Schlaftrunken blinzle ich und sehe mich leicht irritiert um, da ich mich zuerst nicht orientieren kann und stelle fest, dass ich in einem steril anmutenden Krankenzimmer liege. Es ist noch dunkel und nur der Schein des Mondes erhellt den Boden vor dem Bett. Was hat mich aufgeweckt? Ermattet schließe ich meine Augen wieder und reiße sie dann auf, als mir einfällt, dass Rilana eigentlich neben mir liegen und schlafen sollte, dies aber augenscheinlich nicht tut. Mit verkniffenem Mund, da meine verletzte Schulter schmerzt, kämpfe ich mich aus dem Bett und gehe langsam zur Badezimmertür, weil ich den Lichtschein unter der Tür erkennen kann.
„Mo chridhe?“, klopfe ich leise gegen das Holz, um sie nicht zu erschrecken. „Alles in Ordnung bei dir?“
Ein Klappern und Rascheln ist zu hören, dann öffnet sie die Tür und schaut mich zaghaft lächelnd an, was mich irritiert. Seit wann ist sie denn so unsicher?
„Geht es dir gut, Rilana?“, hake ich besorgt nach, weil sie mir noch immer nicht geantwortet hat.
„Es ist alles okay.“
Ich lege meine rechte Hand an ihre Wange, da ich den linken Arm durch die Verletzung leider nicht so benutzen kann wie ich möchte und drehe ihr Gesicht so, dass es nicht mehr im Schatten liegt. Ihre Augen sind gerötet und ich kann erkennen, dass sie geweint hat, was mir einen Stich ins Herz versetzt. Es ist nicht alles okay und das muss sie mir nicht einmal direkt sagen – ich kann es ganz deutlich sehen.
„Du hast geweint, Kleines. Es ist nicht alles in Ordnung. Sprich mit mir“, bitte ich sie mit leiser Stimme und einem liebevollen Blick. „Ich ertrage es nicht, wenn du traurig bist.“
„Calin…“, murmelt sie meinen Namen mit zittriger Stimme und beißt sich auf die Unterlippe, meinem Blick kurz ausweichend, um mich dann wieder anzuschauen.
„Ja, Süße?“
Sie scheint mit sich zu ringen und ich kann ihren Zwiespalt sehen. Was auch immer ihr auf der Seele liegt, belastet sie wirklich. Und es fällt ihr schwer, sich mir zu öffnen, was gänzlich neu für mich ist. Zärtlich gebe ich ihr einen Kuss, dann noch einen und einen letzten Weiteren, der wesentlich inniger und länger ausfällt. Dann schaue ich ihr wieder in die Augen und lächle sie aufmunternd an. Rilana seufzt leise und schließt für einen Moment die Augen, um mich dann anzuschauen und meine rechte Hand in ihre zu nehmen. Ich nehme meinen Blick nicht von ihrem Gesicht und spüre, wie sie mir etwas in die Hand legt und meine Finger darum schließt, was mich nun vollends verwirrt.
Zögerlich macht sie einen kleinen Schritt nach hinten und schaut, sich dabei auf der Unterlippe herum kauend, auf meine Hand hinab. Egal was das in meiner Hand ist, ich sollte mir überlegen, wie ich reagiere, denn dieser Schritt gerade fiel ihr ganz klar sehr schwer. Langsam hebe ich meine geschlossene Faust und senke mein Augenmerk auf diese, mein Hirn geht alle Möglichkeiten im Schnelldurchlauf fest, bis es plötzlich PLING macht. Rilana hat sich im Bad befunden, seitdem ist sie unsicher und scheint sich fast vor meiner möglichen Reaktion meinerseits zu fürchten. Mein Puls beschleunigt sich und ich wage es fast nicht zu glauben. Zu glauben, dass sie vielleicht von mir schwanger sein könnte. Von mir, dem sturen, einzelgängerischen Kerl, der sich bis vor kurzem nicht vorstellen konnte, sich fest an eine Frau zu binden und sich trotzdem kopfüber in eine Beziehung gestürzt hat.
