Sie waren zu dritt, als ich die weitere kleinere Person aus dem Wohnzimmer stapfen sah. Zufrieden lächelte sie mir zu, während ich die Hände hob. Augenblicklich wurde ich von dem Riesen hinter mir, der sich ebenfalls mit Rambo messen konnte, gepackt und nach hinten gezerrt. Während man mir innerhalb weniger Stunden zweimal fast meine Schulter auskugelte, hielt man mir zum ersten Mal eine Waffe an den Hals. Die Kälte kroch in meine Glieder, während mein Verstand sich nahezu an diese Situationen zu gewöhnen schien. Nicht vollkommen übermannte mich die Panik, während meine Nervenenden dennoch brannten wie die ewige Hölle selbst.
„Wirklich dumm, James“, die helle Stimme schien einem Jugendlichen zu gehören. Durch die Sonnenbrille spiegelte sich das entsetzte Gesicht des Barkeepers wieder. Sicher würde Jamy den Kleinen um einen ganzen Kopf überragen. Die braunen Haare waren wild auf dem Kopf verteilt, doch weder Charme noch Freundlichkeit strahlte der Junge aus. Er war schlichtweg unsympathisch.
Ich sah um mich, wurde von keinem beachtet, während mein Blick auf die Feuerwaffe hingleitete, wie sie einsam auf dem Fliesenboden ruhte. Sogleich erkannte der Hüne hinter mir meine scheinbare Absicht und deutete mit einem Pfeifen auf den Dritten, den auch Jamy fixierte. Anders als ich wurde er nicht mit einer Klinge bedroht. Vielmehr keuchte er, schwitzte von jetzt auf gleich und wehrte sich gegen alles, was er aufzubieten hatte. Zunächst verstand ich nicht warum, doch das wurde mir dann klar, als ich den kleinen Ohrring des Festhalters erkannte.
Der dritte Mann, ein in legerer Kleidung gehaltener Ende Vierziger, sah mich mit hellblauen Augen an, während die gleiche Farbe an seinem Ohrläppchen funkelte. Er trat auf die Pistole, schob sie mit Schwung in Richtung Wohnzimmer, aus welcher auch der Jugendliche kam.
„Wieso kommt man immer an den Ort der Tat zurück?“ Jamy schrie wütend auf, doch je mehr er sich wehrte, desto eher schien er verloren. „Wehr dich doch nicht dagegen. Georg ist ein talentierter Topasnutzer.“
Ich wusste nicht, was Topas für eine Bedeutung hatte, wiederum erkannte ich unsere Situation und die daraus ergebende Chance zu Entkommen gegen Null.
In einem Sack hielt der Sonnenbrillenträger vermutlich Vayas Bernstein, auf den die Dreiergruppe es abgesehen hatte. Aufgrund der Farbe ihrer Augen gehörten sie wohl der Revolte an, wenn sie Jamy und mich attackierten. Ich fand keinen Hinweis, dass sie zu Luigi gehörten, war mir aber sicher, dass hinter der Sonnenbrille ein Junge mit blauen Augen sein müsste. Genauso ergab es für mich Sinn, dass sie Jamy versuchten zu beruhigen, und das mit allen Mitteln. Auch wenn er sich dennoch wehrte, selbst mit seinem vermehrten Glück, war die magische Anwendung Drei gegen Eins eben doch unfair.
Schließlich verlor Jamy den Kampf, während er auf den Boden zusammensackte. Ohnmächtig sah er nicht aus. Heftig atmete er ein und aus, während das hämische Grinsen seines Gegenübers selbst in mir das Bedürfnis weckte, ihm eine zu treten.
„Vielen Dank für die Kooperation, James Suerra.“
Ein Knurren erklang. „Fahr zur Hölle, Fahid. Du und dein Blaustamm seid doch nur feige und versteckt euch!“
Und für was stehen die Juwele nun? Sollte ich jemals lebendig aus dieser ganzen Nummer rauskommen, hielt ich mich danach strikt an einen Ratgeber für Edelsteintheorien und dessen Bedeutungen.
