Shadrach hatte beschissen geschlafen. Erste Nacht im fremden Bett war spitzenmäßig gelaufen und er hoffte, dass wirklich nichts von der abgefahrenen Scheiße, die er im Traum erlebt hatte, sich bewahrheiten würde. Im Bad versuchte er das Licht anzumachen, doch als er den Schalter betätigte, brannte die Birne augenblicklich durch und er war mit dem schummrigen Licht allein, das durch das Fenster herein schien. Shadrach spuckte einmal dagegen und versuchte, es etwas sauberer zu machen. Aber außer dass es anstrengend quietschte und seinen Finger dreckig machte, geschah nichts, sodass er zum Entschluss kam, dass der Schmutz wohl ein essentieller Bestandteil der Fensterscheibe war.
Das Gute am fehlenden Licht war, dass er sich so nicht so gut im Spiegel sehen konnte. Er wusste, was er sehen würde und er wusste auch, dass es ihm nicht gefallen würde.
Er drehte den Wasserhahn auf und klatschte sich eine Ladung Wasser ins Gesicht. Zu spät bemerkte er, dass das eine unkluge Entscheidung gewesen war und er konnte nur schwerlich einen Schmerzensschrei unterdrücken. Stattdessen gab er ein gedämpftes Schnauben von sich, als er die Lippen zusammenpresste, den Schmerz hinunter schluckte und sich gegen die Schläfe schlug.
Seine Wangen fühlten sich an, als hätte jemand seine Haut in Brand gesetzt. Es gab nichts an ihnen, das nicht weh tat und es war furchtbar. Für einen Moment fragte er sich, warum er die Nacht eigentlich hatte schlafen können, doch da fiel ihm ein, dass er am Abend etwas gegen die Schmerzen bekommen hatte. Was auch immer das gewesen war, es hatte gut getan. Er könnte schon wieder etwas davon nehmen.
Was auch immer die ihm vom Militär ins Gesicht gebrannt hatten, es begann zu heilen und sich gleichzeitig an den Rändern grün zu verfärben. In seinem Leben hatte er schon einige eklige Dinge zu Gesicht bekommen; dies hier eröffnete ihm eine neue Kategorie davon. Doch das war ihm bewusst gewesen, schon kurz nachdem er da herausgekommen war. Die Farbe war keine Entzündung oder eine Nekrose, es war tatsächlich einfach nur das: Farbe. Wie bescheuert. Ihn wie ein Rind abzustempeln.
Es klopfte und Shadrach machte ein vages Geräusch. Die Tür öffnete und schloss sich wieder. „Shadrach?“
„Hm“, machte er erneut und drehte sich um, weil er sein Spiegelbild Leid war, und öffnete die Badtür. „Was' los?“
„Ich wollte nur nach dir schauen“, antwortete Shin, die sich auf sein Bett gesetzt hatte. „Wie geht es dir?“
Shadrach wollte nicht darüber nachdenken und ging zu ihr. „Müde.”
„Nicht gut geschlafen?“, fragte sie nach und als er sich neben sie setzte, drehte sie sein Gesicht zu ihm, um es vorsichtig abzutasten, darauf bedacht, nicht die Verletzungen zu berühren.
Er schüttelte den Kopf. Ihm war bewusst, dass sie mit ihren Augen mit den milchigen Pupillen nichts sehen konnte, aber gerade als Geist verfügte sie über genug Energie, um sich auf magische Weise zu orientieren. Es machte sie jedoch auffällig für jeden, der darauf geschult war, eben solche Energien wahrzunehmen – und es verbrauchte viel davon. Für einen Menschen wäre das keine Alternative. Außer vielleicht einen besonders krassen. Shadrach schätzte sich nicht als krass ein, aber auf der anderen Seite war er auch erst fünfzehn, wenngleich er wenig Ambitionen hatte, irgendwann mal krass zu werden. Eigentlich wollte er nur seine Ruhe.
„Es ist ja auch viel geschehen.” Sie seufzte. Anschließend holte sie eine kleine Dose aus ihrer Umhängetasche. „Du warst noch nicht duschen, oder?“
Er schüttelte erneut den Kopf, als sie sein Gesicht losließ.
„Hm, dann solltest du zuerst duschen. Und danach diese Creme auftragen, das sollte den Schmerz lindern und den Heilungsprozess vorantreiben."
Diesmal nickte er, nahm es entgegen. „Wie schlimm riecht es?“
„Ein wenig nach Kot und Verwesung“, sagte sie lächelnd, woraufhin er amüsiert schnaubte.
„Danke.“ Er betrachtete die Dose in seiner Hand. Sie war aus leichtem Metall und hatte eine raue, abgenutzte Oberfläche. „Ist die Vampirkatze noch da?“
„Ist sie. Sie will dich noch einmal sprechen, also beeil dich lieber. Und vergiss nicht, dass du abwaschen musst.“
Er seufzte.
„Sehen wir uns unten?“, fragte sie und stand auf, wartete aber nicht auf eine Antwort. Mittlerweile kannten sie sich ein wenig. Er wusste, dass sie Menschen gut lesen konnte und sie wusste, dass er es bevorzugte, nicht mehr zu reden als nötig.