Calin überrascht mich. Er weicht scheinbar von seinen sonstigen Gewohnheiten ab und lässt sich aus der Reserve locken, was mich verwundert. Bisher habe ich ihn erst einmal ohne seine Jacke gesehen: als er sie mir gegeben hat, weil meine Bluse durchsichtig geworden ist. Ansonsten gehört sie zu ihm wie sein Name. Und er hat mich soeben informiert, dass er ein passabler Zuhörer ist. Eigentlich habe ich vermutet das er eher genervt ist, wenn man ihm Dinge aus dem Privatleben erzählt, die nicht unbedingt zu seinem Auftrag gehören. Wobei diese Informationen wahrscheinlich doch irgendwie für den Job nützlich sind. Das bin ich schließlich – nur ein Job. Da brauche ich mir wirklich keine Illusionen machen.
„Das Käsesandwich ist wirklich toll“, seufze ich begeistert und beiße wieder ab.
„Das Lokal ist tatsächlich ein Geheimtipp. Mein Steak ist genau richtig gewürzt und so, wie ich es mir vorgestellt habe.“
Ich beobachte heimlich wie sich die Muskeln seiner Arme bewegen, während er sein Steak schneidet und schlucke das Stück Sandwich angestrengt hinunter. Der Mann hat wirklich deinen Traumoberkörper. Vermutlich sah der Rest auch aus wie bei einer griechischen Statue. Ob er wohl eine Frau hat? An seinen Fingern finde ich keinen Verlobungs- oder Ehering, aber das hat nicht viel zu heißen. Bodyguards tragen selten Schmuck. Wenn er Single wäre, wäre das eine unglaubliche Verschwendung. Seine Sonnenbrille hat er zum Essen abgenommen und ich werde ab und an von seinen herrlich blauen Augen angeschaut, während wir eine seichte Konversation führen.
„Zur Unterstützung der Verdauung würde ich danach gern einen kleinen Spaziergang am Strand machen. Nachher komme ich nicht mehr wirklich dazu mich großartig zu bewegen. Zumindest nicht in diesem Sinne“, äußere ich meinen Wunsch und schaue ihn aufmerksam an.
„In Ordnung.“
Ob ich ihn fragen sollte, ob er einen Handstand macht und sich dann einmal im Kreis dreht? Mich interessiert, wie er darauf reagieren würde. Aber ich traue mich irgendwie nicht ihm das an den Kopf zu werfen – denn ich kann seine Laune überhaupt nicht einschätzen. Hat er gute, oder eher schlechte Laune? Vielleicht ist auch nur eine neutrale Gemütslage vorhanden. Man weiß es nicht und ich schon gar nicht. Was ich sehr schade finde. Ich denke, er ist ein echt cooler Typ, wenn er aus sich herauskommt. Fragend sieht er mich an.
„Sie sehen aus, als wenn Sie gerade was aushecken.“
„Ich? Niemals. Alles gut“, beeile ich mich zu sagen und er zieht zweifelnd die Augenbrauen zusammen. „Wirklich.“
„Na gut. Ich will Ihnen mal glauben.“
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Satt und zufrieden genieße ich die Sonnenstrahlen und den angenehmen Wind auf meiner Haut. Ich gehe neben Calin her und er hat wieder seine Jacke an, die Hände in den Taschen vergraben. Müsste ich ihn beschreiben, wäre die Lederjacke definitiv ein fester Bestandteil meiner Beschreibung seines Aussehens. Wobei ich seine wahnsinnig tollen Augen auf jeden Fall hervorheben würde. Und die markante Kieferpartie. Puh, ich glaube bisher habe ich noch keinen so attraktiven Mann wie ihn gesehen. Und ausgerechnet ich bin seine Schutzperson. Kaum zu fassen. Es ist gar nicht so nervig einen persönlichen Bodyguard zu haben, wie ich es mir immer vorgestellt habe. Sicherlich hängt es auch damit zusammen, wen man als Personenschützer bekommt.
„Vorsicht!“, ruft eine Stimme und ich hebe den Blick, um mitten in der Bewegung inne zu halten.
Ein Ball fliegt auf mich zu und ich kneife die Augen zu, geschockt und unfähig mich zu ducken oder einen Sprung zur Seite zu machen. Mich umfassen zwei starke Arme und ich werde an eine harte Brust gedrückt, während ich ein dumpfes Aufprallgeräusch höre und die Vibration quasi in Calins Körper widerhallt. Ich stoße die unbewusst angehaltene Luft aus und atme tief seinen Duft nach Leder, Aftershave und einfach nur Calin ein. Oh Gott, ich glaube ich bin auf den ersten Zug süchtig nach seinem Geruch. Es duftet einfach göttlich und ich schlucke.
