CN: Erwähnung von Missbrauch!
Mein echter Name ist Vayandana. Einen Titel oder Dinge, die mich besonders werden lassen, habe ich nie besessen. Und an sich bin ich nicht besonderer als jeder einzelne Mensch auf diesem Planeten.
Und dennoch gibt es das Edelsteinvolk. Ich wurde von zwei Bernsteinnutzern geboren und sofort nach meiner Geburt zu einem Tempel gebracht. Es ist wie eine Kita, in welcher man versucht herauszufinden, welche besondere Eigenschaft man hat. Wenn man allerdings als Kind dort ist, ist das alles unbegreiflich, schwer und man hat unendliches Heimweh. Meine Brüder und ich sind dort zusammen hingekommen. Es ist nicht so, dass abends wieder man von den Eltern abgeholt wird. Man lebt dort, entwickelt sich und wächst. Entweder der Charakter oder die Fähigkeit… oder…eben nicht.
Die Priester vor Ort waren räudig und die Schwestern ebenso unbarmherzig. Ich weiß nicht, wie lange es gedauert hat, bis sich mein Talent offenbart hat. Man versucht durch Tests herauszufinden, was einem Kind am besten liegt. Durch eben zuerst freundliche und nette Ansprachen bis hin zu Dingen, die ich nicht erklären kann. Man lässt die Kinder in Panik und Angst zurück, macht sie wütend oder gar schlimmeres. Ich will nicht ins Details gehen müssen, du kannst dir denken, was ich meine.
Mit fünf Jahren hatten die Ältesten immer noch keine Ahnung, wie sie mich in einer Ausnahmesituation bringen konnten, sodass ich meine Fähigkeiten zeigte. Dabei hatte ich sie schon. Ich wusste, wie ich sie einsetzen konnte und habe sie jedes Mal angewendet, wenn die Schwester und Priester mich in die Enge getrieben hatten.
Wenn sie mir ein Gefühl geben wollten, egal ob gutes oder schlechtes, dann habe ich ihre Fähigkeit ausgehebelt. Ich wusste nicht wie, es war nicht einmal ein Körperkontakt von Nöten. Nur habe ich dann eben am eigenen Leib gespürt, was sie mit mir gemacht haben.
Ich kann dir nicht sagen, warum, aber irgendwann habe ich Jamy getroffen. Seine Fähigkeit des Glücks überraschte mich immer, und so blieben mir manche Situationen erspart. Doch er war nicht immer bei mir. Und immer öfter war ich allein.
Haben die Priester verstanden, was ein Kind kann, suchen sie für dich einen Beruf aus, bringen dich in die wirkliche Menschenwelt und gaukeln dir vor, es wäre deine eigene Entscheidung gewesen. Natürlich sind die Ältesten nicht dumm, haben verstanden, was ich konnte und mich auf meinen Weg gebracht.
Sie wollten, dass ich den amtierenden Lord Chernyy Yantar unterstellt war. Er ist...ein schrecklicher Mensch. Ich weiß nicht wieso, aber er war mir bei dem ersten Kontakt bereits zuwider. Seine Fähigkeit, Menschen zu umgarnen und ihnen seinen Willen aufzuzwingen, ist abscheulich.
Weißt du was den Blausteinstämmen passiert, wenn sie in seine Finger geraten? Die Revolutionäre, die dieses verdammte Prinzip der Kinderschändung ein Ende treiben wollen, haben sich dagegen gewehrt. Er regiert schon seit ich denken kann, und doch hört er nicht auf.
Er ist ein schrecklicher Mensch. Weder verhindert er, dass die Kinder in den Tempel missbraucht werden, noch, dass die Kriege unter den Stämmen ein Ende haben. Er unterdrückt die Mächtigen und sorgt dafür, dass sie ihr Stimmrecht verlieren. Durch die Unterstützung der Minderheiten gibt es mehr und mehr Aufstände. Jeder will etwas vom Kuchen abhaben, wenn du verstehst.
Auch wenn die Außenwelt an sich nichts von uns Edelsteinnutzern weiß, heißt dass nicht, dass das Leid nicht echt ist. Es sterben Menschen, Kinder leiden und Familien werden auseinandergerissen. Yantar hat mich oft genug überredet und genötigt, dem allem beizuwohnen. Ich konnte es immer mitansehen.
Ich habe versucht, als ich alt genug war, mit den Blauelementaren ein Pakt einzugehen, versucht, sie für mich zu gewinnen oder wenigstens Verbündete zu finden. Ich fand ihren Ehrgeiz und ihre Stärke anziehend, beinahe berauschend. Doch wieso glaubst du sitze ich hier? Das hat zwei Gründe.
Die Pause zog sich durch ihren Redeschwall und hinterließ eine tiefe Furche zwischen uns. Schweigend hörte ich zu, wie sie Schicksalsschlag um Schicksalsschlag mit mir teilte, als wäre ich ihr Gewissen. Es klang, als müsste es ausgesprochen werden.
Doch niemals hätte ich gedacht, dass sie so litt. Niemals.
Einmal habe ich es geschafft, eine Audienz mit dem Anführer der Revolution zu bekommen. Ich war heimlich davongelaufen, Yantar hat nichts bemerkt, also bin ich weggelaufen. Er sagte, er überlege es sich, mir zu helfen und ich bin erleichtert nach Hause gerannt. Das Ende vom Lied war, dass er gefasst wurde. Ich weiß nicht wieso, doch vor meinen Augen wurde er…
Yantar überredete ihn, wie jeden seiner Gegner, vor ihm niederzuknien und ewige Treue zu schwören. Schließlich befahl er mir, seine Fähigkeiten auszuhebeln, sodass ein einfacher Mann vor mir kniete und mich um Vergebung bat. Dieser Blick in den Augen, diese Enttäuschung und diese Stärke…. Ich hatte es nicht mehr ausgehalten. Vor mir wurde er…er ist vor meinen Augen gestorben. Durch die Hände desjenigen, der mich lehren sollte, ein gutes Oberhaupt zu werden.
Die Revolte fühlte sich natürlich verraten.
Deshalb sitze ich hier gefangen. Um Buße zu tun, oder mich zu verstecken.
Stille.
Ich kann das nicht mehr, Christopher. Ich schaffe das nicht mehr. Ich breche zusammen bei all dem Leid, bei all dem Schmerz, den ich in den Augen so vieler Menschen sehe. Mein Volk wird unterdrückt und ich kann dem nicht mehr zusehen. Ich schaffe das nicht mehr. Und dabei kann ich nichts tun.
Schließlich weinte sie erneut, während die tiefe Spalte zwischen uns immer größer wurde. Ich holte tief Luft, Vaya zitterte nicht. Meine Lippen bebten nicht. Bilder vor meinen Augen sammelten sich und schlossen zu einer Geschichte eines Mädchens zusammen, das Leid als Droge und Schmerz als Empfindsamkeit benutzte, um das Leben als solches zu definieren.
Noch lange saß ich da, drehte mich hin und wieder um, doch schlafen konnte ich nicht. Vaya und ich schwiegen uns an, während mir die Haare im Gesicht klebten.
Ich wusste, alles war kein Traum mehr.
Schließlich starrte ich die Decke an, die Steine, das Moos. Spinnenweben. Kleingetier. Insekten.
Und spürte die einzelne Träne, als ich meinen Entschluss fasste.