Zugegeben, es ist eine rasante Entwicklung unserer Beziehung, aber mich stört es beruhigender Weise überhaupt nicht. Ist sie tatsächlich jetzt schon schwanger, könnte ich glücklicher schon fast gar nicht mehr sein – wenn auch ziemlich überrascht. Ich schaue sie an und unsicher erwidert sie meinen Blick, malträtiert dabei weiterhin ihre Unterlippe und ich lächle sie, sicherlich ziemlich grenzdebil, einfach nur an. Rilana blinzelt deutlich irritiert und ihr Blick wechselt zu fragend.
„Wenn das in meiner Hand ein positiver Schwangerschaftstest ist, machst du mich damit zum glücklichsten Bodyguard auf der ganzen Welt“, teile ich ihr schlicht mit.
Ihre wundervollen grünen Augen weiten sich merklich und ihr Mund klappt ein Stück weit auf. Sie hat sicherlich alles erwartet: dass ich die Finger von dem Gegenstand in meiner Handfläche löse und entweder Freude oder Entsetzen mein Gesicht flutet; das ich sie vielleicht einfach stehen lasse. Aber nicht damit, dass ich nicht zuerst nachschaue und einfach ins Blaue rate – und ihr ganz nebenbei mitteile, dass sie mich nicht glücklicher machen könnte.
„Bist du... bist du dir da sicher? Ich meine… ich… wie sieht das aus?“, stammelt sie zusammenhanglos und ich öffne meine Hand, um auf den darin liegenden Gegenstand zu betrachten.
Im Lichtschein aus dem Badezimmer glänzt der von mir erwartete digitale Schwangerschaftstest, welcher mir anzeigt, dass die Frau, die ich liebe, ganz eindeutig von mir schwanger ist. Meine Eingebung stellt sich also als richtig heraus und ich ziehe sie mit meinem gesunden rechten Arm an der Taille an meine Brust, um ihre Lippen zur Antwort mit meinen Lippen zu versiegeln. In diesen Kuss lege ich all meine Liebe zu ihr, um ihr zu verdeutlichen, dass es sich für mich genau richtig anfühlt und ich tatsächlich glücklich darüber bin.
„Ich denke jetzt nicht, dass alles Kalkül deinerseits gewesen ist oder dass du es locker hinnimmst, dass du von mir schwanger bist, mo chridhe. Ich liebe dich und ich weiß, dass auch deine Liebe für mich echt ist. Du würdest mir absolut kein Kind unterschieben wollen, um mich an dich zu binden. Denk so etwas nicht, Süße.“
„Du bist nicht sauer, enttäuscht oder entsetzt?“
„Nein. Ganz und gar nicht. Eher im Gegenteil. Es war zwar nicht geplant, aber ich freue mich trotzdem darüber. Du bist, zumindest was Nazari anbelangt, außer Gefahr und nun habe ich einen weiteren Grund dich – euch – zu beschützen. Die kleineren Fische werde ich gemeinsam mit Duncan und Fiona auch noch hinter Schloss und Riegel bringen“, versichere ich ihr und küsse sie sanft auf die Stirn, um sie zu beruhigen.
Mein Herzschlag und auch Puls haben sich mittlerweile wieder beruhigt, das tiefe Glücksgefühl jedoch ist noch vorhanden und ich genieße es. Gott, wie sehr habe ich mir einen sicheren Hafen gewünscht; einen Anker, der mich stabil hält. Und nun habe ich diese eine Person gefunden und möchte sie nie wieder hergeben. Um sie zu retten, nun auch unser ungeborenes Kind, würde ich jederzeit mein Leben opfern. Ohne auch nur für eine Sekunde zu zögern.
„Lass uns noch ein wenig schlafen, du hast Ruhe dringend nötig“, lächelt sie mich nun wieder mit ihrem inneren Leuchten an und ich schalte das Licht hinter ihr aus, damit wir uns wieder ins Bett legen können. Eng kuschelt sie sich wenig später an meine rechte Seite und ich betrachte im Halbdunkel den Test auf dem Nachttisch, mit einem seligen Grinsen im Gesicht. Ob sich Onkel Duncan und Tante Fiona wohl freuen werden?
„Egal was auch passiert oder dich bedrückt, mo chridhe. Sprich mit mir, ich bin für dich da – ohne Einschränkungen“, hauche ich ihr ins Ohr und sie reibt ihre Nase erleichtert seufzend an meinem Hals, ihr Atem streicht warm und mich in den Schlaf lullend über meine Haut und ich merke, wie ich in den Schlaf zurück drifte.