Ich erhebe mich mit klopfendem Herzen von der Liege, in Calins Richtung, drehe mich zu Elena um und lehne mich dabei eng an seine linke Seite, den Arm um seine Mitte schlingend. Meinen Kopf lege ich seitlich gegen seine Schulter und er zuckt weder zusammen, noch versteift er sich, was mich ein wenig mutiger werden lässt. Ob er ahnt, was ich vorhabe? Oder ist er ahnungslos? Sein herber, männlicher Duft steigt mir in die Nase und ich muss mich zusammenreißen, damit ich mich nicht wie eine rollige Katze an ihm reibe und schnurre.
„Wie kommst du darauf das Cal auf dich scharf ist, wenn er doch mit mir glücklich ist?“, mische ich mich, nun doch fast schnurrend, ein. „Warum sonst hat er mich wohl gefragt, ob ich endlich bei ihm einziehen möchte?“
Vorsichtig lege ich meine linke Hand flach auf seinen Bauch und schaue lächelnd zu ihm hoch. Seine harten Muskeln unter meinen Fingern zu spüren bringt meinen Kreislauf auf Touren und jetzt dreht er seinen Kopf auch noch leicht zu mir herunter, damit er meinen Blick erwidern kann. Mit vor Überraschung größer werdenden Augen kann ich nun live beobachten wie sein Mund sich zu einem Lächeln verzieht und ich glaube, ich falle jeden Moment in Ohnmacht. Calins Lächeln ist der absolute Wahnsinn! Seine Augen funkeln mich an und seine Lippen führen mich in Versuchung.
„Das kann jeder behaupten“, kommt es schnippisch von seiner nervigen Nachbarin. „Als ob er mit dir was anfangen würde.“
Augenblicklich versteife ich mich und muss mich zusammenreißen, damit ich mich nicht von Calin löse und einfach ohne einen Kommentar ins Innere seines Hauses flüchte. Sie hat einen wunden Punkt gefunden und das Messer direkt hineingerammt. Treffer – versenkt. Ich schlucke und versuche äußerlich die Ruhe zu bewahren, was mir überhaupt nicht leicht fällt.
„Und das weißt du woher?“, höre ich Calins Stimme und ich meine, er klingt wütend.
„Hast du Augen im Kopf, Calin?“, giftet sie ihn verständnislos an.
„Allerdings. Und ich sehe, dass Rilana die wundervollste Frau ist, die mir jemals begegnet ist. Sie hat weibliche Rundungen, die jeden Mann um den Verstand bringen können, Wahnsinnsaugen, ein hübsches Gesicht, Haare, in denen man seine Hände vergraben will“, antwortet er zu meiner Verblüffung und dreht seinen Kopf langsam wieder in meine Richtung, um mich anzuschauen. „… und verlockende Lippen, die zum Küssen förmlich einladen.“
Noch während er die letzten Worte ausspricht, senkt er seinen Kopf, mir dabei wie gebannt in die Augen schauend und trifft mit seinem Mund den meinen, während er seine Augen schließt. Mein kompletter Körper kribbelt, als würden Millionen Ameisen durch ihn hindurch laufen. Er dreht sich mir vollends zu, zieht mich fest an seinen Körper, seine linke Hand schiebt er in meine Haare, welche ich vorhin von dem Haargummi befreit habe und schlingt seinen rechten Arm in einer entschlossenen Bewegung um meine Taille, als hätte er Sorge, dass ich mich auf und davon mache. Danach steht mir allerdings nicht auch nur ein Bisschen der Kopf.
Meine Gedanken wirbeln wie ein Orkan durch meinen Kopf, denn ich hätte nie gedacht, dass er mich küssen würde. Eigentlich wollte ich ihm nur helfen und ein wenig provozieren, ohne ihm dabei ernsthaft zu nahe zu kommen. Schließlich will ich seine Privatsphäre nicht verletzen. Entgegen jeglicher Vorstellungen hält er mich nun in seinen Armen, drückt mich eng an sich und lässt seine Zunge fast schon zärtlich über meine Unterlippe streichen, als möchte er um Einlass bei mir bitten. In meinem Bauch machen die Schmetterlinge eine Party und fahren zwischendurch gefühlt mit einer Loopingbahn. Sollte meine Zeit auf Erden kurz sein, möchte ich bitte jetzt sterben und in den Himmel aufsteigen – mit seinen herrlichen Lippen auf den Meinen.
„Ist das dein verfuckter scheiß Ernst, Calin?!“, tobt die Barbiepuppenfehlpressung unweit von uns und stampft scheinbar mit dem Fuß wütend auf. „Du musst doch merken, dass wir zusammengehören und nicht dieses Flittchen und du!“
Calins Hand, welche in meinem Haar geschoben an meinem Nacken liegt, greift etwas fester zu und ich seufze innerlich enttäuscht auf, als er den Kuss löst, um seinen Kopf zu Elena zu drehen.
