Fluchend beende ich den eingegangenen Anruf und wähle die Nummer von Duncan. Der Informant wurde geschmiert und ich habe es nicht gemerkt. Wie ein Anfänger bin ich diesem Idioten namens Blaster auf den Leim gegangen und habe mich von meiner Zielperson entfernt. Von Rilana, die sich nun in dessen Gewalt befindet und vermutlich tausend Tode stirbt, während sie nicht weiß ob ich von dem Gespräch überhaupt etwas verstehen konnte.
„Cal? Ist was passiert?“
„Allerdings. Zwei meiner Männer liegen wie Weihnachtsgeschenke in meiner Küche auf dem Boden herum und dürften einen ziemlichen Schädel haben, wenn sie wach werden. Kannst du bitte hin und sie befreien? Dann schick sie auf die Suche nach Rilana. Einer von Nazaris Gorillas hat sie aus meinem Haus entführt und verschleppt sie in irgendeine gottverdammte Hütte mitten in der Einöde der Southern Glades“, fasse ich gepresst zusammen und schließe kurz meine Augen. „Ich bin an einem der Treffpunkte, gute drei Fahrstunden mit meiner Harley von Miami entfernt.“
„Moment – sie wurde aus deinem Haus verschleppt? Cal...“, höre ich seine verwunderte Stimme und ich knurre warnend.
„Du hast schon richtig gehört, Dunc, aus meinem Haus. Ich wollte sie nicht mitnehmen und habe Jared und Channing bei mir im Wohnzimmer geparkt. Nazaris Gorilla namens Blaster hat sie sich geschnappt und ich mache mich jetzt auf den Weg zurück. Tu mir den Gefallen und befreie die Beiden. Gib ihnen die Informationen und lass sie nach Rilana suchen. Alles Weitere erkläre ich dir in einer ruhigen Minute. Aktuell zählt ausschließlich sie!“
„Ist ja in gut, man. Ich mache mich auf den Weg. Sieh zu, dass du hier wieder aufschlägst. Vermutlich willst du diesen Blaster eigenhändig zu Hackfleisch verarbeiten.“
„Korrekt. Danke, Dunc. Bis später“, gebe ich todernst zur Antwort und beende das Gespräch.
Wütend verstaue ich mein Smartphone in der Innentasche meiner Lederjacke, packe meine wenigen Sachen wieder zusammen und verstaue sie in dem geheimen Staufach meiner Harley. Ich setze mir den Helm auf und ziehe mir die Handschuhe über, um mich dann auf meine Maschine zu schwingen. Mitten in der Nacht, irgendwo im Nirgendwo bei einem vermeintlich heimlichen Treffen mit einem meiner Informanten, welcher angeblich wichtige Informationen über Nazari für mich bereithielt. Nun stellt sich heraus, dass es kein Treffen geben soll und ich vollkommen grundlos in diese Einöde gefahren und Rilana dieser Gefahr ausgesetzt habe.
Es würde mit Sicherheit gute drei Stunden dauern bis ich wieder in Miami ankomme und nach ihr suchen kann. Passiert Rilana etwas, werde ich mir das niemals verzeihen können. Würde sie das gleiche Schicksal ereilen wie meiner kleinen unschuldigen Schwester. Damals konnte ich nichts tun, weil sie nicht mit mir gesprochen hat – weil sie alles allein regeln wollte, ohne ihren großen Bruder. Sich beweisen wollte, dass sie nicht so schutzbedürftig ist wie viele ihrer Freunde immer sagten. Verdammter Dreck! Mit voller Wucht schlage ich meine Faust auf den Lenker meines Bikes und knurre tief, mich dabei auf meine Harley schwingend und den Bock startend.
Hochkonzentriert verlange ich meiner Maschine alles ab, versuche so schnell wie möglich wieder nach Hause zu kommen, um keinerlei kostbare Zeit verstreichen zu lassen in der sich Rilana in den Händen von diesen armen Irren befindet. Hoffentlich sperrt der Gorilla sie einfach nur ein und bewacht die Hütte, bis Nazari in den nächsten Stunden eintrifft. Mit viel Glück würde es sogar einige Tage dauern, bis der Sohn des Scheichs sich dazu herabließ seine Gefangene zu ‚beehren‘. Darauf kann ich einfach nur bauen.
Eine gefühlte Ewigkeit später fahre ich endlich meine Auffahrt rauf und lege den Killschalter um, dabei springe ich bereits von meiner Maschine ab und hänge den Helm an den Lenker, die Handschuhe folgen umgehend und landen im Helm. Ohne Umschweife laufe ich in den Keller und betätige die verborgene Tür, um in mein Waffenlager zu gelangen, während ich mir unterwegs meine Lederjacke ausziehe und sie auf die Sitzbank im geheimen Raum zu werfen. Gezielt greife ich mir meine Remington Handfeuerwaffe, lege ein Magazin ein und verstaue sie im Schulterhalfter, welches ich mir umlege und festzurre. Zusätzlich greife ich mir zwei kleinere Messer, welche in entsprechenden Scheiden stecken und verstecke sie in meinen Stiefeln an den Fersen, um im Akutfall schnell darauf zugreifen zu können.