„Sorry, man! Ich wollte eigentlich...“, höre ich die fremde Stimme, die uns warnen wollte.
„Das ist ein Volleyball und kein Fußball. Ganz egal was du wolltest. Lass es beim nächsten Mal einfach sein und kick keine Volleybälle durch die Gegend. Hätte sie den Ball an den Kopf bekommen, hättest du jetzt ein ordentliches Problem, Junge“, fällt Calin ihm ins Wort und ich spüre die Vibration seiner Stimme an meiner linken Wange.
Seine Arme liegen noch immer um mich und ich fühle mich hier und an seiner Brust sicher und beschützt. Meine Wangen werden warm und ich hoffe das ich nicht puterrot geworden bin, oder die Röte zumindest verschwunden ist, wenn er mich gleich freigibt und mich anschaut. Heiliger Bimbam. Ich bin doch kein Teenie mehr.
„Es kommt nie wieder vor, Mister. Es tut mir wirklich leid. Ich… Sind Sie in Ordnung? Der Ball hat Sie mit voller Wucht zwischen den Schultern getroffen. Das tat sicher weh.“
„Nicht der Rede wert. Tu es einfach nicht wieder, klar?“
„Ja, Sir“, stammelt die junge, männliche Stimme.
Calin lockert seinen Griff um mich und tritt vorsichtig einen Schritt nach hinten, mich dabei vermutlich anschauend. Ich betrachte jedoch gerade angelegentlich meine Sandalen im Sand. Meine Tasche liegt neben mir, da ich sie wohl vor Schreck fallen lassen habe, als ich den Volleyball auf mich zurasen sehen habe.
„Ist alles okay?“, spricht er mich an und ich hebe meinen Kopf etwas an.
„Danke, ja. Ich war wie erstarrt, sonst…“, versuche ich mich zerknirscht zu erklären.
„Das ist normal“, wiegelt er ab und beugt sich herab, um meine Tasche aufzusammeln. „Sie sind mit dem Schrecken davongekommen.“
„Sind Sie okay?“, möchte ich besorgt wissen und suche in seinem Gesicht nach einem Ausdruck von Schmerz, den ich allerdings nicht finde. „Das muss sicher geschmerzt haben.“
„Kaum. Ich bin gut im Training und da härtet man mit der Zeit ab.“
Ich nehme dankend meine Handtasche entgegen und schultere sie wieder. Zweifelnd runzle ich meine Stirn und seufze innerlich. Dieser Kerl ist wirklich ein Buch mit sieben Siegeln – mindestens. Mir kann er erzählen was er will: das muss weh getan haben. So sehr wie der Aufprall durch seinen Körper gezuckt ist. Selbst ich konnte es quasi spüren. Nur eben ohne den dazugehörigen Schmerz der durch den Aufprall verursacht wurde.
„Lassen Sie uns aufbrechen. Es ist Zeit“, lenkt er vom Thema ab und wirft einen Blick auf seine Armbanduhr.
Noch immer kann ich seine muskulöse Brust an meiner Wange spüren und ich stöhne innerlich auf. Wahnsinn, was er für eine Naturgewalt ist. Mutter Natur hat es wahrhaftig gut mit ihm gemeint. An ihm ist kein unnützes Gramm Fett, seine Muskulatur ist nicht übertrieben und sein Gesicht ist wow. Wie sich wohl seine Haare anfühlen, wenn man die Finger hindurchschiebt? Sind sie so weich wie sie aussehen? Himmel – meine Gedanken driften ab und ich schüttle unmerklich den Kopf, damit ich wieder klar werde. Er ist mein Bodyguard und diese Wunschvorstellung wird sich niemals in der Realität umsetzen lassen. Ich bin sein Job. Nicht mehr und nichts anderes. Damit muss ich mich abfinden, auch wenn er mich reizt. Sehr sogar. Für mich ist er jedoch unerreichbar. Das kurze Stechen im Brustkorb ignoriere ich und streiche mir eine Strähne meines widerspenstigen Haars aus dem Gesicht.
Vermutlich wäre ich auch ohne diesen Auftrag nicht interessant für ihn.