Mein schlaffer Körper wurde durch einen Waldboden gezogen, der voller Laub und Dreck war. Einzelne Baumstämme standen in meinem Blickfeld, während das Rascheln der Bäume so laut war, dass es unerträglich wurde. Meine Hände krampften sich zusammen, während ich meine Ohrmuscheln zuhalten wollte, doch die Träger hielten mich eisern fest. Ein Rascheln von Metall erklang, ein Quietschen wie von einer ungeölten Tür, als ich auf den Boden geworfen wurde. Schritte verhallten wie in einer Halle, die Stille senkte sich über mich, und mein Verstand setzte erneut aus.
„Was zum...“, mein Kopf dröhnte, das Rauschen meines eigenen Blutdrucks überschlug sich mit jedem Herzschlag, dass selbst mein Magen sich hob und senkte. Galle stieg in mir hoch, während sich der Mageninhalt wie von selbst vor mir ausbreitete. Hustend kam ich auf alle viere, holte tief Luft und roch nur mein Erbrochenes, während der Herzschlag sich allmählich beruhigte. Übelkeit war ein Mindestmaß, an das man sich als Student gewöhnte, aber wenn der Übeltäter nicht Alkohol, sondern Zauberei war, hielt sich die Begeisterung in Grenzen. Schließlich wusste ich nicht, wie lange ich mit dem Kater noch umlaufen würde müssen.
Ich rollte mich erschöpft auf den Rücken, etwas weiter weg von dem Häufchen Magenreste und hustete. Ein Unterarm über meinen Augen sollte helfen, den Verstand nicht zu verlieren, doch allmählich schaffte ich nicht einmal jetzt meine Beherrschung zu erhalten und vollends verrückt zu werden.
Einige Minuten Stille reichten aus, um die Nerven zu beruhigen und sich aufzurichten. Mit Hilfe einiger umständlicher Handgriffe hielt ich mich aufrecht, blickte blinzelnd durch die Streifen, die sich nach dem Scharfstellen der Augen als Zellenstäbe entpuppten. Dahinter raschelten die Bäume von der Brise in der Nacht. Einige Sterne waren zu sehen, doch dazu reichte mein klarer Verstand nicht aus, um irgendwelche genaueren Sternenbilder oder Ansatzpunkte zu finden, wo ich mich eigentlich befand.
Die Wärme überraschte mich, ich fror nicht. Innerlich schüttelte es mich ein oder zweimal, als ich mich versuchte, an alles zu erinnern. Mehr als Bruchstücke zu meinen Füßen konnte ich mir selbst nicht bieten, also stand ich auf und rüttelte an dem Gittern, überprüfte das Schloss und erkannte die gute Handwerkskunst. Gab es auch Edelsteinnutzer, die Metall verarbeiten konnten? Ein seltsam altertümliches Schloss, das sich mit einfachen Handgriffen würde lösen können, würde selbst ich mit einer Haarklammer öffnen können. Doch ich vermied es mir, irgendwelche Aufmerksamkeit zu erregen.
Langsam klärte sich der Verstand. Jedes meiner Geräusche verursachte einen Hall, den ich erst jetzt bemerkte. War ich wieder eingeschlafen? Der Kopf neigte sich nach rechts, als ich die Halle betrachtete und den Ausgang, der sich direkt vor mir auftat.
Deshalb also die Bäume.
In einem Kreis angelegte Zellen standen nebeneinander, während das Zentrum ein loser Steinhaufen war. Die kalte Feuerstelle hatte noch Holzreste übrig, sodass hier wohl auch Versammlungen stattfinden konnten. Doch keine Menschentraube bildete sich vor den Gefangenen. Wenn ich richtig sah, saßen einige angekettet in ihren Gefängnissen und schaute nicht einmal auf, als ich als Einziger in dem Raum für Hall sorgte. Sie schienen nicht hier zu sein, denn der leere Blick eines Mannes der Zelle mir gegenüber besagte, dass jegliches Ansprechen sinnlos wäre.
Einzig die Fackeln beleuchteten spärlich den Raum, als der Wind durch die Öffnungen peitschte und mich trotz der Hitze frösteln ließ.
Neben mir machte allerdings ein Schluchzen breit, dass ich allzu gut kannte.
„Hätte nicht gedacht, dich hier wiederzutreffen.“ Mein Flüsterton ließ sie aufhorchen. Ich vermutete, dass sie erst jetzt erwacht war. Sicherlich hatte sie wieder eine grauenhafte Kombination von farblich unpassenden Kleidern an, doch ihre goldbraunen Augen würden mich bestimmt vorwurfsoll anschauen. Sie würde den Kopf schräg legen und schließlich überheblich die Arme in die Seiten stemmen.
„Was tust du hier? Wo bist du?“ Ich hielt inne. Sie konnte sich nicht orientieren? Oder waren ihr Augen verbunden wie die meinen bei der Entführung?
„Ich bin in einer Zelle. Ich denke einmal, ich sitze neben dir. Aber diese Steinwand ist leider nicht transparent genug, als dass ich dich sehen könnte.“ Mein Spontanhumor hielt sich in Grenzen, zumal sie sich wirklich verletzlich zeigte.
„Wie bist du hierhergekommen?“ Ein erneutes Schluchzen erklang, während sie nicht aufhörte zu weinen. Angespannt lehnte ich mich schließlich gegen die erwähnte Wand und schloss die Augen. Kurz und knapp erzählte ich von Jamy und mir, unserer Entführung bis hin zum Erwachen in einer Zelle.
„Meine Erinnerungen sind sehr schwammig“, ich stellte ihr die Gegenfrage, während sie tief Luft holte.
„Ich wurde ebenso wie ihr entführt. Ich wollte dich nicht hineinziehen, Christopher. Wirklich nicht. Ich dachte, bei deinem starken Charakter hätte der Bernstein keine Wirkung auf dich. Nachdem du mich rausgeworfen hast...“ Ich zuckte zusammen, als würde ich geschlagen werden. „..bin ich hier aufgewacht. Einer der Topasnutzer hat seine Kräfte nicht unter Kontrolle und es dauerte Tage, bis ich wieder bei vollem Verstand war. Schließlich bist du dann auf einmal da und…“
Sie verlor den Faden und erzählte erneut von vorn. Vaya wusste nicht, wie viel mir Jamy erzählt hatte. Doch ihren Klang der Stimme nach, wollte sie auch keine Details nennen. Außerdem schien sie nicht recht zu wissen, wo sie war und vor allem, was ihr angetan wurde. Wenn Siggi dieser Nutzer war, konnte ich mir vorstellen, welche Wirkung diese Fähigkeit auch bei ihr gehabt hatte.
„Wieso bist du davongelaufen?“, fragte ich sie direkt, als sie immer noch weinte. Vaya hielt inne, hole tief Luft und keuchte.
„Willst du alles wissen? Kann ich dir vertrauen?“ Der Stille senkte sich über mich.
„Nein, kannst du nicht. Schließlich habe ich dich einfach rausgeworfen, ohne, dass ich näher auf deine Gefühle eingegangen bin. Das tut mir leid. Ich weiß nichts von deiner Welt, aber du kannst dir versichern, egal, wer uns hier festhält: Ich kann die Person jetzt schon nicht ausstehen. Ganz zu schweigen von den Handlangern.“
Sie kicherte ein wenig hilflos, als Vaya tief Luft holte. „Die Wachablösung findet weiter draußen statt. Wir sind hier also allein.“
„Gut.“ Ich gab ihr die Zeit. Und die brauchte sie auch, als sie ihren ersten Satz sprach.