Erde schoss auf die Frau zu, die geistesgegenwärtig eine Schallmauer um sich herum ausbreitete. Dabei knockte die ihren Leibwächter aus, der ohnmächtig zu Boden ging. Zufrieden sah ich zu, wie Fahid fiel wie ein nasser Sack, während ich mich aufstemmte und mich um Annika kümmerte. Tonnenweise Erde sammelten sich unter meinen Händen, während ich immer und immer mehr Erde über ihr sammelte, doch nicht als gesammelten Angriff, sondern von allen Seiten.
Schließlich schaffte sie es, sich selbst einzuschließenden und den Kokon des Schutzes um sich herum aufrechtzuerhalten. Keuchend sah sie zu, wie ich meinen Angriff zurückzog und lächelte. Zwar hatte sie den Bernstein immer noch in der Hand, wiederum trennten uns nun mehrere Meter. Und um Schall zu durchbrechen, müsste sie mehr Frequenzen aufbauen und würde damit ihren Kokon zerstören. Dadurch hatten ich sie in der Tasche. Vorerst jedenfalls. Vaya keuchte auf, doch ich beachtete sie nicht.
Ich schaffte es, mich aufzustemmen und den Dreck von der Kleidung zu wischen. Zu meinen Füßen lag der kleine Mann, Fahid.
„Das hat wehgetan“, knurrte ich. Während Fahid zuckte, als wäre er vom Blitz getroffen worden, schrie Annika seinen Namen. Ich sah hoch, doch das Mitleid war aus meinem Blick gewichen.
„Wie viel ist er dir wert?“, fragte ich so laut, dass sie mich verstehen konnte. Annika holte Luft, schritt zurück und biss die Zähne aufeinander.
„Du würdest ihn nicht töten! Dafür bist du zu...“ Und schon durchbohrte ein Pfeil seine Kehle. Fahid röchelte nur noch, sah mich an, während er seine letzten Atemzüge tat. Dunkles Metall glänzte in dem Mondschein, während die Wolken hin und wieder das Licht verdeckten.
„Wie..?“, japste sie, während auch Vaya hinter mir verstand.
„Ich bin zu schwach?“, fragte ich amüsiert und formte das Metall neu, das in meiner Hand kreiste wie Wasser in einem Glas. „Ich könnte ihn nicht töten?“ Langsam, wirklich langsam stieg ich über die Leiche hinweg und ließ das Metall gefährlich kreisen. Annika hob die Hand und fluchte, als würde ihre Fähigkeit nicht funktionieren.
„Du vergisst, dass es auch Bodenschätze gibt. Aluminium zum Beispiel. Ist von Natur aus nicht magnetisch und nur dann, wenn man es magnetisch werden lässt. Hättest du deine Fähigkeiten durch den Boden laufen lassen, wäre ich am Arsch. Aber so...“ Ich blieb vor ihrer Kuppel stehen.
Annika sah zu mir hoch, zitterte und schien endlich zu verstehen, was ich war. Mir war bewusst, dass meine grauen Augen wie der Tod aussahen und die langen Haare es nicht besser machten. Das Lächeln wirkte ebenfalls wie ein Versprechen. Und das stellte es auch dar.
„Leg dich einfach nicht mit mir an.“
Annika wollte den Schwung nutzen und den Schall ausbreiten, doch ich jagte mein Aluminium zusammen mit weiterem Dreck durch die Erde zu ihren Füßen und überraschte sie, da ihr Kokon nicht den Boden unter ihr einschloss. Sofort klammerten sich das nach meinen Willen geformte Leichtmetall um ihre Handgelenke und Füße und zogen sie auf den Boden. Die Mauer vor mir wackelte, bis schließlich ihre Verteidigung brach und sie auf die Knie gezogen wurde. Mit aller Kraft zog die Frau an den Fesseln und mir war klar, dass reines Leichtmetall durch bloße Willenskraft allein schon verbogen werden konnte. Das Suchen in dem Boden nach dem Aluminium hatte all meine Konzentration gekostet, doch den kurzen Sieg gönnte ich mir. Sofort sprang Georg um die Ecke, ohne, dass ich etwas sagen musste.
Annika glitt schlafend zu Boden, während Vaya den Bernstein schnappte und sich sofort eine explosionsartige Welle ausbreitete. Ich sah, wie meine Metallfesseln zerbröckelten und beim Aufprall der Welle zerstoben, wie Feuer in den Händen mancher erlosch und entfachter Wind sich legte und Menschen zu Boden fielen. Andere gingen zu Boden, während viele Revolutionäre uns entgeistert anstarrten.
„Wir haben eure Anführerin als Gefangene!“, rief Vaya und erhob ihre Stimme.
Selbst meine Macht erstarb, während in mir eine selige Ruhe wartete. Nichts als Stille echote in mir. So wäre es also gewesen, wenn ich bloß ein Mensch gewesen wäre. Ich genoss die Ruhe für einen kurzen Moment, als ich auf Vaya zuschritt und an ihre Seite trat. Ich musste mich nicht vorstellen. Jeder kannte mich mittlerweile. Das Raunen durch die Menge war Beweis genug.
Jamy humpelte auf uns zu, während Georg grimmig und mit den Armen verschränkt hinter mir stand. Er hatte einige Kratzer abgekommen, aber es schien ihm gut zu gehen. Vaya blutete an der Stirn, doch auch Jamys Schrammen bewiesen, dass er nicht lebensgefährlich verletzt war.
Als Gruppe stellten wir uns gegen die Revolution, gegen meinen Vater, und gegen jeden, der sich uns in den Weg stellten sollte.
Und das war jedem hier bewusst.
Wir wurden schnell allein gelassen, da viele Opfer zu beklagen waren. Meine laute Stimme stellte klar, dass Verfolger den gleichen Tod zu erwarten hätten wie Fahid. Ich ging auf einen T5 zu, während Georg sich hinters Steuer setzte und sofort losfuhr.
Einige Stunden später öffnete Vaya die Augen und sah aus, wie ich mich fühlte. Wie von einer Dampflok überrollt. Das Mädchen lehnte an Jamy, der mich wütend anstarrte und irgendwann mal nur noch ignorierte.
„Wohin fahren wir eigentlich?“, fragte Vaya. „Wir können ja nicht einfach in unser altes Leben zurück. Da würden wir von allen sicher aufgespürt werden und das ganze Rad dreht sich dann erneut.“
Alle sahen mich an, während ich schwach grinste. „Zu einem Bekannten.“
Und dann schlief ich ein.