„Schneller!“ – „Höher!“ – „Mach schon!“
Rambo blühte auf, war in seinem Element und liebte es, mich anzuschreien. Dabei tat er es nur, damit ich mich gut genug fühlte und um die Nacht zu überstehen. In meine schrägen Gedanken zwischen Ich kann nicht mehr und Ich will heim sowie Du kannst mich mal, Rambo schlich sich auch ein Video ein, in welchem Soldaten oder Beamte mit einem Quietschehühnchen dazu gebracht wurden, ernst zu bleiben. Wer lachte, musste Liegestützen machen bis zum Umfallen.
Verglich ich mich nun mit den armen Menschen, die doch nur heiter lachen wollten, verstand ich sie nun allzu gut. Denn jedes Mal, wenn ich ihren Namen aussprach, Rambo bat, langsamer zu machen oder einfach nur traurig vor mich hinstarrte, kam mein bester Freund zu mir und bot mir ein weiteres Gerät an, in welchem ich meinen Frust auslassen konnte. Sicherlich bot er sich auch selbst an, als ein „Vergiss es, Rambo“ mir rausrutschte. Doch der Hüne hatte nur träge gelächelt und auf das Laufband gezeigt. Also war mein Quietschehühnchen ein hundert Kilo schwerer Muskelmann. Und zu lachen wäre mir sichtlich nicht in den Sinn gekommen. Eher, wann meine Muskeln zu Wackelpudding wurden.
Nach anderthalb Stunden entließ man mich in die Duschen ein Stockwerk tiefer. Das FitnessCenter war bereits zu, keiner mehr mühte sich ab, seine Kalorien zu verbrennen. Ich keuchte zwischen den Atemzügen, schlurfte nackig unter den warmen Strahl und vergaß, heute bereits geduscht zu haben. Der Schweiß löste sich leicht, während der nach Kokos riechende Shampooduft in der Luft hing. Der Mann vor mir, der hier geduscht hatte, schien wohl diesen stechenden Duft zu mögen. Es störte mich nicht und erinnerte mich bereits unzählige Male an meine Liebe, die mir nicht vertraute.
Natürlich hatte ich gewartet, ihr Zeit gegeben und auch sie erneut angerufen. Doch weder ging die Mailbox ran, noch hatte sie mir etwas geschrieben. Es schien so seltsam wie auch kurios. So wie mein gesamter Sonntag.
Mein Körper forderte den Tribut und das Hohegefühl, das ich während des Trainings hatte, verebbte mit jedem Herzschlag. Mir fielen die Augen nicht zu, aber die Ruhe, die sich über mich legte, war ruhig und selig. Wie ein weiter Ozean, der voller Sonnenstrahlen beleuchtet wurde und die Natur sich langsam für die Nacht vorbereitete, kramte ich nach dem Umziehen nach einem Krapfen und ertastete etwas Hartes. Ich stockte in der Bewegung, die Haare mit der Hand durchzukämen und dachte schon, ich hätte die Bürste erwischt.
Etwas Kaltes umklammerten meine Finger, ertasteten Kanten und eine glatte Fläche. Es war nicht größer als meine Hand, also umschloss ich diesen und zog den Gegenstand raus. Mit großen Augen sah ich zu, wie der Bernstein in meiner Hand zu leuchten begann. Es verebbte sofort, mattete ab, sodass nur die Deckenleuchten den Kristall reflektierten.
„Was zur Hölle?“, fragte ich mich, als grobe Schritte vor der geschlossenen Tür meine Aufmerksamkeit erforderten. Geistesgegenwärtig schob ich den Bernstein mit der Faust in meine Jogginghose, während ich „Herein“ rief. Rambo machte sich nicht fiel aus Manieren, wenn er allein oder unter Freunden war, also tapste er nur mit einem Handtuch bekleidet in die Kabine.
