Den Tag über versuchte ich immer wieder das Gleiche. Annika erfolglos zu erreichen, die Möbel aufzubauen und die Sachen aus den Kartons einzusortieren. Hin und wieder blieb ich an Bildern von mir und meiner Partnerin hängen, während ich sehnsüchtig unsere Urlaubsbilder betrachtete. Ihr langes welliges Haar mit Karamellfarbe, die sanften eisblauen Augen, die zierlichen Gestalt.
„Ich vermisse dich.“ Das Flüstern entrann meiner tieften Bedürfnis, sie wieder in den Armen halten zu können. Krampfhaft wünschte ich mir, dass meine Gedanken sich nicht nur um sie drehten. Dennoch hielt ich an meiner Naivität fest, ihr Glauben zu schenken und sie nicht zu hintergehen, in dem ich zur nächstbesten Polizeistelle rannte und sie als vermisst melden würde. Sie hasste es, hintergangen zu werden, und genauso fühlte ich mich, würde ich Vaya weiter in meiner Wohnung wohnen lassen. Es schien mir, als würde ich sie vergessen, doch genau das Gegenteil war der Fall. Die Wohnung in Ordnung zu bringen, schien mir wie mein Leben, das glich wie ein Scherbenhaufen voller zersplittertem Glas und Hoffnung.
Die Verrückte hinaus geschickt zu haben war dagegen ein Freiheitsgefühl. Ich hatte mir genügend Gedanken um ihre Wahrheit gemacht, wagte es dennoch nicht, dem Glauben zu schenken. Allein mein Aberglaube hinderte mich, diesen verdammten und vermutlich auch verfluchten Stein ein weiteres Mal Beachtung zu schenken.
Dagegen hielt der Tag sich träge, während der Wecker piepte und ich mich aufmachte, um mein Treffen mit Rambo nicht zu verpassen.
„Sag mal, wie siehst du denn aus?“ Mich wunderte es, dass der afrikanisch stämmige Mann vor mir einen Smoking anhatte. Schwarzer Stoff mitsamt weisem Hemd und violettem Einstecktuch sorgten für ein gepflegtes Äußeres, während das zögerliche Lächeln seitens Rambo alles andere als selbstsicher zu deuten war. Die dunklen Haare hatte er sich zurückgesteckt, wiederum lugten verspielt die Locken am Nacken hervor. Während ich mit den Schulterlangen blonden Haaren diese nur einfach hochgesteckt hatte, damit sie nicht durch den Wind ins Gesicht fielen, fühlte ich mich neben ihm völlig fehl am Platz.
Ich schaute hinab. Wenigstens war er den Sportschuhen treu geblieben, wenngleich sie sauber und ebenso schwarz waren. Nervös zupfte Rambo an einer Sackkotasche und öffnete ein Etui. Glanzloses Metall mit einfachen Gläsern ließen ihn nun aussehen wie einen Sportaffinen Studenten im Medizinstudium.
„Entschuldige, aber ich..“, er holte tief Luft. „Ich brauche halt eine Brille zum Lesen. Man wird halt alt.“
„Du bist keine zwei Jahre älter als ich, Gunnar.“ Ich hielt mich weiterhin provokativ, weil ich nicht wusste, mit der Situation umzugehen. Meine Hände gruben sich in die Trekkinghose, während das Shirt mit dem Aufdruck Yeahhh! und einem Berg ein weiteres Hobby von mir zeigten. Die einzelnen Strähnen meiner dagegen glatten Haare hingen zu allen Seiten empor. Ich fühlte mich wirklich unangemessen gekleidet.
„Ja, ich weiß.“ Damit schien alles gesagt, und doch wollte ich immer noch wissen, was hier gespielt wurde. „Ich brauche dich.“
„Den Satz habe ich schon heute mal gehört“, murrte ich knurrend, während der Zopf in den Haaren hängen blieb. Wenigstens konnte ich für eine ordentliche Frisur sorgen.