„Spuck nur große Töne, Bodyguard der Obersten. Dafür, dass du deinen Dienst wirklich vernachlässigst, gibst du dir ja nicht gerade Mühe, auf die kommende Königin zu achten. Weder Vayandana noch ihren Edelstein konntest du beschützen.“
Fauchend spie Jamy einige englische und wohl spanische Flüche, doch der Jugendliche trabte gemächlich an mir vorbei und blieb dann schließlich stehen. Er drehte sich ein wenig desinteressiert um.
„Mit dem Typen hier habe ich die Rechnung nicht gemacht, aber er ist mit James Suerra unterwegs. Wir nehmen ihn mit, Siggi.“
Ich kam gar nicht dazu, protestierend meine Gründe hervorbringen, weshalb ich bitte in meiner eigenen Wohnung bleiben sollte. Siggi trat mir in die Kniekehle, ich fluchte und kniete mich nieder. Immer noch das Messer an der Kehle, band er mich zuerst mit dem einen, dann mit dem anderen Arm am Rücken fest und trat mich in Richtung Ausgang. Bevor sie mich abführten wie einen Gefangenen, der ich wohl jetzt auch war, wurde mir ein Tuch über die Augen gebunden.
Ich wusste nur noch, dass ich durch Georg in den hinteren Teil eines Transportes geschubst sein musste, als das Auto auch schon losfuhr. In mir breitete sich die Schwere ein, die ich nur nach durchzechten Nächten ohne Kaffee kannte. Auch Jamy keuchte schwer auf, bis die Tiefe mich hinab zog.
Ich erwachte in vollkommener Dunkelheit. Einige Zeit murrte noch gleichmäßig der Motor unter meinem müden Körper, während sich neben mir eine Gestalt aufrichtete und ich es durch Kopfüberrenkungsversuchen schaffte, die Augenbinde zu lösen. Auch jetzt war vollkommen die Schwärze um uns herum, doch ich erkannte mein Gegenüber. Das Herz schlug schließlich schnell genug, um Sauerstoff in mein Hirn zu pumpen und die drückende Stille dem Augenblick seine schmerzvolle wie auch missliche Lage neue Bedeutung verlieh.
„Es tut mir leid, Chrissie. Ich hätte dich niemals…“, ich zischte, zog ungeduldig an den Fesseln. Dieser Siggi hatte verdammt fest zugeknotet.
„Lass stecken, Jamy. Erklär mir lieber, was das für Typen sind.“
„Dieser Georg ist ein Topas. Er kann durch Berührungen einen in einen Ruhemodus versetzen. Und Siggi mitsamt diesem verdammten Fahid sind Saphirnutzer. Es symbolisiert Macht und Stärke. Manchmal auch ewige Jugend. Fahid ist einer, der sein eigenes körperliches Alter reduzieren kann und damit altert er langsamer.“
Meine Schulter tat weh, doch die Schmerzen hielten sich in Grenzen. „Sieht er deshalb aus wie zwölf?“ Ich wusste, mein trockener Tonfall brachte Jamy zum Grinsen.
„Exactly“, murmelte er, während ich endlich den Knoten löste und mich sogleich an Jamys Fesseln zu schaffen machte. Der Barkeeper holte bereits Luft.
„Bevor du fragst, ich war in einem Kinderzirkus, hab da kleine Kinder betreut und hatte ´ne Affäre mit einer Schlangenfrau. Die hat mir ein paar Tricks beigebracht.“ Schließlich löste sich auch sein Knoten, während er mir dankbar zunickte. Durch die Finsternis konnte ich nur die Umrisse erkennen, doch er mich hielt bestimmt an der Schulter fest.
Küss mich ja nicht, du Verrückter!
„Ich danke dir, Christopher!“
„Lass stecken“, murmelte ich erneut und setzte mich hin. Mein Kopf ruhte an der Wand, die durch das fahrende Fahrzeug vibrierte. Meine Kopfschmerzen würden dadurch nicht besser, aber ich hatte wenigstens jetzt mehr Bewegungsfreiheit.
„Was hat Fahid gemeint, als er sagte, du hast deinen Dienst vernachlässigt? Beschützt du etwa alle Obersten?“
Er nickte, bestätigte das dann mit eine klarem „Ja.“ Und setzte an: „Als ich davon gehört habe, dass Vayandana verschwunden war, musste ich zu ihr.“
„Klingt nach einem verliebten Mann.“
„Ich bin ein verliebter Mann.“