand, dass er sich beiden Geschlechtern angezogen fühlte), fuhr die Maskenbildnerin an: "Kann man nicht mal in Ruhe kotzen?" Jule entglitten die Gesichtszüge und Alex nahm die gute Freundin aus der Schusslinie. Lena warf die Tür wieder ins Schloß. Von innen natürlich.
Jule schüttelte den Kopf und murmelte etwas vor sich hin. Zartbesaitet war sie nun wirklich nicht, wie Alex wusste.
Gerade als er ihr vorschlagen wollte, dass sie vielleicht doch einfach gehen sollte, öffnete sich die Schlafzimmertür am Ende des Gangs. Jule riss die Augen entsetzt auf. Alex drehte sich herum und sah in das gerötete Gesicht von Diana Meister, der besagten Assistentin.
Durchaus eine sehr attraktive Frau.
Lange, hellblonde Haare.
Zierliche Figur.
Auffallend wohlgeformte Brüste.
Vielleicht etwas zu rote Lippen.
Der Ledermini schien verrutscht.
Sie hielt die offenen Pumps in der Hand.
Dahinter tauchte Jan auf, der sich verlegen durch die Haare fuhr.
Das triumphale Lächeln der Frau sollte Alex lange nicht vergessen.
"Bitte nicht.", entfuhr es Jule. Die Andere schlüpfte gelassen in die Schuhe und betrachtete Alex und Jule aufmerksam. Dann ging sie erhobenen Hauptes an ihnen vorbei und verschwand in der Küche.
"Jetzt sag mir bitte nicht, dass du mit diesem Biest hier gevögelt hast?", für Jule ihren besten Freund an.
Jan zuckte mit den Schultern.
"Und wenn schon.", gab er knapp zurück. Er hatte die Tür hinter sich zugezogen und dagegen gelehnt.
"Oh bitte nicht.", söhnte Jule aus. Auch Alex musterte seinen Freund fragend. An und für sich mischte er sich auch bei seinem ältesten Freund nicht ein, aber hier hatte er sofort kein gutes Gefühl.
Hinter ihm hörte ein Kichern. Diana Meister stand mit der Rumflasche auf der Schwelle zur Küche.
"Das ist ja lustig. Der Schöne und das Biest!"
Sie lachte und setzte dann die Flasche an.
"Aber auf Happy Ending stehe ich eigentlich nicht. Auf Märchen schon gar nicht." Sie hielt erst Alex, dann Jule die Flasche hin. Beide lehnten ab. Auffordernd sah sie zu Jan.
"Noch ein bisschen Spaß, Honey? Wir haben auch noch guten Stoff hier drüben.", lockte sie ihn. Dann drehte sie sich auf den schwindelerregenden Absätzen um und verschwand in der Küche.
"Komm, wir gehen.", schlug Jule vor.
Jan sah Diana hinterher.
"Lass die Finger davon.", riet Alex.
Und er meinte nicht nur den Rum oder das Marihuana.
Später wünschte er sich oft, sie hätten Jan einfach eindringlicher überredet, mit ihnen zu kommen.