Rambo zog die Augenbrauen hoch. „Deine Kleine hat dir gesagt, dass sie dich braucht?“
„Frag nicht.“ Rambo nickte nur und schaute hinauf.
Die Sterne leuchteten am Himmel wie selten, sodass der wolkenlose Himmel ein unglaubliches Spektakel darbot. Ich dagegen hielt mich wütend mit meiner momentanen Situation auf, während mein bester Freund wie ein aufgeschrecktes Kind von dem einem zum anderen Fuß trat.
„Du bist doch sonst nicht um Worte verlegen, Kumpel.“ Der Beginn der einseitigsten Konversation meines bisherigen Lebens begann. Er nickte nur entschlossen und schob mich weiter.
Wir liefen einige Schritte, dann blieb er stehen und ich sah auf.
„Also willst du mit mir fein Essen gehen?“ Er schwieg und lief voraus. Während er sich bereits die Maske aufsetzte und mit dem Portier sprach, schaute ich mich weiter um. Das Schild Beauty and Beauty schloss eigentlich auf entweder einen schrecklichen Kosmetikladen oder eben auf eine Luxushotelkette der Stadt. Beide Varianten schienen mir passend zu meiner jetzigen Lebenssituation weder angenehm noch überaus überraschend. Wenn einer den Scheißemagnet gezogen hatte, dann wohl ich.
Der Portier lugte zu mir herüber, schüttelte vage den Kopf und bat um mein Impfzertifikat. Mein Handy offenbarte das Gewünschte, während mich Rambo direkt durch den unscheinbaren Eingang in das Foyer führte. Wie man sich ein Luxushotel mit allem Schnickschnack vorstellte, war dieses genauso eingerichtet. Das mit Springbrunnen ausgerichtete Hotel glich ebenso prunkvoll wie jedes, für das ich mein Monatsgehalt für eine Nacht hergeben müsste. Natürlich standen sinnlos teure Möbel umher und auch Pflanzen hingen sauber gestutzt von den Wänden oder standen in den Ecken. Von den Gemälden und Kronleuchtern an der Decke abgesehen, standen nur zwei weitere Personen im Raum. Der Barmann an den Tresen, den ich direkt durch den Eingang zu dem Hotelrestaurant sah und der Rezeptionist, der freundlich strahlend mit Maske uns mit den Augen zuzulächeln schien. Oh Himmel, wie ich diese aufgesetzte Freundlichkeit hasste.
„Willst du mich zu einem Praktikum hier zwingen, damit ich endlich netter zu Menschen werde?“
Ein Kneifen an meiner Schulter bewies Empörung genug, also hielt ich den Mund und schaute zu, wie Rambo flüsternd zuerst zu mir, dann zu dem Rezeptionisten und wieder zurück starrte. Dieser nickte, schwang mit seiner komischen Frisur, die aus einer übermäßigen Locke zu bestehen schien, den Kopf, als würde er sich verneigen und kam wenig später mit einem Sakko wieder. Rambo gab ihn mir und duldete keinen Widerspruch, als er mit hochgezogenen Augenbrauen und weit aufgerissenen Augen mich niederstarrte.
Ich tat wie geheißen, schlüpfte durch die Ärmel, während mich der Hüne durch die geöffneten Flügeltüren an die Tresen zu dem Barkeeper schob. Er blickte sich um, ich sah hier und da ein paar Gäste, die uns allerdings nicht beachteten. Im Hintergrund spielte sanfte Klaviermusik mit einem echten Klavierspieler. Wow!
„Hier ist es gut!“ Er entscheid sich für die Bartresen um die Ecke, in welcher er mich auf einen Hocker presste. Ich starrte stumm die Aussicht an und verstand.
„Du willst spionieren? In einem Luxushotel?“ Wir nahmen die Masken ab.
„Quasi.“ Er grinste verlegen und es schien weder verrucht noch verlegen. Vielmehr …verliebt?