„Hey“, murmelte er nur und klopfte mir auf die Schulter. Er schien ein wenig geistesgegenwärtig zu sein, schaute man mir vorbei und schließlich auf den Boden. „Ich muss dir was sagen.“
Ich spannte mich an, dachte sogleich an meine Partnerin und wollte bereits stänkern, als er zu mir aufblickte. Tiefdunkle Augen, besprenkelt mit braunen Punkten hatten die Frauenherzen immer höherschlagen lassen. Doch ich trat nur unweigerlich einen Schritt zurück.
„Gunnar!“, warnte ich ihn, weil Sentimentalität bei ihm so selten war wie bei mir die sportlichen Einheiten wie heute. „Was ist los?“
„Ich hab..“, fing er an, doch kam nur näher und uns trennten nur noch weniger Zentimeter. „Ich muss mit dir reden.“
„Hat das was mit Annika zu tun?“
Er schüttelte nur traurig den Kopf, was weder eine Antwort noch eine Frage darstellte. Vielmehr blickte ich ihn ratlos an wie er mich zuvor. „Öhm, ja klar, hau raus.“ Der Versuch, ihm ein wenig die Spannung zu nehmen, half nicht. Doch als ich meine Hand freundschaftlich auf seine Schulter legen wollte, zog er sich augenblicklich zurück.
„Mach dich am besten fertig, wir gehen was essen.“ Der Vorschlag war vortrefflich, dennoch fragte ich zögerlich. „Wo willst du abends um halb elf noch was bekommen?“
„Irgendein Laden wird schon offen haben.“ Rambo legte den Kopf schräg und schaute zum Spint.
„Rambo…?“, versuchte ich er erneut, doch er bog ab, machte kehrt und rief noch zu, er warte am Eingang.
Blinzelnd blieb ich in der Kabine stehen, dann blickte ich zur Decke. „Lieber Herrgott, habe ich nur so ein beschissenes Karma oder magst du mich einfach nicht mehr?“ Da mir der liebe Allvater so oder so nicht antworten würde, betrachtete ich erneut den Edelstein und stopfte alles zusammen in die Tasche.
Oben angekommen sah Rambo in die Dunkelheit hinaus, stand vor der Flügeltür und eine Zigarette zwischen den Fingern. Ich blieb erstarrt stehen, holte mein Handy raus und machte ein Bild. Gunnar hasste dies sicher zwar, aber ansonsten würde ich meinem Hirn nicht mehr trauen können. Schnell trat ich aus der Glastür, übernahm den Schlüssel und kniete mich hin. Ohne ihm in die Augen zu blickten, fragte ich: „Sag mal, seit wann rauchst du wieder?“ Das Schloss klickte ein.
„Ist ´ne Stresssituation...“, murrte er, zog zweimal daran, trat sie aus und flippte sie gezielt in den nächstbesten Mülleimer. „Aha. Willst du mir jetzt sagen, was dich so stresst?“
„Ja, es ist…Ich hab´ n Laden zwei Straßen weiter gefunden. Sind halt Fritösenschnitzel, aber ich lade dich ein. Ich habe sonst keinem, dem ich das…“
Wir wurde je unterbrochen, als ich zum zweiten Mal an diesem Tag Autoriefen quietschen hörte. Wie vom Teufel besessen sprang ich trotz der kräfteentzerrten Beine wie eine Katze auf, versteckte mich sinnloser Weise hinter meinem Freund, der wie erstarrt das Fahrzeug betrachtete.
Ich sah erschrocken zu, wie die beiden Typen von heute Morgen ausstiegen. Rambo spannte sich an, wollte schon losstürmen und mich wohl beschützen, bis der große Anzugträger die Pistole rausholte, zweimal schoss und der schwere Leib Gunnars mich mit zu Boden zog.
Das Leuchten der Pistole dämmerte meine Sicht, doch die Schwerkraft zog mich nach hinten, das Gewicht Rambos hielt mich fest und die Situation fror ein. Bevor ich etwas sagen konnte, blickte ich atemlos in die Rohrmündnung des kleineren Mannes.
„Hier steckst du also, Vayandana!“