Konzentriert schlüpfe ich wieder in meine Jacke und greife nach dem Rucksack in dem ich einige wichtige Utensilien fertig gepackt lagere, um mir diesen über die rechte Schulter zu schwingen. Den Raum verlasse ich derweil wieder und verschließe die Tür hinter mir sorgfältig, damit in meiner Abwesenheit nicht irgendjemand unbefugtes versehentlich hineinstolpert. Mit schnellen Schritten eile ich in die Küche, packe einige Getränke und Nahrungsmittel in den Rucksack und mache mich dann mit meinem Camaro auf den Weg nach Southern Glades, um nach Rilana zu suchen. Sollte dieser dreckige Blaster ihr auch nur ein einziges Haar gekrümmt haben, wird ein Unglück über ihn hereinbrechen - das schwöre ich bei allem was mir heilig ist.
„Gibt es was neues, Dunc?“, komme ich ohne Umschweife auf das Kernthema meines Anliegens, ohne auf eine Begrüßung wert zu legen, als ich ihn über meine Freisprechanlage kontaktiere.
„Bisher nicht, Cal. Ich habe Jared und Channing eine Tablette gegeben, damit der Brummschädel sich verzieht, sonst geht’s ihnen soweit ganz gut. Wir sind im Gelände unterwegs und haben vorher abgecheckt wie viele Hütten es gibt, die derzeit offiziell unbewohnt sind. Du weißt, ich kenne da jemanden der sich hier auskennt wie in seiner eigenen Westentasche“, erklärt Duncan mir und ich rolle mit den Augen, weil mir das alles durchaus bewusst ist. „Es kommen acht Hütten in Frage. Wir haben uns aufgeteilt und somit fallen drei Hütten schon mal aus deinem Aufgabengebiet raus. Ich lasse dir die Karte mit den übrigen eingezeichneten fünf Hütten zukommen. Deine übrigen Mitarbeiter sind alle in Aufträgen und können sich nicht loseisen, also müssen wir vier ran, sorry man.“
„Fuck! Wir müssen uns beeilen, falls einer der vier Hütten, die du ausgewählt hast, nicht der Aufenthaltsort von Rilana ist. Die Hütten haben vermutlich keinen verwertbaren Eigentümer?“
„Wir haben alles überprüft – es gibt für diese acht Unterkünfte keinerlei legitimen Eigentümer. Alles Briefkastenfirmen. Unterschiedliche natürlich. In einer dieser Hütten muss sie also zu finden sein, Cal. Wir werden sie finden, mach dir keinen Kopf“, versucht er mich aufzumuntern.
„Sicher. Die Fragen sind: Wann und kommen wir rechtzeitig, ehe er ihr etwas antut, oder sie von dort wegschleppt. Ich hätte sie mitnehmen sollen und wäre einfach länger unterwegs gewesen, verdammte Scheiße!“
Ich schlage mit der Faust auf das Lenkrad und fluche noch einmal heftig, um mich irgendwie wieder runterzufahren und ruhiger zu werden. Von Gefühlen darf ich mich keinesfalls leiten lassen. Das ist gefährlich und kann alles verschlimmern statt verbessern.
„Du liebst sie, Cal“, stellt Duncan verduzt fest und ich presse meine Lippen zusammen. „Es ist in Ordnung sich zu verlieben. Auch in Zielpersonen. Es erschwert lediglich die Arbeit ein wenig.“
„Du hast leicht reden. Selbst wenn der Auftrag abgeschlossen ist: Welche Frau will denn so leben? Ich bringe mich ständig in Lebensgefahr und bin mit viel Pech oft in der Weltgeschichte unterwegs. Außerdem bringe ich ihr Leben in Gefahr und…“, wütend breche ich ab und knurre aufgebracht.
„Du bist der Boss, Calin. Gib gefährlichere Aufträge im Notfall ab und übernimm die weniger gefährlicheren. Wo ist das Problem? Du stehst dir eindeutig selbst im Weg, Kumpel.“
„Außerdem weiß ich nicht wie sie das sieht. Nur weil ich über meinen Schatten springe, muss sie diese Gefühle nicht auch automatisch erwidern“, halte ich schnaufend dagegen. „Konzentrieren wir uns nun lieber auf die Suche. Mit allem anderen kann ich mich später auseinandersetzen.“
„Rede dich nur raus“, lacht mein Freund und ich rolle wieder mit den Augen. „Ich bin in der Nähe der ersten Hütte angekommen. Den Rest lege ich zu Fuß zurück, falls es Wachen gibt weil ich mit Anhieb das richtige Gebäude erwischt habe. Ich melde mich mit dem Ergebnis umgehend zurück, sobald ich mehr weiß.“
Mit diesen Worten beendet er den Anruf und ich atme tief durch. Er hat schon irgendwie Recht. Ich bin der Inhaber der Sicherheitsfirma und kann mir Aufträge durchaus aussuchen. Aber will ich dafür andere Männer in Gefahr bringen? Kann ich das mit meinem Gewissen vereinbaren? Fuck! Gereizt trete ich das Gaspedal durch und versuche meinen Kopf frei zu bekommen, damit mir keine Fehler passieren, sollten mir diese Bastarde unter die Augen treten. Immerhin weiß ich nicht wie viele von Nazaris Gorillas dort herumschleichen und Wache schieben, um im Ernstfall weitere Männer zu alarmieren.