„Wie hast du sie grade genannt?“, will er leise, in einer grollenden Tonlage wissen.
„Die“, ruft sie schrill und zeigt dabei mit dem Finger auf mich „ist ein billiges Flittchen! Ich habe dich zu erst kennengelernt und du weißt, dass ich an dir Interesse habe!“
Ich rolle mit den Augen und will mich zu ihr umdrehen, werde aber von Calin aufgehalten, da er seinen Griff um mich nicht lockert. Es fühlt sich gut an so in seinen Armen zu stehen, allerdings kann ich Elena so nicht richtig anschauen. Nicht, dass ich das unbedingt wollen würde, so wurde ich dennoch erzogen.
„Wie willst du beurteilen, wie lange ich Rilana bereits kenne?“
„Ich...“, beginnt sie den Satz, bricht ihn dann aber ab und ich wende meinen Kopf leicht in ihre Richtung.
Ihr Blick klebt auf Calin, ihre Augen sind vor Unglaube geweitet und sie sieht aus, als wäre sie total unentspannt. Mit hochgezogener Augenbraue hebe ich meinen Kopf etwas an und schaue zu ihm hoch, um den Grund für Elenas Schockstarre ausfindig zu machen. Sein Gesicht ist eine Maske des Todes. Wenn Blicke erdolchen können, dann wäre seine Nachbarin durchlöchert bis zu get no. Aber viel erschreckender ist sein Blick an sich: seine hellblauen Augen sprühen quasi eisige Blitze und das Hellblau wirkt fast weiß. Normalerweise verdunkeln sich Augenfarben bei Wut oder anderen Gemütszuständen, nicht aber bei Calin Moldovan. Vermutlich leuchten seine Augen im Dunkeln wenn er vor Wut fast aus der Haut fährt.
„Wag es nie wieder sie so zu titulieren. Und schon gar nicht in meiner Gegenwart. Ansonsten garantiere ich dir, dass du keine Ruhige besonnene Minute mehr in deinem Leben genießen wirst. Verstanden?“, grollt er ihr in einem sehr ruhigen, aber leisen Tonfall.
Behutsam lässt Calin mich los und ich vermisse sofort seine beruhigende und schützende Nähe. Er macht seinen Schritt auf Elena zu und verdeckt mich mit seinem trainierten Körper vor ihr. Auf meiner Unterlippe kauend wende ich mich in beider Richtung und knete meine Finger nervös. Wegen mir sollen sie sich nicht auch noch prügeln. Allerdings bin ich fest davon überzeugt, dass er seine Hand Frauen gegenüber nicht erhebt. Es sei denn, es handelt sich um Notwehr, oder er muss sich generell verteidigen. Es gibt ja schließlich nicht nur männliche Irre auf dieser Welt, wie man gerade unschwer erkennen kann.
„Und nun verschwinde von meinem Grund und Boden, oder ich befördere dich eigenhändig hinunter.“
Ohne ein weiteres Wort zu verlieren macht sie auf dem Hacken kehrt und flüchtet gerade zu die wenigen Stufen der Terrasse hinab, um dann ein paar Meter weiter in ihr Haus zu laufen. Das Zuschlagen der Tür kann man bis zu uns hören. Dann kehrt Stille ein, wenn man von den Standbesuchern und den kreischenden Vögeln am Himmel mal absieht, in der sich meine Gedanken überschlagen. Wie soll ich mich ihm gegenüber nun verhalten? Immerhin habe ich das so nicht geplant. Ein wenig provozieren ist der Masterplan gewesen, aber nicht das wir uns küssen und die massive Holzterrasse fast in Flammen aufgeht.
Unsicher kaue ich auf meiner Unterlippe herum und knete meine Finger wieder, dabei kann ich meinen Blick nicht von seiner muskulösen Rückenansicht nehmen. Meine Lippen brennen noch immer und ich kann ihn regelrecht schmecken. Am liebsten möchte ich ihn an mich ziehen und meinen Mund wieder auf seinen pressen, damit ich herausfinde wie seine Zunge sich an meiner anfühlt. Holy fuck… ich bin direkt abhängig von ihm geworden. Von nur einem einzigen unschuldigen Kuss, der nicht mal geplant gewesen ist.
Calin dreht sich langsam zu mir um und ich blicke ihm nun genau auf die breite Brust, die ich bis vor kurzem noch direkt vor der Nase hatte. Im wahrsten Sinne des Wortes. Innerlich stöhne ich unsicher auf und hebe meinen Blick, um dem Seinen zu begegnen.
Sicherlich ist er nun auf mich sauer, weil ich ein Spielchen mit Elena spielen wollte und ihn mit in die Sache hineingezogen habe.